Jüdische Altertümer, Band 2 - Flavius Josephus - E-Book

Jüdische Altertümer, Band 2 E-Book

Flavius Josephus

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Beschreibung

Eines der Hauptwerke des Flavius Josephus sind seine zwanzig Bände der "Jüdischen Altertümer", die im letzten Jahr der Herrschaft des Kaisers Flavius Domitian, etwa 93 oder 94 n. Chr., fertiggestellt wurden. Indem er die jüdische Geschichte, das Gesetz und die Sitten darlegt, nimmt er Anteil an vielen philosophischen Debatten , die zu dieser Zeit in Rom geführt wurden. Wiederum bietet er eine Apologie für die Antike und die universelle Bedeutung des jüdischen Volkes. Josephus behauptet, er schreibe diese Geschichte, weil er "sah, dass andere die Wahrheit in ihren Schriften verdrehten". Zu einigen seiner Quellen sagt er, dass er aus den hebräischen Schriften schöpfte und diese auslegte, und dass er Augenzeuge der Kriege zwischen den Juden und den Römern war. Flavius skizziert die jüdische Geschichte, beginnend mit der Schöpfung, wie sie durch die jüdische historische Tradition überliefert wurde. Abraham lehrte die Ägypter die Wissenschaft, die ihrerseits die Griechen unterrichteten. Moses gründete eine senatorische Priesteraristokratie, die sich wie die römische der Monarchie widersetzte. Die großen Gestalten des Tanach werden als ideale Philosophen-Führer dargestellt. In einem autobiografischen Anhang verteidigt er sein Verhalten am Ende des Krieges, als er mit den römischen Truppen zusammenarbeitete. Der Text folgt der Übersetzung von Heinrich Clementz, die Paragraphenzählung des Benedikt Niese wurde eingearbeitet. Dies ist Band zwei von zwei.

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Jüdische Altertümer

 

Band 2

 

FLAVIUS JOSEPHUS

 

 

 

 

 

 

 

Jüdische Altertümer 2, Flavius Josephus

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662356

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Elftes Buch.1

Zwölftes Buch.27

Dreizehntes Buch.60

Fünfzehntes Buch.136

Sechzehntes Buch.171

Siebzehntes Buch.204

Achtzehntes Buch.236

Neunzehntes Buch.269

Zwanzigstes Buch.297

Elftes Buch.

Dieses Buch umfasst einen Zeitraum von 253 Jahren und 5 Monaten.

Inhalt.

1. Wie der Perserkönig Cyrus die Juden aus Babylon in ihre Heimat entliess, ihnen den Tempel wieder aufzubauen gestattete und ihnen Geldmittel dazu gab.

2. Wie des Königs Beamte sie beim Bau des Tempels störten.

3. Wie nach dem Tode des Cyrus dessen Sohn Kambyses den Thron bestieg und den Juden die Wiederaufrichtung des Tempels völlig untersagte.

4. Wie Darius, des Hystaspes Sohn, nachdem er die Herrschaft über die Perser angetreten, das Volk der Juden mit Achtung behandelte und für den Wiederaufbau des Tempels sorgte.

5. Wie nach ihm sein Sohn Xerxes die Juden mit grösstem Wohlwollen behandelte.

6. Wie unter der Regierung des Artaxerxes das gesamte Judenvolk durch die Ränke Amans in die äusserste Gefahr geriet.

7. Wie Bagoses, der das Heer des jüngeren Artaxerxes befehligte, die Juden hart bedrängte.

8. Wie Alexander, König der Macedonier, den Juden vieles Gute erwies, nachdem er Judaea unterjocht hatte.

Erstes Kapitel.

Wie der Perserkönig Cyrus die Juden aus Babylon in ihre Heimat entliess, ihnen den Tempel wieder aufzubauen gestattete und ihnen Geldmittel dazu gab.

(1.) 1 Im ersten Jahre der Regierung des Cyrus, dem siebzigsten seit der Überführung unseres Volkes nach Babylon, erbarmte sich Gott der Gefangenschaft und der Drangsal, welche jene Unglücklichen ertragen mussten, wie er ihnen durch den Seher Jeremias vorhergesagt hatte, ehe die Stadt zerstört wurde: 2 nachdem sie Nabuchodonosor und seinen Nachfolgern als Knechte gedient und diese Sklaverei siebzig Jahre lang erduldet hätten, werde er sie wieder in ihr Heimatland zurückführen, damit sie den Tempel aufbauen und ihr früheres Glück wiedergewinnen könnten. 3 Dieser Verheissung getreu bewog Gott den Cyrus, in ganz Asien ein Rundschreiben zu erlassen folgenden Inhalts: „Also spricht der König Cyrus: Da mich der allmächtige Gott zum Könige des Erdkreises gemacht hat, glaube ich, dass er es ist, den das Volk der Israëliten anbetet. 4 Er hat durch die Propheten meinen Namen vorhersagen und verkündigen lassen, dass ich seinen Tempel zu Jerusalem im Lande Judaea wieder aufbauen würde.“

(2.) 5 Das hatte der König erfahren bei der Lesung des Buches der Weissagungen, welches Esaïas zweihundertzehn Jahre früher geschrieben hatte. Dieser verkündete nämlich, Gott habe ihm insgeheim offenbart: „Ich will, dass Cyrus, den ich zum Könige über viele und grosse Völkerschaften gemacht habe, mein Volk in sein Heimatland zurücksende und meinen Tempel wieder aufrichte.“ 6 So prophezeite Esaïas einhundertvierzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels. Als Cyrus es gelesen hatte, bewunderte er Gottes Vorsehung und ward von regem Eifer erfüllt, dasjenige auszuführen, was geschrieben stand. Er liess daher die vornehmsten Juden in Babylon zusammenkommen und sagte ihnen, er gebe ihnen die Erlaubnis, in ihr Vaterland zurückzukehren, um die Stadt Jerusalem und den Tempel Gottes wieder aufzubauen. 7 Gott selbst werde sie dabei unterstützen; er aber wolle seinen Beamten und Satrapen in den an das Land der Juden grenzenden Provinzen schreiben, dass sie ihnen Gold und Silber zum Tempelbau wie auch Vieh zu den Opfern lieferten.

(3.) 8 Als Cyrus den Israëliten diese Erlaubnis gegeben, machten sich die Oberhäupter der beiden Stämme Judas und Benjamin sowie die Leviten und Priester sogleich auf den Weg nach Jerusalem. Viele jedoch blieben in Babylon, weil sie ihr Besitztum nicht verlassen wollten. 9 Als nun die vorerwähnten Juden in Jerusalem ankamen, leisteten ihnen alle Freunde des Königs Hilfe und lieferten ihnen zur Erbauung des Tempels teils Gold und Silber, teils eine ungeheure Anzahl Pferde und anderes Vieh. Da brachten sie Gott ihre Gebete dar und schlachteten nach alter Gewohnheit Opfertiere, als wenn die Stadt schon wieder aufgebaut wäre und die alte Pracht des Gottesdienstes wieder aufleben sollte. 10 Cyrus sandte ihnen hierauf auch die heiligen Geräte zurück, die der König Nabuchodonosor aus dem geplünderten Tempel nach Babylon gebracht hatte. 11 Diese übergab er seinem Schatzmeister Mithradates mit dem Auftrage, sie an Abassar auszuliefern, der sie bis zur Vollendung des Tempels aufbewahren und dann den Priestern und Vorstehern des Volkes zur Aufstellung im Tempel aushändigen sollte. 12 Ferner sandte Cyrus an seine Satrapen in Syrien ein Schreiben folgenden Inhalts: „Der König Cyrus an Sisinas und Sarabasanas. Ich habe den Juden, welche dazu Lust tragen, gestattet, in ihr Vaterland zurückzukehren und ihre Stadt sowie den Tempel Gottes zu Jerusalem auf derselben Stelle wieder aufzubauen, wo er früher gestanden hat. 13 Meinen Schatzmeister Mithradates und den Vorsteher der Juden Zorobabel habe ich entsandt, um die Fundamente zum Tempel zu legen und ihn in der Höhe und Breite von sechzig Ellen zu erbauen, indem sie je drei Lagen von geglättetem Marmor und eine Lage Holz von Bäumen des Landes selbst aufschichten, sowie auch den Altar zur Darbringung von Opfern zu errichten. 14 Die gesamten Baukosten will ich aus meinen Mitteln bestreiten. Die Geräte, welche der König Nabuchodonosor einst aus dem Tempel geraubt hat, habe ich meinen Schatzmeister Mithradates und dem Vorsteher der Juden, Zorobabel, übergeben, um sie nach Jerusalem zu bringen und im Tempel Gottes wieder aufzustellen. 15 Deren Anzahl ist folgende: Fünfzig goldene und fünfhundert silberne Schüsseln, vierzig goldene und fünfhundert silberne Becher, fünfzig goldene und fünfhundert silberne Krüge, dreissig goldene und dreihundert silberne Opferschalen, dreissig goldene und zweitausendvierhundert silberne Opferteller, sowie eintausend andere Gefässe. 16 Auch bewillige ich den Juden dieselben Rechte, welche ihre Vorfahren hatten. Für Vieh, Wein und Oel gewähre ich ihnen zweihundertfünftausendfünfhundert Drachmen, ferner zwanzigtausendfünfhundert Artaben[1] Weizenmehl, und befehle, dass alles dies aus dem Steueramte in Samaria zu entnehmen ist. 17 Die Opfer sollen die Priester zu Jerusalem nach moysaischem Ceremoniell darbringen und beim Opfer für das Heil des Königs und seines Hauses zu Gott flehen, damit das Reich der Perser lange bestehen möge. Wer diesem meinem Befehle nicht Folge leistet und ihn übertritt, der soll ans Kreuz geschlagen werden, und seine Besitzungen sollen dem königlichen Schatze verfallen sein.“ 18 Das war der Inhalt des Briefes. Derer aber, die nach Jerusalem zurückkehrten, waren zweiundvierzigtausendvierhundertzweiundsechzig.

Zweites Kapitel.

Wie die Chuthäer und Satrapen die Juden am Tempelbau hinderten, und wie nach Cyrus’ Tod Kambyses denselben ganz untersagte.

