John Sinclair Sonder-Edition Sammelband 6 - Horror-Serie - Jason Dark - E-Book

John Sinclair Sonder-Edition Sammelband 6 - Horror-Serie E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

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Sammelband 6: Drei gruselige Folgen der Kultserie zum Sparpreis!


John Sinclair - das besondere Gruselerlebnis: Begleite John Sinclair auf seinen gruseligen Abenteuern und ziehe mit ihm in den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit. Erlebe mit, wie John Sinclair zum Schrecken der Finsternis wurde und die Serie Kultstatus erreichte.

Mit über 300 Millionen verkauften Romanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen verkauften Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horror-Serie der Welt.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John mit so bekannten Gegnern wie Asmodis, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 16 bis 18 der John Sinclair Sonder-Edition:
16: Blutige Rosen

17: Satans Eulen

18: Der Höllenbote

Tausende Fans können nicht irren - über 320 Seiten Horrorspaß garantiert!

Jetzt herunterladen und sofort losgruseln!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 566

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Titelbild: shutterstock/Fotokostic ISBN 978-3-7325-7042-3

Jason Dark

John Sinclair Sonder-Edition Sammelband 6 - Horror-Serie

Inhalt

Jason DarkJohn Sinclair Sonder-Edition - Folge 016Jede Frau freut sich, wenn man ihr Rosen schenkt. Jane Collins ging es nicht anders, als ein Bote ihr den Strauß gelber Rosen überbrachte. Im Strauß steckte eine Grußkarte. Von einem unbekannten Verehrer, las Jane. Sie war entzückt - bis die Rosen blutige Tränen weinten und Jane klar wurde, dass der unbekannte Verehrer nur der Teufel sein konnte ...Jetzt lesen
John Sinclair Sonder-Edition - Folge 017Ich habe in meinem Leben zahlreiche Dämonenarten kennengelernt. Die Strigen gehörten zu den schlimmsten. Große, eulenähnliche Vögel, mit einem skelettierten Schädel und messerscharfen Zähnen. Sie kamen aus einer anderen Dimension und fanden nachts ihre Beute. Ich befand mich mit meinen Freunden auf einer Kreuzfahrt. Der Angriff der Strigen erfolgte wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und plötzlich hing das Leben von über zweihundert Menschen an einem seidenen Faden ...Jetzt lesen
John Sinclair Sonder-Edition - Folge 018Auf einer Gemälde-Ausstellung war ich der einzige Besucher, und die Ausstellung bestand nur aus einem einzigen Bild. Es zeigt den Höllenboten! Ein skelettiertes Wesen, eingehüllt in einen langen schwarzen Mantel, der in gewaltige Schwingen überging. Der Höllenbote stützte sich auf ein goldenes Schwert. Ich kannte die Waffe, sie gehörte Kara, der Schönen aus dem Totenreich. Wie war das goldene Schwert in die Hand des Höllenboten gelangt? Bevor ich eine Antwort finden konnte, wurde das Wesen lebendig, und sein Amoklauf begann ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Blutige Rosen

Vorschau

John Sinclair ist der Sohn des Lichts. Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis ist seine Bestimmung. Als Oberinspektor bei Scotland Yard tritt er Woche für Woche gegen Zombies, Werwölfe, Vampire und andere Höllenwesen an und begeistert weltweit eine treue Fangemeinde.

Mit der John Sinclair Sonder-Edition werden die Taschenbücher, die der Bastei Verlag in Ergänzung zu der Heftromanserie ab 1981 veröffentlichte, endlich wieder zugänglich. Die Romane, in denen es John vor allem mit so bekannten Gegnern wie Asmodina, Dr. Tod oder der Mordliga zu tun bekommt, erscheinen in chronologischer Reihenfolge alle zwei Wochen.

Lesen Sie in diesem Band:

Blutige Rosen

von Jason Dark

Als es an der Tür klingelte, trug Jane Collins nur ihren schwarzen Rock. Die rote Seidenbluse lag noch auf der Einkaufstüte. Jane hatte sie überstreifen wollen, war aber durch den Gong gestört worden.

Eigentlich erwartete die blonde Privatdetektivin keinen Besuch, und sie wusste auch nicht, wer an diesem Abend zu ihr wollte. Jedenfalls war sie nicht verabredet.

Beim zweiten Klingeln streifte sie die neue Bluse über und knöpfte sie auf dem Weg zur Tür zu. Sie blickte durch den Spion – und sah nur gelb. Gelbe Blumen, Rosen, um genauer zu sein. Der Strauß war so groß, dass Jane den Mann, der ihn in der Hand hielt, nicht erkannte. Der Kopf verschwand hinter der gelben Pracht.

Viele Frauen hätten die Tür aufgerissen und sich die Rosen geschnappt. Jane war da vorsichtiger. Ihr Beruf hatte sie so werden lassen. Sie wartete ab. Hinter dem Rosenstrauß konnte ein Mann stehen, der eine schussbereite Waffe in der Hand hielt, denn Jane war schon einigen Ganoven der Londoner Unterwelt kräftig auf die Füße getreten.

Sie öffnete die Tür so weit, bis sie von der Sicherheitskette gehalten wurde.

Eine noch junge Stimme fragte: »Sind Sie Miss Collins?« Gleichzeitig drückte der Mann den Rosenstrauß zur Seite, sodass sein sommersprossiges Gesicht zu sehen war, das allmählich rot wurde, je länger er die Detektivin ansah.

Jane zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. »Das bin ich.«

»Dann … dann ähm … soll ich den Strauß hier für Sie abgeben.«

»Wirklich für mich?«

»Ja, Miss.«

»Moment.« Jane schloss die Tür wieder und holte ihre Geldbörse, um dem Boten ein Trinkgeld in die Hand zu drücken.

Dafür bekam sie den Strauß. Der Bote deutete sogar noch eine linkische Verbeugung an, bevor er mit hochrotem Kopf abzog.

Janes Augen strahlten. Herrlich, diese Blumen. Es waren mindestens fünfundzwanzig Rosen, und jede Blüte leuchtete in einem satten Gelb, wie sie es selten gesehen hatte.

Jane war in der Diele stehen geblieben, brachte die Blüten näher an ihre Nase und sog den Duft ein. Er war herrlich. Regelrecht betäubend. Jane konnte sich nicht erinnern, dass Rosen je so intensiv geduftet hatten. Wirklich wundervoll. Wer mochte ihr die geschickt haben?

Sie dachte darüber nach, als sie in den Wohnraum ging und Ausschau nach einer entsprechenden Vase hielt. Es kamen einige Männer infrage. Vielleicht ein Klient, der mit ihrer Arbeit besonders zufrieden gewesen war. Oder John Sinclair? Auch das war möglich, obwohl man ihn nicht als Rosenkavalier bezeichnen konnte. John hatte zu viele andere Dinge im Kopf. Als sie die Rosen ablegte, sah sie die kleine Karte. Sie steckte zwischen den Stielen, war in Grün gehalten und hatte sich deshalb kaum farblich abgehoben.

Mit spitzen Fingern zog Jane Collins sie hervor.

»Von einem unbekannten Verehrer«, las sie halblaut. Jetzt war sie ebenso schlau wie zuvor. »Dann eben nicht, mein Lieber«, sagte die Detektivin und lief in die Küche, wo sie auch Vasen stehen hatte.

Sie nahm die größte hervor und ging damit zurück. Es war ein altes Erbstück ihrer Großmutter aus echtem Kristallglas. Die Vase hatte die Form eines Kelches, der nach oben hin ein wenig auseinanderlief. Jane musste die Blumen teilen und sie fast einzeln in die Vase stecken, denn alle auf einmal passten nicht durch die Öffnung.

Vorsichtig hob sie die Vase an und stellte sie auf den runden Esstisch. Hier sollten die Blumen ihren Platz bekommen.

Jane Collins trat zwei Schritte zurück, um sich den Strauß noch einmal anzusehen. Wirklich prächtig sah er aus. Einfach ein Gedicht. Ein toller Gruß. Nur – wer hatte ihn geschickt? Diese Frage wollte Jane Collins nicht aus dem Kopf. Sollte John Sinclair vielleicht doch …?

Sie hob die Schultern, ging zum Barschrank, wo der trockene Martini stand und das Eis in einer Kühlbox lag. Sie ließ Eiswürfel in das Glas rutschen und goss Martini darüber. Dann trank sie. Kalt und bitter rann es über ihre Zunge. Jane kaute den Martini regelrecht, während sie den Rosenstrauß keinen Augenblick aus den Augen ließ.

Er machte sich gut auf dem runden Tisch. Die Knospen waren voll erblüht. Da Jane wusste, wie teuer Rosen um diese Jahreszeit waren, hatte sich der Käufer den Strauß einiges kosten lassen. Aber wer war der Verehrer?

Jane leerte ihr Glas. Sie war nicht umsonst Detektivin, und sie würde es herausbekommen, das nahm sie sich fest vor. Bevor sie das leere Glas in die Küche brachte, sah sie sich den Strauß noch einmal an.

Langsam wurden ihre Augen groß. Der Schrecken stahl sich nur allmählich in ihren Blick und malte sich auch auf dem Gesicht ab. Was sie da entdeckt hatte, war ungeheuerlich. Eine schaurige Provokation, ein Bild des Schreckens.

Zögernd trat sie einige Schritte vor. Sie wollte genau sehen, ob sie sich nicht getäuscht hatte.

