Julia Ärzte Spezial Band 32 - Jennifer Taylor - E-Book

Julia Ärzte Spezial Band 32 E-Book

Jennifer Taylor

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Beschreibung

ALLES GLÜCK VERLOREN? von JENNIFER TAYLOR

Ein Lächeln. Eine zarte Geste. Immer wieder versucht Hebamme Sarah, zum Herzen des unnahbaren Arztes Dr. Niall Gillespie vorzudringen. Er lebt jedoch nach dem Tod seiner Frau und seines ungeborenen Babys nur für die Arbeit. Warum träumt er dann trotzdem jede Nacht wild von Sarah?


VERLIEBT IN DR. PLAYBOY von MARGARET MCDONAGH

Er sorgt unter den Frauen von Penhally Bay für Aufruhr: Dr. Oliver Fawkner ist jung, sexy und hat den Ruf eines Playboys. Doch den Mediziner interessiert das Gerede nicht – Oliver hat nur ein Ziel: Chloe, die schöne und gleichzeitig spröde Hebamme des Ortes, zu erobern …

AUF WOLKE SIEBEN MIT DR. PETRAKIS von KATE HARDY

Der Boden schwankt, und das nicht nur, weil Madison in einem Ballon über London schwebt. Ihr Begleiter bringt die Welt zum Beben: Dr. Theo Petrakis, der Mann ihrer Träume! Hebamme Madison könnte glücklich sein – doch sie ahnt, dass Theo ein düsteres Geheimnis hat …

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Seitenzahl: 546

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Jennifer Taylor, Margaret McDonagh, Kate Hardy

JULIA ÄRZTE SPEZIAL BAND 32

IMPRESSUM

JULIA ÄRZTE SPEZIAL erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/82 651-370 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage 2025 in der Reihe JULIA ÄRZTE SPEZIAL, Band 32

© 2000 by Jennifer Taylor Originaltitel: „Tender Loving Care“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sofia Mendes Deutsche Erstausgabe 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BIANCA ARZTROMAN, Band 31

© 2008 by Harlequin Enterprises ULC Originaltitel: „Virgin Midwife, Playboy Doctor“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Michaela Rabe Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA ÄRZTE ZUM VERLIEBEN, Band 31

© 2008 by Pamela Brooks Originaltitel: „The Greek Doctor’s New-Year Baby“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susanne Albrecht Deutsche Erstausgabe JAHR by 2010 Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA ÄRZTE ZUM VERLIEBEN, Band 35

Abbildungen: piai / Adobe Stock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2025 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751533355

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Jennifer Taylor

Alles Glück verloren?

1. KAPITEL

„Das war das Einhundertneunundzwanzigste!“, verkündete Krankenschwester Sarah Harris, als sie das Schwesternzimmer betrat. Sie ging geradewegs auf die Wandtafel zu und korrigierte die Zahl neben ihrem Namen. „Mrs. Peters hatte Zwillinge“, erklärte sie zufrieden.

„Das hätte ich mir ja denken können, dass du gleich zwei bekommen würdest.“ Irene Prentice, die älteste Hebamme der Station, verdrehte die Augen. „Was machst du mit deinen Müttern, Sarah, bestichst du sie? Du hast letztes Jahr schon die meisten Babys gehabt, und es sieht so aus, als würdest du dieses Jahr wieder gewinnen!“

„Du hast ja gut reden. Letzte Woche hattest du Drillinge, ich verstehe überhaupt nicht, dass du mir diesen kleinen Bonus nicht gönnst.“ Sarah lachte, während sie sich eine Tasse Kaffee nahm. Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und zog die Schuhe mit einem erleichterten Seufzen aus.

„Ich bin fast genauso erschöpft wie Mrs. Peters. Sie hat sich wunderbar gehalten und hat alles getan, was wir ihr gesagt haben, aber ihr Ehemann hat sich nicht so gut gehalten. Ehrlich gesagt, habe ich befürchtet, dass er in Ohnmacht fallen würde, deswegen haben wir ihm etwas Sauerstoff verabreicht.“

Irene stand lachend auf. „So geht es vielen Vätern! Aber zumindest sind sie dabei, und das ist das Wichtigste.“

Sarah beobachtete, wie Irene ihren Becher ausspülte, während sie genussvoll ihren Kaffee trank. „Bist du dir sicher, dass du in Rente gehen möchtest? Wirst du es nicht bereuen? Ich könnte mir gar nicht vorstellen, das alles aufzugeben. Ich hänge viel zu sehr an diesem Beruf!“

„Das weiß ich. Deswegen bist du ja auch so gut darin. Eine gute Hebamme muss sowohl einfühlsam als auch streng sein, und du kriegst beides hin. Alle deine Mütter sind sich darin einig, dass sie ohne deine Hilfe größere Schwierigkeiten bei der Geburt gehabt hätten.“ Irene lächelte, während sie sich die Hände abtrocknete. „Früher habe ich genauso gedacht, Sarah. Aber in letzter Zeit habe ich mir häufig mehr Freizeit gewünscht. Jack arbeitet nicht mehr, und wir könnten all die Dinge unternehmen, von denen wir seit langem träumen.“

„Das kann ich natürlich verstehen. Es ist nur so schade. Erst Dr. Henderson – und jetzt du.“ Sarah atmete tief durch. „Es wird hier nicht mehr so sein wie früher.“

„Nein, wahrscheinlich nicht. Aber dieser Niall Gillespie, der der Nachfolger von Dr. Henderson werden soll, genießt einen guten Ruf. Allerdings er ist auch dafür bekannt, dass er ganz eigene Vorstellungen haben soll, wie die Dinge zu funktionieren haben. Aber da das Gesundheitsamt entschieden hat, die Geburtsstation im Royal zu schließen und das Dalverston-General-Krankenhaus zum hiesigen Zentrum für Geburten zu machen, wird sich hier sowieso einiges verändern.“

„Das weiß ich, und verstehe mich nicht falsch, ich bin überglücklich, dass wir nun die ganze Ausrüstung, die wir dringend brauchen, zur Verfügung gestellt bekommen. Die Presse war natürlich geteilter Meinung über die Schließung der Geburtsstation im Royals. Da die beiden Krankenhäuser aber nur zehn Meilen voneinander entfernt sind, finde ich es sinnvoll, die Stationen zusammenzulegen und die Mittel sinnvoll auszugeben“, fügte sie hastig hinzu.

„Aber …“, sagte Irene.

„Ich habe Angst, dass diese Station den gleichen Weg einschlägt, wie all die anderen großen Geburtsstationen. Hightech ohne Seele. Ein Kind zu gebären sollte eine wunderbare Erfahrung für eine Mutter sein. Sie sollte nicht gegen ihren Willen in irgendeine Maßnahme gedrängt werden, nur weil es für das Personal angenehmer ist.“

„Und warum glaubst du, dass es hier so werden wird?“ Irene runzelte die Stirn. „Ich hoffe ja nicht, dass du Recht hast.“

„Vielleicht spinne ich nur.“ Sarah stand auf, um ihren Becher zu spülen. „Ich hoffe einfach nur, dass dieser neue Mann nicht versucht, uns seine Autorität aufzustempeln. Scheinbar besteht er ja darauf, dass die Dinge auf seine Weise erledigt werden. Ich hoffe nur, dass seine Weise auch zu unserer passt!“

Sie lachte, aber als sie sich umdrehte, gefror das Lachen auf ihren Lippen. An der Tür stand ein Mann, der sie mit seinen kühlen grünen Augen beobachtete. Sarah atmete tief durch. Sie war sich nicht sicher, warum sie so geschockt war, vielleicht war es die Tatsache, dass jemand ihr Gespräch belauscht hatte.

Wahrscheinlich hatte Irene gespürt, dass irgendetwas nicht stimmte, denn sie drehte sich auch um und war genauso erstaunt, als sie den Fremden sah. Bevor aber eine von beiden etwas sagen konnte, wurde die Tür weit aufgerissen, und Elaine Roberts, die Krankenhausdirektorin, kam ins Zimmer.

„Ah, Schwester Prentice, ich bin froh, dass ich Sie hier antreffe. Und Sie auch, Schwester Harris. Ich führe gerade Dr. Gillespie herum und stelle ihm das Personal vor.“ Elaine lächelte den Mann an, der ihr ins Zimmer gefolgt war. „Schwester Prentice ist unsere langjährigste Mitarbeiterin hier auf der Geburtsstation, Niall. Wie lange arbeiten Sie schon hier, Irene? Zwanzig Jahre?“

„Es sind genau zweiundzwanzig Jahre“, antwortete Irene erfreut und streckte ihm die Hand entgegen. „Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Dr. Gillespie.“

„Mich auch, Schwester Prentice. Es gibt wohl nicht viele, die diesen Beruf so lange ausüben.“

Seine Stimme war sehr tief, und wenn man genau hinhörte, konnte man einen leichten schottischen Akzent heraushören, der seiner Stimme eine samtige Note verlieh. Sarah fühlte ein Kribbeln am Rücken, als sie ihm zuhörte. Sie atmete tief durch und wunderte sich über die kleinen Hüpfer, die ihr Herz in ihrer Brust veranstaltete. Natürlich, es war eine Überraschung, ihn so unerwartet an der Tür stehen zu sehen, aber reichte das als Erklärung für ihren aufgeregten Zustand?