(1.) 19 Während man nun die Fundamente zum Tempel legte und allen Eifer auf den Bau verwandte, baten die benachbarten Völkerschaften und besonders die Chuthäer, die der Assyrierkönig Salmanasar nach Wegführung des Volkes der Israëliten in die Gefangenschaft aus Persien und Medien nach Samaria verpflanzt hatte, die Satrapen und die Bauleiter, sie möchten die Juden an der Wiederaufrichtung der Stadt und des Tempels hindern. 20 Diese liessen sich auch durch Bestechung mit Geldgeschenken dazu verleiten, den Chuthäern zu Gefallen die Juden mit Gleichgiltigkeit zu behandeln und den Tempelbau sehr nachlässig zu betreiben. Cyrus hatte davon keine Kenntnis, da er mit Feldzügen beschäftigt war. Auf einem derselben, den er gegen die Massageten unternahm, fand er seinen Tod. 21 Als nun sein Sohn Kambyses den Thron bestiegen hatte, schrieben die Syrer, Phoeniker, Ammaniter, Moabiter und Samariter einen Brief folgenden Inhalts an ihn: 22 „Deine Knechte, o Herr, Rathymus der Kanzler, Semelius der Schreiber, und die Vorsteher des phoenicischen und syrischen Rates. Du musst wissen, o König, dass die Juden, welche nach Babylon weggeführt waren, in unser Land gekommen sind, um die verräterische und ruchlose Stadt wieder aufzubauen, ihre Plätze wiederherzustellen, die Mauer wieder zu errichten und den Tempel zu bauen. 23 Wenn das alles vollendet ist, werden sie dir weder Tribut zahlen noch deinen Befehlen Folge leisten, sondern sich zum Widerstand rüsten und lieber selbst herrschen, als dienen. 24 Da nun der Tempelbau bereits im Gange ist, haben wir es für gut gehalten, an dich zu schreiben, o König, und es nicht unterlassen wollen, dich zu bitten, die Geschichte deiner Vorfahren nachzusehen. Du wirst darin finden, dass die Juden wie auch ihre Stadt, die ebendeswegen zerstört worden ist, aufrührerisch und gegen die Könige höchst feindselig sich benahmen. 25 Auch wollen wir dir nicht verhehlen, dass, wenn die Stadt wieder aufgebaut und mit Mauern umgeben ist, du von Coelesyrien und Phoenicien abgeschnitten sein wirst.“

(2.) 26 Als Kambyses den Brief gelesen hatte, geriet er, da er von Charakter jähzornig war, über dessen Inhalt in Wut und schrieb also zurück: „Der König Kambyses an den Kanzler Rathymus, an Belsemus, an den Schreiber Semelius und Genossen, sowie an alle Einwohner von Samaria und Phoenicien. 27 Nachdem ich euren Brief gelesen, habe ich die Geschichte meiner Vorfahren durchsehen lassen und gefunden, dass diese Stadt stets gegen die Könige feindlich gesinnt gewesen ist, dass ihre Bewohner Aufruhr und Krieg angezettelt, und dass ihre Herrscher mächtige und strenge Könige waren, die von Coelesyrien und Phoenicien Tribut erhoben haben. 28 Ich befehle daher, den Juden die Erbauung der Stadt zu wehren, damit ihre empörerische Gesinnung, die sie bisher stets zum Schaden der Könige bewiesen haben, nicht noch grösser werde.“ 29 Als der Inhalt dieses Briefes vorgelesen war, stiegen Rathymus, der Schreiber Semelius und deren Amtsgenossen zu Pferde, eilten nach Jerusalem, versammelten dort das Volk und wehrten den Juden den Bau des Tempels und der Stadt. 30 So wurde der Bau neun Jahre lang unterbrochen bis zum zweiten Jahre der Regierung des Perserkönigs Darius. Kambyses starb nach sechsjähriger Regierung, als er von einem Kriegszuge gegen Aegypten, das er unterjocht, zurückkehrte, in Damaskus.

Drittes Kapitel.

Wie nach dem Tode des Kambyses Darius zur Regierung kam, und wie Zorobabel, weil er in der Lösung schwieriger Fragen seine Genossen übertraf, von ihm die Erlaubnis zum Wiederaufbau des Tempels erhielt.

(1.) 31 Nachdem die Mager, welcher nach dem Tode des Kambyses ein Jahr lang die Herrschaft innehatten, aus dem Wege geräumt waren, erwählten die Oberhäupter der sogenannten sieben Häuser der Perser Darius, den Sohn des Hystaspes, zum Könige. Als dieser noch Privatmann war, hatte er Gott gelobt, wenn er die Königswürde erhielte, alle heiligen Gefässe, die sich noch in Babylon befänden, an den Tempel zu Jerusalem zurücksenden zu wollen. 32 Um diese Zeit kam aus Jerusalem zu Darius Zorobabel, der zum Vorsteher der Juden in der Gefangenschaft ernannt worden war. Diesen verband mit dem Könige eine alte Freundschaft, und so kam es, dass er nebst zwei anderen die Ehrenstelle eines königlichen Leibwächters erhielt.

(2.) 33 Im ersten Jahre seiner Regierung lud Darius seine nähere Umgebung, die Beamten seines Hauses, die Fürsten der Meder, die persischen Satrapen, die Statthalter von Indien bis nach Aethiopien hin und die militärischen Befehlshaber der hundertsiebenundzwanzig Satrapien zu einem glänzenden Prunkmahle ein. 34 Als man nach reichlichem Schmause sich trennte und jeder sein Quartier aufgesucht hatte, begab sich auch Darius zu Bett, wachte aber nach kurzem Schlummer auf und fing, da er keinen Schlaf mehr finden konnte, mit seinen drei Leibwächtern ein Gespräch an. 35 Dabei versprach er, er wolle demjenigen von ihnen, der ihm die beste und scharfsinnigste Antwort auf eine Frage geben würde, zum Lohne die Erlaubnis erteilen, dass er ein Purpurgewand tragen, aus goldenem Becher trinken, in goldenem Bette schlafen, in goldgeschirrtem Wagen fahren, eine Kopfbedeckung von Byssus und eine goldene Halskette tragen, und um seiner Weisheit willen neben ihm sitzen dürfe. Auch wolle er ihn als seinen Verwandten betrachten. 36 Nachdem er ihnen solche Belohnungen in Aussicht gestellt hatte, fragte er den ersten, ob der Wein am gewaltigsten sei, den zweiten, ob die Könige, den dritten, ob die Weiber die meiste Macht hätten, oder ob die Wahrheit gewaltiger sei als alle drei. 37 Alsdann begab er sich zur Ruhe. Am Morgen liess er seine Grossen, die Satrapen und die Statthalter von Persien und Medien zusammenkommen, nahm auf seinem Throne Platz und befahl jedem seiner Leibwächter, vor versammeltem Hofstaat über die ihm vorgelegte Frage seine Meinung zu äussern.

(3.) 38 Da begann der erste von der Gewalt des Weines zu reden und lobte ihn folgendermassen: „Ihr Männer, ich soll die Macht des Weines schildern, und ich beweise euch, dass er alles übertrifft. 39 Er umnebelt und bethört nämlich den Sinn derer, die ihn trinken, macht die Könige den Waisen und Dürftigen gleich, löst die Zunge des Knechtes dem Freien gegenüber und stellt den Armen mit dem Reichen auf eine Stufe. 40 Die Seele wandelt er um und verleiht ihr neue Kraft. Den Unglücklichen nimmt er ihre Traurigkeit, lässt den Schuldner seine Schuld vergessen und macht, dass er sich für den reichsten Menschen hält, sodass er nicht mehr von Kleinigkeiten, sondern nur noch von Talenten und allem anderen, was glückselig macht, redet. 41 Er lässt Fürsten und Könige ihre Würde vergessen und tilgt selbst das Andenken an Freunde und Verwandte. Den Menschen bringt er auf gegen seine Lieben, als wenn sie ihm wildfremd wären. 42 Ist man aber nüchtern geworden und hat man den Weinrausch in der Nacht verschlafen, so erhebt man sich, ohne noch etwas von dem zu wissen, was man im Taumel gethan. Daraus ziehe ich den Schluss, dass der Wein der allmächtigste Herrscher ist, und nichts ihn an Gewalt übertrifft.“

(4.) 43 Nachdem der erste diese Rede auf den Wein gehalten, fing der zweite an, von der Macht des Königs zu sprechen, die er für gewaltiger als jede andere körperliche oder geistige Macht hielt. Diese Behauptung versuchte er also zu beweisen: 44 „Der Mensch herrscht über alle Dinge und kann sich Land und Meer nach Belieben dienstbar machen. Die Könige aber haben wieder die Herrschaft über die Menschen. Wer also über das stärkste und mächtigste Geschöpf gebietet, der muss wohl die grösste Gewalt besitzen. 45 Wenn der König seinen Unterthanen befiehlt, sich in Krieg und Gefahren zu stürzen, so gehorchen sie. Sendet er sie gegen den Feind, so wagt niemand zu trotzen. Berge werden auf seinen Befehl abgetragen, feste Mauern und Türme zerstört. Ja, morden und sich morden lassen, wenn er gebietet, ist der Menschen Pflicht, wie auch der Sieger seine Kampfesbeute nur dem Könige zu bringen hat. 46 Die aber vom Kriegsdienste frei sind und das Land bebauen, müssen, wenn sie nach harter Arbeit endlich ernten, dem Könige die Abgabe davon entrichten. 47 Was er ausspricht und befiehlt, muss ohne Verzug gethan werden. Von Wollust und Üppigkeit gesättigt, schläft er ein, und dann beschirmen ihn Wächter, welche die Furcht an ihn fesselt, 48 sodass sie ihn nicht ein Weilchen zu verlassen wagen, um ihren eigenen Geschäften nachzugehen. Die Bewachung des Königs ist vielmehr das einzige, worauf sie ihr Augenmerk zu richten haben. Es muss also der König der mächtigste von allen sein, da seinem Befehl eine so grosse Menge gehorcht.“

