Julia Extra Band 432 - Anne Mather - E-Book
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Julia Extra Band 432 E-Book

Anne Mather

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Beschreibung

HEIRATSANTRAG IN DER KARIBIK von HAYWARD, JENNIFER
Wie kann Kostas es wagen, ihr bis in die Karibik zu folgen? Prinzessin Stella ist empört. Sie wird dem arroganten König niemals ihr Jawort geben, basta! Denn er ist nicht nur ihr größter Feind, der charismatische Herrscher hat ihr schon einmal das Herz gebrochen …

NUR EINE VERBOTENE AFFÄRE? von MATHER, ANNE
Eine verbotene Affäre mit dem attraktiven Luke Morelli? Dafür fehlte Abby vor fünf Jahren der Mut. Jetzt steht der Immobilien-Tycoon plötzlich in ihrem Café, und sein Anblick weckt in ihr pure Sehnsucht. Dabei weiß sie genau: Anstatt ihr eine Chance zu geben, plant Luke ihren Ruin …

DER SCHEICH UND SEINE SKANDALÖSE BRAUT von MARINELLI, CAROL
Ein Scheich, so verlockend wie ein sinnlicher Traum! Karrierefrau Felicia erkennt sich selbst nicht wieder: Mit jedem Tag, den sie für Kedah arbeitet, verliebt sie sich mehr in ihn. Fatal, denn auch wenn er sie zärtlich küsst: Sein Thron verlangt eine Braut, die sie ihm nie sein kann …

DAS MEER FLÜSTERT DEINEN NAMEN von DOUGLAS, MICHELLE
Als Mia für Milliardär Dylan Fairweather ein privates Event ausrichtet, sprühen zwischen ihr und dem sexy Playboy sofort heiße Funken. Doch als Dylan sie am Strand innig küsst, gerät Mia in Panik. Denn mit ihrer dunklen Vergangenheit ist sie für einen Mann im Rampenlicht tabu …

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Jennifer Hayward, Anne Mather, Carol Marinelli, Michelle Douglas

JULIA EXTRA BAND 432

IMPRESSUM

JULIA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 432 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2016 by Jennifer Drogell Originaltitel: „Marrying Her Royal Enemy“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein

© 2016 by Anne Mather Originaltitel: „Morelli’s Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Irene Andreadou

© 2016 by Carol Marinelli Originaltitel: „The Sheikh’s Baby Scandal“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Trixi de Vries

© 2016 by Michelle Douglas Originaltitel: „An Unlikely Bride for the Billionaire“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Elke Schuller

Abbildungen: Harlequin Books S.A., Creatas Images / Thinkstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733709020

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

JENNIFER HAYWARD

Heiratsantrag in der Karibik

König Kostas muss Stella heiraten! Dafür küsst er sie nicht nur genauso heiß wie damals, er verspricht ihrem Land auch Frieden. Doch warum behandelt die schöne Prinzessin ihn trotzdem wie einen Feind?

ANNE MATHER

Nur eine verbotene Affäre?

Für Milliardär Luke ist die hinreißende Abby eine Betrügerin. Aber vergessen kann er sie trotzdem nicht. Jetzt sieht er sie wieder, aber zugeben, dass er sie begehrt? Dafür hat ihr Verrat ihn zu tief verletzt …

CAROL MARINELLI

Der Scheich und seine skandalöse Braut

Seine Freiheit? Auf die muss Scheich Kedah als Thronfolger nun verzichten. Nur eine Liebesnacht mit Felicia will er sich noch gönnen. Doch die Küsse der kühlen Schönheit haben skandalöse Folgen …

MICHELLE DOUGLAS

Das Meer flüstert deinen Namen

Playboy Dylan will nur das eine: die schöne Mia lächeln sehen. Als er sie in seine Arme zieht, spürt er, dass auch sie vor Sehnsucht bebt. Nur darf er eine Frau, die im Gefängnis war, wirklich lieben?