Nein, das Bild blieb. Durch die Nähe war es nur noch klarer und intensiver geworden. Einer Täuschung war Jane Collins nicht erlegen. Aus den gelben Rosen lief eine dunkelrote Flüssigkeit. Blut!

***

Blutige Rosen!

Jane Collins erschauderte. Eine kalte Hand schien über ihren Rücken zu streichen. Die Detektivin bekam eine Gänsehaut, aber sie schrie und tobte nicht, sie verhielt sich völlig ruhig. Zu ruhig eigentlich …

Bis Jane das Zittern bemerkte. Es erfasste ihren gesamten Körper, und den Grund dafür konnte sie sich nur dadurch erklären, dass sie von einem Extrem ins andere gerissen worden war. Erst die prächtigen gelben Rosen und dann das Blut dazwischen.

Ein grauenhafter Kontrast, den sich nur ein dämonisches, pervertiertes Gehirn ausdenken konnte.

Der Teufel ist dein Verehrer! So zuckte der Gedankenblitz in Janes Kopf auf. Es kann nur der Teufel sein, der solche Geschenke verteilt.

Immer mehr Blut drang aus den Rosen. Als würde eine Pumpe es durch die Stiele in die Blüten drücken, die das Blut nicht fassen konnten und deshalb überliefen.

Jane Collins hatte schon einiges hinter sich. Sie war in Situationen gewesen, in denen sie schon mit dem Leben abgeschlossen hatte, im letzten Augenblick jedoch gerettet worden war. Allerdings hatte sie sich in diese Situationen, die bei manchen Fällen oft zwangsläufig kamen, besser hineindenken können, aber hier traf sie der Schock unvorbereitet.

Jane Collins war so durcheinander, dass sie überhaupt nicht wusste, was sie tun sollte. Sie stand nur da und starrte auf den so grausam veränderten Rosenstrauß. Die Karte lag daneben. Ein Gruß von einem unbekannten Verehrer. Kein Name stand dort. Aus gutem Grund, wie Jane jetzt wusste.

Wie verloren wirkte die Karte neben dem Strauß. Janes Blick schweifte über sie, und abermals wurden ihre Augen groß, denn auch auf der Karte hatte sich etwas verändert.

Die von den Rosenblüten fallenden Blutstropfen waren nicht nur auf die Tischdecke getropft, wo sie breite Flecken hinterließen, sondern auch auf die Karte. Und hier geschah etwas Gespenstisches. Als würde ein unsichtbarer Federhalter in das Blut eintauchen, so veränderte sich der Tropfen und wurde zu einer Schrift.

Ein Name entstand. Der Absender des Straußes. Obwohl es Jane schwerfiel, trat sie noch näher an den Tisch heran. Sie wollte es wissen, wollte den Namen lesen.

Nicht der Teufel hatte die Blumen geschickt, sondern ein anderer, der ihm kaum nachstand, was das Böse betraf. Es war Gordon Schreiber!

Tief holte Jane Collins Luft. Sie sah die ausgeschriebenen Buchstaben, die den Namen bildeten, und in ihrem Kopf formierten sich die Gedanken. Sie wurden zu einem Bild zusammengefasst, das vor dem geistigen Auge der Detektivin erschien.

Ein großer, dunkelhaariger Mann, ein Erfolgstyp, der Besitzer einer Burg in der Schweiz, in deren Gewölben Hexenfeste gefeiert wurden. Grausame Partys, und Jane war in den Trubel mit hineingeraten. Sie hatte nur mit schweren Verletzungen gerettet werden können.1

Das Bild verschwand. Dafür erschien ein anderes. London. Eine Hexe namens Wikka, die Königin aller Hexen auf der Erde. Grausam, dem Satan ergeben und mit einer Schlange zu vergleichen, denn Schlangen waren es, die sie liebte.

Wikka und Gordon Schreiber hatten sich gefunden und in London einen Hexenzirkel ins Leben gerufen. Sie waren ungemein brutal vorgegangen, auch Jane war in ihre Klauen geraten und auf einem alten Boot gefangen gehalten worden. Und als wäre es erst gestern gewesen, so sah Jane die brennenden Flöße über die Themse treiben und hörte die Schreie der Verurteilten.2

Es war eine schreckliche Nacht gewesen. Hexenwahn in London. Mit geballter Kraft hatten die Geisterjäger gegen den mächtigen Feind gekämpft, ihn jedoch nicht besiegen können, denn Wikka und auch Gordon Schreiber waren entkommen.

Es war klar, dass sie nicht irgendwohin geflohen waren. Nein, sie hatten im Verborgenen auf ihre erneute Chance gelauert. Typen wie sie gaben nicht auf. Nun schien die Chance gekommen zu sein.

Jane Collins nickte, als wollte sie sich selbst bestätigen. Und dann entschloss sie sich, jemanden anzurufen. John Sinclair, den Geisterjäger!

***

Mit Glück hatte ich noch einen Parkplatz gefunden, verließ den Wagen und schloss ihn ab. Es war noch immer winterlich. Obwohl wir bereits Anfang März hatten, spürte man noch keinen Hauch von Frühling. London lag noch immer im Winterschlaf. Allerdings waren die Temperaturen über den Gefrierpunkt geklettert. Am Nachmittag hatte es geregnet, jetzt hing grauer Dunst zwischen den Häusern und lag auch über den Straßen.

Ich hängte meinen Mantel über die Schultern und stellte den Kragen hoch. Eigentlich hatte ich gar nicht mehr vorgehabt, an diesem Abend noch rauszufahren, aber Jane Collins’ Stimme hatte irgendwie verzweifelt geklungen. Sie hatte von blutigen Rosen gesprochen, die ihr jemand geschenkt hatte.

Viele Menschen hätten darüber vielleicht gelacht, ich nicht. Zu viel war mir in meiner Laufbahn als Geisterjäger schon passiert. Ich wusste mehr als andere, mir war bekannt, dass es Wesen gab, die so grausam reagierten, dass sich der menschliche Verstand oft weigerte, dies zu akzeptieren.

Es gab wirklich eine Hölle, aber nicht nur die allein, die man aus der Bibel oder alten Schriften her kannte, nein, die Sachlage war viel komplizierter. Mehrere Höllen existierten, wie viele es genau waren, wusste ich nicht, weil jede Mythologie und jedes Volk eine eigene Hölle hatte, und in jeder Hölle regierte ein oberster Herrscher über zahlreiche Dämonenheere.

Es gab allerdings einen, der über allem stand. Und er verkörperte das absolut Böse. Luzifer war der Kaiser aller Höllen.

Ob ich ihn jemals zu Gesicht bekam und ob ich es dann überleben würde, das war die große Frage. Deshalb konnte mir Luzifer in gewissem Sinne auch gestohlen bleiben, ich hatte mit den anderen Höllenherrschern genug zu tun.

Zum Beispiel mit Asmodis, der von der christlichen Religion als der Teufel angesehen wurde. Er hatte mir verdammt viel Ärger bereitet, und er fand unter den Menschen immer wieder Diener, die ihm huldigten. Allerdings gab es auch Wesen, die ihn bekämpften, zum Beispiel Dr. Tod, der Mensch-Dämon. Er hatte es geschafft, Asmodina, die Tochter des Teufels, zu vernichten, wobei er und seine Mordliga auch Verluste hatten einstecken müssen.

Da hatte sich etwas angebahnt, das ich, wenn ich ehrlich sein sollte, nicht ungern sah. Dämonen bekämpften sich gegenseitig, meine Freunde und ich konnten die lachenden Dritten sein.

Jetzt hatte die andere Seite wieder zugeschlagen. Gegen Jane Collins, die Privatdetektivin. Es stand längst nicht fest, dass sie mich treffen wollten, auch Jane war eine Person, die bei der anderen Seite nicht gerade in gutem Licht stand. Sie hatte oft genug mit mir zusammen gekämpft. Gründe für Anschläge auf die Detektivin gab es genug.

Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich Janes Haus ansteuerte. Natürlich gehörte es nicht ihr. Jane wohnte in einem Hochhaus, genau wie ich. Es war eine richtige Junggesellenbude.

Das Haus erinnerte mich immer an eine moderne Bienenwabe. Wenn ich an der Front hochblickte, sah ich zahlreiche Fenster, hinter denen Licht schimmerte. Die Fassade kam mir vor wie das Bild eines modernen Grafikers. Das große Klingelbrett war außen angebracht. Ich war schon zu oft hier gewesen, um erst lange zu suchen. Zielsicher fand mein Finger den richtigen Knopf, und ich drückte.

Jane musste an der Tür gewartet haben, denn sofort vernahm ich aus den Lautsprecherrillen das Knacken und dann ihre Stimme.

»Ich bin’s«, sagte ich nur.

»John, Gott sei Dank. Ich drücke auf.«

Als das Summen ertönte, stieß ich die Tür nach innen.

Der Portier sah mich und nickte. Wenn einer der Mieter freiwillig öffnete, war für ihn die Sache gelaufen.

Fast lautlos brachte mich der Lift hoch. Als ich ausstieg, hatte es Jane nicht mehr in der Wohnung ausgehalten, sie stand im Flur und sah mir entgegen. Sie sah blass aus, der Schock musste ihr noch in den Knochen stecken.

»John, ich bin so froh«, sagte sie und fiel mir in die Arme.