(5.) 49 Als auch dieser geendet hatte, hub Zorobabel als dritter an, die Macht der Weiber und der Wahrheit zu schildern, und sprach: „Grosse Macht hat der Wein, und gewaltig ist der König, dem alle gehorchen. Aber noch weit mächtiger sind die Weiber. 50 Denn auch den König brachte ein Weib zur Welt, und die Winzer, die den Wein keltern, sind vom Weibe geboren und erzogen. Überhaupt giebt es nichts, das wir nicht dem Weibe verdankten. Denn es webt unsere Kleider und besorgt unser gesamtes Hauswesen. 51 Ohne Weib können wir nicht leben, und Gold, Silber wie alle anderen Kostbarkeiten geben wir gern dahin, wenn wir ein schönes Weib erblicken. Ja, unser ganzes Hab und Gut opfern wir, um in den Genuss seiner Reize gelangen zu können. 52 Vater, Mutter und Heimat verlassen wir und vergessen unsere teuersten Freunde um der Weiber willen; ja, wir scheuen uns nicht, für sie zu sterben. Hieraus lässt sich leicht ermessen, wie gross des Weibes Macht ist. 53 Arbeiten wir nicht und tragen wir nicht alle Mühsale zu Wasser und zu Lande, um das dadurch Erworbene freudig dem Weibe, unserer Herrscherin, zu Füssen zu legen? 54 Sah ich doch einst, wie der König, der gewaltige Herrscher, von Apame, der Tochter des Themasiers Rabezak, seinem Kebsweibe, geohrfeigt wurde; wie er duldete, dass sie das Diadem von seinem Haupte nahm und sich selbst aufsetzte; wie er lächelte, wenn sie fröhlich, und zürnte, wenn sie traurig war; wie er auf jede erdenkliche Weise dem Weibe schmeichelte und durch tiefe Demütigung ihre Gunst wiederzuerlangen trachtete, wenn er sie in Unmut sah!“

 (6.) 55 Während die Fürsten und Satrapen noch über das Gehörte nachdachten, schickte Zorobabel sich an, von der Wahrheit zu reden mit folgenden Worten: „Ich habe gezeigt, wie mächtig die Weiber sind; allein schwach sind sie wie der König im Vergleich zu der Wahrheit. Denn wie gross auch die Erde, wie hoch der Himmel, und wie schnell der Sonne Lauf ist, so bewegt sich doch das alles nur nach dem Willen Gottes, der die Wahrheit ist. Daraus folgt, dass die Wahrheit die grösste Macht ist, gegen welche keine Ungerechtigkeit etwas vermag. 56 Denn während alles andere, das mächtig zu sein scheint, sterblich und hinfällig ist, bleibt die Wahrheit dagegen ewig und unsterblich. Sie glänzt nicht durch Schönheit, welche die Zeit schwinden macht, noch durch Reichtum, den der Zufall raubt, sondern durch Recht und Gesetzmässigkeit, wonach sie das Ungerechte von sich abstösst und verdammt.“

(7.) 57 Sobald Zorobabel hiermit seine Lobrede auf die Wahrheit beendigt hatte, riefen alle aus, er habe am besten gesprochen, und nur die Wahrheit sei von unveränderlicher Macht und altere nie. Der König aber hiess ihn noch eine Gabe zu dem verlangen, was er ihm schon in Aussicht gestellt hatte. Er wolle ihm dieselbe gern gewähren, weil er sich als einen so verständigen und überaus klugen Mann bewiesen habe. „Du wirst von nun an,“ sagte er, „mir zur Seite sitzen und mein Verwandter heissen.“ 58 Hierauf erinnerte ihn Zorobabel an das Gelübde, das der König zu erfüllen versprochen habe, wenn er den Thron besteigen würde. Dann wolle er ja Jerusalem wieder erneuern, den Tempel Gottes aufbauen lassen und die von Nabuchodonosor geraubten und nach Babylon geschleppten Gefässe wieder zurückgeben. „Das ist es,“ fügte er hinzu, „was ich jetzt von dir erbitte, weil du mir als Belohnung für meine Weisheit und Klugheit noch eine Gnade versprochen hast.“

(8.) 59 Da erhob sich der König erfreut, küsste den Zorobabel und liess an die Statthalter und Satrapen schreiben, sie sollten dem Zorobabel und allen, die mit ihm zur Wiederaufrichtung Jerusalems ausziehen wollten, das Geleit geben. 60 Auch befahl er den Präfekten von Syrien und Phoenicien brieflich, auf den Libanon Cedernbäume fällen und dieselben zum Tempelbau nach Jerusalem schaffen zu lassen. Ferner schenkte er allen Gefangenen, welche bereit waren, nach Judaea zu ziehen, die Freiheit, 61 verbot seinen Verwaltern und Satrapen, von den Juden die Abgaben für den König zu erheben, und erliess den Juden alles Land, das sie bebauen wollten, steuerfrei. Den Idumäern, Samaritern und Bewohnern von Coelesyrien aber befahl er, sie sollten alle Wohnsitze der Juden, welche sie innehätten, verlassen und zum Bau des Tempels fünfzig Talente beisteuern. 62 Den Juden selbst gestattete er, ihre gesetzlichen Opfer wieder darzubringen, liess alle Geräte sowie die Kleidung des Hohepriesters und der übrigen Priester auf seine Kosten herstellen, gab den Leviten Musikinstrumente, 63 wies den Wächtern der Stadt und des Tempels Ländereien sowie ein Jahresgehalt an, sandte die heiligen Gefässe nach Jerusalem zurück und ordnete überhaupt alles das an, was schon früher Cyrus zum Besten der Juden beabsichtigt hatte.

(9.) 64 Als Zorobabel diese Gnade vom Könige erlangt hatte, verliess er den Palast, erhob sein Antlitz gen Himmel und dankte Gott dafür, dass er ihm Weisheit verliehen und ihm dadurch den Sieg ermöglicht habe. „Denn das alles,“ sagte er, „hätte ich nicht erlangt, wenn du, o Herr, mir nicht gnädig gewesen wärest.“ 65 Nachdem er so Gott öffentlich seinen Dank abgestattet und ihn gebeten hatte, ihm in Zukunft gleiches Wohlwollen zu beweisen, eilte er nach Babylon und brachte seinen Landsleuten die frohe Botschaft von der Erlaubnis des Königs. 66 Als die Juden dies vernahmen, dankten sie zunächst Gott dafür, dass er ihnen die Rückkehr in ihre Heimat wieder gestatten wolle, und ergötzten sich dann sieben Tage lang mit Freudenmahlen und heiterem Spiel, um die Wiedererstehung ihres Vaterlandes zu feiern. 67 Darauf bewogen sie die Vorsteher der Stämme, ihnen voraus mit Weibern, Kindern und Vieh die Reise nach Jerusalem anzutreten. Diese erhielten von Darius Geleit nach Jerusalem und legten den Weg unter freudigen Lobgesängen und unter dem Schalle von Flöten und Cymbeln zurück. Alsdann folgte ihnen jubelnd das übrige Volk nach.

(10.) 68 So zog also aus jedem Geschlecht eine bestimmte Zahl aus. Ich halte es nun nicht für zweckmässig, diese Geschlechter alle einzeln aufzuzählen, damit der Leser nicht von dem Zusammenhang der Begebenheiten abgelenkt werde und der Geschichtserzählung besser folgen könne. 69 Die Zahl aller Abziehenden aus den Stämmen Judas und Benjamin, die über zwölf Jahre alt waren, betrug viermillionsechshundertachtundzwanzigtausend,[2] die der Leviten vierundsiebzig, während die übrige Menge, Frauen und Kinder, die Zahl vierzigtausendsiebenhundertzweiundvierzig auf wies. 70 Ausserdem waren dabei hundertachtundzwanzig Leviten als Sänger, hundertzehn als Thürhüter und dreihundertzweiundneunzig als Tempeldiener. Dazu kamen dann noch sechshundertzweiundsechzig, die sich für Israëliten ausgaben, aber ihre Abstammung nicht beweisen konnten. 71 Einige aus den Priestern übrigens mussten ihrer Priesterwürde entkleidet werden, da sie Weiber geheiratet hatten, deren Herkunft sie nicht nachzuweisen vermochten und die auch in den Registern der Leviten und Priester nicht verzeichnet waren. Es waren dies im ganzen gegen fünfhundertfünfundzwanzig Priester. 72 An Knechten folgten denen, die nach Jerusalem zogen, siebentausenddreihundertsiebenunddreissig Mann. Sänger und Psalterspieler waren zweihundertfünfundvierzig dabei, ausserdem vierhundertfünfunddreissig Kamele und fünftausendfünfhundertfünfundzwanzig Stück Zugvieh. 73 Die Anführer des ganzen Zuges waren Zorobabel, der Sohn des Salathiel, aus dem Stamme Judas und aus Davids Geschlecht, und Jesus, der Sohn des Hohepriesters Josedek. Ausser diesen hatte das Volk sich noch zu Führern erwählt den Mardochaeus und den Serebaeus, welche hundert Minen Gold und fünftausend Minen Silber beigesteuert hatten. 74 Auf diese Weise zogen also die Priester nebst einem Teile des gesamten Volkes der Juden, das damals in Babylon wohnte, nach Jerusalem aus. Der Rest des Volkes aber begab sich gesondert in sein Heimatland zurück.

Viertes Kapitel.

Wie trotz des Widerstandes der Chuthäer der Tempel erbaut wurde.

(1.) 75 Im siebenten Monat nach dem Auszuge aus Babylon sandten der Hohepriester Jesus und der Anführer Zorobabel Boten im Lande umher und beriefen die ganze Volksmenge nach Jerusalem zusammen, die diesem Rufe auch gern Folge leistete. 76 Dann errichteten sie den Altar an derselben Stelle, wo er früher gestanden hatte um Gott die feierlichen Opfer darzubringen, die im Gesetze des Moyses vorgeschrieben waren. Dieses Beginnen betrachteten die benachbarten Völker mit neidischen Blicken, da sie samt und sonders ihnen feindlich gesinnt waren. 77 Trotzdem feierten die Juden das Laubhüttenfest um die Zeit, die der Gesetzgeber dafür bestimmt hatte, und vollzogen wieder die Speiseopfer, Brandopfer, Sabbatopfer und alle anderen festlichen Opfer; auch brachten sie die vorgeschriebenen Gebete dar und begannen mit den Opfern wieder vom Neumond des siebenten Monats an. 78 Alsdann gaben sie sich auch an die Erbauung des Tempels, zahlten den Steinmetzen und Zimmerleuten eine grosse Geldsumme und gewährten denen, die das Material herbeischafften, Speise und Trank. Diese Arbeiten besorgten die Sidonier mit leichter Mühe, indem sie Cedernholz vom Libanon zu Flössen zusammenfügten und damit in den Hafen von Joppe[3] einfuhren. Cyrus hatte das bereits angeordnet, während es jetzt erst unter Darius vollzogen wurde.