Heiratsantrag in der Karibik

1. KAPITEL

So schmeckt also die Freiheit.

Prinzessin Styliani Constantinides oder Stella, wie sie seit ihrer Geburt genannt wurde, führte einen tropischen Cocktail auf Rum-Basis an die Lippen und trank einen Schluck. Genüsslich nahm sie den Kontrast von bitteren und süßen Aromen wahr, bevor sich der Alkohol seinen feurigen Weg in den Magen bahnte und dort ein wohliges Gefühl verbreitete.

Es war die perfekte Kombination für diesen Moment, in dem sie in der kleinen Bar ihrer Freundin Jessie an der Westküste von Barbados saß, weit weg von ihrem Zuhause in Akathinia, und über ihre Zukunft nachdachte.

Süß in Anbetracht ihres Burnouts nach über hundert öffentlichen Auftritten im letzten Jahr, die sie zusätzlich zu ihrer Arbeit als Vorsitzende von zwei internationalen Agenturen für Jugendarbeit geleistet hatte. Bitter, weil ihr Bruder Nik ihr vorgeworfen hatte, vor dem eigentlichen Problem davonzulaufen.

Sie fühlte sich, als wäre es gestern gewesen, dass sie ihre Ausbildung in der Schweiz abgebrochen hatte, um einen Monat in Paris zu verbringen, weil sie das Gefühl gehabt hatte, das streng reglementierte Studium nehme ihr die Luft zum Atmen. Als würden die vielen Opfer, die sie seit damals gebracht hatte, nichts bedeuten …

„Wie schmeckt der?“

Der testosteronschwangere Barkeeper mit den Dreadlocks legte die Unterarme auf die graue Marmortheke und zog eine dichte dunkle Augenbraue hoch.

„Perfekt.“ Das Lächeln, das sie ihm schenkte, war das erste echte seit Monaten. Er hob den Daumen, dann wandte er sich ab, um einen weiteren Gast zu bedienen.

Entspannt umschloss sie das tulpenförmige Glas mit beiden Händen und betrachtete die feurige Farbgebung des Cocktails. Sie war anderer Meinung als ihr Bruder, der König. Sie rannte nicht weg, sondern zog lediglich eine klare Grenze. Ihren Kindheitstraum mochte sie für ihr Land aufgegeben und die Freiheit geopfert haben, die ihr so wichtig war wie die Luft zum Atmen, doch der neueste Befehl ihres Bruders ging entschieden zu weit.

Sie würde es nicht tun.

Tief atmete sie aus. Und als sie die salzige Seeluft einsog, fühlte sie, wie die Anspannung von ihr abfiel, wie ihr Kopf frei wurde und sich die Enge in ihrer Brust löste.

Wann hatte sie das letzte Mal das Gefühl gehabt, atmen zu können? Dass nichts ihr Leben auf den Kopf stellen könnte? Als wäre der Irrsinn, der sie in dieses karibische Paradies gebracht hatte, einfach ein ärgerliches Schreckgespenst gewesen, das sie mit einem unter falschem Namen gekauften Flugticket und der lebenslangen Übung, Bodyguards zu entkommen, vertreiben konnte?

Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Es war ein unwiderstehliches Spiel gewesen. Fast so lustig wie die, die sie und Nik früher mit den Palastbediensteten gespielt hatten. Unter dem Vorwand, zu einem heimlichen Rendezvous zu wollen, obwohl ein Mann im Moment das Letzte war, was sie in ihrem Leben gebrauchen wollte, hatte sie ihren Exbodyguard Darius dazu gebracht, sie allein aus dem Palast gehen zu lassen. Der Mann war rot geworden und hatte zugestimmt, ihr Verschwinden zu „übersehen“. In einem Harvard-T-Shirt und mit Sonnenbrille an Bord eines Linienflugzeugs zu gehen und die Flucht von der paradiesischen Mittelmeerinsel anzutreten, die sie ihr Zuhause nannte, war noch einfacher gewesen.