„Und wie lange arbeiten Sie schon hier, Schwester?“

Sarah erschrak, als sie merkte, dass diese Frage an sie gerichtet war. Sie blickte auf und errötete ein wenig, als sie merkte, dass er sie mit diesen kühlen Augen begutachtete. Als sie versuchte, diese einfache Frage zu beantworten, hatte sie das Gefühl, dass ihre Zunge stark angeschwollen war und fest am Gaumen klebte.

„Drei … fast drei Jahre“, stammelte sie.

„Und gefällt Ihnen die Arbeit hier?“ Er faltete die Arme vor die Brust und schaute sie ruhig an. Aber Sarah wurde das Gefühl nicht los, dass seine Frage einen tieferen Sinn beinhaltete. Sie atmete noch einmal tief durch, um die Gedanken zu ordnen, was ihr erstaunlich schwer fiel. Was hatte er an sich, das sie so durcheinander brachte?

Sie musterte ihn kurz, um festzustellen, was sie so aufregend an Dr. Gillespie fand. Er war groß und schlank, sein Körper wirkte durchtrainiert, soweit sie das beurteilen konnte. Er hatte einen grauen Anzug und ein perlweißes Hemd ohne Kragen an. Sein dunkelbraunes Haar war nach hinten gekämmt, was seine kräftigen Wangenknochen und seinen markanten Unterkiefer noch weiter unterstrich.

Sarah runzelte leicht die Stirn, denn sie hatte an seiner Erscheinung nichts bemerkt, das ihre Reaktion erklärt hätte. Er hatte sicherlich ein angenehmes Gesicht, man könnte auch sagen, dass er ein schönes Gesicht hatte. Allerdings war er etwas blass, als ob er nur wenig Zeit an der frischen Luft verbrachte.

Seine Augen waren sein Trumpf. Ein glänzendes Grün, das auf den ersten Blick durchsichtig schien. Erst als sie ihn genauer betrachtete, fiel ihr auf, dass es unmöglich war, durch seine Augen seine Gedanken zu erahnen.

Hier steht ein Mann, der seine Gefühle versteckt, dachte Sarah. Anderen Menschen gegenüber schien er aufgeschlossen zu sein, aber von sich selbst gab er nichts preis. Was mag er zu verbergen haben, überlegte sie, doch da fiel ihr auf, dass er immer noch auf ihre Antwort wartete.

„Oh, ja, sehr, Dr. Gillespie“, murmelte sie hastig. „Ich arbeite sehr gerne im Dalverston General.“

„Dann hoffe ich, dass Sie keine großen Schwierigkeiten haben werden, sich auf die Veränderungen einzustellen, die ich für erforderlich halte.“ Er warf ihr noch einen weiteren kühlen Blick zu, dann wandte er sich an Elaine Roberts. „Sie wollten mir noch die Abteilung für Frühgeburten zeigen, nicht wahr?“

„Ähm, ja.“ Elaine brachte ein Lächeln hervor, aber auch sie war sichtbar verwirrt. Das war allerdings nichts im Vergleich dazu, wie sich Sarah fühlte.

„Ich glaube, er hat mich gerade in meine Schranken verwiesen“, stellte Sarah fassungslos fest, nachdem sich die Tür hinter den Besuchern geschlossen hatte.

Irene verzog das Gesicht. „Das klang so. Ich hoffe, das war kein Vorgeschmack darauf, wie sich die Dinge hier entwickeln werden. Falls ja, bin ich froh, dass ich bald weg bin!“

„Das kann ich gut verstehen“, seufzte Sarah. „Es sieht so aus, als müsste ich in Zukunft darauf achten, was ich sage, oder?“

Irene lachte amüsiert. „Das will ich sehen. Wann hast du schon mal zweimal nachgedacht, bevor du deine Meinung gesagt hast, Sarah Harris?“ Beide Frauen lachten. „Ich muss mal nach Mrs. Walters schauen“, beendete Irene das Gespräch. „Wir sehen uns später. Du kommst doch zur Abschiedsfeier von Dr. Henderson heute Abend, oder?“

„Davon gehe ich aus. Wir sehen uns dann dort.“ Sarah sah Irene nach, als diese das Schwesternzimmer verließ, dann zog sie sich wieder die Schuhe an. Sie hatte wirklich vor, ein bisschen vorsichtiger bei ihrer Wortwahl zu werden, denn es gefiel ihr sehr gut in Dalverston. Sie blieb vor den Schließfächern stehen und betrachtete sich im Spiegel. Mit den Händen fuhr sie sich durch das seidige blonde Haar. Ihr hübsches, freches Gesicht sah ungewohnt grimmig aus, und ihre haselnussbraunen Augen funkelten wie zum Angriff bereit.

Vielleicht würde sie sich keinen Gefallen tun, aber falls sie etwas nicht richtig fand, würde sie es auch sagen! Denn für sie stand das Wohlergehen ihrer Patienten an erster Stelle. Alles andere, auch Mister Eisblock Gillespie, musste sich mit der zweiten Reihe zufrieden geben!

„Das machen Sie wunderbar, Karen. Der Geburtskanal ist schon vollständig ausgeweitet. Jetzt dauert es nicht mehr lange.“ Sarah wischte der jungen Frau den Schweiß vom Gesicht und lächelte sie ermutigend an.

„Ich habe das Gefühl, dass das Baby überhaupt nicht mehr kommen wird …“ Karen biss sich auf die Lippe, als eine erneute Wehe ihren erschöpften Körper erschütterte. Sarah bückte sich, und ein Glücksgefühl überkam sie, als der Kopf des Neugeborenen zum Vorschein kam. Sie stellte fest, dass die Nabelschnur nicht um den Hals des Babys gewickelt war, dann sprach sie leise zu Helen Court, einer Auszubildenden, die ihr bei der Geburt assistiert hatte.

„Alles ist in Ordnung. Du musst immer feststellen, ob die Nabelschnur nicht um den Hals gewickelt ist, das ist das Wichtigste.“

Helen nickte und untersuchte den Hals des Kindes so, wie sie es bei Sarah gesehen hatte. „Ja, ich verstehe. Und was passiert jetzt?“

Sarah lächelte, als sie Karen ansah. „Nun lassen wir die Mutter den Job erledigen! Jetzt müssen Sie daran denken, was Sie in der Geburtsvorbereitung gelernt haben, Karen. Warten Sie mit dem Pressen, bis eine Wehe kommt. Auf diese Weise vergeuden Sie Ihre Kraft nicht.“

Karen nickte erschöpft. Sie sah zu ihrem Ehemann hinüber und brachte ein Lächeln hervor. „Es dauert nicht mehr lange, David.“

„Du machst es wunderbar. Ich kann es gar nicht fassen …“ David zuckte zusammen, als Karen seine Hand drückte, weil erneut eine Wehe einsetzte.

Sarah half dem Baby auf dem letzten Stück seiner Reise und erklärte Helen alle Handgriffe. „Schau, der Kopf des Babys hat sich wieder gedreht. Jetzt ist er auf einer Linie mit der Schulter. Ich werde jetzt den Kopf etwas auf die Seite drehen, damit die vordere Schulter zuerst kommt … Ah, jetzt kommt das Baby.“

Sie hielt den kleinen, schlüpfrigen Körper in beiden Händen und lachte, als das Neugeborene sofort schrie und etwas verärgert seine neue Welt betrachtete. „Keine voreiligen Schlüsse, mein Kleines. Keine Angst, von nun an wird alles besser.“

Sie legte das Baby vorsichtig auf den Bauch der Mutter und musste lächeln, als sie die Freude in den Gesichtern der frisch gebackenen Eltern sah. „Sie haben eine Tochter. Ich gratuliere Ihnen beiden.“

„Eine Tochter? Aber … Aber ich dachte, es wäre ein Junge!“ Der Vater schluckte, als er voller Scheu das menschliche Bündel anschaute, das sein ganzes Leben auf den Kopf stellen würde.

Karen lachte, als sie zärtlich den feuchten Kopf der Kleinen streichelte. „Ich habe dir doch gesagt, dass es voreilig von dir war, die Fußballschuhe zu kaufen!“

Alle lachten. Dann machte sich Sarah daran, die Nachgeburt zu entfernen. Als sie damit fertig war, nahm sie Helen zur Seite, damit die Eltern diesen zauberhaften Augenblick alleine mit ihrem Kind verbringen konnten.

„Wir lassen der Familie ein bisschen Zeit, bevor wir mit den Untersuchungen anfangen. Das Kind muss gemessen und gewogen werden, der Knochenbau muss untersucht werden und der Zustand des Kindes natürlich auch. Eigentlich wird es gleich nach der Geburt gemacht, aber wenn die Geburt so unkompliziert wie diese verläuft, dann lasse ich das Kind einen Augenblick bei den Eltern, bevor ich es ihnen wegreiße. Die Untersuchungen sind natürlich sehr wichtig, aber viele Mütter reagieren sehr beunruhigt, wenn wir ihnen das Baby wegnehmen, noch bevor sie einen Blick darauf werfen konnten.“

Sie drehte sich um, als die Tür plötzlich hinter ihr aufging, und war sehr überrascht, Dr. Gillespie im Kreißsaal zu sehen. Er hatte seine Arbeitskleidung an und trug ein Stethoskop um den Hals. Er nickte einmal kurz zu den Eltern, dann kam er auf sie zu.

