Johnny und die Pommesbande - Simone Buchholz - E-Book
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Johnny und die Pommesbande E-Book

Simone Buchholz

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Beschreibung

Johnny wohnt am Hafen und da ist auch das Revier seiner Bande. Mit dem Pommeswagen von Kirsche und dem besten Versteck der Welt, unter der Kirche von Pfarrer Löwenbein. Aber, ist das nicht ein bisschen langweilig? Immer nur am Hafen? Vielleicht ist es Zeit für was Neues und ein echtes Abenteuer! Und eh sie sich's versehen, weht der Pommesbande ein ganz schön steife Brise um die Nase. Eine aufregende Bandengeschichte über die cleversten Spürnasen seit "Emil und die Detektive" von Krimiautorin Simone Buchholz.

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Über dieses Buch

 

Das war das Neue, das an jenem besten Tag passiert ist. Damit fing wirklich alles an. Damit änderte sich unser ganzes Leben, ich schwöre.

 

Johnny wohnt am Hafen und da ist auch das Revier seiner Bande. Mit dem Pommeswagen von Kirsche und dem besten Versteck der Welt unter der Kirche von Pastor Löwenbein. Aber ist das nicht ein bisschen langweilig? Immer nur am Hafen? Vielleicht ist es Zeit für was Neues und ein echtes Abenteuer! Und ehe sie sichs versehen, weht der Pommesbande eine ganz schön steife Brise um die Nase.

 

Eine aufregende Bandengeschichte über die cleversten Spürnasen seit »Emil und die Detektive« von Krimiautorin Simone Buchholz

NICHTAUFREGENDGENUGODERZUAUFREGEND?

Alles begann damit, dass es einer dieser besten Tage war und wir nicht genug kriegen konnten, aber Moment mal, also: Ich bin Johnny.

Ich bin zwölf.

Ich wohne bei meinem Opa, und der ist genau sechzig Jahre älter als ich, wir haben nämlich am gleichen Tag Geburtstag, an einem 23. Juli. Nur dass ich eben sechzig Jahre später geboren wurde.

Mein Opa sagt immer, wenn wir gleich alt wären, wären wir Freunde. Ich sage immer, sind wir doch auch so. Stimmt, sagt er dann und nickt sein typisches Opa-Nicken. Zieht die Mundwinkel runter, schiebt das Kinn vor und nickt. Bis das Nicken von selbst aufhört.

Ich bin bei meinem Opa, seit ich denken kann. Zuerst war auch meine Oma noch da, aber die musste dann ja unbedingt sterben, meint mein Opa und grummelt vor sich hin, wenn wir über meine Oma reden. Er versteht bis heute nicht, warum sie das so plötzlich gemacht hat.

Bockig sauer ist er deshalb, sagt er. Kann er ja auch sein, versteht man ja auch. Aber vom Sauersein wird sie auch nicht wieder lebendig, sage ich dann manchmal, und dann nickt er wieder sein Opa-Nicken, und dann ist er nicht mehr sauer, weil er weiß, dass einfach nur sauer sein nichts bringt. Dagegen, dass meine Oma gestorben ist, kann man halt nichts machen.

Und so sind wir jetzt eben allein, mein Opa und ich. Kriegen wir aber ganz gut hin. Opa kümmert sich um die Opa-Sachen: Geld von der Bank holen, einkaufen, Frühstück machen, die Wohnung warm halten. Ich kümmere mich um die Jungssachen. Jungs sollen rausgehen und den Wind jagen, sagt mein Opa. Mach ich glatt. Aber vorher lese ich ihm immer noch ein bisschen was aus der Zeitung vor, weil er die Buchstaben nicht mehr richtig gut sehen kann.

Wenn ich abends dann nach Hause komme, hat er immer schon meine Bettdecke zurückgeschlagen.

Was er sonst so den ganzen Tag macht, weiß ich nicht. Er sagt, das ist alles nicht aufregend genug, um es zu erzählen.

So sortiert sich mein Opa die Welt: nicht aufregend genug oder zu aufregend, um es zu erzählen. Die Geschichte von meinen Eltern, wie und warum sie verschwunden sind, als ich ein Baby war, ist zu aufregend, findet er. Deshalb erzählt er mir jedes Mal, wenn ich danach frage, eine andere Geschichte. Dass plötzlich der Flieger ging, und da mussten sie einsteigen, aber leider hat er vergessen, wohin sie geflogen sind. Dass sie auf einer Geschäftsreise in der Mongolei sind und einfach noch nicht wieder da, denn die Mongolei ist ja sehr, sehr groß. Oder dass sie seit Jahren mit anderen Eltern in einer Küche sitzen und was zu besprechen haben, diesen langweiligen Erwachsenenkram eben, und weil das so langweilig ist, dass alle immer wieder einschlafen, dauert das auch so lange.