Der einzige Wermutstropfen war die SMS von Nik. Sie hatte ihm die Nachricht geschickt, dass es ihr gut ging und dass sie Zeit zum Nachdenken brauchte. Seine schroffe, mahnende Antwort hatte sie dazu veranlasst, das Handy auszuschalten.

Ihr Bruder könnte sie natürlich finden, wenn er wollte. Doch sie wusste, dass er sie nicht suchen würde. Einst selbst ein Rebell, kannte Nik den Preis, den sie gezahlt hatte, um sich die Flügel stutzen zu lassen und ihre eigenen Interessen hintanzustellen. Auch für ihn war es ein großes Opfer gewesen, sein Leben in New York aufzugeben, um den Platz ihres Bruders Athamos als König einzunehmen, als dieser bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen war – ein trauriges Ereignis, das ganz Akathinia erschüttert hatte. Er würde ihr die Zeit geben, sich selbst zu finden.

„Möchten Sie die Speisekarte?“ Der Barkeeper hielt ihr eine entgegen.

„Gern.“ Keine Paparazzi lagen auf der Lauer, kein Darius beobachtete sie mit Argusaugen, niemand ahnte, wer die junge Frau in Jeans, T-Shirt und Sonnenbrille war. Da Jessie erst Zeit haben würde, wenn der abendliche Ansturm vorüber war, könnte sie genauso gut essen und den wunderschönen Sonnenuntergang von der Terrasse aus beobachten.

„Der Tintenfisch soll spektakulär sein.“

Die tiefe, raue Stimme kam von rechts – von dem Mann, der sich gerade auf den Barhocker neben ihrem setzte. Sie erstarrte, ihr stockte der Atem, und ihre Nackenhaare richteten sich auf, ein Gefühl von Unwirklichkeit überkam sie. Das kann nicht sein. Denn diese tiefe, erotische Stimme mit dem carnelianischen Akzent gehörte …

Neeeein! Jeder Muskel in ihrem Körper verspannte sich, ihr Herz begann zu stolpern, ihre Atmung setzte aus, als sie den erdigen, sinnlichen Duft des Mannes wahrnahm. Ihre Füße befahlen ihr – flehten: Renn weg. Doch sie war noch nie feige gewesen, deshalb blieb sie und sah den König von Carnelia an.

Groß und muskulös wie er war, ließ er den Barhocker, auf dem er saß, klein erscheinen. Schon seine Muskelkraft war fesselnd, furchterregend. Aber noch gefährlicher für eine Frau war, dass diese pure männliche Kraft in einer kultivierten Hülle steckte, was ihn immer von seinem grausamen Vater unterschieden hatte und was sie einst hatte glauben lassen, er wäre anders.

Mit einer Handbewegung machte Kostas Laskos den Barkeeper auf sich aufmerksam. Eine unnötige Geste, da ihn ohnehin jeder in der Bar anstarrte. Die Frauen wegen seines markanten, attraktiven Gesichts, das noch von seinem kurz geschnittenen schwarzen Haar betont wurde. Die Männer, weil jemand, der so gefährlich wirkte, sofort eingeschätzt werden musste.

„Den ältesten Mount Gay Rum, den Sie haben“, bestellte der König.

Diavole. Sie bekam ein beklommenes Gefühl in der Magengegend, eine Reaktion, die nur dieser Mann jemals in ihr hatte auslösen können. So atemberaubend er in seiner Galauniform ausgesehen hatte, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte – beim Ball in Akathinia am Unabhängigkeitstag –, so unwiderstehlich wirkte er in Jeans und dem Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln.