„Alles in Ordnung hier, Schwester Harris?“

„Aber ja.“ Sarah versuchte, seinen Tonfall zu imitieren. Es war aber nicht leicht, so viel Kälte in ihre Stimme zu packen. Sie war ungewohnt gereizt, als sie Helen dem neuen Stationsarzt vorstellte. Dann erklärte sie der Auszubildenden, wie sie die Identifikationsbändchen anbringen sollte, die alle Säuglinge bekamen, bevor sie den Kreißsaal verließen.

Dr. Gillespie wartete, bis Sarah die Einweisungen beendet hatte. Sein Gesichtsausdruck war so nichts sagend, wie sie es schon von ihm kannte. Sie hatte das Gefühl, dass er jedes Wort von ihr auf die Goldwaage legte, aber sie fuhr unbeirrt fort.

Als sie sicher war, dass Helen verstanden hatte, wie wichtig die Bändchen waren, wandte sie sich wieder an den Arzt. „Machen Sie sich gerade mit der Station vertraut?“, fragte sie höflich nach.

„Ach, ich habe schon eine vage Vorstellung, wo sich was befindet, danke schön, Schwester.“ Er lächelte sie kurz an und schaute dann zu den Eltern, die außer ihrem Kind nichts mehr wahrnahmen. „Sind die notwendigen Untersuchungen schon durchgeführt worden?“

Die Frage war überflüssig, denn man konnte genau sehen, dass noch nichts gemacht worden war. Sarah fühlte sich sofort in der Defensive, obwohl sie keinen Grund dazu sah, denn sie hatte nichts falsch gemacht. „Noch nicht. Ich lasse den Eltern gerne etwas Zeit mit ihrem Kind, bevor ich es ihnen wegnehme.“

„Und ist das die übliche Vorgehensweise?“

Sein Ton war so unpersönlich wie immer, so dass es keine Rechtfertigung gab für den Ärger, den sie plötzlich spürte. Sie sah ihm gerade heraus in die Augen und erschauerte, als sie dieses kühle Grün wahrnahm, das überhaupt nichts verriet. „So gehe ich üblicherweise vor, wenn die Geburt so reibungslos verläuft, Doktor. Dieser Augenblick ist für die Familie wichtiger als jeder andere. Es ist die Gelegenheit zu spüren, dass ihr Baby wirklich da ist.“

„Was für eine mitfühlende Geste, Schwester. Dennoch empfinde ich es als dumm und unnötig, die Gesundheit des Kindes oder der Mutter aufs Spiel zu setzen. In Zukunft stellen Sie bitte sicher, dass alles nach Lehrbuch verläuft, das heißt, dass sowohl die Mutter als auch das Kind sofort gründlich untersucht werden, damit jede Art von Komplikation vermieden werden kann.“

Er wollte das Zimmer verlassen, aber Sarah war so aufgebracht, dass sie ihn am Arm festhielt. „Es bestand weder für das Kind noch für die Mutter ein Risiko, das versichere ich Ihnen!“

„Vielleicht kein offensichtliches.“ Er schenkte ihr ein eisiges Lächeln und schaute dann auf ihre Hand, die auf seiner Schulter lag.

Sie ließ ihn sofort los und war ganz überrascht über ihre eigene Reaktion. Ihr Kopf lief rot an, ohne dass sie es verhindern konnte. Das war schon immer so gewesen. Immer, wenn sie verärgert oder aufgeregt war, dann konnte man es anhand ihrer Gesichtsfarbe feststellen. Diese Röte verriet nun die Gefühle, die sie für Niall Gillespie hegte!

Sie atmete tief durch und gab sich sichtlich Mühe, ihre Aufregung unter Kontrolle zu halten. Niall sollte sie nicht so leicht durchschauen. „Ich bin mir sicher, Herr Doktor, dass ich schon genug Kindern auf die Welt geholfen habe, um beurteilen zu können, ob ein Risiko für die Mutter oder das Kind besteht.“

„Man muss immer mit dem Unerwarteten rechnen.“ Sein Ton war so tief, dass man seinen Akzent plötzlich besser heraushörte. Das verlieh seiner Stimme eine Sinnlichkeit, deren Schwingungen sie bis tief in ihrem Innern spürte. „Wir können es uns nicht leisten, irgendein unnötiges Risiko auf uns zu nehmen.“

Er drehte sich um, ging ein paar Schritte und schaute noch einmal zurück. „Übrigens, was ist es denn?“

„Was es ist?“, wiederholte sie verwirrt und war sich nicht sicher, ob ihre Fantasie mit ihr durchbrannte. Niall Gillespie sah genauso kühl und unnahbar aus, wie sie ihn kannte; nichts an seinem Benehmen erklärte den Schmerz, den seine Stimme verraten hatte.

„Das Kind. Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“, unterbrach er ihre Gedanken.

„Oh, ein Mädchen.“ Sie warf einen Blick auf die Tafel, wo die Namen draufstanden, die die Eltern ausgesucht hatten. „Holly Louise. Ich glaube, so wird sie heißen.“

„Dann gratulieren Sie bitte den Eltern in meinem Namen.“ Er fügte nichts mehr hinzu, er ging einfach nur hinaus und schloss die Tür des Kreißsaals hinter sich.

Sarah sah ihm einen Augenblick gedankenverloren nach, bis Karen sie zu sich rief. Die junge Mutter wollte wissen, was das für eine cremige Substanz war, die die Haut ihres Kindes bedeckte. Während Sarah den faszinierten Eltern die Funktion der Käseschmiere erklärte, kreiste ein Teil ihrer Gedanken um Niall Gillespie.

Während sie das Baby zu der Waage trug, überlegte sie, ob sie sich etwas eingebildet hatte oder ob seine Stimme wirklich einen peinvollen Unterton gehabt hatte?

Sie war sich nicht mehr sicher. Hätte sie das als reine Einbildung abtun können, dann würde sie sich keine Gedanken mehr machen. Aber nun war Sarahs Neugierde geweckt worden … obwohl sie daran zweifelte, dass Niall Gillespie ihr Interesse gutheißen würde.

2. KAPITEL

„Sarah … hier! Wir haben dir einen Platz freigehalten.“

„Danke. Ich habe gedacht, dass ich überhaupt nicht mehr ankommen würde. Nachdem ich vergeblich auf den Bus gewartet habe, bin ich wieder nach Hause gegangen und habe mir ein Taxi bestellt.“

Sarah setzte sich neben Irene und lächelte die Gruppe an. Es waren ganz schön viele, die sich in der Kneipe neben dem Krankenhaus versammelt hatten, um gemeinsam einen Drink einzunehmen, bevor sie zusammen auf Dr. Hendersons Abschiedsparty gingen, die in einem Hotel ganz in der Nähe stattfinden würde. Das Personal von mehreren Abteilungen war erschienen und natürlich auch das Team der Geburtsstation.

„Wow, ich erkenne euch fast nicht wieder. Ihr seht alle so festlich aus, wenn ihr keine Arbeitskleidung anhabt“, witzelte sie.

Alle lachten, dann griff Helen nach ihrem Glas und hob es in die Luft. „Wie wäre es mit einem Toast auf meine allererste Geburt, einen Toast auf Holy Louise, und dass ihr noch viele Babys folgen mögen!“

„Holly Louise“, antworteten alle im Chor. Sarah schaute sich um, da ihr jemand von hinten ein Glas in die Hand drückte.

„Hier, nimm das, um auf das Baby anzustoßen.“

„Danke Mike.“ Sarah lächelte Mike Dawson an, der kürzlich eine Stelle als Pfleger in der chirurgischen Abteilung bekommen hatte. Sie nahm einen Schluck von ihrem Radler, dann erhob sie ihre Stimme, damit sie sich von dem allgemeinen Gemurmel hervorhob. „Ich dachte, du hättest heute Nachtschicht.“

„Habe ich auch. Kann man das nicht sehen?“ Mike verzog sein Gesicht und deutete auf seinen Orangensaft. „Ich hatte gerade Pause und wollte sehen, was du morgen Abend vorhast. Hättest du Lust, den Film zu sehen, der gerade im Ritz angelaufen ist? Da du in nächster Zeit häufig Nachtschichten hast, sollten wir uns beeilen, um den Film nicht zu verpassen.“

„Okay“, stimmte Sarah zu, obwohl ihr sein Eifer nicht besonders gefiel. Kurz danach musste er gehen, und die anderen machten sich über ihn lustig, weil er arbeiten musste, während sie feierten. Sie winkte ihm zu, als er die Tür erreicht hatte, aber innerlich war sie erleichtert. Sie hatte das Gefühl, dass er sich ein bisschen zu sehr für sie interessierte.

„Mike ist ein netter Junge“, flüsterte ihr Irene ins Ohr. „Und du scheinst es ihm angetan zu haben.“

„Ja, das kann sein. Aber er ist nichts für mich.“

„Ach Sarah, ich glaube dein Problem ist, dass du zu wählerisch bist. Auf diese Weise wirst du nie einen Mann finden.“

„Dann werde ich wohl ohne auskommen müssen.“ Sarah lachte und nahm einen Schluck. Wahrscheinlich hatte Irene Recht, sie war wählerisch, und sie machte auch keinen Hehl daraus. Sie war schon mit vielen verschiedenen Männern ausgegangen, aber bisher hatte sie noch bei keinem das Gefühl gehabt, dass er der Mann fürs Leben sei. Und bei Mike war es genauso. Sie machte sich darüber keine großen Gedanken, weil sie davon ausging, dass ihr eines Tages der Mann über den Weg laufen würde, der ihr Glück vervollständigte.