Meine Lieblingsgeschichte geht so: Sie haben sich versehentlich durchs Klo runtergespült. Dann sind sie einmal durch die komplette Kanalisation gerutscht, durch den Erdkern und am anderen Ende der Welt wieder aufgetaucht. Und da sind sie jetzt. Auf Tahiti, sagt mein Opa. Ich glaube ja, dass sie tot sind und durch die ewigen Jagdgründe reiten, aber, hey, mich fragt ja keiner.

Die echte Geschichte, sagt mein Opa, erzählt er mir, wenn ich alt genug bin, um zur See zu fahren. Das Ding ist, dass ich gar nicht zur See fahren will, ich will lieber an Land bleiben, aber das sage ich ihm nicht. Das wäre nämlich wiederum zu aufregend für ihn, wenn er mitbekäme, dass ich kein Seemann werden will. Weil er findet, dass alle jungen Männer erst mal zur See fahren sollten, bevor das wahre Leben anfängt, da gibt’s für ihn kein Vertun.

Manchmal frage ich mich natürlich schon, warum er so viele Sachen für zu aufregend hält, wenn er doch selbst einen ganzen Sack voller Abenteuer erlebt hat, damals auf See. Er hing als junger Matrose mal einen ganzen Tag und eine ganze Nacht am Mast fest. Er hatte sich da morgens im Ausguck festgebunden, weil es so windig war. Dann hat er aber den Knoten nicht mehr aufgekriegt. Und die anderen haben bis zum nächsten Morgen nicht gemerkt, dass er da oben hing. Oder einmal, da hat ein Riesenkrake das Schiff angegriffen. Sie mussten zwanzig Stunden mit dem Kraken kämpfen, bevor er besiegt war. Von dem Kampf hat mein Opa eine Narbe am Handgelenk, eine richtige Strieme.

»Da hat er mich erwischt, der Sauhund«, sagt er immer. Und wenn es kälter wird, reibt er sich die Stelle, dann spürt er sie nämlich richtig heftig. »Das ist normal bei alten Kriegsverletzungen«, sagt er. »Sobald der Winter kommt, tun die wieder weh.«

Außerdem war er mal Schiffbrüchiger und hat ein paar Monate allein auf einer einsamen Insel verbracht und nur Fische und Kokosnüsse gegessen, und er hat über ein Jahr in Südostasien bei gefräßigen Meerjungfrauen gelebt, und in der Beringsee hat er drei Fische gefangen, die waren größer als er selbst.

Aber dauernd alles zu aufregend finden.

Oder eben nicht aufregend genug.

Meine Freunde sagen, dass das doch egal ist, Hauptsache, die Geschichten sind gut.

Haben sie natürlich recht.

EINERDIESERBESTENTAGE

Und so fing unsere Geschichte an:

Wir saßen am Anleger unten am Hafen, weil wir da immer am liebsten sind. Wir ließen die Beine baumeln und kuckten in die Luft. Unter uns gluckerte das Wasser, über uns kreischten die Möwen, die Sonne schien, es war einer dieser besten Tage.

Ella balancierte am Rand entlang und machte ein paar Seiltanzkunststücke. Sie ist noch nie beim Tanzen ins Wasser gefallen, aber das, was sie da macht, dieses ganze Gehüpfe und Gedrehe, sieht immer wahnsinnig wackelig aus und so, als würde sie jetzt vielleicht gleich echt mal reinfallen. Weil sie ja nie auf einer Zirkusschule war, sondern sich den ganzen Kram selbst beibringt. Eigentlich warten wir immer nur drauf, dass es mal »Platsch« macht und sie, bums, in der Suppe landet.

Tja, was soll ich euch sagen?

An diesem einen besten Tag war es so weit.

Plötzlich machte es »Platsch«!, und das war Ella, dann machte es »Neiiin!«, und das war auch Ella, und dann versuchte sie, das Ding noch zu retten, indem sie eine Art Köpper machte, und wir kuckten alle wie die Autos.

Carlos sagte: »Das glaub ich jetzt nicht!«

Sue schrie: »Ellaaa!«

Buxe und ich riefen: »Kacke!«

Tomek sagte nur: »Die kann doch schwimmen, oder?«, und da tauchte Ella husch, husch schon wieder auf und hustete und prustete und zog sich mit ihren nassen Händen am Steg hoch, und Carlos und ich zogen sie raus, und so saßen wir da in der Sonne, mit der triefenden Ella zwischen uns, und lachten und lachten und lachten.

»Ausgerechnet heute«, sagte Ella, »wo doch einer dieser besten Tage ist.« Sie kramte ein bisschen mit der Zunge in ihrem Mund und spuckte irgendwas aus, was aber kein Fisch war.