Ich strich über ihr Haar. Meine linke Hand lag dabei an ihrem Rücken. Ich merkte, wie sie zitterte.

Wir gingen in den Wohnraum. Die Rosen fielen mir sofort auf. Sie standen in einer Glasvase auf dem runden Esstisch. Darüber brannte die Lampe, sie beleuchtete die Blütenpracht – eine makabre Pracht. Denn zwischen den gelben Blüten sah ich das Blut.

Auch ich war nicht gerade angenehm überrascht. Die dicken, roten Tropfen hatten sich nicht nur auf den grünen Blättern verteilt oder waren wie Sirup an den Stielen nach unten gelaufen, sondern lagen auch auf der weißen Decke, wo sie zu Flecken zerlaufen waren.

Ich traute mich nicht, die Blüten anzufassen, sondern blieb vor dem Tisch stehen und sah mir den Strauß an. Es war verständlich, dass Jane einen Schock bekommen hatte, denn diesen makabren Gruß hätte wohl kaum jemand verkraftet.

»Ob das Blut echt ist?«, flüsterte Jane. Sie stand neben mir und hatte eine Hand auf meine Hüfte gelegt.

»Ich weiß nicht.«

»Du könntest den Strauß mitnehmen und ihn untersuchen lassen«, schlug die Detektivin vor.

Ich nickte. »Ja, das werde ich machen.« Dann drehte ich mich zu ihr um. »Sag mal, kannst du dir denken, wer dir so etwas geschenkt haben könnte?«

Für einen Moment sah Jane mich an. Dann öffnete sie den Mund, und ein Satz drang über ihre Lippen. »Meine Güte, John, bin ich dumm.«

»Wieso?«

»Ich weiß doch, wer ihn mir geschickt hat.«

»Wirklich?«

Jane nickte. »Moment.« Sie machte kehrt und nahm vom Wohnzimmertisch eine Karte auf. Bevor ich sie genau sah, erkannte ich bereits die rote Schrift. »Mit Blut geschrieben«, sagte Jane und schüttelte sich, als hätte sie jemand mit Wasser übergossen.

Ich nahm die Karte entgegen. Ein Name stach mir ins Auge. Deutlich und klar stand er dort zu lesen. Gordon Schreiber.

***

Gordon Schreiber war ein starker Gegner, und nicht nur er, auch Wikka, die Königin aller Hexen, gehörte zu ihm. Die beiden dienten Asmodis, und sie hatten uns bereits viel Ärger bereitet.

»Was sagst du dazu?«, fragte Jane.

Ich hob die Schultern. »Eigentlich ist es keine Überraschung. Beide sind damals entkommen. Dass sie aufgegeben haben, konnte ich mir sowieso nicht vorstellen.«

»Aber was bezwecken sie mit den Rosen?«

»Keine Ahnung. Vielleicht eine Warnung.«

»Nur für uns?«

»Du meinst, dass vielleicht nicht nur wir die Rosen geschenkt bekommen haben?«

»Es wäre möglich.«

»Die Frage ist, wie man herausfinden soll, wer alles noch einen Strauß hat. Du weißt nicht zufällig den Namen des Überbringers?«

»Nein, John. Ich war viel zu überrascht, als der junge Mann plötzlich vor mir stand.«

»Ja, das ist verständlich. Die Spur verläuft ins Nichts.«

»Ein Mordanschlag ist es wohl nicht«, sagte die Detektivin. »Es ist zwar schaurig, wenn Blut aus den gelben Rosen quillt, aber davon stirbt man nicht.«

»Nein, davon nicht«, murmelte ich.

»Du sagst das so komisch, John.«

»Vielleicht haben die Rosen noch eine andere Bedeutung. Wer kann das wissen?«

»Meinst du, sie sind gefährlich?«

»Möglich. Auf jeden Fall darf der Strauß nicht hier stehen bleiben. Ich werde ihn mitnehmen und untersuchen lassen.«

»Soll ich dich begleiten?«

»Nicht nötig, Jane. Ich gebe dir Bescheid, wenn etwas dabei herausgekommen ist.«

»Aber sofort.«

»Sicher, das verspreche ich.«

Jane holte Papier aus der Küche, in das ich die Rosen einwickeln konnte. Ich wollte so wenig Blut wie möglich an meine Hände bekommen. Auch das Wasser in der Vase hatte einen rosigen Schimmer bekommen. Das Blut hatte sich nicht gelöst, sondern schwebte förmlich im Wasser.

»Sei nur vorsichtig«, warnte die Detektivin, als ich, bepackt mit dem makabren Rosenstrauch, das Zimmer verließ.

»Klar«, gab ich lächelnd zurück. »Sie sind ja hoffentlich ausgeblutet.«

»Über den Scherz kann ich nicht lachen.«

Ich hauchte Jane noch einen Kuss auf die Wange und verließ ihre Wohnung. Als Rosenkavalier eignete ich mich wirklich nicht. Ich kam mir direkt komisch vor. Da ich den Liftknopf nicht sofort fand, musste ich erst mit der Hand an der Leiste entlangtasten, bis ich ihn unter meinem Zeigefinger spürte.

Die Tür schwang auf, ich betrat einen leeren Lift und fuhr ins Erdgeschoss.

Der Nachtportier wunderte sich. »Holen Sie die Blumen wieder ab, die Sie der Dame Ihres Herzens geschenkt haben?«, fragte er und streckte dabei seinen Kopf aus dem Kasten.

Ich nickte. »Ja, leider. Aber ich habe ihr die Rosen nicht gebracht, wenn Sie das meinen.«

»Das weiß ich.«

»Oh, Sie kennen den Kavalier?«

»Nein, ich habe ihn nie gesehen. Ich habe mich nur gewundert. So einen Strauß bekommt man ja nicht alle Tage.«

»Das stimmt.«

»Und warum nehmen Sie ihn wieder mit?«

»Weil Miss Collins keine so große Vase hat, in die er hineinpasst«, erwiderte ich trocken.

Der Knabe krümmte sich fast vor Lachen. »Das ist gut, das ist sogar sehr gut. Der Brüller der Woche, Meister, ehrlich. Das muss ich meiner Alten mal unter die Weste schieben.« Dann jedoch wurde er ernst. »Haben Sie sich verletzt, Mister?«

»Wieso?«

»Sie bluten. An ihrer Hand ist alles rot. An der rechten«, fügte er hinzu, als ich auf die linke schaute.

»Rosen haben Dornen.«

»Und wie, Mister. Das ist wie bei einer schönen Frau. Wenn man an nichts Böses denkt, sticht sie zu.«

»Erfahrungen, wie?«

»Kann man wohl sagen. Ich bin jetzt dreiundfünfzig und war schon zweimal verheiratet. Jedes Mal habe ich mir geschworen, es nicht wieder zu tun, aber die Weiber fangen mich immer wieder ein. Wie ein Schiff, das im Hafen liegt. Dabei würde ich so gern noch über die Weltmeere segeln, wenn Sie verstehen, Mister.«

»Sicher.«

Ich verabschiedete mich und verließ das Haus. Es war diesiger geworden. Zwar lag noch kein Nebel über den Straßen, dafür lange Dunstschleier, die wie träge Fahnen zwischen den Häusern wallten sowie an den Hauswänden hochkrochen, sodass die hellen Fenster zu zerfließenden Gebilden wurden.

Vor meinen Lippen dampfte dünner Atem, als ich meinen Wagen ansteuerte. Den makabren Strauß hielt ich jetzt nicht mehr mit beiden Händen fest, sondern nur noch mit einer. Die Blüten wiesen dabei zu Boden.

Die meisten Menschen hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen. Passanten sah ich so gut wie gar nicht. Auf dem Wagen lag eine nasse Schicht. Sie bestand aus dicken Wasserperlen.

Ich öffnete die Fahrertür. Den Strauß legte ich auf den Beifahrersitz. Ich hoffte nur, dass mir das Blut nicht die Polster verschmutzte und legte deshalb noch eine Decke auf den Sitz. Danach startete ich den Bentley und rangierte rückwärts aus der Parklücke.

Während ich durch das abendliche London rollte, dachte ich über die blutigen Rosen nach. Gordon Schreiber hatte sie Jane Collins geschenkt. Mit Blut geschrieben war sein Name auf der kleinen Karte aufgetaucht. Er war ein Verbündeter von Wikka, der Hexe. Diese wiederum liebte den Teufel heiß und innig, sodass man wirklich von einem satanischen Dreieck sprechen konnte.

An einer Ampel stoppte ich. Ein knatterndes Geräusch nahm meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Rechts neben mir glitt ein Lichtstrahl über die Fahrbahn, und dann fuhr ein Motorrad langsam bis an den Streifen, um neben mir stehen zu bleiben.

Ich sah mir die Maschine an. Es war eine Honda, von der das Wasser tropfte. Zwei Personen saßen darauf. Ob Mann oder Frau war nicht wirklich zu erkennen, weil sie einfach zu vermummt aussahen in ihrer wetterfesten Kleidung.

Sie trugen allerdings helle Lederjacken, was mich wiederum wunderte. Am Rücken erkannte ich auch eine Schrift. White Angels – Weiße Engel.