Sie nahm noch einen weiteren Schluck, während sie versuchte, sich ein Bild von ihrem Traummann zu machen. Würde er helle oder dunkle Haare haben, wäre er groß oder klein? Als sich aus der vagen Vorstellung eine Person herauskristallisierte, verschluckte sich Sarah und musste husten. Alles was sie vor sich sah, waren zwei grüne Augen, die sie unentwegt anstarrten …

„Fertig?“ Irene stupste sie mit dem Ellbogen an, weil alle bereit waren, auf die Party zu gehen. In aller Hast hängte Sarah ein schweres Tuch über das Bild, das sie sich in Gedanken gemacht hatte. Es musste am Alkohol liegen, dass sie gerade Dr. Eiskalt persönlich mit dem perfekten Mann verwechselt hatte.

„Ich möchte euch allen für dieses wunderbare Geschenk danken.“ Dr. Henderson lächelte mit der Angelrute in der Hand, die ihm die Belegschaft geschenkt hatte. „Jedes Mal, wenn ich sie benutze, werde ich an euch denken.“

Alle klatschten, als der ältere Arzt von dem Stuhl herabstieg, den er als Podest benutzt hatte. Er ging zu einem Tisch, der voller Drinks stand, schaute Sarah reumütig an und entschied sich dann für Mineralwasser.

„Mir war es zuvor noch gar nicht aufgefallen, wie schwer es ist, sich an die Anweisungen eines Arztes zu halten. Ich würde alles für einen kleinen Schluck Whisky geben, aber Meg wird mir die Leviten lesen, falls ich mit einer Fahne nach Hause komme!“

Sarah lachte. „Sie sorgt sich nur um Sie, Dr. Henderson.“

„Ich weiß, ich weiß“, seufzte er. „Und ich werde vernünftig sein, Sarah. Dieser Herzinfarkt war eine Warnung, die ich sehr ernst nehme. Von nun an werde ich mich strikt an die Lehrbücher halten!“

Sarah zuckte zusammen, weil der ältere Herr die gleiche Redewendung benutzt hatte wie Niall Gillespie ein paar Stunden zuvor. Sie schaute sich um und entdeckte ihn auch gleich am anderen Ende des Raumes.

In diesem Augenblick wandte er sich um, und als er ihren Blick auf sich gerichtet sah, zog er die Augenbrauen zusammen. Sarah errötete und fixierte ihren Blick auf ihren Gesprächspartner. Wie konnte sie ihn nur so angestarrt haben? Sie zwang sich dazu, sich auf die Worte von Dr. Henderson zu konzentrieren, der von seinem nächsten Angelurlaub erzählte, aber sie hatte große Schwierigkeiten.

„Ich kann dir ein paar nette Plätze empfehlen, um die Rute auszuprobieren, Richard.“

Sarah ging automatisch einen Schritt zurück, als sie die tiefe Stimme erkannte. Dabei schwenkte sie ihr Glas, so dass ein paar Tropfen über den Rand schwappten. Nervös schaute sie sich nach einem Platz um, an dem sie das Glas hinstellen konnte, um sich die Hand abzuwischen.

„Erlauben Sie, Schwester Harris?“ Niall Gillespie lächelte kühl, als er ihr das Glas aus der Hand nahm. Sie murmelte ein Dankeschön und kramte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. Sie war sich des eisigen Lächelns, das auf ihr ruhte, nur zu sehr bewusst.

Was war bloß los mit ihr? Sie reagierte wie ein … aufgeregter Teenager, dem fast das Glas aus der Hand fiel, nur weil Dr. Eisig sich ihr näherte! Endlich hatte sie ein Taschentuch gefunden und wollte sich die Hand trocknen, aber alles, was sie sehen konnte, waren diese hellgrünen Augen, die sie an Lagunen aus Karibikfilmen erinnerten. Sein Blick ruhte auf ihr.

Sarah hatte das Gefühl, dass sie zu viel getrunken hatte, und auch die Tatsache, dass er ihr in den Sinn kam, als sie über ihren Traummann nachgedacht hatte, schob sie auf den Alkohol. Sie würde gut daran tun, diese Nacht die Finger vom Alkohol zu lassen. Es war nicht vorauszusehen, mit welchen Fantasien sie sonst noch konfrontiert werden würde.

Niall hielt ihr wieder das Glas hin, und sie nahm es dankend entgegen. Sie versuchte das Kribbeln zu ignorieren, das sie bis zum Ellbogen fühlte, als sich ihre Fingerspitzen berührten. Sie setzte ein Lächeln auf und versuchte seine Nähe nicht mehr so wahrzunehmen, aber das käme dem Versuch gleich, an einem schönen Sommertag, die Sonne zu ignorieren! Durch den dünnen Stoff ihres grünen Kleides konnte sie seine Wärme auf ihrer Haut spüren. Sie bekam eine Gänsehaut, ihre Brüste zogen sich zusammen …

Als Sarah bemerkte, was mit ihr passierte, konnte sie gerade noch einen Laut des Erschreckens unterdrücken. Es erstaunte sie, schockte sie, entsetzte sie. Was geschah mit ihr? Warum fand sie die Nähe dieses Mannes so atemberaubend?

Sie flüchtete ins Gespräch, damit sie nicht weiter darüber nachdenken musste. „Angeln Sie denn auch, Dr. Gillespie?“

„Früher schon.“ Er schenkte ihr ein weiteres von seinen kühlen Lächeln, aber sie hatte das Gefühl, dass dieses sogar schon ein wenig aufgetaut war. Sie konnte ein wenig Spannung um seine Mundwinkel erkennen. Er stand etwas steif herum und schaute auf einen Punkt direkt über ihrem Scheitel. Es war eine Erleichterung, als Dr. Henderson den Gesprächsfaden wieder aufnahm und ihr damit eine Ablenkung verschaffte.

„Es ist nicht besonders leicht, Zeit für die Hobbys zu finden, nicht wahr, Niall? Man wird so in den Beruf eingespannt, dass alles andere an die zweite Stelle tritt.“ Dr. Henderson seufzte reumütig. „Jetzt wünsche ich mir, dass ich mir die Zeit ein bisschen besser eingeteilt hätte, dann würde mich die Aussicht auf ein Rentnerdasein nicht so deprimieren. Aber es gibt keinen Grund zurückzuschauen. Nun muss ich an die Zukunft denken. Und falls ich nicht bald wieder zu Hause bin, bekomme ich von Meg etwas zu hören!“

Dr. Henderson drehte sich zu Sarah und lächelte sie an. „Ich habe gehört, dass Sie Schwierigkeiten hatten, hierher zu kommen, Sarah. Soll ich Sie mit dem Taxi mitnehmen? Es liegt auf meinem Weg.“

„O ja, bitte. Wenn es Ihnen keine Schwierigkeiten bereitet.“ Sie freute sich über das Angebot. Es bot ihr nicht nur die perfekte Entschuldigung, damit sie gehen konnte, es bewahrte sie auch davor, ihr Geld für die nächste Woche schon anzubrechen, um das teure Taxi zu bezahlen. „Ich verabschiede mich nur noch von den anderen. Gehen Sie schon vor, dann treffen wir uns vor der Tür, Dr. Henderson.“

Sie eilte davon und erklärte Irene ihr Vorhaben. Einige versuchten sie zum Bleiben zu überreden, aber sie schob Müdigkeit als Grund vor, und wahrscheinlich ist das gar nicht so weit hergeholt, dachte Sarah, als sie die Halle verließ. Sie hatte eine anstrengende Schicht gehabt. Außer den Zwillingen und Holly Louise hatte sie noch drei andere Geburten gehabt. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum sie sich am Abend so komisch gefühlt hatte.

Glücklich, so eine rationale Erklärung für ihre Reaktion auf Dr. Gillespie gefunden zu haben, ging sie zum Foyer, aber sie konnte Dr. Henderson nirgends sehen. Sie ging hinaus und überlegte, ob sie ein Taxi anhalten sollte, falls sie eins sah. Um diese Uhrzeit fuhren nicht viele Taxis, und es wäre schade, eines einfach so vorbeifahren zu lassen, um dann Ewigkeiten auf ein anderes zu warten.

Sie ging bis an die Straße und zitterte ein wenig, als sie die Nachtluft an den Armen spürte. Da der Abend so schön mild war, hatte sie keine Jacke mitgenommen.

„Sie holen sich den Tod, wenn Sie hier so herumstehen. Kommen Sie mit.“

Sie drehte sich ruckartig um und riss die Augen auf, als sie bemerkte, dass Niall Gillespie hinter ihr stand. Er schenkte ihr ein kühles Lächeln und nickte zu einem der geparkten Autos hinüber. „Ich habe Richard gesagt, dass ich euch beide mitnehme. Es lohnt sich nicht, auf ein Taxi zu warten, da ich den gleichen Weg habe.“

„Oh, aber ich kann nicht … ich meine, es ist nicht nötig …“ Sie atmete einmal kurz durch, um einen klaren Kopf zu bekommen. „Was ich sagen wollte ist, dass Sie mich nicht mitzunehmen brauchen, Dr. Gillespie. Ich nehme ein Taxi.“

Sie hatte sich schon fast umgedreht, als er mit sanfter Stimme zu ihr sprach. „Ich beiße nicht, Sarah, auch wenn Sie mir das scheinbar nicht glauben wollen.“

„Was?“ Sie drehte sich um und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Hatte sie sich diesen humorvollen Ton nur eingebildet? Humor und Niall Gillespie? Niemals. Das war ein Widerspruch in sich!