Tomek hob es auf, kuckte es kurz an und aß es auf.

Eigentlich hätte der Tag damit zu Ende sein können. War ja schon was passiert, und wenn was passiert ist, kann man den Rest des Tages drüber reden, was passiert ist, und dann bleibt es die ganze Zeit aufregend.

Nur: Der Tag war noch nicht zu Ende. Der Tag hatte noch was in der Ziehung für uns. Was Normales und was Neues.

Das Normale war, dass wir von den Touristen ganz gut Kurtaxe abzwacken konnten. Weil, es ist ja so: Wir sind nette Kinder. Wir helfen den Touristen, wenn sie zu uns kommen und Fragen stellen. Sie kommen immer sofort zu uns, wenn sie uns sehen, weil sie ja auch sehen, wie nett wir sind. Dann blinzeln die Leute so komisch, weil sie denken, Kinder mögen komisches Blinzeln, und dann fangen sie an, uns Fragen zu stellen.

Sie wollen so viel wissen.

Wo es hier denn am schönsten ist.

Welches Schiff man denn am besten nehmen soll.

Und zu welcher Insel.

Und überhaupt.

Diese ganzen Touristenfragen eben.

Wir beantworten die Fragen natürlich sehr geduldig und sowieso wahnsinnig nett. Jeder beantwortet eine Frage, Ella fängt an, dann kommt Buxe, dann Sue, dann Carlos, und sogar Tomek sagt etwas, das sich freundlich anhört, und am Ende sage ich in meinem allerbesten Angeberton: »Wenn Sie möchten, übernehmen wir auch noch das mit der Kurtaxe für Sie.«

»Kurtaxe?«, fragen die Touristen.

»Klar, Kurtaxe«, sage ich dann, stecke die Hände in die Hosentaschen und male mit meinem rechten Schuh irgendwas aufs staubige Kopfsteinpflaster. »Wird für den ganzen Hafenbereich hier fällig.« Meistens mache ich in diesem Augenblick noch eine großkotzige Handbewegung. Als würde das alles uns gehören. »Wussten Sie nicht?«

Die Touristen schütteln die Köpfe.

Nee, wussten sie nicht.

»Kein Problem«, sage ich und lege einem von den Leuten eine Hand auf die Schulter, am liebsten einem von den Männern, weil so sind wir halt unter Männern. »Wir regeln das für Sie.«

Ich komme mir in diesen Momenten immer dermaßen erwachsen vor, das glaubt ihr gar nicht.

Und schwuppdiwupp holt Sue die Kurtaxekärtchen raus, so kleine schwarz-weiße Pappzettel, die wir im Keller von Pastor Löwenbein mit der alten Druckmaschine zusammengeschustert haben.

Auf den Zetteln steht, und das sieht enorm wichtig aus:

MARITIM-CARDKurtaxefürdengesamtenHafen.

BEZAHLT!

Daneben ein Stempel: der Bürgermeister.

Ella und Buxe sammeln das Geld ein, von jedem Touristen zwei Euro, und Sue verteilt die Karten, und Carlos und Tomek machen sich unauffällig vom Acker. Die Touristen sind währenddessen dermaßen beschäftigt damit, drüber nachzudenken, was das mit dieser Kurtaxe jetzt wohl auf sich hat, dass sie gar nicht merken, wie der Rest von uns auch – huch – verschwindet.

Das war’s.

An guten Tagen verdienen wir so zwanzig bis dreißig Euro. Der Tag, an dem Ella ins Wasser fiel, war ein guter Tag, er war ja sogar einer dieser besten Tage, hab ich das vorhin schon erzählt?

Egal, Ella hat ihren hellblauen Schirm tüchtig in den Hafenwind gehalten – kennt ihr diesen speziellen Wind, der nach Schiffsbenzin riecht, aber man kann immer auch ein bisschen das Meer riechen? Ella also, mit ihrem Seiltanzding. Das ist schon ein bisschen merkwürdig, weil sie eben so versessen drauf ist, aber sie ist eine glatte Eins darin, damit Touristen anzulocken. Die kucken dann halt erst mal, und dann sehen sie, wie nett wir sind, und dann, na ja, ihr wisst schon.

SO SINDWIREBEN

An besten Tagen sind wir nicht nur nett zu Touristen, sondern vor allem nett zu uns.

Carlos war schon an diesem Morgen wahnsinnig nett zu Ella gewesen. »Klar, Ella. Seiltänzerin. Das bist du. Natürlich. Und eines Tages fliegst du mit deinem Schirmchen davon, und zwar bis nach Amerika, Leute.«

Carlos kann das wirklich prima. Den anderen sagen, dass alles gut ist und dass sie sich keine Sorgen machen müssen.