Während ich auf das Umspringen der Ampel wartete, dachte ich über die White Angels nach. Gehört hatte ich den Namen bereits. Da fiel es mir wieder ein. Die Weißen Engel waren aufgefallen, weil sie sich für die Jugend einsetzten. Mit anderen Worten, sie hatten eine Selbsthilfeorganisation gegründet, die sich um gestrandete Jugendliche kümmerte und sie vor allen Dingen vom Rauschgift wegbringen wollte, denn im Rauschgift sahen die White Angels das große Übel.

Ihre Methoden waren nicht immer gesetzestreu, so mancher Dealer war von ihnen verprügelt worden, sodass er wochenlang im Krankenhaus liegen musste. Das jedoch störte die White Angels nicht, ebenso wenig wie kleine Rückschläge. Sie machten weiter und waren zudem nicht nur von ihrer Sache überzeugt und psychologisch gut geschult, sondern auch körperlich fit. Soviel ich wusste, lag ihr Hauptquartier neben einer Karateschule.

Ich sympathisierte mit den Weißen Engeln, hatte allerdings gleichzeitig Angst, dass sie zu weit gingen und irgendwann einmal Logan Costello in die Quere gerieten.

Costello regierte London. Er war der Unterweltboss und paktierte zudem mit dämonischen Kräften. Leider war es meinen Freunden und mir bisher noch nicht gelungen, ihn zu überführen.

Die Ampel sprang um. Rechts neben mir duckten sich die beiden Fahrer. Die Honda startete schneller als mein Bentley. Schon schoss sie davon, als sich plötzlich der hinten sitzende Mitfahrer bewegte und seinen Oberkörper nach links beugte.

Etwas löste sich von seiner Hand und traf genau die Kühlerhaube des Bentley. Für einen winzigen Augenblick hatte ich schreckliche Angst. Ich rechnete mit einer Handgranate oder irgendetwas in dieser Richtung. Mein Magen krampfte sich zusammen, gegen den plötzlichen Schweißausbruch konnte ich nichts tun, doch dann erkannte ich den Gegenstand, der mir auf die Kühlerhaube geworfen worden war und auch dort liegen blieb.

Es war eine Blume. Eine gelbe Rose!

Hastig drückte ich den Blinker und fuhr an den linken Straßenrand. Die beiden auf dem Motorrad hatte ich aus den Augen verloren, sie waren zu schnell. Selbst das Rücklicht konnte ich nicht mehr sehen.

Normalerweise durfte ich an dieser Stelle nicht stoppen. Ich schaltete die Warnblinkanlage ein und hielt trotzdem. Rasch stieg ich aus. Zwei andere Fahrzeuge rauschten dicht an mir vorbei. Spritzwasser sprühte hoch und gegen meinen Mantel, den ich nicht ausgezogen hatte.

Seitlich beugte ich mich über die lange Kühlerhaube und nahm die Rose an mich. Dabei hätte ich mich fast in den Finger gestochen. Im Licht der Scheinwerfer betrachtete ich die Rose. Sie sah völlig normal aus wie die, die auch Jane Collins bekommen hatte: mit einem gelben Blütenkelch und einem grünen Stängel, aus dem einige Dornen wuchsen.

Sekundenlang stand ich unbeweglich da und dachte darüber nach, wer mir die Rose gegeben haben konnte. Klar, das waren die Weißen Engel gewesen, aber stimmte das wirklich? Konnten sich die Unbekannten nicht auch verkleidet haben? Und welchen Sinn sollte es gehabt haben, mir eine Rose auf die Kühlerhaube zu werfen?

Ich hob die Schultern, ging um den Wagen herum und stieg wieder ein. Die Rose legte ich auf den Strauß. Ich fuhr noch nicht ab, sondern wartete darauf, dass etwas geschah. Ich wollte sehen, ob diese Blume ebenfalls Blut aus dem Kelch verströmte.

Das war nicht der Fall. Sie lag da, und nichts tat sich in dieser Richtung. Seltsam, wirklich …

Ich fuhr wieder an. Die breiten Reifen wirbelten das Wasser einer Pfütze hoch. Der Fall dieser blutigen Rosen wurde immer seltsamer. Ich hatte auch Angst bekommen, denn wenn tatsächlich Wikka und Gordon Schreiber hinter all dem steckten, drohte London eine große Gefahr.

Ich befand mich inzwischen auf der breiten Victoria Street und fuhr diese in Richtung Westen auf Westminster Abbey zu, wo kurz zuvor das Scotland Yard Building liegt. Westminster Cathedral passierte ich ebenso wie Westminster City Hall. Sanft lief der Motor meines Bentleys, und auch um den Wagen herum befand sich nicht viel Trubel.

Deshalb vernahm ich auch die Schreie. Zuerst glaubte ich an eine Täuschung, dann jedoch wiederholten sich die Schreie, und ich hörte sie sogar noch deutlicher als zuvor. Sie klangen, als würde jemand einem Menschen einen Wattebausch vor den Mund halten, um die Schreie so zu dämpfen.

Ich schüttelte mich. Da war irgendetwas passiert. Wieder warf ich einen Blick auf die Rosen, denn die Schreie waren nicht außerhalb, sondern innerhalb meines Wagens aufgeklungen.

Ich erschrak wirklich. Der Rosenstrauß bewegte sich! Das Papier wurde nach oben gedrückt, dann wieder nach unten, als würde jemand atmen. Etwa die Rosen?

Auch die oberste lag nicht mehr ruhig. Sie bewegte sich ebenfalls. Ihre voll erblühte Knospe drehte sich einmal nach links, dann wieder nach rechts, und ich bemerkte plötzlich den betäubenden Duft, der das Innere des Bentley ausfüllte. Diese Rosen stanken nach Friedhof, nach Moder und Leichengeruch!

Mir war klar, dass ich nicht mehr weiterfahren konnte. Ich steuerte den linken Fahrbahnrand an und stoppte. Diesmal stieg ich nicht aus. Die Rosen konnte ich mir auch im Wageninnern ansehen.

Ich legte die letzte Rose vorsichtig zur Seite und vernahm abermals die leisen, verwehenden Schreie, die mir vorkamen wie der Klagegesang von Toten. Mit spitzen Fingern umfasste ich das Papier, um es auseinanderzufalten. Diesen Blumenstrauß wollte ich mir wirklich genau ansehen. Damit musste es eine schaurige Bewandtnis haben.

Ich blickte auf den Strauß. Die Schreie wurden deutlicher. Ich erkannte jetzt, wer sie ausgestoßen hatte! Die Rosen hatten nichts von ihrer makabren Fracht verloren. Sie waren sogar noch schauriger geworden. Dort, wo normalerweise die Blüten saßen, befand sich etwas anderes. Die Rosen hatten sich verwandelt. Aus den Blüten waren kleine Köpfe geworden!

***

Lilian Day hastete durch die Nacht. Ihr braunes Haar klebte zusammen. Die in der Luft liegende Feuchtigkeit wirkte wie Leim. Der Nylonmantel lag eng um ihren Körper, weil sie ihn zusätzlich über der Brust zusammengerafft hatte. Ihre Füße bewegten sich automatisch voran. Sie platschten in die Pfützen, das Wasser spritzte hoch auf und nässte die Jeans. Das war Lilian egal, sie wollte nur so schnell wie möglich weg, denn was sie gesehen hatte, mussten die anderen wissen.

Aber hatte man sie nicht entdeckt? Lilian war sich nicht sicher, sie ärgerte sich über ihre Unvorsichtigkeit, denn sie würde den Blick des Mannes nicht vergessen, der sie getroffen hatte.

Obwohl sich zwischen ihr und dem Mann noch das Kellerfenster befunden hatte, war sie gesehen worden. Sie hatte den Mann bei einer schaurigen Tätigkeit gestört und hatte auch die seltsame Frau gesehen, die sich im Hintergrund des Kellers aufgehalten hatte. Eine schöne Frau, aber mit kalten Augen und einem grausam verzogenen Mund.

Rosen hatten dort gelegen. Blumen, die Menschen waren!

In Lilians Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie war mit ihren Nerven so ziemlich am Ende. Menschen und Blumen – Tote und Rosen, ein völliges Durcheinander. Auf jeden Fall musste sie die anderen davon in Kenntnis setzen.

Die anderen! Als sie daran dachte, umspielte trotz ihrer Angst ein flüchtiges Lächeln die roten Lippen. Die anderen, das war ihr Schutz, das war ihre Heimat. Sie sorgten dafür, dass sie ihr schlechtes Elternhaus vergaß, dass sie sich bei den gleichaltrigen Jungen und Mädchen wie zu Hause fühlte. Noch gehörte sie nicht hundertprozentig zu ihnen, aber es würde nicht mehr lange dauern, da würde man sie in den Kreis der Weißen Engel aufnehmen. Und nichts anderes wollte sie. Sie musste einfach zu ihnen gehören, denn bei ihnen fand sie das, was das Elternhaus ihr nicht gab.

Geborgenheit. Bei den Weißen Engeln konnte sich jeder auf den anderen verlassen. Da spielte niemand falsch, da gab es keine Lüge, keine Hinterlist, sondern Ehrlichkeit. Nur dadurch hatten sie so große Erfolge erzielen können. Es gab zahlreiche junge Leute, die durch die Hilfe der Weißen Engel wieder auf die Beine gekommen waren, und manchen Dealer, der die Engel verfluchte bis in die tiefste Hölle.