Er lachte so sanft, wie man es sich nur vorstellen konnte, und Sarah hatte das Gefühl, dass sich all ihre Zellen zu dieser Wärmequelle hingezogen fühlten.

„Ich habe gesagt, dass ich nicht beiße. Reicht Ihnen mein Wort, oder bevorzugen Sie eine schriftliche eidesstattliche Erklärung?“

„Ich …“ Sie lachte, denn nun hatte er ihre witzige Seite angestachelt. „Ich gebe mich mit nichts Geringerem zufrieden als einer schriftlichen eidesstattlichen Erklärung. Ich meine, ein Mädchen kann nicht vorsichtig genug sein, vor allem in einer Nacht wie dieser“, fügte sie hinzu und schaute den Himmel an, wobei sie die frische Nachtluft einsog.

Niall folgte ihrem Blick und lachte kehlig. „Ja, ich verstehe, was Sie meinen. Vollmond, nicht wahr? Ich bin mir sicher, dass Sie auf alle Eventualitäten vorbereitet sind, Schwester Harris. In Ihrer kleinen Handtasche haben Sie sicherlich das erforderliche Kugelgeschoss aus Silber dabei. Das ist doch die empfohlene Methode, um sich erfolgreich gegen einen Werwolf zu verteidigen, oder nicht? Ich muss zugeben, dass ich bei diesem Thema nur über beschränktes Wissen verfüge.“

„Oh, nein! Ich habe die Kugel zu Hause liegen lassen“, erwiderte sie und war sich wirklich nicht ganz sicher, ob dieses Gespräch nicht nur Einbildung war. Vor einer halben Stunde hätte sie noch jeden ausgelacht, der ihr dieses Geplänkel prophezeit hätte! Aber nein, Niall Gillespie stand tatsächlich vor ihr, und ein kaum sichtbares Lächeln spielte um seinen schönen Mund …

Sie wusste nicht mehr, wann sie angefangen hatte, seinen Mund schön zu finden, aber sie fegte diesen Gedanken gleich beiseite, sie wollte es auch nicht wissen. Sie war erleichtert, als Dr. Henderson in Begleitung der halben Belegschaft erschien, die mitgekommen war, um ihm nachzuwinken. Er kam die Stufen hinunter und lächelte Sarah an.

„Niall hat angeboten, uns nach Hause zu fahren, hat er Ihnen das schon gesagt? Das ist gut.“

Er wartete nicht auf ihre Antwort, stattdessen drehte er sich um, und winkte der Menge zu, die sich auf den Stufen versammelt hatte und ihn nun laut verabschiedete.

„Und? Hast du ihn noch auf einen Kaffee eingeladen, Sarah? Wie lange ist er denn geblieben?“

„Nein und überhaupt nicht. Beantwortet das deine Fragen?“ Sarah seufzte, als sie auf die Tür zuging. „Ich nehme die Neuankömmlinge in Empfang, falls irgendjemand nach mir fragen sollte.“

„Oh, mach dir keine Gedanken. Falls Niall dich suchen kommt, dann sagen wir ihm, wo er dich findet!“

Sally Green, eine Kollegin von Sarah, konnte das Lachen nicht mehr unterdrücken. Sarah beachtete sie nicht, während sie das Schwesternzimmer verließ, aber das war nicht leicht. Seit sie am Morgen die Schicht begonnen hatte, war sie schon von allen Seiten geneckt worden!

Die Nachricht, dass Niall Gillespie sie nach Hause gefahren hatte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Station, ja vielleicht im ganzen Krankenhaus. Alle wollten wissen, was passiert war, aber wenn sie versuchte, es ihnen zu erzählen, dann glaubten sie ihr nicht. Sie konnte sich so häufig wiederholen, bis sie blau wurde, keiner wollte es ihr abnehmen, dass Niall Gillespie sie lediglich nach Hause gebracht hatte. Und das war auch schon alles.

Sarah setzte ein gequältes Lächeln auf, als sie an die Nacht denken musste. Es hatte gerade mal sechzig Sekunden gedauert, dass Niall den Wagen angehalten und ihr beim Aussteigen geholfen hatte. Diese Geste war sie von anderen Männern nicht gewohnt, und Niall hatte ihr sogar die Hand gereicht …

Sie erschauerte, als sie sich an die Berührung erinnerte. Die ganze Zeit über, die sie gebraucht hatte, um sich bettfertig zu machen, konnte Sarah sie noch spüren, und sie ertappte sich selbst dabei, wie sie auf ihre Hand starrte, als könne sie so einen Beweis für seine Berührung finden. Wahrscheinlich war sie nur übermüdet gewesen.

Mit diesem Gedanken schlief sie ein und war glücklich, eine so einfache Erklärung für das Geschehene gefunden zu haben. Als sie aber die Empfangshalle erreicht hatte und Niall zu Gesicht bekam, konnte sie das Zittern nicht verleugnen, das ihren Körper überfiel und sich über ihre Erklärungen lustig zu machen schien.

Egal wie sie es drehte, sie konnte es nicht leugnen, dass Niall Gillespie die seltsame Eigenschaft besaß, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen!

„Ah, Schwester Harris, kommen Sie bitte mit mir. Ich möchte, dass Sie mir heute Morgen assistieren.“ Er vergeudete keine Worte. Sarah verwandelte ihr Gesicht in eine ausdruckslose Maske und hoffte inbrünstig, dass er nicht ahnte, wie sehr diese Ankündigung sie irritierte.

„Schwester Prentice assistierte Dr. Henderson immer bei den vorgeburtlichen Untersuchungen, Dr. Gillespie“, erwiderte sie mit einer Ruhe, von der sie weit entfernt war.

„Das habe ich gehört.“ Er zog die Brauen zusammen und kam auf sie zu. „Aber angesichts der Tatsache, dass Schwester Prentice bald in den Ruhestand geht, halte ich es so für sinnvoller. Es macht nur wenig Sinn, Schwester Prentice zu erklären, wie ich die Dinge haben möchte, denn sobald sie sich darauf eingestellt hat, verlässt sie uns. Schwester Bradshaw wird von nun an Dr. Patel assistieren, und Sie assistieren mir.“

„Natürlich, Doktor“, gab Sarah widerwillig nach und folgte ihm in den Behandlungsraum. Sie konnte seine Entscheidung gut nachvollziehen, aber der Gedanke, die nächsten Wochen in seiner unmittelbaren Nähe zu arbeiten, war sehr beunruhigend.

Sie war fest entschlossen, ihn das nicht spüren zu lassen, und deswegen konzentrierte sie sich auf die Arbeit. Sie gingen gemeinsam eine Liste von Müttern durch, die an diesem Morgen untersucht werden mussten. Es gab drei neue Mütter, und sie waren ganz aufgeregt und unsicher über das, was passieren würde.

Niall Gillespie war wunderbar zu ihnen. Ruhig und geduldig erklärte er ihnen, warum die vorgeburtlichen Untersuchungen so wichtig für ihr Wohlergehen und das ihrer ungeborenen Kinder waren.

„Sie haben sich wahrscheinlich schon gefragt, warum Ihnen die Schwester bei Ihrer Ankunft Blut abgenommen hat.“ Niall setzte sich auf die Sessellehne und lächelte Hannah Jarvis, eine der jungen Mütter, an, die besonders angespannt wirkte. „Es gibt einiges, das wir anhand Ihres Blutes untersuchen können. Wir stellen zum Beispiel fest, ob Sie unter Blutarmut leiden und zu welcher Blutgruppe Sie gehören. Es ist wichtig zu wissen, ob Sie Rhesus-negativ sind.“

„Was bedeutet das, Herr Doktor? Ist es eine Krankheit?“, fragte Hannah besorgt. Dennoch merkte Sarah, dass sie sich durch Nialls Erklärungen etwas entspannte.

Niall schüttelte den Kopf. „Nein, es ist keine Krankheit. Die meisten Menschen sind Rhesus-positiv, aber es gibt eine Minderheit, die Rhesus-negativ sind. Das verursacht keine Probleme, dennoch müssen wir es wissen, denn es kann während der Schwangerschaft zu Problemen kommen.“

„Inwiefern?“, fragte Hannah neugierig.

„Wenn das Baby auch Rhesus-negativ ist, dann gibt es keine Schwierigkeiten. Ist es allerdings Rhesus-positiv, dann könnte es unter Blutarmut leiden, und wir müssten seine Entwicklung aufmerksamer verfolgen. Die größte Sorge ist allerdings, falls während der Geburt das Blut des Kindes mit dem der Mutter in Berührung kommt. In diesem Fall würde das Immunsystem der Mutter Abwehrkräfte gegen den Rhesusfaktor produzieren.