(2.) 79 Im zweiten Jahre nach der Rückkehr der Juden und zwar im zweiten Monat begann man mit dem Tempelbau, indem man am Neumond dieses Monats die Fundamente legte und auf diesen weiterbaute. Den Bau leiteten die über zwanzig Jahre alten Leviten, Jesus mit seinen Söhnen und Brüdern, sowie Zodmiel, der Bruder des Judas, Sohnes des Aminadab, nebst seinen Söhnen. 8 Und da mit angestrengtestem Fleisse gearbeitet wurde, ward der Tempel wider Erwarten schnell vollendet. Als das Heiligtum fertig war, legten die Priester ihre Gewänder an und stellten sich mit Posaunen auf, desgleichen auch die Leviten und die Söhne des Asaph. Darauf sangen sie Gott Loblieder, wie David sie dereinst gelehrt hatte. 81 Die Priester und Leviten aber und die Ältesten aus den Geschlechtern, die sich der Pracht und Grösse des früheren Tempels noch erinnerten und nun den jetzigen, weit ärmlicheren entstehen sahen, gerieten bei dem Gedanken an ihr einstiges Glück und den Glanz ihres früheren Tempels in tiefe Trauer und vermochten ihr Wehklagen und ihre Thränen nicht zurückzuhalten. 82 Das Volk dagegen war schon zufrieden, dass es wieder einen Tempel erhielt, und dachte nicht an den früheren, quälte sich auch nicht mit Vergleichen ab, welche die geringere Pracht des jetzigen Tempels erst recht hätten empfinden lassen. 83 Und der Schall der Posaunen und das Jauchzen der Menge übertönte die Wehklage der Ältesten und der Priester, die immer wieder daran erinnert wurden, dass der jetzige Tempel dem zerstörten weit nachstehe.

(3.) 84 Als nun die Samariter, die den Stämmen Judas und Benjamin feindlich gesinnt waren, den Schall der Posaunen vernahmen, liefen sie herbei, um den Grund des Festtrubels kennen zu lernen. Und da sie sahen, dass die Juden, die als Gefangene nach Babylon weggeführt worden waren, den Tempel wieder aufbauten, gingen sie den Zorobabel und den Jesus sowie die Oberhäupter der Geschlechter mit der Bitte an, man möge ihnen gestatten, sich am Bau zu beteiligen. 85 „Wir verehren ja,“ sagten sie, „ebenso wie ihr den allmächtigen Gott und beten zu ihm, und wir sind auch stets in seinem Dienste eifrig gewesen von der Zeit an, da der Assyrierkönig Salmanasar uns aus Chuthien und Medien hierher verpflanzt hat.“ 86 Zorobabel, der Hohepriester Jesus und die Oberhäupter der Geschlechter entgegneten ihnen darauf, es sei unmöglich, sie am Tempelbau teilnehmen zu lassen, da nur die Juden zuerst von Cyrus und jetzt von Darius den Auftrag zur Wiedererrichtung des Tempels erhalten hätten. 87 Jedoch wolle man ihnen erlauben, in dem Tempel Gott zu verehren, denn nur hierin bestehe die Gemeinschaft der Juden mit ihnen wie mit allen anderen, die zum Tempel kämen, um Gott anzubeten.

(4.) 88 Als die Chuthäer (so heissen eigentlich die Samariter) diese Antwort vernahmen, wurden sie wütend und veranlassten die Völkerschaften Syriens, die Satrapen zu bitten, sie möchten, wie dies früher unter Cyrus und Kambyses geschehen sei, den Bau des Tempels hintertreiben und den Juden bei ihrer Arbeit Schwierigkeiten und Hindernisse in den Weg legen. 89 Um diese Zeit kam der Statthalter von Syrien und Phoenicien, Sisines, in Begleitung des Sarabazanes und einiger anderen nach Jerusalem. Diese fragten die Vorsteher der Juden, wer ihnen erlaubt habe, einen solchen Tempel zu bauen, der einer Festung ähnlicher als einem Heiligtum sei, und weshalb sie ihn mit Säulenhallen und die Stadt mit so starken Mauern umgeben hätten. 90 Zorobabel und der Hohepriester Jesus antworteten ihnen, sie seien Diener des allmächtigen Gottes, und der Tempel, den ihr glücklichster und tugendhaftester König einst erbaut, habe lange Zeit unversehrt dagestanden. 91 Als aber ihre Vorfahren gegen Gott gefrevelt, habe Nabuchodonosor, der König der Babylonier und Chaldäer, die Stadt eingenommen und zerstört, den Tempel geplündert und verbrannt und das Volk nach Babylon in die Gefangenschaft geschleppt. 92 Cyrus indessen, der ihm in der Herrschaft über Babylonien und Persien gefolgt sei, habe schriftlich den Befehl erteilt, den Tempel wieder aufzubauen, und alle von Nabuchodonosor geraubten Weihgeschenke und Geräte dem Zorobabel und seinem Schatzmeister Mithradates übergeben, um sie nach Jerusalem zurückzuschaffen und in dem neuerbauten Tempel wieder aufzustellen. 93 Und damit alles möglichst schnell vollführt werde, habe er dem Abassar befohlen, sich nach Jerusalem zu begeben und für den Tempel Sorge zu tragen. Dieser sei darauf mit einem Schreiben des Cyrus sogleich dorthin abgereist und habe die Fundamente legen lassen. Seit dieser Zeit habe man eifrig weitergebaut, sei jedoch wegen der Böswilligkeit der Feinde mit dem Bau noch nicht fertig geworden. 94 Wenn sie es daher für gut fänden, möchten sie an Darius schreiben, damit er die königliche Chronik nachsehen lasse und sich überzeuge, dass sie die volle Wahrheit geredet hätten.

(5.) 95 Auf diese Vorstellungen Zorobabels und des Hohepriesters hin beschlossen Sisines und seine Begleiter, dem Bau nichts in den Weg zu legen, bis sie den König Darius benachrichtigt hätten. Und sogleich schrieben sie ihm über die Angelegenheit. 96 Da aber die Juden in Schrecken gerieten und fürchteten, den König möchte die Wiederaufrichtung des Tempels und der Stadt reuen, flössten zwei Seher, welche damals unter ihnen lebten, Aggaeus und Zacharias, ihnen Mut ein und verkündeten ihnen nach einer Verheissung Gottes, es werde ihnen von den Persern kein Leid zugefügt werden. Im Vertrauen hierauf bauten sie alsdann fleissig weiter und setzten die Arbeit auch nicht einen einzigen Tag aus.

(6.) 97 Unterdessen schrieben die Samariter an Darius und klagten die Juden an, sie befestigten ihre Stadt, und ihr Tempel gleiche mehr einer Festung wie einem Heiligtum. Auch stellten sie dem Könige vor, der Bau liege nicht in seinem Interesse, und fügten den Brief des Kambyses bei, in welchem dieser den Tempelbau untersagt hatte, 98 weil er von der Wiederaufrichtung Jerusalems für sich Gefahr befürchtete. Als Darius nun auch den Brief des Sisines und seiner Amtsgenossen gelesen hatte, befahl er, in den königlichen Archiven nachzuforschen. 99 Man fand dabei zu Ekbatana in Medien in einem Turme ein Geschichtsbuch, in welchem folgendes geschrieben stand: „Im ersten Jahre seiner Regierung hat der König Cyrus befohlen, den Tempel zu Jerusalem samt dem Altare wieder aufzubauen, in einer Höhe und Breite von sechzig Ellen aus je drei Lagen geglätteten Marmors und einer Lage Holz des Landes, 100 und die Kosten auf die königliche Kasse zu übernehmen. Ferner hat er vorgeschrieben, die Geräte, die Nabuchodonosor aus dem Tempel geraubt und nach Babylon geschleppt hatte, den Jerusalemern wieder zuzustellen. 101 Mit der Sorge dafür betraute er Abassar, den Statthalter von Syrien und Phoenicien, und dessen Unterbeamte. Diese selbst sollten sich von der Stadt fernhalten, die Juden aber, die Diener Gottes, und deren Vorsteher bei der Erbauung des Tempels ruhig gewähren lassen. 102 Weiterhin hat er befohlen, zur Unterstützung des Werkes aus den Abgaben der Provinzen, die jene Beamten verwalteten, den Juden Stiere, Widder, Lämmer, Böcke, Weizenmehl, Öl, Wein und alles andere, das die Priester begehren würden, zu liefern. Dafür sollten die Juden zu Gott für das Heil des Königs und der Perser beten. 103 Wer gegen diese Anordnungen verstosse, solle gekreuzigt und seine Besitzungen zu gunsten des Königs eingezogen werden. Obendrein flehte er auch selbst zu Gott, dieser möge jeden, der den Bau zu hindern wage, vernichten und ihn so von dem Frevel abhalten.“

(7.) 104 Als Darius diese Aufzeichnungen in der Chronik des Cyrus gefunden hatte, schrieb er dem Sisines und seinen Amtsgenossen folgendes zurück: „Der König Darius an den edlen Ritter Sisines, an Sarabazanes und an deren Amtsgenossen. Ich sende euch hiermit eine Abschrift des Briefes, den ich in der Chronik des Cyrus gefunden habe, und will, dass alles so ausgeführt werde, wie es darin geschrieben steht. Lebt wohl.“ 105 Als Sisines und seine Amtsgenossen aus diesem Briefe den Willen des Königs klar erkannt hatten, beschlossen sie, sich genau danach zu richten. Sie förderten demgemäss das heilige Werk und unterstützten die Ältesten und Vorsteher der Juden, 106 sodass der Bau unter Anwendung höchsten Fleisses in sieben Jahren vollendet wurde, wie die Seher Aggaeus und Zacharias im Auftrage Gottes geweissagt und die Könige Cyrus und Darius es gewollt hatten. 107 Im neunten Jahre der Regierung des Darius, am dreiundzwanzigsten Tage des zwölften Monats, der bei uns Adar, bei den Macedoniern aber Dystros heisst, brachten die Priester, die Leviten und das gesamte Volk der Israëliten für die Erneuerung ihres ehemaligen Glückes und aus Dankbarkeit für den ihnen wiedergegebenen Tempel hundert Stiere, zweihundert Widder, vierhundert Lämmer und zwölf Böcke (letztere der Zahl der Stämme entsprechend) dar zur Sühnung ihrer Sünden. 108 Hierauf sorgten die Priester und Leviten dafür, dass nach dem Gesetze des Moyses Thürhüter für die einzelnen Eingänge angestellt wurden. Denn die Juden hatten auch die rings um den Tempel laufenden Säulenhallen des inneren Heiligtums wieder aufgebaut.