Seine langen Finger erregten ihre Aufmerksamkeit. Er hatte gefährliche Hände – Hände, die einem Mann ebenso leicht das Genick brechen konnten, wie sie ihr achtzehnjähriges Herz zerquetscht hatten. Hände, die angeblich so gekonnt verführten, dass Frauen bei ihm Schlange standen, was sie jedoch nicht bestätigen konnte, weil er sie auf grausamste Weise zurückgewiesen hatte.

Sie biss sich auf die Unterlippe, seine Wirkung auf sie spürte sie im ganzen Körper. Sein wunderbar sinnlicher Mund hatte sie geküsst, um sie zu trösten, nachdem ihr Traum zerstört worden war. Er hatte ihr gezeigt, wie wahre Leidenschaft aussehen konnte, dann war er gegangen und hatte sich über ihre Schwärmerei lustig gemacht.

Sie hasste ihn.

Mit unbewegter Miene beobachtete er sie, analysierte jede ihrer Reaktionen auf ihn. Also zwang sie sich, etwas zu sagen. „Solltest du nicht zu Hause sein und deinen Piratenstaat regieren, oder ist deinem Jet der Treibstoff ausgegangen?“

„Du weißt, warum ich hier bin.“

Ruckartig setzte sie das Glas ab. „Keine Sorge, du kannst tanken und dich auf den Weg machen. Ich habe Nik meine Antwort gegeben. Ich würde dich niemals heiraten, selbst dann nicht, wenn du hundert Milliarden Euro zahlen würdest.“

„Du hast abgelehnt, bevor du dir überhaupt angehört hast, was ich biete.“

Sie legte sich den Finger an den Mund. „Lass mich nachdenken … Hmm. Ein Barbar als Ehemann, ein Leben im Lager des Feindes, eine Verbindung mit einem Mann, der nicht einmal den Mut hatte, seinen Vater zu stoppen, als dieser versucht hat, Akathinia zu übernehmen? Nein, danke.“

Ein Muskel trat an seinem Kiefer hervor. „Pass auf, was du sagst, Stella. Du kennst nicht alle Fakten.“

„Du kommst anderthalb Jahre zu spät. Es interessiert mich nicht mehr.“ Sie rutschte von dem Barhocker. „Flieg nach Hause, Kostas.“

„Setz dich“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Tu mir den Gefallen, und hör mich an. Die Zeit für Trotzanfälle ist lange vorbei.“

Gäste drehten sich zu ihnen um und starrten sie an. Jessie, die gerade Stühle um einen Tisch stellte, blickte zu ihr herüber und machte große Augen, als sie den Mann neben Stella wahrnahm. Stella gab ihr ein Zeichen und setzte sich wieder, weil sie keine Szene machen und ihre Tarnung auffliegen lassen wollte. Nicht weil der König es befohlen hatte.

Kostas nagelte sie mit seinem Blick fest. „Iss mit mir zu Abend. Hör zu, was ich zu sagen habe. Wenn du das tust, verspreche ich dir, dass ich gehen und jede Entscheidung akzeptieren werde, die du triffst.“

Jede Entscheidung akzeptieren? War er immer so arrogant gewesen? Wie hatte sie jemals so blind verliebt sein können, dass sie sich zu einer totalen Idiotin gemacht hatte?

Ihr wurde heiß. „Kala“, sagte sie mit ihrer süßesten Stimme. „Du hast recht. Diese Unterhaltung ist längst überfällig. Bestell uns doch eine gute Flasche Bordeaux, such einen Tisch aus, und dann unterhalten wir uns beim Essen wie zwei zivilisierte Erwachsene.“

Erneut rutschte sie vom Hocker und rauschte an ihm vorbei in Richtung Damentoilette.

Kostas wusste, dass Stella nicht zurückkehren würde. Er kannte sie. Kannte sie seit der Kindheit, als die königlichen Familien von Akathinia und Carnelia sich oft bei offiziellen Anlässen begegnet waren, die die Saison am Mittelmeer auszeichneten. Seine Familie hatte großen Respekt genossen, als die Neigung seines Vaters zu einer diktatorischen Regentschaft noch nicht so stark ausgeprägt gewesen war.