Die Gefahr besteht nun darin, dass diese Antikörper in der folgenden Schwangerschaft durch die Plazenta in den Blutkreislauf des Embryos gelangen. Falls das Ungeborene einen Rhesusfaktor hat, dann kann es zu Gelbsucht, Blutarmut oder sogar zu schweren Hirnschäden führen.“

„Um Gottes willen! Kann man denn nichts dagegen machen? Oder wollen Sie damit andeuten, dass eine Rhesus-negative Frau es nicht riskieren sollte, ein zweites Kind zu bekommen?“ Hannah erschauerte bei der Vorstellung.

„Aber nein. Falls die Mutter Rhesus-negativ ist, dann muss sie nach der Geburt Antikörper gespritzt bekommen, damit sie selbst keine mehr bildet. Für die darauf folgende Schwangerschaft besteht dann kein größeres Risiko mehr.“

Nachdem er den Müttern alle Fragen beantwortet und sie ein wenig beruhigt hatte, zeigte er auf Sarah und sagte. „Nun wird Schwester Harris Ihnen helfen, es sich bequem zu machen, damit ich Sie untersuchen kann. Falls Sie noch etwas wissen wollen, zögern Sie nicht zu fragen. Je mehr Sie darüber wissen, was Ihnen bevorsteht, desto leichter wird es für Sie sein. Ich bin in ein paar Sekunden wieder zurück.“

Er verließ den Raum, und Sarah wandte sich an eine der Mütter, die neu dazugekommen war, und zeigte ihr einen kleineren Raum, wo sie sich freimachen konnte. Sie legte ein Tuch über den Unterbauch der jungen Mutter, denn sie wusste, wie entblößt sich viele Frauen in dieser Situation fühlten, aber sie spürte, dass Niall sie weitestgehend beruhigt hatte.

Sie war überrascht, dass er sich so viel Zeit für Erklärungen nahm. Sie hatte ihn als einen eher teilnahmslosen Arzt eingeschätzt, aber er schien sehr einfühlsam zu sein. Sie sagte ihm Bescheid, dass die junge Frau bereit sei, und als sich ihre Blicke trafen, runzelte sie die Stirn. Er war wirklich sehr geheimnisvoll. Ihr erster Eindruck von ihm war der eines kühlen, frostigen Mannes gewesen, und innerhalb weniger Stunden hatte sie ihre Meinung geändert.

Unter der Eisschicht befanden sich Humor, Geduld und Mitgefühl. Sie fragte sich, welche Seite wohl am häufigsten zum Vorschein kam, war es vielleicht die, die sie die Nacht zuvor kennen gelernt hatte?

Sie seufzte und wünschte sich eine Antwort auf diese Frage, damit sie besser mit ihren verwirrten Gefühlen umgehen konnte. Wenn sie ihn richtig einordnen könnte, dann könnte sie vielleicht besser mit ihm umgehen.

Als er sich nach der Untersuchung zu ihr drehte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass dies kein leichtes Unterfangen war. Es würde niemals leicht sein, Niall Gillespie zu verstehen, da er andere Menschen nicht so nah an sich heranließ.

3. KAPITEL

„Und zuletzt ist noch Mrs. Denning dran.“ Sarah reichte ihm die Patientenakte, dann lächelte sie die Frau an, die auf der Liege lag. „Wie ist es Ihnen ergangen, Joyce? Sie sehen wirklich gut aus.“

„Glänzend!“ Joyce lachte und versuchte eine bequemere Stellung zu finden. Sie legte eine Hand auf ihren großen Bauch und lächelte. „Ups, schon wieder. Sam hört nicht auf, seine Mutter zu treten und zu boxen!“

„Sam?“ Niall schaute auf und lächelte etwas verwirrt. Sarah bemerkte, dass er die Patientenakte noch nicht zu Ende gelesen hatte, und überlegte, ob sie ihn vorher hätte informieren sollen. Aber bevor sie ihm noch etwas erklären konnte, beantwortete die Mutter ihm seine Frage. Joyce lächelte dabei nachdenklich.

„Ja. Wir wissen, dass es ein Junge wird, Dr. Gillespie. Das wurde uns gesagt, als wir die Ergebnisse der Fruchtwasseruntersuchungen erhalten haben. Das hat uns geholfen, unsere Entscheidung zu treffen, vor allem, nachdem Sarah uns Robbie vorgestellt hatte.“

Niall runzelte die Stirn, als er die Akte zu Ende las. Sarah bemerkte, wie er innehielt, als er zu den Ergebnissen der Fruchtwasseruntersuchungen gelangte. Diese Untersuchung wurde allen Müttern über fünfunddreißig angeboten und diente der Feststellung von bestimmten Krankheiten. Unglücklicherweise stellte sich heraus, dass Joyce Dennings Baby unter dem Down-Syndrom litt.

Niall legte die Akte beiseite, faltete die Arme über der Brust und betrachtete die Patientin ganz ruhig. „Sie haben sich entschieden, die Schwangerschaft fortzuführen, obwohl Sie wussten, dass Ihr Kind mit einer Behinderung auf die Welt kommen würde. Das war sicherlich keine einfache Entscheidung.“

„Überhaupt nicht.“ Joyce Denning lachte leise, und man sah ein wenig Trauer in ihren Augen. „Es war ein Schock. Wer hört schon gerne, dass sein Kind behindert sein wird? Ralph und ich haben schon seit Jahren versucht, ein Baby zu bekommen, wissen Sie, Dr. Gillespie. Wir hatten schon alle Hoffnungen aufgegeben, als ich merkte, dass ich mit fünfundvierzig Jahren schwanger geworden bin!“

Sarah nahm Joyces Hand und drückte sie. Sie war dabei gewesen, als dem Paar die Testergebnisse mitgeteilt wurden, und sie hatte den Eltern die Verzweiflung angesehen. Sie war auch dabei gewesen, als sie Dr. Henderson mitteilten, dass sie die Schwangerschaft nicht abbrechen wollten. Sarah bewunderte den Mut dieser Eltern.

„Wir waren so verzweifelt, als wir hörten, dass Sam unter dem Down-Syndrom litt. Wir haben eine Woche nach dieser Neuigkeit nur geweint. Ich war so geschockt und aufgeregt, als ich die Neuigkeit erfahren habe, dass ich nicht gefragt hatte, ob es ein Junge oder ein Mädchen sein würde. Als wir wieder in die Klinik kamen, war es Sarah, die uns sagte, dass unser Baby ein Junge sei. Das hat alles verändert.“

„In welcher Hinsicht?“ Niall hatte konzentriert zugehört und versuchte nun, den Gedankengang zu verstehen. Schließlich lächelte er. „Ja, ich verstehe. Das Kind war nicht mehr länger ein Es sondern ein Er. Ist es das, was Sie meinen?“

„Ja, er war ein kleiner Junge, unser Sohn. Konnten wir wirklich unseren kleinen Sohn vernichten, nur weil er nicht perfekt war? Zu diesem Zeitpunkt wusste ich, was ich wollte, aber ich konnte diese Entscheidung nicht alleine treffen. Ich war nicht sicher, ob Ralph mir zustimmen würde. Ich wollte ihm so gerne mitteilen, wie ich mich fühlte, aber ich wusste nicht, wie ich das anstellen sollte. Ich hatte ein wenig das Gefühl, ihn enttäuscht zu haben, weil ich ihm nicht das gesunde Kind schenken konnte, wonach er sich gesehnt hatte.“

Joyce wischte sich eine Träne von der Wange und lächelte Sarah an. „Und da hat Sarah ein Treffen mit Robbie und seinen Eltern arrangiert, und das hat den Ausschlag gegeben. Ralph und ich wussten sofort, was wir wollten.“

„Und wer ist Robbie?“ Niall schaute Sarah fragend an, und sie errötete, als sie seinen Blick auf sich spürte. Sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen, und hoffte, dass er ihre Röte auf die Raumtemperatur bezog.

„Robbie ist der Sohn einer Hebamme, die hier gearbeitet hat. Er hat auch das Down-Syndrom. Er wurde ein paar Monate nach meiner Einstellung hier geboren. Laura, seine Mutter, wusste nicht, dass er behindert sein würde, da es für sie keinen Grund gab, genauer untersucht zu werden. Sie war erst achtundzwanzig, als sie Robbie bekam, das heißt, dass sie nicht zur Risikogruppe gehörte. Sie und ihr Ehemann Ian waren erst ganz erschüttert, aber dann haben sie sich zusammengerissen und haben sich einfach wie normale Eltern verhalten.“

Sarah lächelte gedankenverloren und überlegte, wie sie Niall die Situation verständlich machen konnte. „Ich wünschte, Sie hätten Robbie kennen gelernt, dann könnten Sie mich verstehen. Er ist lebenslustig und misstrauisch, ein kleiner Bengel und trotz seiner Behinderung sehr clever. Ich möchte die Problematik dieser Behinderung nicht unter den Teppich kehren, aber ich bin mir sicher, dass Laura und Ian ihn nicht mehr missen wollen würden.“

„Es war also Sarah, die Ihnen geholfen hat, diese Entscheidung zu treffen, indem sie Ihnen Robbie vorgestellt hat?“ Niall sprach ganz langsam. Sarah versuchte, den Klang seiner Stimme zu deuten, aber sie konnte es nicht benennen. War er überrascht oder sogar verärgert? War er der Meinung, dass sie sich nicht hätte einmischen sollen? Sie war sich nicht sicher, aber dieser feine Unterton gefiel ihr nicht.