(8.) 109 Da nun das Fest der ungesäuerten Brote im ersten Monat, den die Macedonier Xanthikos, wir aber Nisan nennen, bevorstand, strömte alles Volk aus den anderen Städten nach Jerusalem. Hier begingen sie das Fest, nachdem sie sich nebst Weibern und Kindern nach väterlicher Sitte der Reinigung unterzogen hatten, 110 brachten am vierzehnten Tage des Monats das sogenannte Paschaopfer dar und vergnügten sich dann sieben Tage lang, ohne auf die Kosten zu sehen. Auch Brandopfer brachten sie dar, imgleichen Dankopfer dafür, dass Gott sie in ihr Heimatland zurückgeführt und ihnen ihre väterlichen Gesetze wiedergegeben, sowie den Perserkönig ihnen wohlgesinnt gemacht hatte. 111 In der Folgezeit begingen die Bewohner von Jerusalem den Gottesdienst wieder mit aller Pracht. Ihre Staatsverfassung war eine gemischte, teils aristokratisch, teils oligarchisch. Denn die Hohepriester standen an der Spitze des Staates, bis die Asamonäer die Königswürde erlangten. 112 Vor der Wegführung des Volkes in die Gefangenschaft regierten, von Saul und David angefangen, fünfhundertzweiundzwanzig Jahre sechs Monate und zehn Tage lang Könige. Vor diesen wurde das Volk von Richtern regiert, und es bestand diese Staatsverfassung nach dem Tode des Moyses und des Feldherrn Jesus mehr als fünfhundert Jahre lang. 113 So verhielt es sich mit den Juden, die unter Cyrus und Darius aus der Gefangenschaft heimkehrten.

(9.) 114 Die Samariter aber, die den Juden höchst feindlich und missgünstig gegenüberstanden, fügten ihnen grossen Schaden zu, indem sie sich auf ihren Reichtum sowie auf ihre Verwandtschaft mit den Persern stützten, von denen sie abstammten. 115 Sie verweigerten die Lieferung der Beiträge, die sie nach dem Befehle des Königs zu den Opfern zu leisten hatten, und verstanden es, die königlichen Beamten auf ihre Seite zu bringen, wie sie auch keine andere Gelegenheit unbenutzt liessen, um den Juden sei es selbst, sei es durch andere zu schaden. 116 Die Jerusalemer beschlossen daher, sich an den König Darius zu wenden und die Samariter zu verklagen. Zu diesem Zwecke ordneten sie eine Gesandtschaft ab, die aus Zorobabel und vier anderen vornehmen Juden bestand. 117 Als der König von diesen die Klagen gegen die Samariter gehört hatte, entliess er sie mit einem Schreiben an seine Beamten und an den Senat zu Samaria, 118 das folgenden Inhalt hatte: „Der König Darius an seine Beamten zu Samaria, Tanganas, Sambabas, Sadrakas, Bobelon und deren Amtsgenossen. Die Gesandten der Juden Zorobabel, Ananias und Mardochaeus haben euch verklagt, ihr hättet sie beim Tempelbau belästigt und die Beiträge zu den Opfern, wie ich befohlen, nicht geleistet. 119 Ich gebiete daher, dass ihr nach Lesung dieses Briefes aus dem königlichen Steueramte zu Samaria alles zu liefern habt, was nach dem Gutdünken der Priester zu den Opfern erforderlich ist, damit sie die täglichen Opfer nicht zu unterbrechen brauchen und für mich und mein Volk zu Gott beten.“ Das war der Inhalt des Schreibens.

Fünftes Kapitel.

Wie Xerxes, der Sohn des Darius, die Juden höchst wohlwollend behandelte. Von Esdras und Neëmias.

(1.) 120 Nach dem Tode des Darius folgte ihm in der Regierung sein Sohn Xerxes, der ebenso gottesfürchtig wie sein Vater war. Denn er lag wie dieser eifrig dem Gottesdienste ob und war den Juden überaus wohlgesinnt. 121 Um diese Zeit war Joakim, Jesus’ Sohn, Hohepriester. Es befand sich aber zu Babylon ein gerechter und hochgeachteter Mann mit Namen Esdras, der erste Priester des Volkes. Dieser war mit dem moysaischen Gesetze besonders vertraut und genoss die Freundschaft des Königs Xerxes. 122 Da er nun beschlossen hatte, nach Jerusalem zu ziehen und einige von den zu Babylon lebenden Juden mitzunehmen, bat er den König, ihm ein Beglaubigungsschreiben an die Satrapen Syriens mitzugeben. 123 Darauf schrieb der König folgendes: „Der König Xerxes entbietet dem Priester und Gesetzeslehrer Esdras seinen Gruss. In meiner königlichen Gnade habe ich beschlossen, dass den Juden sowie deren Priestern und Leviten, die noch in meinem Reiche leben und nach Jerusalem ziehen wollen, dieses verstattet sein soll. 124 Wer also Lust dazu trägt, möge mit meiner und meiner sieben Räte Einwilligung sich dorthin begeben, damit Gottes Gesetz in Judaea wieder völlig zur Geltung komme. Die Abziehenden sollen auch dem Gotte der Israëliten die Geschenke, die ich und meine Freunde ihm gelobt haben, mitnehmen 125 sowie alles Gold und Silber, das sich im Lande der Babylonier noch vorfindet und früher Gott geweiht war. Was du selbst aus Gold und Silber, verfertigen willst, das magst du mit deinen Brüdern herstellen. 126 Die heiligen Geräte, die dir eingehändigt worden sind, sollst du Gott wieder weihen und auch sonst alles nach deinem Gutdünken dir anfertigen lassen, und zwar auf meine Kosten. 127 Meinen Schatzmeistern in Syrien und Phoenicien habe ich geschrieben, dass sie für alles Sorge tragen sollen, was der Priester und Ausleger der Gesetze Gottes, Esdras, von ihnen verlangen wird. Und damit Gott mir und meinen Nachkommen nicht zürne, befehle ich, dass ihm alles bis auf hundert Koren Weizen nach seinem Gesetze geliefert werde. 128 Ausserdem lege ich euch ans Herz, dass ihr von keinem Priester, Leviten, Pförtner, Sänger, Tempeldiener oder Tempelschreiber irgend eine Steuer erheben, noch sie zu irgend welchen Lasten heranziehen dürft. 129 Du aber, Esdras, magst nach dem Gutdünken deiner Weisheit, die Gott dir verliehen hat, Richter, die in deinem Gesetze bewandert sind, in ganz Syrien und Phoenicien einsetzen. Die des Gesetzes Unkundigen aber wollest du belehren, 130 damit derjenige von deinen Landsleuten, der Gottes oder des Königs Gesetz übertritt, keine Unkenntnis desselben vorschützen kann, sondern als wissentlicher Verächter des Gesetzes seine Strafe erleidet. Die Strafe aber soll entweder Todes- oder Geldstrafe sein. Gehab dich, wohl.“

(2.) 131 Als Esdras dieses Schreiben erhielt, freute er sich ausserordentlich und lobte Gott, dem allein er die gute Gesinnung des Königs zuschrieb und dem er deshalb auch seinen innigsten Dank abstattete. Und nachdem er den Brief den Juden in Babylon vorgelesen hatte, behielt er das Original für sich, während er eine Abschrift davon an alle seine in Medien lebenden Landsleute sandte. 132 Diese wurden von hoher Freude durchdrungen, als sie die Kunde von der gottesfürchtigen Gesinnung des Königs und seinem Wohlwollen gegen Esdras vernommen hatten, und viele von ihnen begaben sich alsbald mit ihrer Habe nach Babylon, um von dort nach Jerusalem zurückzukehren. 133 Die grosse Masse des Volkes aber blieb im Lande. Daher kommt es, dass nur zwei Stämme in Asien und Europa den Römern unterthan sind, während die zehn übrigen Stämme als eine unendliche, unzählbare Menge noch heutigen Tages jenseits des Euphrat wohnen. 134 An Esdras aber schlossen sich die meisten Priester, Leviten, Thürhüter, Sänger und Tempeldiener an. Als er nun die Verbannten, die ihn begleiten wollten, über den Euphrat geführt hatte, rastete er hier drei Tage lang, ordnete ein Fasten an und liess das Volk zu Gott flehen, dass er sie gnädig beschützen und sie vor allem Übel sei es seitens ihrer Feinde, sei es anderswoher bewahren möge. 135 Denn Esdras hatte dem Könige schon im voraus gesagt, Gott werde sie behüten, und deshalb auf den ihm angebotenen Schutz von Reitern verzichtet. Nachdem sie nun ihr Gebet beendigt hatten, brachen sie am zwölften Tage des ersten Monats, im siebenten Jahre der Regierung des Xerxes, vom Euphrat auf und gelangten im fünften Monat desselben Jahres nach Jerusalem. 136 Dort übergab Esdras den Schatzmeistern das für den Tempel bestimmte Vermögen, sechshundertfünfzig Talente Silber, hundert Talente an silbernen Gefässen, zwanzig Talente an goldenen Gefässen und zwölf Talente an ehernen Gefässen, die noch werthvoller als Gold waren. Das alles hatten ihm der König, dessen Räte und die in Babylon bleibenden Israëliten geschenkt. 137 Als Esdras diese Kostbarkeiten den Priestern eingehändigt hatte, liess er Gott die gesetzlichen Brandopfer darbringen, zwölf Stiere für das Heil des ganzen Volkes, neunzig Widder, zweiundsiebzig Lämmer, und zwölf Ziegenböcke als Sühnopfer. 138 Den königlichen Schatzmeistern und den Präfekten von Coelesyrien und Phoenicien aber übergab er den Brief des Königs, und diese erfüllten denn auch wohl oder übel den Befehl des Xerxes, behandelten die Juden achtungsvoll und unterstüzten sie mit allem Notwendigen.

(3.) 139 So traf Esdras seine Anordnungen, und es gelang ihm alles nach Wunsch, weil, wie ich glaube, Gott ihn wegen seiner Rechtschaffenheit und Gottesfurcht des glücklichen Erfolges aller seiner Pläne für würdig hielt. 140 Nicht lange nachher aber kamen einige Juden zu ihm und hinterbrachten ihm, einige aus dem Volke und selbst Priester und Leviten hätten die Verfassung übertreten und die Gesetze verletzt, indem sie fremde Weiber geheiratet und dadurch das Priestergeschlecht entehrt hätten. 141 Sie baten ihn deshalb, das Gesetz hochzuhalten, damit Gottes Zorn sie nicht abermals ins Unglück stürzen lasse. Als Esdras dies vernommen, zerriss er vor Trauer sein Gewand, raufte sich Haupthaar und Bart und warf sich zur Erde nieder, weil die Besten des Volkes sich so vergangen hatten. 142 Und indem er bedachte, sie würden, wenn er ihnen den Befehl gäbe, ihre Weiber und Kinder zu verstossen, ihm doch nicht gehorchen, blieb er auf der Erde liegen. Da liefen alle Guten und Gerechten herzu und weinten und wehklagten um das, was vorgefallen war. 143 Endlich erhob sich Esdras, rang die Hände gen Himmel und rief aus, er müsse sich schämen, zu Gott seine Augen emporzubeben wegen der schweren Vergehungen des Volkes, das die Strafe, welche seine Vorfahren um ihrer Sünden willen getroffen, vergessen zu haben scheine. 144 Dann bat er zu Gott, er möge, da er sie aus der Gefangenschaft errettet, sie nach Jerusalem zurückgeführt und den Königen der Perser Mitleid mit ihnen eingeflösst habe, auch jetzt ihrer Sünden nicht mehr gedenken, obgleich sie eigentlich den Tod verdient hätten, und in seiner Güte ihnen die Strafe erlassen.