Lilian Day lief langsamer, denn sie hätte sonst zu viel Kraft verloren und wäre irgendwann gestolpert und gefallen. Schwer atmete sie ein und aus. Sie hielt sich dicht an den Hauswänden, manchmal stützte sie sich an den rauen Steinen ab, oder sie blieb stehen und holte tief Luft.

Sie blickte zurück. Leer lag die Straße hinter ihr. Eine schmale lange Fläche, auf der das Kopfsteinpflaster wie Gold glänzte, wenn es vom Licht der vereinzelten Laternen berührt wurde.

Keine Verfolger! Lilian lehnte sich an die Hauswand und lachte. Sie hatte sie abgeschüttelt. Die ganze Aufregung war umsonst gewesen. Sie schüttelte den Kopf. Es war nicht mehr weit bis zu ihrem Etappenziel. An der Westminster Bridge Road konnte sie in die U-Bahn einsteigen und den Rest der Strecke fahren. Es war nur eine Station bis Borough, ihrem Ziel.

Sie lief jetzt langsamer. Manchmal wurde sie von Autos überholt. Manche Fahrer blinkten auf, sodass die Gestalt der jungen Frau für die Länge eines Atemzugs im grellen Licht stand. Dann zuckte Lilian jedes Mal zusammen und drückte sich wieder an die Häuserzeile.

Es war keine gute Gegend südlich der Themse. Aber in einem vornehmen Viertel hätten die White Angels nicht erst anzufangen brauchen. Sie mussten mitten in die Szene. Soho hatten sie bewusst ausgelassen, denn dort war das Geschäft zu sehr organisiert und auf Touristen abgestellt. Wenn man etwas erreichen wollte, dann in den Armenvierteln, wo die Arbeitslosigkeit groß war und das Elend langsam überhand nahm.

Die Station war nicht mehr weit entfernt. Lambeth North lag zwischen dem Stadtteil Southwark und Lambeth. Eine U-Bahn-Station, die um diese nächtliche Zeit ziemlich verlassen war. Eigentlich für ein Mädchen gefährlich, aber Lilian hatte ihre Angst inzwischen überwunden, denn Verfolger befanden sich nicht mehr auf ihrer Spur.

Wieder dachte sie an die Rosen, während sie schon die Station entdeckte. Eine hohe Lampe warf ihr Licht auf die schmutzige Straße und erleuchtete auch einen Teil der nach unten führenden Treppe.

Im Schatten der Treppenmauer saß eine Frau auf dem Boden. Sie war in einen Umhang eingehüllt und schien zu schlafen. Lilian nahm sie kaum wahr, denn sie hatte ihre eigenen Probleme. Auch die Frau tat so, als würde sie das Mädchen nicht sehen. Erst als Lilian sich mit ihr auf gleicher Höhe befand, erwachte die scheinbar Schlafende.

Sie hob den Kopf. »He, Mädchen!«

Lilian blieb stehen. Für einen Moment flackerte Panik in ihrem Blick, sie wusste nicht genau, woher die Stimme aufgeklungen war und musste sich erst orientieren.

»Komm her, Mädchen!«

Jetzt merkte sie, wer gesprochen hatte. Sofort drehte sie sich nach rechts und sah, wie die Frau sich vom Boden erhob. Das geschah nicht langsam, sondern sehr geschmeidig, und es verriet längst nicht die Bewegungen des Alters.

Nein, unter dem Umhang verbarg sich jemand anderer. Plötzlich schlug Lilians Herz schneller. Ein schrecklicher Verdacht keimte in ihr hoch, und sie sah zu, wie die Frau unter ihren Umhang griff.

Als die Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie etwas fest. Es war eine Rose!

Lilian Day zuckte zusammen. Ihre Augen weiteten sich. Sie wollte die Rose nicht, Rosen sollten verflucht sein, sie hatte Schreckliches gesehen, diese Rosen schienen durch die Hand des Teufels gewachsen zu sein, und jetzt wurde ihr eine überreicht.

Die alte Frau hatte bisher den Kopf gesenkt gehabt, nun aber streifte sie ihren Umhang vom Kopf, und Lilian hatte freie Sicht. Ihr Blut schien zu gefrieren, denn vor ihr stand keine Alte, sondern die Frau aus dem Keller!

Jede Einzelheit erkannte sie. Das Gesicht konnte sie nicht vergessen. Es war in seiner Ausstrahlung perfekt. Teuflisch perfekt! Als Mittelscheitel fiel das lange schwarze Haar zu beiden Seiten des Kopfes bis auf die Schultern. Es umrahmte ein bleiches Gesicht mit schwarzen Augenbrauen und etwas hochstehenden Wangenknochen. Die Pupillen glichen dunklen Perlen, und ein voller Mund zeigte zynisch nach unten gezogene Winkel.

Ja, das war sie, es gab keinen Zweifel. Lilian hatte diese Frau in dem Keller gesehen. Und jetzt stand sie hier. Sie war also doch schneller gewesen.

Die Frau lächelte. »Darf ich die eine Rose übergeben?«, fragte sie und streckte den rechten Arm aus.

Lilian schüttelte den Kopf. »Nein«, flüsterte sie. »Nein, ich will nicht, ich will keine Rose. Um Himmels willen. Geh weg. Ich …«

»Aber warum denn? Magst du keine Blumen?«

»Nicht solche.«

»Mädchen, stell dich nicht an. Du wirst die Rose nehmen, denn sie bringt dir Glück. Glaub mir das. Meine Blumen sind Glücksbringer. Wer sie von mir geschenkt bekommt, wird zu mir gehören. Zu mir, Wikka, der Hexe.«

Lilian hatte schreckliche Angst. Weglaufen konnte sie nicht, denn die Frau stand zwischen ihr und der Treppe. Und wieder zurück?

Da vernahm sie aus der Tiefe ein Donnern. Soeben lief ein Zug ein. Das Echo schwang bis zu ihr hoch. Wenn sie jetzt sprach, dann musste sie schreien. Vielleicht war das die Chance!

Die Frau hielt noch immer ihre Hand ausgestreckt, sie lockte, aber Lilian fiel darauf nicht herein.

»Nein!«, schrie sie und fuhr herum.

Nicht einmal einen halben Schritt kam sie weit, denn plötzlich stand ein hochgewachsener Mann hinter ihr und versperrte ihr den Weg. Lilian sah den Mann, und sie erkannte ihn auch wieder. Es war der aus dem Keller.

Und jetzt sah sie das lange Messer. Die Klinge fuhr von oben nach unten, und im nächsten Augenblick spürte Lilian einen brennenden Schmerz, der sie zu zerreißen drohte. Vor ihren Augen explodierte die Welt. Sie glaubte, zu schreien, doch nicht einmal ein Röcheln drang über ihre Lippen. Schwer fiel sie zu Boden. Als die ersten Fahrgäste aus der U-Bahn die Treppe hochkamen, fanden sie dicht vor dem Eingang die Tote, auf deren Körper als Zeichen des Mörders eine gelbe Rose lag.

***

Rosen mit Menschenköpfen!

Ich hatte in meiner Laufbahn als Geisterjäger einiges gesehen, doch so etwas noch nicht. Erst verströmten die Rosen Blut, und jetzt zeigten sie keine gelben Kelche mehr, sondern die Köpfe von Menschen. Es war ein schauriges, fast unbeschreibliches Bild, das sich meinen Augen bot. Jede einzelne Rose hatte einen menschlichen Kopf bekommen. Auch nicht größer als die Blüte, sie passten sich in den Maßen genau an. Unglaublich …

Was sollte ich tun? Ich starrte in die Gesichter der Männer und Frauen. Sie sahen grau aus. Manchmal wirkte die Haut auch teigig, wie die längst Verstorbener. Bei einigen standen die Münder offen, ich konnte in sie hineinsehen und erblickte kleine Zähne, von denen manche etwas vorstanden wie bei Vampiren.

Da fiel mir ein, dass auch Wikka, die Hexe, eine Art Vampirin war. Sie liebte nicht nur die Schlangen, sondern auch die Blutsauger und hatte ebenfalls spitze Zähne. Irgendwie hatte sie sogar Ähnlichkeit mit Asmodina, der Teufelstochter.

Das Blut war nicht völlig verschwunden. Es klebte jetzt allerdings nicht mehr an den Rosen, sondern auf den Gesichtern der Menschen, die dadurch noch makabrer aussahen.

Ich schüttelte mich und lauschte auf die Schreie, die mir weiterhin entgegenklangen. Waren es Schreie der Qual, der Angst oder des Triumphes? Ich konnte es nicht sagen, denn die kleinen Köpfe bewegten sich von einer Seite zur anderen, als würde Wind in den Strauß hineinfahren. Dieser Rosenstrauß war mit Schwarzer Magie gefüllt. Wenn ich sie bekämpfen wollte, musste ich die Waffen der Weißen Magie nehmen.

Unter anderem mein Kreuz. Ich dachte darüber nach, ob ich es hervorholen sollte. Es war eine ungemein starke Waffe, und sie hätte unter Umständen den Strauß restlos zerstört, deshalb ließ ich es vorerst bleiben und wartete weiterhin ab, ob sich meine Gegner nicht zu einem Angriff entschlossen.

Sie taten nichts dergleichen. Nach wie vor bewegten sich die Köpfe, und dünne Schreie drangen aus den Mäulern. Vielleicht konnten sie reden? Unter Umständen verstanden sie mich? Es war zumindest einen Versuch wert, und so stellte ich an diesen makabren Rosenstrauch meine Frage.