Er hatte miterlebt, wie Stella sich von einem unbestreitbar hübschen Teenager zu einer temperamentvollen jungen Frau entwickelte, die den größten Teil ihrer Zeit damit verbrachte, den Aufstand zu proben. Erst in den letzten Jahren war aus der rebellischen Prinzessin von Akathinia eine angesehene, weltweit agierende Wohltäterin geworden.

Und darüber war er froh. Es war ihre Willenskraft, die er immer respektiert hatte, ja, er hatte sich regelrecht davon angezogen gefühlt. Von ihrem starken Charakter. Dies war eine Eigenschaft, die er bei einer Ehefrau suchte, einer Frau, die außergewöhnliche Dinge mit ihm vollbringen könnte – die die Struktur einer Nation ändern könnte, die schwer gelitten hatte. Wenige hätten den Mut, die Herausforderung anzunehmen, die er ihr bieten wollte. Stella war er angeboren.

Er ließ sich einen Tisch am Rand der Terrasse geben, an dem sie in Ruhe sprechen könnten, und ging dann zu den Damentoiletten, wo er sich an die Wand lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt. Als Stella herauskam und direkt auf den Ausgang zusteuerte, räusperte er sich.

„Ich dachte, du brauchst vielleicht Hilfe bei der Suche nach unserem Tisch“, sagte er freundlich. „Ist ein Château Margaux okay?“

Sie machte große Augen, kniff sie dann zusammen, und ein ganzes Spektrum an Emotionen blitzte in ihrem Gesicht auf, als sie sich einen Plan B überlegte. „Wunderbar“, erwiderte sie und rauschte an ihm vorbei ins Restaurant.

Er folgte ihr amüsiert und genoss den Anblick ihres knackigen Pos in den engen Jeans. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal so lebendig gefühlt hatte, so voller Lebenslust.

Galant führte er sie zu dem Tisch auf der Terrasse und rückte ihr den Stuhl zurecht. Sie setzte sich, und er berührte wie zufällig ihre Schultern, als er die Hände zurückzog, woraufhin die Prinzessin sichtbar zusammenzuckte. Ein Test. Zufrieden registrierte er das Ergebnis. Sie wünschte sicherlich, sie könnte ihn hassen, doch er wusste, dass es anders war.

Während der Kellner die Weinflasche entkorkte, widmete er der Frau, die ihm gegenübersaß, seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Ohne Make-up, die Haare zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden, waren die kühnen Gesichtszüge eine Herausforderung an sich. Nicht schön im klassischen Sinn, aber unvergesslich, insbesondere da sie mit eisblauen Augen und blondem Haar gepaart waren.

Jede andere Frau war irgendwann zu einer verschwommenen Kopie der vorherigen verblasst, doch Stella war einzigartig geblieben. Sie hatte er nie mit den anderen in einen Topf werfen können. Immerhin war sie die Frau, der er im Alter von dreiundzwanzig Jahren mit beeindruckender Selbstbeherrschung widerstanden hatte.

Der Kellner gab dem Wein Zeit zu atmen. Kostas verschränkte die Finger und packte gleich ein heißes Eisen an. „Tut mir leid wegen Athamos. Ich weiß, wie sehr du ihn geliebt hast und wie sehr ihr, du und deine Familie, um ihn trauert.“

„Tatsächlich?“ Sie reckte das Kinn und sah ihm in die unglaublich blauen Augen. „Ich glaube nicht, dass du unsere Trauer nachempfinden kannst, denn du lebst, Kostas, und Athamos ist tot.“

Volltreffer. Er schnappte nach Luft, doch er hatte es verdient. Seit der Nacht, in der Athamos gestorben war, wünschte er jeden wachen Moment, er könnte die Uhr zurückdrehen. Wünschte, er könnte Stellas Bruder, den früheren Kronprinzen von Akathinia, zu seiner Familie zurückbringen. Aber das konnte er nicht. Der Albtraum jener Nacht würde ihn für immer an seine Fehler erinnern. Alles, was er tun konnte, war, sich selbst zu verzeihen, und versuchen weiterzumachen, bevor er zugrunde ging. Und da sein Land alle Hoffnungen in ihn setzte, war das keine Option.