(4.) 145 Nach diesem Gebete brachen alle, die sich mit Weib und Kind versammelt hatten, in Thränen aus, und Achonius, einer der ersten in Jerusalem, trat auf Esdras zu und sagte, sie hätten sich freilich verfehlt, da sie die fremden Weiber geheiratet hätten. Er wolle ihm aber die eidliche Zusage geben, dass sie sich alle zur Verstossung ihrer Weiber und Kinder verpflichteten und damit einverstanden seien, dass derjenige, der hierauf nicht eingehen wolle, zur Verantwortung gezogen werde. 146 Im Vertrauen darauf liess Esdras die Stammeshäupter der Priester, Leviten und übrigen Israëliten schwören, dass sie nach dem Rate des Achonius ihre Weiber und Kinder entlassen wollten. 147 Nachdem diese den Eid geleistet, entfernte er sich aus dem Tempel, begab sich zur Wohnung des Joannes, der ein Sohn des Eliasib war, und brachte den ganzen Tag in tiefer Bekümmernis zu, ohne Speise oder Trank zu sich zu nehmen. 148 Dann liess er bekannt machen, dass alle, die aus der Gefangenschaft zurückgekehrt seien, sich in Jerusalem einfinden sollten. Wer aber in zwei bis drei Tagen nicht zur Stelle sei, der solle aus dem Volke ausgestossen und sein Vermögen nach dem Beschlusse der Ältesten zu gunsten des Tempels eingezogen werden. Daraufhin kamen die Angehörigen der Stämme Judas und Benjamin nach drei Tagen zusammen, am zwanzigsten Tage des neunten Monats, der bei den Hebräern Chaslev, bei den Macedoniern aber Apellaios heisst. 149 In den oberen Räumen des Tempels setzten sie sich in Gegenwart der Ältesten nieder, gedrückt von banger Furcht. Da erhob sich Esdras und warf ihnen ihr Vergehen vor, das sie mit der Heirat fremder Weiber begangen hätten. Jetzt aber könnten sie Gott versöhnen und zu ihrem eigenen Nutzen handeln, wenn sie auf das fernere Zusammenleben mit ihren Weibern verzichteten. 150 Alle erklärten sich hierzu bereit; doch seien ihrer viele, und obendrein sei es Winterszeit, sodass es sich in einem oder zwei Tagen wohl nicht durchführen lasse. Es müsse deshalb denen, die noch mit fremden Weibern vermählt seien, eine Frist gewährt werden, innerhalb deren die Vorsteher und Ältesten die Schuldigen ermitteln sollten. 151 Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, und so begann man am ersten Tage des zehnten Monats diejenigen aufzusuchen, welche fremde Weiber geheiratet hatten. Damit wurde fortgefahren bis zum ersten Tage des folgenden Monats, und es fanden sich viele Nachkommen des Hohepriesters Jesus, desgleichen auch viele Priester, Leviten und andere Israëliten, 152 die ihre Weiber und Kinder sogleich entliessen, da sie die Beobachtung des Gesetzes höher stellten als die Liebe zu ihrer Familie. Dann brachte man zur Versöhnung Gottes ein Opfer von Widdern dar. Die einzelnen Namen aufzuzählen, habe ich nicht für notwendig gehalten. 153 Nachdem Esdras so die durch die eingegangenen Ehen entstandenen Verirrungen, wieder gutgemacht hatte, traf er in dieser Angelegenheit Bestimmungen, die für alle Zeit Gültigkeit haben sollten.

(5.) 154 Als im siebenten Monate das Laubhüttenfest begangen wurde und fast das gesamte Volk herbeigeströmt war, stiegen alle in den Teil des Tempels hinauf, der nach dem östlichen Thore zu lag, und baten den Esdras, ihnen die Gesetze des Moyses vorzulesen. 155 Dieser trat in ihre Mitte und las von der Morgenfrühe bis zum Mittag. Da nun die Leute das Gesetz vorlesen hörten, erfuhren sie nicht bloss, wie sie es jetzt und in Zukunft anzufangen hätten, um gerecht zu leben, sondern bereuten auch die Vergangenheit und beklagten unter Thränen ihr Unglück, das sie nicht betroffen haben würde, wenn sie das Gesetz beobachtet hätten. 156 Als Esdras sah, dass sie sich so abhärmten, hiess er sie heimkehren, ohne zu weinen: denn es sei ein Festtag, und es gezieme sich nicht, an einem solchen Tage zu trauern. Vielmehr sollten sie sich zu freudigem Schmause wenden und das Fest mit Frohlocken begehen. Ihre Reue und ihr Schmerz werde sie davor bewahren, dass sie in Zukunft wieder in dergleichen Sünden fielen. 157 Nachdem Esdras sie dergestalt ermuntert hatte, überliessen sie sich der Freude, und als sie acht Tage in Zelten gewohnt hatten, begaben sie sich unter Lobgesängen auf Gott nach Hause und dankten dem Esdras dafür, dass er ihre Vergehen gegen die Verfassung wieder gutgemacht habe. 158 Esdras aber starb, reich an Verdiensten, in hohem Alter und wurde mit grosser Pracht zu Jerusalem bestattet. Um dieselbe Zeit schied auch der Hohepriester Joakim aus dem Leben, und es folgte ihm in der Hohepriesterwürde sein Sohn Eliasib.

(6.) 159 Unter den gefangenen Juden befand sich ein Mundschenk des Königs Xerxes, mit Namen Neëmias. Als dieser einst vor den Thoren der persischen Hauptstadt Susa lustwandelte, hörte er einige Fremde, die von einer langen Reise in die Stadt einkehrten, in hebraeischer Sprache sich unterhalten, trat auf sie zu und fragte sie, woher sie kämen. 160 Sie entgegneten, aus Judaea, worauf er sich weiter erkundigte, wie es um ihr Volk und die Stadt Jerusalem stehe. 161 Jene erwiderten, es sei sehr schlecht damit bestellt, da die Stadtmauern dem Erdboden gleich gemacht seien und die ringsum wohnenden Völkerschaften den Juden hart zusetzten. Bei Tage fielen sie in das Land ein, raubten und verwüsteten, bei Nacht aber schlichen sie sich heran und führten viele aus der Umgegend und selbst aus Jerusalem gefangen weg, und gar oft finde man Leichen auf den Wegen liegen. 162 Da brach Neëmias vor Mitleid mit dem Unglück seiner Landsleute in Wehklagen aus, erhob die Augen gen Himmel und sprach: „Bis wann, o Herr, willst du unser Volk noch also heimsuchen? Wahrlich, wir sind zum Raube und zur Beute aller unserer Feinde geworden!“ 163 Während er nun so am Thore stand und weinte, wurde ihm gemeldet, der König wolle sich zum Mahle begeben. Da eilte er, ungewaschen wie er war, um seinen Dienst beim Könige zu versehen. 164 Nach dem Mahle war der König sehr gut gelaunt und heiterer als gewöhnlich, und als er des Neëmias traurige Miene bemerkte, fragte er ihn, weshalb er so niedergeschlagen sei. 165 Da bat Neëmias zu Gott, er möge seiner Rede die Kraft der Überzeugung verleihen, und sprach: „Wie kann ich, o König, anders aussehen, oder wie sollte ich nicht traurig sein, da ich höre, dass in meiner Vaterstadt Jerusalem, wo meine Vorfahren begraben liegen, die Mauern niedergerissen und die Stadtthore verbrannt sind? Lass mich, ich bitte dich, dorthin ziehen, um die Mauern wieder aufzurichten und den Tempel zu vollenden!“ 166 Der König bewilligte ihm sogleich seine Bitte und versprach Briefe an die Satrapen zu schreiben, damit sie ihm achtungsvoll entgegenkämen und ihm alles Erforderliche lieferten. „Nun aber,“ sagte er, „höre auf zu trauern und diene mir mit gewohnter Behendigkeit!“ 167 Da betete Neëmias Gott an, dankte dem Könige für sein Versprechen, legte seinen Missmut ab und erhob freudig sein Haupt. Am folgenden Tage beschied der König ihn zu sich und gab ihm einen Brief an Adaeus, den Präfekten von Syrien, Phoenicien und Samarien, mit, worin er den Befehl erteilte, Neëmias ehrenvoll zu behandeln und ihm alles zu liefern, dessen er beim Bau bedürfe.

(7.) 168 Als Neëmias nach Babylon kam, schlossen sich ihm viele seiner Landsleute an. Darauf zog er nach Jerusalem im fünfundzwanzigsten Jahre der Regierung des Xerxes, zeigte den Brief dem Adaeus und den übrigen Befehlshabern vor, berief dann das ganze Volk nach Jerusalem, trat in die Mitte des Heiligtums und redete die Menge also an: 169 „Ihr wisst, Juden, dass Gott noch immer eurer Ahnen Abram, Isak und Jakob gedenkt und um ihrer Gerechtigkeit willen nicht aufhört, für euch zu sorgen. Mir hat er gnädig geholfen, vom Könige die Erlaubnis zu erlangen, dass ich die Mauern unserer Stadt wieder aufrichten und den fehlenden Teil des Tempels ergänzen darf. 170 Da ihr indes die üble Gesinnung unserer Nachbarn kennt und euch denken könnt, dass sie auf die Nachricht von unserer Bauarbeit uns alle möglichen Hindernisse in den Weg zu legen suchen werden, so ermahne ich euch, 171 vor allem auf Gott zu vertrauen, der euren Feinden schon Widerstand leisten wird. Dann aber dürft ihr weder bei Tage noch bei Nacht die Arbeit unterbrechen, müsst vielmehr mit höchstem Eifer ans Werk gehen, weil gerade jetzt der rechte Zeitpunkt ist.“ 172 Als er so geredet, befahl er den Vorstehern, sogleich die Mauer abstecken zu lassen und die Arbeit nach Städten und Dörfern gleichmässig zu verteilen. Dann versprach er, auch seinerseits mit seinen Leuten sich am Werke zu beteiligen, und entliess die Versammelten. 173 Die Juden machten sich sogleich ans Werk. Den Namen Juden hatten sie aber von jenem Tage an, da sie aus Babylon zurückkehrten, und zwar von dem Stamme Judas, der zuerst im Lande ankam, und nach welchem das Land sowohl als die Bewohner desselben genannt wurden.