Sie verdrängte diesen Gedanken, als Joyce antwortete, und schüttelte den Kopf, als die ältere Frau sie lobte.

„Nein, es war, was Sie getan haben, darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel. Sie haben uns gezeigt, dass unsere Zukunft nicht ganz so finster war und deswegen konnten wir feststellen, dass wir die Probleme, die auf uns zukommen werden, meistern können.“ Joyce sprach ganz entschieden. „Als wir Robbie gesehen haben und die Freude, die er seinen Eltern bereitet, konnten wir unser eigenes Kind besser annehmen. Sam war nicht mehr jemand, über den man sich schämen musste. Für uns ist er etwas ganz Besonderes, ein spezielles Geschenk von Gott, nachdem wir so lange gewartet haben.“

„Ich denke, das ist eine wunderbare Sichtweise, Mrs. Denning. Wenn Sie so fühlen, bin ich mir sicher, dass Sie und Ihr Ehemann viel Freude mit dem Kind haben und diese Entscheidung nicht bereuen werden. Und nun lassen Sie mich ein Blick auf Sie werfen, obwohl … so viel, wie der Kleine sich bewegt, da gibt es wohl keinen Grund zur Sorge!“

Sie lachten alle, was die emotionsgeladene Stimmung etwas lockerte. Niall untersuchte Joyce vorsichtig, hörte die Herztöne des Jungen ab und ertastete seine Lage. Er ging einen Schritt zurück, damit Sarah Joyce mit einem Tuch bedecken konnte, und lächelte.

„Sie sind jetzt in der … siebenunddreißigsten Woche?“ Nachdem Joyce genickt hatte, fuhr er fort. „Also, Sams Kopf liegt bereits im kleinen Becken. Mit anderen Worten, er hat sich schon für seinen Auftritt in unserer Welt fertig gemacht. Vielleicht haben Sie seit gestern irgendeine Veränderung gespürt?“

„Ja, habe ich. Ich dachte, dass ich es mir nur eingebildet hätte, aber meine ‚Wampe‘ schien mir etwas tiefer zu liegen“, sagte Joyce etwas kläglich.

„Nein, das haben Sie sich überhaupt nicht eingebildet. Vielleicht werden Sie noch andere Veränderungen feststellen, aber ich möchte nicht, dass Sie sich deswegen Sorgen machen. Vielleicht wird sich Sam nicht mehr so viel wie sonst bewegen, aber das ist kein Grund zur Sorge. Da sein Kopf schon so tief liegt, kann er seinen Körper nicht mehr bewegen, wie er möchte. Er wird weiterhin seine Arme und Beine bewegen, aber es wird sich nicht mehr so anfühlen, als würde er in Ihrem Bauch Fußball spielen. Vielleicht wird das Sitzen nicht mehr so angenehm sein, aber zu diesem Zeitpunkt ist das alles völlig normal. Falls es Sie beruhigt, es ist ein Zeichen, dass er nicht mehr lange auf sich warten lässt.“

Niall lächelte, als er Joyces Akte schloss. „Machen Sie einen Termin für nächste Woche aus, aber es würde mich wundern, wenn es noch so lange dauern würde.“ Er verließ den Behandlungsraum, und Sarah half der Mutter von der Liege herunter, was in ihrem Zustand gar nicht mehr so einfach war. Joyce seufzte, als sie in die Schuhe schlüpfte.

„Ich hoffe, er hat Recht. Es wird schön sein, meine Füße wieder sehen zu können. Ich bin gestern in Hausschuhen aus dem Haus gegangen und habe es erst bemerkt, als mich jemand darauf hingewiesen hat!“ Sarah lachte, während Joyce ihre Tasche nahm und sich vergewisserte, ob Dr. Gillespie noch in Sichtweite war. „Ich mag den neuen Arzt, Sarah. Er ist richtig süß, finden Sie nicht? Verstehen Sie mich nicht falsch, Dr. Henderson war wunderbar, aber Dr. Gillespie gibt einem das Gefühl, irgendwie besonders zu sein. Vielleicht liegt es daran, dass er sich wirklich darauf konzentriert, was man ihm sagt, und nicht den Eindruck hinterlässt, dass er eine Million Dinge im Kopf hat, die ihm viel wichtiger sind. Wissen Sie, ob er verheiratet ist?“

Sarah schüttelte den Kopf, aber sie musste zugeben, dass ihr Herz bei diesem Gedanken fast einen Aussetzer machte. „Ich weiß es nicht. Keiner scheint etwas über sein Privatleben zu wissen.“

„Hm, eigentlich würde ich schon sagen, dass er verheiratet ist, er ist sehr attraktiv, und dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass er ein wenig einsam ist.“ Joyce lachte über sich selbst. „Was rede ich denn da! Es muss an den Hormonen liegen. Ich glaube nicht, dass der Doktor es gutheißen würde, dass ich so über ihn rede. So freundlich er auch ist, er wirkt etwas verschlossen.“

Joyce verabschiedete sich winkend von Sarah, die sich schon daran gemacht hatte, den Behandlungsraum zu reinigen. Sie gab sich Mühe, nicht über Joyces Worte nachzudenken, aber sie schienen sich wie die Rillen einer Schallplattn in ihr Hirn eingraviert zu haben.

Ob Niall Gillespie verheiratet war?

Etwas ungeduldig brachte sie die Laken weg und wusch sich die Hände. Hatte sie nichts Besseres zu tun, als sich Gedanken über Niall Gillespie zu machen? Sie atmete einmal tief durch, als sie bemerkte, dass sie sich nur etwas vormachte, wenn sie so tat, als sei sie nicht an ihm interessiert. Ob sie es wollte oder nicht, Niall Gillespie faszinierte sie. Er war wie ein Geheimnis in einem Labyrinth, und es gab so viele verschlossene Türen um ihn herum. Sie aufzuschließen könnte sich als unmöglich herausstellen. Aber sie war sich plötzlich ganz sicher, dass sie genau das versuchen wollte. Sie wollte ihn in seinem Labyrinth aufspüren, die Türen öffnen und sein Geheimnis lüften … das wäre der Weg zum Herzen des Mannes, der sich dahinter versteckt hielt!

„Sarah, kommst du bitte sofort zum Haupteingang! Wir haben Probleme!“

Irene verschwendete keine Zeit mit weiteren Erklärungen und legte auf. Sarah ließ ihr Mittagessen einfach auf dem Tisch im Schwesternzimmer stehen und lief zum Eingang. Irene kniete auf dem Boden neben einem Mädchen, das vielleicht achtzehn Jahre alt war und auf dem Boden lag. Es war offensichtlich, dass sie schwanger und fast bewusstlos war. Daneben stand eine Gruppe von jungen Menschen.

„Was ist passiert, wer ist sie?“, fragte Sarah Irene, als sie sich neben sie auf den Boden kniete.

„Sie heißt Ariel. Das ist alles, was ich bisher in Erfahrung gebracht habe“, erklärte Irene. „Sie gehört zu einer Gruppe von New-Age-Reisenden, die außerhalb der Stadt ihr Lager aufgebaut haben.“

„Wie geht es ihr? Wird sie wieder gesund?“

Sarah sah das Gesicht eines aufgeregten jungen Mannes, der sich über sie beugte. „Können Sie uns erzählen, was passiert ist und wie … Ariel in diesen Zustand geraten konnte?“

„Ich weiß es nicht. Bis gestern schien es ihr gut zu gehen.“ Der junge Mann schluckte und wischte sich mit der schmuddeligen Hand die Augen. „Gestern Nachmittag fing sie an, sich über Kopfschmerzen zu beklagen, sie konnte kleine Blitze sehen oder so.“ Er stutzte. „Ich habe mir zuerst keine großen Gedanken darüber gemacht, aber dann ging es ihr die ganze Nacht über schlecht. Heute Morgen hatte sie plötzlich Magenschmerzen, und da haben wir beschlossen, sie ins Krankenhaus zu bringen. Sie ist ohnmächtig geworden, als wir sie aus dem Wagen geholt haben.“

Sarah zog das Kleid des Mädchens bis zu den Schenkeln hoch und sah sich die Beine an. Sie versuchte ihr Entsetzen zu verbergen, als sie sah, wie angeschwollen ihre Beine waren. Sie hatte so viel Wasser in den Beinen, dass man die Abdrücke sehen konnte, wenn man sie anfasste.

„Hast du gesehen, wie angeschwollen ihre Beine sind, Irene?“, fragte sie leise und zog damit Irenes Aufmerksamkeit auf die Beine der jungen Frau.

„Ja, das war mir sofort aufgefallen. Deswegen habe ich dich gerufen. Wenn wir all ihre Symptome zusammenfügen, was haben wir dann?“, sagte Irene besorgt.

„Eklampsie?“ Sarah runzelte die Stirn. „Aber das kann man heutzutage doch frühzeitig erkennen …“ Sie hielt inne. „Natürlich nur, wenn die Mutter zu den Schwangerschaftsuntersuchungen geht. Und das scheint hier ja nicht der Fall zu sein.“

In diesem Augenblick erschien ein Pfleger mit einer Liege, und gemeinsam hievten sie Ariel darauf. Sie grummelte leise, aber es war offensichtlich, dass sie nicht wirklich wusste, wo sie war.