»Wer seid ihr? Wo kommt ihr her?«

Ich bekam keine Antwort.

»Redet. Es ist besser für euch. Ihr müsst es tun. Vielleicht kann ich euch helfen. Steht Wikka hinter euch? Ist sie eure Fürstin?«

Die Köpfe schwiegen, und ich gab es auf, mit ihnen zu reden. Dafür schaute ich sie mir genauer an, denn mir war ein Verdacht gekommen. Eine vage Idee, mehr nicht. Sie war auch schlecht in Worte zu fassen, aber ich hatte das Gefühl, als wären diese Köpfe uralt. Sie mussten meiner Ansicht nach zu Menschen gehören, die längst tot waren. Mir ging es immer so, wenn ich gewisse Bilder sah. Alte Bilder aus den Anfängen dieses Jahrhunderts und noch davor. Da sahen die Menschen irgendwie anders aus. Man brauchte sich die Gesichter nur anzusehen, um zu wissen, dass sie nicht in die moderne Zeit gehörten.

So war es auch hier. Mir kam es so vor, als wären diese Köpfe schon Jahrhunderte alt und durch einen schrecklichen Zauber wieder zum Leben erweckt worden. Nichts stützte meine Theorie, es war nur ein Gefühl, doch in meinem Job hatte ich mich schon des Öfteren auf Gefühle verlassen können und hatte damit fast immer richtig gelegen.

Welch eine Teufelei hatte sich Wikka ausgedacht? Ich war überzeugt, dass nur sie und Gordon Schreiber hinter allem steckten und dass sie ein teuflisches Spiel begonnen hatten, um ihre alten Gegner, wie Jane Collins und mich, zu vernichten.

Antworten bekam ich von den Köpfen nicht, deshalb entschloss ich mich, es doch mit Härte zu versuchen. Ich brachte das Kreuz in die Nähe des Rosenstraußes. Dabei bewegte ich meinen Arm nicht schnell, sondern sehr langsam und vorsichtig, wobei ich die Köpfe nicht aus den Augen ließ.

Sie spürten die Nähe des Kreuzes. Die Strahlung bereitete ihnen Schmerzen. Ihre kleinen Gesichter verzerrten sich. Ich sah die Qual, die sich auf ihren Zügen widerspiegelte. Weit aufgerissen waren die Augen, und die Schreie wurden lauter. So bekam ich sie klein.

Da jedoch griff eine andere, ferne, teuflische Kraft in das Geschehen ein und sorgte dafür, dass ich mein Werk nicht vollenden konnte.

Die Köpfe blitzten auf. Es geschah wirklich innerhalb einer Sekunde. Bevor mein Kreuz die Rosen überhaupt berühren konnte, war der unheimliche Strauß verschwunden. Von einem Moment zum anderen war er nicht mehr zu sehen.

Nur eine Rose lag noch da. Diejenige, die man mir auf die Motorhaube geworfen hatte. Sie hatte ihren Platz auf dem blutdurchtränkten Papier gefunden. Für mich ein Zeichen, dass der gesamte Vorgang keine Täuschung gewesen war. Es hatte die Rosen gegeben.

Ich hob die Schultern und schüttelte den Kopf, weil ich es nicht begreifen konnte. Meine Gegner hatten mich hier wirklich vor ein Rätsel gestellt.

Ich blieb weiterhin in meinem Wagen an der Stelle stehen, ließ das Fenster nach unten fahren und zündete mir eine Zigarette an. Durch den linken Mundwinkel blies ich den graublauen Rauch, der sich mit dem über der Straße liegenden Dunst vermischte. Schwere Gedanken wälzten hinter meiner Stirn. Wikka und Gordon Schreiber hatten klargestellt, dass sie längst nicht besiegt waren und zurückschlagen wollten. Mit allem, was sie hatten.

Ich drückte die Zigarette aus und fuhr los. Wenn ich die Blumen schon nicht untersuchen lassen konnte, dann wenigstens das Blut. Da es aus den Blüten gequollen war, musste es auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Köpfen stehen, die mir so alt vorgekommen waren. Vielleicht konnte eine Analyse des Bluts meinen Verdacht bekräftigen.

Es war wirklich nicht mehr weit bis zu dem hohen Gebäude. Zwei Minuten später lenkte ich den Bentley auf den Parkplatz und stieg aus. Ich fuhr gar nicht erst in mein Büro, sondern in die im Keller liegende chemische Abteilung. Hier arbeitete man mit den modernsten wissenschaftlichen Methoden. Besonders hatte die Lasertechnik in den letzten Jahren alte Untersuchungsmethoden überholt. Schnelle und präzise Analysen waren mithilfe dieses Verfahrens möglich.

Die Kollegen der Chemie empfingen mich nicht gerade begeistert, denn sie kannten meine Sonderwünsche.

»Sofort oder gestern?«, fragte mich ein Chemiker.

»Vorgestern.«

»Wir machen ja alles. Was ist es denn?«

Ich hob die Zeitung hoch. »Nur eine kleine Blutuntersuchung. Ich möchte von Ihnen gern wissen, ob das Blut frisch ist oder alt.«

Der Kollege im weißen Kittel hob seine Augenbrauen »Ist das wirklich alles, Oberinspektor?«

»Ja.«

»Solche Wünsche werden selbstverständlich sofort erfüllt. Gedulden Sie sich einen Moment.«

»Gern.«

Der Chemiker verschwand in einem Nebenraum. Es dauerte wirklich nur eine Viertelstunde, da kam er wieder zurück. Gespannt schaute ich ihn an.

»Nun, was hat es gegeben?«

Der Chemiker nickte versonnen. »Obwohl das Blut frisch ist, kann man es als alt bezeichnen.«

»Wie alt?«

»Das ist schwer zu sagen. Wir haben mehrere Blutflecken auf der Zeitung untersucht und bekamen immer wieder andere Ergebnisse, was das Alter betrifft. Ich habe sie Ihnen aufgeschrieben.« Er reichte mir den Zettel, auf dem einige Zahlen standen.

Nervosität hielt mich gepackt. Ich hatte einen Verdacht gehabt, eine Theorie, und diese schien sich nun zu bestätigen. Der Chemiker konnte natürlich keine genauen Daten angeben, und ich las die Zahlen von dem Zettel ab. Dabei stellte ich fest, dass die einzelnen Blutproben um fünfzig und mehr Jahre differierten.

Das war eine Überraschung. Die älteste Blutprobe stammte aus dem Jahre 1670. Geschätzt, wohlgemerkt.

Ich ließ den Zettel sinken und sah den Chemiker an. »Sie sind sicher, dass dies hier alles stimmt?«

»So sicher wie unsere Geräte.«

»Wie sieht es mit Fehlern aus?«

»Nichts ist perfekt, Mister Sinclair. Es stimmt schon, dass das Blut sehr alt ist. Mich würde mal interessieren, wie Sie daran gekommen sind?«

»Das würde es mich auch«, gab ich zurück.

»Kann ich die Zeitung behalten?«

»Natürlich. Und bitte, versuchen Sie eine genaue Analyse. Sie würden mir sehr helfen.«

Der Chemiker lachte. »Nicht nur Ihnen, Mister Sinclair. Auch ich bin an einer Klärung interessiert.«

Mir fiel wieder die Rose ein, die man mir auf die Kühlerhaube geworfen hatte. Sie steckte in meiner Innentasche. Ich hatte sie mit dem Kreuz berührt. Geschehen war nichts, eine völlig normale Blume hielt ich in der Hand, die allerdings ihre gelbe Blüte gesenkt hielt.

»Was ist damit?«, fragte der Wissenschaftler.

»Die schenke ich Ihnen. Gewissermaßen als Vergleich.«

»Danke.«

Dann ging ich. Allerdings verließ ich das Yard-Gebäude nicht, sondern fuhr hoch zu meinem Büro. Im Gang brannte nur die Notbeleuchtung. Keiner arbeitete mehr, die Nachtschicht saß woanders. Die Putzfrau hatte die Bürotür offen gelassen. Im Vorzimmer roch ich noch den Duft von Glendas Kaffee.

Ich nahm hinter meinem Schreibtisch Platz und griff zum Telefon. Ich hatte Jane Collins versprochen, mich zu melden, das tat ich auch.

Sie hob sofort ab.

»Erschrick nicht, ich bin es«, sagte ich.

»John, was ist geschehen?«

»Relativ viel. Dein Geschenk hat mir so einige Überraschungen bereitet.«

»Rede.«

Ich erzählte.

»Und was willst du jetzt machen?«, fragte Jane. »Wie willst du an Schreiber oder Wikka herankommen?«

»Das weiß ich noch nicht. Ich kenne auch das Geheimnis dieser blutenden Rosen nicht. Allerdings denke ich darüber nach, weshalb mir die White Angels die Rose auf die Kühlerhaube meines Wagens geworfen haben.«

»Ich kenne die Weißen Engel.«

»Woher?«

»Ich hatte beruflich mit ihnen zu tun. Es ging um eine Rauschgiftsache. Der Sohn eines Klienten war in der Szene gelandet. Ich bekam den Auftrag, ihn herauszuholen. Dabei lernte ich auch die White Angels kennen. Die sind in Ordnung.«

»Möglich, Jane. Weißt du Näheres über sie? Kennst du eventuell Adressen?«

»Nein, aber sie haben sich in Southwark niedergelassen, soviel ich weiß. Der Anführer ist an einer Sportschule beteiligt. Karate und so.«

»Den Namen kennst du nicht?«

»Nein.«

»Gut, den kann ich mir besorgen.«

»John«, sagte sie, »ich möchte gern dabei sein, wenn es zur Sache geht. Denk daran. Ich will nicht abseits stehen, schließlich geht mich der Fall auch etwas an.«

»Ich sage dir Bescheid.«

»Deine Versprechen kenne ich.«

»Jane, versuch nichts auf eigene Faust«, warnte ich. »Erinnre dich, an die Seelenburg und das Hausboot, da …«

Doch Jane hatte schon aufgelegt. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie durch nichts von ihrem Plan abzubringen.