(8.) 174 Sobald die Ammaniter, Moabiter, Samariter und alle Bewohner Coelesyriens von dem raschen Fortschreiten des Baues der Stadtmauer Kunde erhielten, wurden sie aufgebracht und fuhren fort, die Juden zu beunruhigen und von ihrem Vorhaben abzulenken. Viele Juden erlagen ihren Nachstellungen, und auch dem Neëmias trachteten sie nach dem Leben, indem sie einige Ausländer dingten, um ihn zu töten. 175 Als sie nun auch noch das Gerücht ausstreuten, es rückten verschiedene Völkerschaften mit grosser Heeresmacht gegen die Juden heran, gerieten diese derartig in Schrecken, dass sie beinahe den Bau aufgegeben hätten. 176 Neëmias aber liess sich nicht einschüchtern, sondern hielt zu seinem Schutze eine Leibwache in seiner Umgebung und harrte standhaft aus, ohne in seinem Eifer für den Bau irgendeine Mühe anzuschlagen. Doch war er nicht deshalb so sorgfältig auf seinen Schutz bedacht, weil er den Tod fürchtete, sondern weil er davon überzeugt war, dass nach seinem Tode die Mauer nicht vollendet werden würde. 177 Auch befahl er, dass die Bauleute nur bewaffnet ans Werk gehen sollten, und so kam es, dass jeder Maurer und Handlanger mit dem Schwerte umgürtet war. Die Schilde liess er in der Nähe bereit legen, und von fünfhundert zu fünf hundert Schritten stellte er Trompeter auf, die den Auftrag hatten, beim Erscheinen der Feinde durch Trompetenstoss den Arbeitern ein Zeichen zu geben, damit sie sich zum Kampfe rüsten könnten und nicht unversehens und wehrlos dem Angriff des Feindes ausgesetzt wären. 178 Er selbst ging zur Nachtzeit rings um die Stadt, ohne sich die Strapazen oder die Entbehrung von Speise und Trank irgendwie anfechten zu lassen. Seine Nahrung nahm er übrigens nicht zu seinem Vergnügen, sondern nur zur notdürftigen Fristung seines Lebens. 179 Diese gewaltigen Anstrengungen ertrug er zwei Jahre und vier Monate lang, denn so langer Zeit bedurfte er, um Jerusalem mit Mauern zu umgeben. Vollendet war die Arbeit im neunten Monat des achtundzwanzigsten Jahres der Regierung des Xerxes, 180 und Neëmias brachte nun mit dem Volke Gott Dankopfer dar, worauf ein achttägiges Fest gefeiert wurde. Als aber die Völkerschaften Syriens vernahmen, die Befestigung sei fertig, gerieten sie in gewaltige Aufregung. 181 Neëmias glaubte deshalb, die Besatzung der Stadt sei zu klein, und forderte die Priester und Leviten, die rings im Lande wohnten, auf, in die Stadt zu ziehen und sich dort anzusiedeln. Er liess ihnen auf seine Kosten Wohnungen erbauen 182 und befahl dem Ackerbau treibenden Teile der Bevölkerung, den Zehnten der Ernte nach Jerusalem zu liefern, damit die Priester und Leviten hinreichenden Lebensunterhalt hätten, ohne den Gottesdienst vernachlässigen zu müssen. Diese Anordnungen des Neëmias wurden bereitwillig befolgt, und so kam es, dass die Bevölkerung Jerusalems sich von Tag zu Tag vermehrte. 183 Neëmias traf noch manche vortreffliche und lobenswerte Einrichtung und starb in hohem Alter. Er war ein Mann von edlem und gerechtem Charakter und ein echter Freund seines Volkes, dem er in den Ringmauern Jerusalems ein dauerndes Denkmal hinterlassen hat. Das sind die Begebenheiten unter der Regierung des Xerxes.

Sechstes Kapitel.

Von Esther, Mardochaeus und Aman, und wie unter Artaxerxes beinahe das ganze Volk der Juden ausgerottet worden wäre.

(1.) 184 Nach Xerxes’ Tod ging die Regierung an seinen Sohn Cyrus über, den die Griechen Artaxerxes nennen. Während dieser über die Perser herrschte, wäre beinahe das ganze Volk der Juden mit Weibern und Kindern dem Untergange verfallen gewesen. Die Ursache hiervon will ich gleich angeben. 185 Vorher nämlich muss ich berichten, wie der König eine Jüdin aus königlichem Geschlechte zur Gemahlin nahm, von der erzählt wird, dass sie unser Volk gerettet habe. 186 Als Artaxerxes den Thron bestiegen und die hundertsiebenundzwanzig Satrapen von Indien bis nach Aethiopien hin eingesetzt hatte, lud er im dritten Jahre seiner Regierung seine Freunde, die ihm untergebenen Perser und deren Fürsten ein und gab ihnen ein hundertachtzig Tage währendes Fest, wie es einem Könige geziemt, der seinen Reichtum zur Schau stellen will. 187 Alsdann bewirtete er sieben Tage lang die fremden Völker und deren Gesandte in Susa. Das Gastmahl wurde folgendermassen gehalten: Der König liess ein Zelt errichten, dessen Gerüst aus goldenen und silbernen Säulen und dessen Bekleidung aus Leinwand und Purpur bestand. In diesem Zelte fanden viele Tausende Platz. 188 Man bediente sich beim Mahle goldener, mit Edelsteinen besetzter Becher, die ebenso das Auge ergötzten als dem Ganzen zur Zierde gereichten. Den Dienern befahl der König, niemand durch öfteres Einschenken zum Trinken zu nötigen, wie das bei den Persern Sitte ist, sondern die Gäste ganz nach ihrem Gutdünken sich der Freude hingeben zu lassen. 189 Im ganzen Lande sandte er Boten umher und liess verkündigen, die Arbeit solle ruhen und eine Reihe von Tagen festlich begangen werden. 190 Auch den Frauen gab die Königin Vaste im Palaste ein Fest. Da nun die Königin von hervorragender Schönheit war, wollte der König sie seinen Gästen zeigen und liess ihr befehlen, zum Mahle zu kommen. 191 Die Königin aber weigerte sich dessen, da die Gesetze der Perser den Fremden verbieten, Frauen des Landes zu betrachten, und so viele Verschnittene der König auch zu ihr sandte, blieb sie doch in ihren Gemächern und weigerte sich zu kommen. 192 Der König geriet hierüber in heftigen Zorn, beendete das Mahl, stand auf und beschied die sieben Perser zu sich, denen die Auslegung des Gesetzes oblag. Bei diesen klagte er seine Gattin an, ihn dadurch beleidigt zu haben, dass sie trotz seines öfteren Befehls, zum Gastmahle zu kommen, nicht ein einziges Mal erschienen sei. 193 Er hiess sie daher ihm auslegen, was nach dem Gesetze gegen die Königin zu geschehen habe. Einer von den sieben, Muchaeus mit Namen, erklärte, das Benehmen der Königin gereiche nicht nur dem Könige zur Schmach, sondern auch allen Persern, die dadurch in Gefahr kämen, von ihren Weibern missachtet zu werden. 194 Denn nach dem Vorgange der Königin werde kein Weib mehr vor ihrem Gatten Ehrfurcht haben. Er legte deshalb dem König nahe, das widerspenstige Gebaren der Königin empfindlich zu bestrafen und allen seinen Unterthanen das über sie verhängte Urteil bekannt zu machen. Demgemäss ward beschlossen, der König solle die Vaste verstossen und ihren Rang einer anderen Frau verleihen.

(2.) 195 Da aber der König die Vaste sehr liebte, konnte er sich in eine Trennung von ihr schlecht schicken. Doch gab es nun des Gesetzes wegen für ihn keine Umkehr von dem Beschluss, und es blieb ihm nichts übrig, als sein Unglück, das er selbst gewollt hatte, zu beklagen. Als seine Freunde ihn so übelgelaunt sahen, rieten sie ihm, das Andenken an Vaste und an seine Liebe zu ihr, die ihm ja doch nichts nützen könne, ganz aufzugeben, 196 dann aber im ganzen Lande die schönsten und anmutigsten Jungfrauen aufsuchen zu lassen und die liebreizendste von ihnen zur Ehe zu nehmen. Denn je rascher er eine neue Gattin heimführe, desto eher werde die Neigung zu seiner ersten Gemahlin in ihm erkalten und bald auf die andere sich übertragen. 197 Dieser Rat gefiel dem Könige, und er gab daher den Auftrag, ihm die schönsten Jungfrauen aus seinem Reiche auszusuchen und zuzuführen. 198 Unter den Erwählten befand sich auch ein Mädchen, welches verwaist war und zu Babylon von seinem Oheim Mardochaeus erzogen wurde. Letzterer war aus dem Stamme Benjamin und gehörte einer der vornehmsten jüdischen Familien an. 199 Esther (das war der Name der Jungfrau) zeichnete sich vor allen anderen durch Schönheit aus und zog durch ihre lieblichen Gesichtszüge aller Augen auf sich. 200 Sie wurde einem Verschnittenen zur Wartung übergeben, der ihr die sorgfältigste Pflege angedeihen liess und sie mit Wohlgerüchen und kostbaren Salben im Überfluss versah. Dieselbe Pflege wurde auch den übrigen Mädchen, die im ganzen vierhundert an der Zahl waren, zu teil, und zwar sechs Monate lang. 201 Als man nun nach Ablauf dieser Zeit die Jungfrauen für hinreichend vorbereitet hielt, beim Könige zu ruhen, liess man jeden Tag eine von ihnen mit dem Könige Gemeinschaft haben. 202 Der aber schickte sie alle dem Verschnittenen wieder zurück. Als jedoch Esther zu ihm kam, hatte er Gefallen an ihr und ward von solcher Liebe zu ihr ergriffen, dass er sie zu seiner rechtmässigen Gattin erkor und sich im siebenten Jahre seiner Regierung, im zwölften Monate, der Adar heisst, mit ihr vermählte. 203 Alsdann sandte er Boten zu allen Völkerschaften, um ihnen seine Hochzeit anzukündigen. Die Perser aber und die Meder sowie die Vornehmsten der Völkerschaften bewirtete er aus diesem Anlass festlich einen ganzen Monat lang. Als nun seine neue Gemahlin in den Palast eingeführt war, setzte er ihr das Königsdiadem auf, und Esther wohnte von da an beim Könige, ohne ihm das Volk, dem sie entstammte, zu nennen. 204 Ihr Oheim zog dann ebenfalls von Babylon nach Susa, nahm dort seinen Wohnsitz und verkehrte täglich im Königspalaste, um sich nach dem Befinden der Esther zu erkundigen, da er sie wie seine Tochter liebte.