„Warten Sie! Wohin bringen Sie sie?“ Der junge Mann versuchte sie zu stoppen, als sie die Liege zum Aufzug schoben. Sarah nickte Irene zu, damit diese weiterfuhr, und stellte sich ihm in den Weg, als er ihnen folgen wollte.

„Es tut mir Leid, aber Sie können nicht mit ihr hineingehen. Ariel ist sehr, sehr krank, und wenn wir sie nicht sofort behandeln, dann könnte sie sterben. Und das Leben des Babys hängt an einem seidenen Faden.“

Sarah war sich bewusst, dass sie ungewöhnlich barsch klang, aber es schien ihr die einzige Möglichkeit, eine unangenehme Konfrontation zu vermeiden.

„W…was hat sie denn?“

Die Stimme des Mannes klang jetzt nicht mehr so, als würde er Widerstand leisten wollen, daher sprach Sarah nun viel milder mit ihm. „Soweit wir das abschätzen können, leidet Ariel unter einer Eklampsie, aber der Arzt wird das feststellen müssen.“

„Was ist das, Eklam…?“

„Eklampsie“, wiederholte Sarah. „Es fängt damit an, dass der Blutdruck einer schwangeren Frau in die Höhe schnellt und der Säuregehalt des Blutes zunimmt. Daraufhin sammelt sich Flüssigkeit im Gewebe. Das ist eine Art Vorwarnung, die Prä-Eklampsie genannt wird. Und falls es nicht behandelt wird, dann ist die nächste Stufe, dass die Frau Eiweiße mit dem Harn ausscheidet.

Falls man nichts dagegen tut, besteht die Gefahr, dass die Plazenta nicht mehr richtig arbeitet, weil Blutgerinnsel und Fettsäuren die Gefäße verschließen. Dann wird das Baby nicht mehr richtig ernährt. Das größte Problem ist allerdings, wenn sich die Prä-Eklampsie zur Eklampsie steigert, denn die ist sowohl für das Kind als auch für die Mutter lebensbedrohlich. Und leider weisen alle Symptome darauf hin.

Normalerweise kommt es heutzutage gar nicht mehr so weit, da man es bei der Schwangerschaftsvorsorge entdecken würde. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Ariel ärztlich behandelt wurde, oder?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, Ariel war der Meinung, dass ihre Schwangerschaft keine Krankheit sei. Sie wollte nicht, dass irgendwelche Ärzte an ihr herumpfuschen.“

„Unglücklicherweise kann da auch mal was schief gehen. Nun bleibt uns nur die Hoffnung, dass wir den Schaden, der angerichtet wurde, weil sie sich nicht hat ärztlich behandeln lassen, minimieren können.“

„Darf … darf ich bei ihr bleiben?“ Der junge Mann scharrte mit den Füßen. „Es ist mein Kind, wissen Sie.“

„Na gut, ich denke schon. Sie werden nicht bei ihr bleiben können, aber Sie können in dem Raum, der für Verwandte vorgesehen ist, auf sie warten. Aber der Rest der Gruppe sollte das Krankenhaus verlassen.“

Es gab noch viel Gemurmel, bis die Gruppe schließlich ging. Sarah führte ihn den langen Flur entlang zum Warteraum. „Sie können hier warten. Dort drüben steht ein Kaffeeautomat. Brauchen Sie Kleingeld?“

„Nein, danke. Sagen Sie Ariel, dass ich hier bin? Vielleicht hilft ihr das.“

„Natürlich. Wie heißen Sie“, fragte sie und wünschte sich insgeheim, dass es so einfach sei. Prä-Eklampsie kam relativ häufig vor und betraf zwischen fünf und zehn Prozent aller schwangeren Frauen. Aber sie hatte zuvor erst einen Fall von Eklampsie miterlebt. Damals war sie noch in der Ausbildung, und sie würde diese Frau nie vergessen. Sie hatte auch nicht an der Schwangerschaftsvorsorge teilgenommen, und es hatte sie das Leben gekostet.

„Jason.“

„Na gut, Jason. Sobald ich etwas weiß, werde ich Ihnen Bescheid sagen.“ Sarah eilte weiter und ließ Jason, der sehr niedergeschlagen aussah, alleine im Warteraum zurück. Sie benutzte den Aufzug und betete, dass es weder für das Baby noch für Ariel zu spät sei.

„Der Blutdruck ist bei einsvierzig zu fünfundneunzig, Doktor.“ Sarah notierte die Werte.

„Gut, wir müssen ihn senken. Und geben Sie ihr etwas gegen die Wehen.“ Niall klang etwas verbittert, nachdem er die Untersuchung abgeschlossen hatte. „Wann hat der Freund gesagt, hätten die Symptome eingesetzt?“

„Gestern Nachmittag“, antwortete Sarah ruhig.

„Zum Teufel! Und da kommen sie erst jetzt zu uns.“ Er gab sich überhaupt keine Mühe, seine Verärgerung zu verstecken, als er sich zu ihr drehte. Dabei sah er sie an, als sei sie die Verantwortliche für Ariels Zustand.

Sie erwiderte seinen Blick ganz ruhig, denn sie merkte, dass er aus Sorge so verärgert war. „Ich fürchte, dass es keinem so bewusst war, dass es so ernst ist“, versuchte sie ihn zu besänftigen.

Er schenkte ihr ein gequältes Lächeln und drehte sich zu Irene, die das Baby auf dem Monitor beobachtete.

„Ich bin nicht glücklich mit dem, was ich sehe, Dr. Gillespie. Der Herzschlag des Kindes wird langsamer.“

„Lassen Sie mich mal sehen.“ Niall setzte sich vor den Monitor. „O ja. Es sieht überhaupt nicht gut aus. Ich glaube wir müssen sie …“

Er hielt plötzlich inne, als Ariel erst einen Laut von sich gab und dann ganz steif wurde. „Gut, sie hat Krämpfe, wir müssen uns beeilen. Sarah, legen Sie einen intravenösen Zugang. Wir geben ihr Thiopenton gegen die Krämpfe, und dann müssen wir operieren, damit das Baby eine Chance hat.“

Alle gingen auf ihre Stellung und taten ihr Bestes, um Ariel und das Kind zu retten. Sarah legte den Zugang, und nach einer Weile entspannte sich die junge Frau, und ihre Atmung beruhigte sich wieder, als sie das Bewusstsein verlor. Sarah hoffte, dass sie keinen erneuten Krampfanfall bekam, aber man konnte nicht sicher sein.

„Wir müssen besonders vorsichtig sein wegen einer erhöhten Infektionsgefahr.“ Niall zog die Brauen zusammen, als er sah, wie dreckig Ariels Beine waren.

„Eine Gruppe von New-Age-Anhängern hat ihr Lager vor der Stadt errichtet. Sie gehört dazu“, erklärte Sarah, während sie den Bauch des Mädchens gründlich desinfizierte.

„Das ist keine Entschuldigung. Ich habe schon in Ländern gearbeitet, wo Wasser wertvoller war als Gold, und dennoch waren die Menschen sauber.“ Niall klang sehr verständnislos und verärgert.

Sarah warf ihm einen Blick zu und fragte sich, was der wirkliche Grund für seine Verärgerung war. Sie schien tiefer verankert zu sein als eine bloße Sorge um Ariels Wohlergehen. Es war, als ob … als ob die Gefahr, die Ariel und ihrem Ungeborenen drohte, ihn persönlich träfe.

Sarah desinfizierte den Unterbauch gründlich, damit ja kein Keim die Prozedur überlebte. Sie hatte schon zuvor gedacht, dass Niall sehr geheimnisumwittert war, aber jetzt erst erkannte sie, wie Recht sie damit hatte.

Was hatte Niall zu dem Mann gemacht, der er heute war? Sie wünschte sich von ganzem Herzen, dass sie eine Antwort auf diese Frage hätte, obwohl sie gar nicht verstand, warum das für sie von so großer Bedeutung war.

4. KAPITEL

„Bringen Sie sie sofort auf die Intensivstation, Irene. Sie muss in den nächsten vierundzwanzig Stunden genau beobachtet werden, falls sie überhaupt so lange überlebt.“ Niall seufzte tief, als er das kleine Bündel betrachtete, das im Brutkasten lag.

Irene lächelte traurig. „Das war kein besonders guter Start ins Leben. Sie wiegt kaum drei Pfund, und sie hat Schwierigkeiten bei der Atmung.“

„Sie hätte bessere Chancen gehabt, wenn sie noch im Bauch hätte bleiben können, aber in diesem Fall stand das überhaupt nicht zur Debatte.“ Niall zuckte die Achseln. „So wie es aussieht, hat sie schon viel Glück, dass sie überhaupt noch am Leben ist, also müssen wir jetzt positiv denken. Sie hat jetzt auf jeden Fall viel höhere Überlebenschancen als noch vor einer Stunde.“

Sarah seufzte, als sie der Kleinen mit dem Finger über die Stirn fuhr. Das Mädchen atmete schnell und gurgelte, wenn es nach Luft schnappte. Da sie ein paar Wochen zu früh geboren war, waren ihre Lungen noch nicht voll ausgereift und das bedeutete, dass das Atmen eine zu große Anstrengung für sie war.