Sie kannte die White Angels besser als ich. Vielleicht hätte sie mich mit ihnen zusammen bringen können, aber ich wollte die Detektivin aus dem Spiel lassen. Wikka und Schreiber waren ungemein gefährlich, die nahmen keinerlei Rücksicht. Eiskalt gingen sie vor.

Ich war sicher, dass wir in unseren Archiven Unterlagen über die Weißen Engel aufbewahrten. Das Archiv war Tag und Nacht besetzt. Ich rief an, trug meinen Wunsch vor, und man versprach, sich sofort darum zu kümmern. Ich wollte warten, man würde mir die Informationen hochreichen.

In der Wartezeit informierte ich Suko. Er zeigte sich nicht sehr überrascht, dass Wikka und Gordon Schreiber wieder von sich reden machten. Mein Partner wollte natürlich mit, ich allerdings bat ihn, als Einsatzreserve erst einmal zu Hause zu bleiben.

»Ich könnte mich auch um Jane kümmern«, schlug er vor.

Die Idee war gut, und ich stimmte sofort zu. »Aber überwach sie so, dass sie nichts davon merkt.«

»Ehrensache.«

Einigermaßen beruhigt legte ich den Hörer wieder auf und holte mir Kaffee aus dem Automaten. Die Brühe schmeckte wie eingeschlafene Füße, einen Vergleich zu Glendas Gebräu hielt sie nicht aus, doch in der Not frisst der Teufel Fliegen.

Als ich den ersten Schluck genommen hatte, kam auch der Bote mit den Unterlagen. Ich bedankte mich und schlug die Akte auf. Sie war sehr dünn. Direkter Vergehen hatten sich die Weißen Engel nicht schuldig gemacht. Im Gegenteil, sie halfen der Polizei und gaben sehr gute Tipps. Allerdings hatten sie sich manchen Dealer selbst vorgenommen und ihn krankenhausreif geschlagen. Bisher war die Gruppe nur mit Verwarnungen davongekommen.

Wie viele Mitglieder die White Angels zählten, war nicht aufgeführt, das ging schlecht, denn die Anzahl wechselte ständig. Fest stand nur der Anführer. Er hieß Jack Adrian, genannt Karate-Jack, da er sich in dieser Kampfsportart sehr gut auskannte. Auch die Straße war aufgeführt, wo Adrian wohnte. Dort fand ich sicherlich die anderen Weißen Engel.

Ich rückte meinen Stuhl zurück und stand auf. Die Anschrift hatte ich behalten, und ich war gespannt, was mir Karate-Jack und seine Freunde zu sagen hatten.

***

Seit langen Zeiten schon heulte der Wind um den einsam stehenden Turm. Er stach wie eine gewaltige Zigarre in den düsteren Himmel, über den schwarzgraue Wolkenberge jagten und vom Wind gescheucht wurden wie eine Herde Hammel.

Vor einigen Jahrhunderten hatte ein alter Graf den Traum gehabt, eine stolze Burg am Ufer der Themse zu bauen. Dieser Traum war nie in Erfüllung gegangen. Bevor die Burg fertig geworden war, war der Graf gestorben. Er hatte nicht nur Schulden hinterlassen, sondern auch eine Bauruine, und sein Sohn, der Erbe, hatte kein Interesse gehabt, den Bau zu vollenden. Er hatte lieber in den Tag hineingelebt, bis man seine Leiche irgendwann am Ufer der Themse gefunden hatte.

Die Burg war nie vollendet worden. Aber der Turm hatte in den nachfolgenden Jahren eine gewichtige Rolle gespielt. Die Zeit der Hexenverfolgung hatte begonnen. Hexenjäger hatten Städte und das Land unsicher gemacht. Frauen waren geschändet, misshandelt und getötet worden. Auch Männer, die dem Terror hatten Einhalt gebieten wollen, waren nicht verschont worden.

Man hatte sie in den alten Turm gesperrt, der im Volksmund schon bald den Beinamen Hexenturm bekommen hatte. Er war zu einer wahren Hinrichtungsstätte geworden. Nachts waren die Schreie über das Wasser gegellt, und manche Schiffer hatten sich in die Kajüten ihrer Boote verzogen, wenn sie die Stelle passiert hatten.

Der Tod hatte im Hexenturm reiche Ernte gehalten. Zahlreiche Leichen hatte man einfach in die Themse geworfen. Andere waren um den Turm herum vergraben worden. Er war auf einer Anhöhe gebaut worden, und von seiner Spitze aus konnte man bei klarem Wetter weit in das Land hineinsehen.

Auch nach der Zeit der Hexenverfolgung war der Turm nicht in Vergessenheit geraten. Die Seelen der Getöteten würden keine Ruhe finden, hatte man sich erzählt, und die Menschen hatten den Turm gemieden. Einige wollten genau gesehen haben, wie in klaren Vollmondnächten die Hexen mit dem Teufel buhlten.

Im Zwanzigsten Jahrhundert war der Turm während des Zweiten Weltkriegs ein wichtiges Bollwerk gewesen. Auf seiner Spitze hatten zwei Flakkanonen gestanden. Die Soldaten hatten sich nicht um den Spuk gekümmert, obwohl auch sie in ruhigen Nächten seltsame Geräusche und auch Schreie gehört hatten.

Nach dem Krieg war das Gelände um den Turm preiswert zum Verkauf angeboten worden. Das hatte auch ein Londoner Blumenhändler gehört. Da ihm die Stadt zu klein geworden war, hatte er sofort zugegriffen und die unmittelbare Umgebung des Turms in kultivierte Felder verwandelt. Manche lagen frei, andere wurden durch das Glas einiger Treibhäuser vor der Witterung geschützt.

Der Mann hieß Goring. Er hatte als kleiner Gärtner angefangen, hatte hart geschuftet, und inzwischen besaß er die zweitgrößte Rosenzucht der Insel. Auf Rosen hatte er sich spezialisiert. Sie waren seine Lieblingsblumen. Zwei große Treibhäuser sorgten dafür, dass die herrlichen Blumen zu jeder Jahreszeit blühten. Wenn es warm wurde und der Sommer kam, blühten sie auch im Freien.

Das Geschäft lief gut. Ernest Goring konnte wirklich zufrieden sein. Er hatte inzwischen zehn Leute angestellt, die außer ihm und seinem Sohn noch mitarbeiteten. Er selbst wohnte mit seiner Familie am Stadtrand von London, denn in Henley-on-Thames war es ihm zu einsam. Dafür lebten seine Angestellten in dem Ort.

In letzter Zeit allerdings war es zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Rosen fehlten. Ausgerechnet die gelben Züchtungen, die auf einem Extrafeld wuchsen. Irgendjemand musste sie gestohlen haben.

Kein großer finanzieller Verlust, nur ein Nadelstich. Zudem wollte Goring nicht, dass Stehlen Schule machte, und er beauftragte einen vertrauenswürdigen Mann, sich des Nachts doch einmal auf dem Gelände umzusehen.

Der Mann hieß Victor und stand kurz vor dem Ruhestand. Er gehörte zu den Menschen, die für Chef und Firma durchs Feuer gingen. Er hatte noch die erste Phase der Aufbauarbeit miterlebt. Victor war absolut vertrauenswürdig. Er würde den oder die Diebe schon stellen. Zudem hatte er noch seinen alten Militärkarabiner hervorgeholt. Ein Erbstück seines Vaters.

Um zweiundzwanzig Uhr begann er seinen Dienst. Er holte seinen Drahtesel aus dem Schuppen. Das Gewehr hing über seiner Schulter, und so radelte er zur Gärtnerei. Die Nacht war ruhig.

Angst kannte der knorrig wirkende Victor nicht. Wenn der Dieb erschien, würde er ihm eins auf den Pelz brennen, der sollte schon das Laufen lernen. Gelassen trat er in die Pedale und radelte über den alten Feldweg. In Schlangenlinien führte der am Flussufer lang und endete an der Gärtnerei.

Es gab auch eine Straße. Doch sie zu benutzen, hätte einen Umweg bedeutet, zudem lenkte Victor sein Fahrrad am liebsten durch die wohlvertraute Flusslandschaft. Da er dem Verlauf des Weges folgte, konnte er den Strom nur hin und wieder sehen. Dunkel war das Wasser. Nur manchmal, wenn Wellen aufeinander zuliefen, kam es zur Schaumbildung, und das Wasser spritzte wie kleine Perlen in die Höhe.

Der alte Drahtesel stöhnte und ächzte, wenn er bewegt wurde. Er war wirklich nicht mehr der Jüngste, doch Victor sah nicht ein, weshalb er sich ein neues Fahrrad zulegen sollte, wenn es das andere auch noch tat.