(3.) 205 Um diese Zeit erliess der König ein Gesetz, dass niemand von seinen Unterthanen ihm ungerufen nahen dürfe, wenn er auf dem Throne sitze. Infolgedessen umgab er sich mit Beilträgern, die jeden Übertreter des Gesetzes bestrafen sollten. 206 Der König selbst hatte in seiner Hand einen goldenen Stab, den er, wenn er einen von denen, die ungerufen zu ihm kamen, retten wollte, gegen diesen ausstreckte. Wen er damit berührte, der war ausser Gefahr. Soviel mag hierüber genügen.

(4.) 207 Einige Zeit darauf verschworen sich die beiden Verschnittenen Bagathous und Theodestes gegen den König. Barnabazus aber, der Diener des einen Verschnittenen, seiner Abstammung nach Jude, erhielt von der Verschwörung Kenntnis und meldete die Sache dem Oheim der Königin, der durch Esther dem Könige die Verschworenen anzeigte. 208 Der König geriet in heftigen Schrecken, liess eine Untersuchung anstellen und fand, dass die Anzeige auf Wahrheit beruhte. Alsdann liess er die beiden Verschnittenen ans Kreuz schlagen; seinem Retter Mardochaeus aber gab er keine andere Belohnung, als dass er seinen Namen von den Chronisten in die Jahrbücher eintragen liess, ihm im Königspalaste eine Wohnung anwies und ihn in die Zahl seiner vertrauten Freunde aufnahm.

(5.) 209 Damals war es Sitte, dass Aman, dem Sohne des Amadathas, einem geborenen Amalekiter, so oft er sich zum Könige begab, sowohl von den Persern als auch von den Fremden die Ehrenbezeugung erwiesen werden musste, dass man sich vor ihm niederwarf. Es war dies auf einen Befehl des Artaxerxes zurückzuführen. 210 Mardochaeus aber konnte es bei seiner Weisheit und seiner Achtung vor den Gesetzen seines Volkes nicht über sich bringen, einen Menschen also zu verehren. Aman, der sein Benehmen bemerkt hatte, erkundigte sich, woher er sei, und da er hörte, Mardochaeus sei Jude, geriet er in Zorn darüber, dass, obgleich die freien Perser ihm die Verehrung zollten, ein solcher Sklave sich dessen weigere. 211 Um sich dafür an Mardochaeus zu rächen, hielt er es für zu wenig, nur die Bestrafung dieses einen Mannes zu fordern, sondern beschloss, das ganze Volk zu vernichten. Denn er trug auch von Hause aus den Juden grossen Hass nach, da das Volk der Amalekiter, dem er entstammte, von ihnen ausgerottet worden war. 212 Er begab sich also zum Könige und führte bei ihm Klage, es lebe in seinem Reiche zerstreut ein verruchtes Volk, das sich ganz abgesondert und unvermischt erhalte und weder dieselben Götter wie seine übrigen Unterthanen verehre, noch den Gesetzen gehorche, vielmehr infolge seiner Sitten und Einrichtungen sowohl dem persischen Volke als allen übrigen Menschen ein Dorn im Auge sei. 213 „Willst du,“ fuhr er fort, „deinen Unterthanen eine Wohlthat erweisen, so gieb Befehl, dass dieses Volk völlig ausgerottet werde und nicht ein einziger von ihm übrig bleibe, sei es auch nur als Sklave oder Kriegsgefangener. 214 Damit dir jedoch kein Schaden daraus erwächst, erbiete ich mich, dir von meinem Vermögen vierzigtausend Talente Silber zu liefern, wohin du willst. Ich will mich gern dieser Summe entäussern, wenn nur das Reich von dieser Pestbeule befreit wird und Frieden geniessen kann.“

(6.) 215 Als Aman diese Bitte ausgesprochen hatte, hiess ihn der König sein Geld behalten und mit den Juden nach seinem Gutdünken verfahren. Aman, der so seinen Wunsch erfüllt sah, sandte sogleich im Namen des Königs an alle Völkerschaften ein Edikt folgenden Inhalts: 216 „Der grosse König Artaxerxes an die einhundertsiebenundzwanzig Satrapen von Indien bis nach Aethiopien. Da ich die Herrschaft über viele Völker und Länder errungen, jedoch nicht übermütig oder grausam, sondern mild und gütig mich gegen meine Unterthanen bewiesen und ihnen Frieden und den Schutz der Gesetze verschafft habe, bin ich auch bemüht gewesen, ihnen alle diese Vorteile für immer zu sichern. 217 Nun hat mich Aman, der wegen seiner Weisheit und Gerechtigkeit von mir in hohen Ehren gehalten wird und wegen seiner Treue und Anhänglichkeit mir besonders nahe steht, voll hingebender Sorgfalt darauf aufmerksam gemacht, dass mitten unter meinen Völkern ein feindseliges Volk lebt, das die Gesetze nicht beachtet, dem Könige nicht gehorcht, seiner eigenen Gebräuche sich bedient, unseren ganzen Staat hasst und heimtückische Pläne gegen uns hegt. 218 Ich befehle daher, dass ihr die von meinem väterlichen Berater Aman bezeichneten Menschen mit Weib und Kind umbringt, ohne auch nur einen einzigen zu verschonen, und dass ihr euch nicht durch Mitleid verleiten lasst, meinem Befehl zuwiderzuhandeln. 219 Dies soll geschehen am dreizehnten Tage des zwölften Monats im nächsten Jahre, damit unsere Feinde sämtlich an einem Tage umkommen, und wir in Zukunft vor ihnen sicher sind.“ 220 Als dieses Edikt im ganzen Lande bekannt gemacht worden war, traf man überall Vorkehrungen, um die Juden an dem festgesetzten Tage auszurotten, und auch in Susa rüstete man sich dazu. Inzwischen vergnügten sich der König und Aman mit Schmausereien und Zechgelagen, während die Stadt in Aufregung und Verwirrung sich befand.

(7.) 221 Als Mardochaeus von dem Anschlage Kenntnis erhielt, zerriss er seine Kleider, hüllte sich in Lumpen, bestreute sich mit Asche und zog durch die Stadt, indem er ausrief, es solle ein Volk zu Grunde gerichtet werden, das niemand ein Leid zugefügt habe. So kam er bis zum Königspalaste, vor dem er stehen blieb, da er in solchem Aufzug dort nicht eintreten durfte. 222 Ebenso verfuhren auch die übrigen Juden in den Städten, wo das bezügliche Edikt verkündet worden war, und jammerten und wehklagten über das ihnen bevorstehende Schicksal. Als man nun der Königin meldete, in welch kläglichem Aufzuge Mardochaeus vor dem Palast stehe, schickte sie ihm in ihrer Aufregung darüber andere Kleider. 223 Mardochaeus aber weigerte sich, die Lumpen abzulegen, weil das Leid, um dessetwillen er sie angezogen, noch nicht beendigt sei. Da beschied die Königin den gerade in ihrer Nähe befindlichen Verschnittenen Achratheus zu sich und schickte ihn zu Mardochaeus, um sich zu erkundigen, was ihm denn Trauriges zugestossen sei, dass er so wehklage und sein Gewand selbst auf ihre Bitten nicht ablegen wolle. 224 Mardochaeus erklärte dem Verschnittenen, die Ursache seines Schmerzes sei das gegen die Juden vom König erlassene Edikt und der Umstand, dass Aman dem Könige für die Ausrottung der Juden Geld versprochen habe. 225 Dann übergab er ihm für Esther eine Abschrift des in Susa bekannt gemachten Ediktes und liess sie bitten, sie solle sich beim Könige für ihr Volk verwenden und sich nicht schämen, für dessen Errettung demütig zu flehen, wodurch sie vielleicht den Untergang der Juden abwenden könne. 226 Denn Aman, die rechte Hand des Königs, habe die Juden so verleumdet, dass der König heftigen Zorn gegen sie hege. Als Esther dies vernahm, liess sie dem Mardochaeus sagen, sie sei schon lange nicht mehr zum Könige beschieden worden, und jeder, der ungerufen zu ihm hingehe, müsse sterben, wenn der König ihm nicht den goldenen Stab entgegenstrecke. 227 Mardochaeus liess ihr entgegnen, sie dürfe nicht so sehr auf ihr eigenes Wohlergehen bedacht sein, als vielmehr auf die Rettung ihres ganzen Volkes. Wenn sie das nicht thue, werde Gott zwar sein Volk auch zu retten wissen, sie selbst aber werde dann mit ihrem Hause von denen zu Grunde gerichtet werden, um die sie sich nicht kümmern wolle. 228 Darauf liess ihm Esther durch denselben Diener sagen, er solle sich nach Susa begeben, alle dort befindlichen Juden zusammenberufen und ein dreitägiges Fasten für sie anordnen, während welcher Zeit sie sich von Speise und Trank völlig enthalten möchten. Dasselbe wolle auch sie mit ihren Mägden thun und dann trotz des Gesetzes zum Könige gehen, selbst wenn sie dafür den Tod erleiden müsse.

(8.) 229 Mardochaeus ordnete nach Esthers Befehl das Fasten an und flehte mit dem Volke zu Gott, er möge sie nicht zu Grunde gehen lassen, sondern sie vom Verderben erretten, wie er auch früher so oft für sie gesorgt und ihnen ihre Sünden verziehen habe. 230 Denn nicht durch eigene Schuld sei das Volk in Gefahr geraten, sondern er allein habe den Zorn Amans erregt, weil er ihm nicht dieselbe Ehrenbezeugung wie Gott dem Herrn habe erweisen wollen. Deshalb sei Aman so sehr gegen die aufgebracht, die nichts gegen Gottes Gesetz sich hätten zu schulden kommen lassen. 231