Er hielt ihrem kalten, verbitterten Blick stand. „Er war ebenso sehr Freund wie Rivale, das weißt du. Unsere Beziehung war sehr komplex. Ich übernehme die Verantwortung für den tragischen Unfall in jener Nacht, aber wir haben beide in das Rennen eingewilligt. Wir haben beide schlechte Entscheidungen getroffen.“

„Ja, aber du warst der Anführer. Ich habe die Geschichten über euch in der Flugschule gehört – sie sind legendär. Du hast ihn angestachelt, bis ihr beide nichts anderes mehr kanntet, als eure Besessenheit, zu gewinnen. Aber in jener Nacht ging es nicht darum, Punkte zu sammeln, ihr habt mit eurem Leben gespielt. Wie kann ich dir das jemals verzeihen?“

„Du musst es“, stieß er mühsam beherrscht hervor. „Verbitterung bringt nichts. Ich kann ihn nicht wieder lebendig machen, Stella. Ich würde es, wenn ich könnte. Du musst mir verzeihen, damit wir weitermachen können.“

„Dafür ist es zu spät. Was hattest du so Wichtiges zu tun, dass du nicht zu uns kommen und uns erklären konntest, was passiert ist? Was war so dringend, dass du gehen musstest, ohne uns aus unserem Elend zu befreien?“

„Ich hätte es tun sollen.“ Er schloss die Augen, suchte nach den richtigen Worten. „Was in jener Nacht passiert ist, hat mich erschüttert. Ich brauchte Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten. Um die Scherben aufzusammeln …“

„Und das war wichtiger als der wertvolle Frieden und die Demokratie, die du predigst.“ Sie feuerte die Worte regelrecht auf ihn ab. „Während du dich selbst gefunden hast, haben wir in Angst gelebt, dein Vater würde Akathinia wieder Catharian Islands angliedern. Warum hast du nicht eingegriffen?“

„Mein Vater war der König. Ich konnte ihn nicht vom Thron stürzen, sondern bloß versuchen, vernünftig mit ihm zu reden. Am Ende hat das aber nicht mehr funktioniert. Er litt zunehmend unter Demenz. Ich musste den richtigen Augenblick abwarten, um die Herrschaft zu übernehmen.“

„Deshalb hast du dich selbst ins Exil geschickt?“

„Ich bin nach Tibet gegangen.“

„Tibet?“ Ihre Augen wurden groß. „Du hast mit den Mönchen gelebt?“

„So ähnlich.“

Sie starrte ihn an, als suchte sie nach einem Hinweis, dass er scherzte. Als er nichts sagte, lehnte sie sich zurück, der Blick kalt. „Hat dir dein Aufenthalt dort die ersehnte Vergebung gebracht? Die Absolution? Vielleicht war es auch Frieden, wonach du gesucht hast. Weiß der Himmel, wir alle haben danach gesucht. Wir hatten nicht einmal eine Leiche, die wir begraben konnten.“

Er biss die Zähne zusammen. „Es reicht, Stella.“

„Sonst was? Ich bin nicht dein Untertan, Kostas. Du kannst nicht hierherkommen, den ersten Urlaub stören, den ich seit Jahren habe, und mich rumkommandieren, wie dein Vater es so gern getan hat. Du bewegst dich gerade auf ganz dünnem Eis.“

Er wusste es. „Sag mir, was ich tun soll.“

Der Kellner kam, um den Wein einzuschenken, und verschwand sofort wieder. Stella trank einen Schluck, dann nahm sie das Glas zwischen beide Hände, den Blick unverwandt auf Kostas gerichtet. „Was ist in jener Nacht passiert? Warum habt ihr das Rennen veranstaltet?“

Sein Herz pochte laut in seiner Brust. Jedes Detail, jede Sekunde jener Nacht hatten sich in sein Gedächtnis eingeprägt. Er hatte sich selbst versprochen, nie wieder darüber zu sprechen, doch wenn er es nicht tat, würde Stella ihn einfach sitzen lassen.