Konnte er den breiten Fluss nur hin und wieder sehen, so stand jedoch etwas immer vor seinem Auge. Der Turm!

Ein ängstlicher Mensch war Victor nicht. Man konnte ihn als Kind des Landes bezeichnen, und natürlich wusste er von den unheimlichen Geschichten, die man sich über den Turm erzählte. In den dicken Mauern sollte es spuken, weil die Geister der getöteten Männer und Frauen keine Ruhe fanden.

Er hatte noch nie welche gesehen und war auch nicht scharf darauf, aber er glaubte den Erzählungen. Es gab viele Dinge, die von den modernen Menschen so einfach abgetan wurden. Victor war da ein wenig vorsichtiger. Was sich über Hunderte von Jahren gehalten hatte, konnte doch nicht einfach aus der Luft gegriffen sein, da musste es einen realen Hintergrund geben, deshalb betrachtete er den Turm auch immer mit einem etwas skeptischen Blick.

Dass der Rosendiebstahl und der Turm in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen konnten, darauf kam er nicht. Er zog es überhaupt nicht in Betracht. Der Turm und die Gärtnerei waren für ihn zwei verschiedene Paar Schuhe. Aber er sollte sich irren.

Es war eine ungemütliche Nacht. Der Frühling wollte nicht so recht kommen. Der Wind blies aus Nordwest, und Victor war froh, Handschuhe übergestreift zu haben.

An die Unebenheiten der Strecke hatte er sich längst gewöhnt. Sein Drahtesel schaukelte durch Querrillen, rumpelte über kleine Bodenerhebungen, und Victor wurde durchgeschüttelt. Er beugte sich im Sattel weit vor, um dem Wind so wenig Widerstand wie möglich zu bieten.

Je näher er dem alten Turm kam, desto nervöser wurde er. Aus der Ferne wirkte er wirklich nur wie ein Schornstein, von Nahem jedoch war zu sehen, wie dick und gewaltig die Mauern waren. Das mussten sie sein, ansonsten hätten sie dem Sturm der Zeiten nicht trotzen können.

Noch einmal führte der Weg bergauf, und Victor musste kräftig in die Pedale treten, um den kleinen Hügel zu schaffen. Dann hatte er schließlich den großen Platz erreicht, der den Turm umgab. Hier hatte nie jemand Gras gemäht oder Unkraut gejätet. Das wilde Gras wuchs fast kniehoch, und zwischen den Halmen breiteten sich die dicken Unkrautblätter aus.

Victor wollte rechts an dem Turm vorbeifahren, es war der kürzeste Weg zur Gärtnerei, denn die ersten Felder begannen bereits hinter dem Turm.

Ein erneuter Windstoß fuhr über den Platz, kämmte das lange Gras und wirbelte am Himmel die Wolken durcheinander, sodass es einige freie Flecken gab.

Durch einen schimmerte fahl die Sichel eines Halbmonds. Sein blasses Licht streifte die dicken Mauern des Hexenturms, und Victor hatte für Sekunden das Gefühl, als würde über ihnen ein Schleier aus Silber liegen.

Dann hörte er die Schreie!

***

Er hatte sich wieder auf den Sattel gesetzt, und der Laut traf ihn so unvorbereitet, dass er fast vom Fahrrad gefallen wäre. Im letzten Augenblick konnte er sich noch mit dem rechten Fuß am Boden abstützen. In dieser Haltung blieb er stehen. Den Kopf neigte er etwas vor, seine Augen wurden groß, die Blicke waren auf die Mauer des Turms gerichtet.

Die alten Geschichten fielen ihm ein. Dort wurde von den Seelen der Toten gesprochen, die keine Ruhe finden konnten. Ob sie vielleicht geschrien hatten? Er schüttelte sich, als er daran dachte, und über seinen Rücken rann ein Schauer.

Ich stehe hier auf verfluchter, blutgetränkter Erde, dachte er und bekam Angst.

Wieder der Schrei. Jammernd, heulend und direkt vom Turm her, als würde dort jemand gequält.

Victor blickte zum Himmel. Die schmale Mondsichel stand zwischen den Wolken, ansonsten war es dunkel. Nicht ein Stern funkelte, ein düsteres Grau zeichnete das Firmament. Unheimlich war es schon.

Victor stieg vom Rad und nahm das Gewehr von der Schulter. Die Waffe gab ihm das Gefühl der Beruhigung. An Geister wollte er nicht so recht glauben, denn er dachte sofort an die Rosendiebe, die sich bestimmt einen Spaß mit ihm erlaubten und ihn bereits die ganze Zeit über beobachtet hatten. Denen wollte er es zeigen.

Er wandte sich nach rechts und ging mit schussbereitem Gewehr auf den Turm zu. Der Eingang war nie verschlossen. Es hatte mal eine Tür gegeben. Sie war jedoch einfach rausgerissen worden. Man hatte die Täter nie gefunden.

Victor wusste selbst nicht, woher er den Mut nahm, den Turm zu betreten. Vielleicht hatten die Worte seines Chefs Ernest Goring doch eine so nachhaltige Wirkung hinterlassen, dass er seine Angst einfach vergaß. Auf jeden Fall kam er dem Eingang immer näher.

Wieder fuhr ein Windstoß heran. Seine alte Windjacke knatterte, und die Kapuze stellte sich hoch. Der Wind heulte um das alte Gemäuer, als wollte er ein Klagelied singen und den einsamen Mann davor warnen, den Turm zu betreten.

Flüsternd erzählten sich die Menschen von einem Ort des Schreckens. Hier nun war es. Hier spielte selbst die Natur verrückt, und Victor glaubte, das Heulen der Elemente als eine Warnung zu verstehen.

Schussbereit hielt er sein Gewehr. Den Kolben hatte er an den Hüftknochen gestemmt, der Finger lag in der Nähe des Abzugs, er würde sofort reagieren, wenn sich etwas tat.

Düster war es im Innern des alten Turmes. Durch die dicken Steine drang auch tagsüber kein Sonnenstrahl. Erst weiter oben im Gemäuer begannen die kleinen Fenster. Winzige Luken, mehr nicht. Überwachsen mit wildem Efeu und Moos, das sogar ein Flechtwerk vor dem kleinen Fenster gebildet hatte.

»Ist hier jemand?«, rief Victor in den Turm hinein, und als hohles Echo geisterte seine Stimme über die kahlen Wände.

Keine Antwort.

»Kommt raus, ihr Diebe!«

… Diebe … Diebe, tönte es. Der Turm schien wirklich leer zu sein. Doch wenn Victor sich einmal etwas vorgenommen hatte, dann führte er es auch durch. Bis zum bitteren Ende. Er musste sich diesen Turm einfach ansehen. Dort war etwas geschehen. Jemand hatte geheult, und es war wirklich nicht der Wind gewesen, sondern ein Lebewesen.

Mit eingezogenem Kopf betrachtete er das Innere. Wohl war ihm nicht in seiner Haut. Er fürchtete sich, aber er hätte es nie zugegeben.

Niemand griff ihn an, als er in das Innere schlich. Er wunderte sich, wie groß der Durchmesser des Turms war. Er blieb stehen und blickte über die Schulter. Deutlich zeigte sich die offene Eingangstür im Mauerwerk. Ein helleres Viereck, ein sicherer Fluchtweg.

Da geschah es. Von oben her fuhr etwas Schwarzes auf ihn zu. Ein Wesen, das irgendwo in der dunklen Wand gelauert hatte. Es kam schnell wie ein Pfeil, und Victor drehte durch.

Er riss seinen alten Sturmkarabiner hoch und drückte ab. Krachend entlud sich der Schuss. Den Rückschlag der Waffe konnte Victor kaum auffangen, er hörte auch nicht, wie die Kugel in den Stein klatschte, weil grollende Echos jedes andere Geräusch übertönten.

Das Wesen huschte davon. Es flog auf die Tür zu, und als der Mann ihm einen Blick hinterher warf, erkannte er es. Kein Geist hatte ihn erschreckt, sondern ein normaler Vogel. Wahrscheinlich eine Krähe. Er atmete auf – und wurde im nächsten Moment mit dem erneuten Schrecken konfrontiert.

Lachen! Grell und gemein. Es schallte als vielfaches Echo und schauriger Chor von den nackten Wänden zurück und tönte grell in den Ohren des Mannes.

Aber nicht nur das Gelächter war zu hören, auch ein höhnisches Jammern und Schreien, ein verzweifeltes Heulen, wie es nur Menschen in einer unendlichen Qual ausstoßen konnten.

Die Geräusche kamen von allen Seiten. Eine schaurige Melodie tönte durch den alten Hexenturm, und Victor drehte sich verzweifelt um die eigene Achse, weil er nach der Ursache des Gelächters suchte. Da musste doch jemand sein, das Lachen und Schreien konnte nicht aus der Wand kommen.

»Wo seid ihr?«, brüllte der Mann und drehte sich immer wilder. »Wo seid ihr, verdammt? Gebt Antwort!«

In seiner Panik machte er genau das Falsche. Immer wieder zog er den Abzug zurück. Die Schüsse dröhnten durch das Gemäuer, vermischten sich mit den unheimlichen Geräuschen zu einem höllischen Inferno, das Victor fast zum Wahnsinn trieb.