„Athamos und ich haben auf Carnelia eine Frau kennengelernt. Cassandra Liatos. Wir hegten beide Gefühle für sie. Sie war hin und her gerissen, mochte uns beide. Wir beschlossen, es mit einem Autorennen durch die Berge zu klären – der Gewinner sollte die Frau bekommen.“

Ihr fiel die Kinnlade hinunter. „Ihr hattet ein illegales Autorennen, und der Preis war eine Frau?“

Er kniff die Lippen zusammen. „Einer von uns musste weichen. Cassandra konnte sich nicht entscheiden, also haben wir es getan.“

„Sie war also nur eine Figur in dem Spiel zwischen zwei zukünftigen Königen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Das passt nicht zu meinem Bruder. Er hat Frauen nicht wie Gegenstände behandelt. Was war nur los mit ihm?“

Er sah weg. „Es war keine gewöhnliche Nacht.“

„Nein, es war eine Todesnacht.“ Ihr rauer Ton ließ ihn wieder aufblicken. „Wo ist Cassandra jetzt? War sie nach Athamos’ Tod mit dir zusammen?“

„Nein. Es war … unmöglich, einfach weiterzumachen.“

Stella sah in den Sonnenuntergang am Horizont. Er merkte ihr an, wie hart sie um Beherrschung kämpfte. Als sie den Blick schließlich wieder auf ihn richtete, hatte sie sich fest im Griff.

„Bist du fertig? Hast du alles gesagt, was du sagen wolltest? Denn wenn du glaubst, ich würde dich heiraten, nachdem ich das gehört habe, Kostas, dann spinnst du komplett.“

Er beugte sich vor, legte die Unterarme auf den Tisch. „Es war ein Fehler. Ich habe einen Fehler gemacht, für den ich den Rest meines Lebens bezahlen werde. Was ich für uns vorschlage, ist eine Partnerschaft. Die Chance, den Frieden und die Demokratie im Ionischen Meer wiederherzustellen.“

„Ich soll dir helfen, nach allem, was du getan hast? Ich soll zulassen, dass du mich als Gallionsfigur benutzt, die du der Welt bei irgendwelchen PR-Aktionen vorführst, um Carnelias Glaubwürdigkeit wiederherzustellen?“

Ihre Feindseligkeit schockierte ihn. „Seit wann bist du so zynisch? So gnadenlos unversöhnlich? Wo ist die Frau, die alles für eine bessere Welt getan hätte?“

„Ich kämpfe für eine bessere Welt. Jeden Tag tue ich das mit meiner Arbeit. Du bist derjenige, der die Orientierung verloren hat. Du bist nicht mehr der Mann, den ich mal kannte. Der Mann, der geblieben wäre und seinen Vater aufs Schärfste bekämpft hätte.“

„Du hast recht“, sagte er barsch und fühlte tiefstes Bedauern. „Ich bin nicht mehr der Mann, der ich mal war. Ich bin Realist, kein Idealist. Nur so kann ich meinem Land aus der Misere helfen, in der es steckt.“

Sie betrachtete ihn über den Rand ihres Glases hinweg. „Und wie willst du das erreichen? Wie willst du Carnelia retten?“

„Mein Vater hat den Beliebtheitsgrad der Monarchie in ein historisches Tief geführt. Für den Herbst plane ich eine Wahl, um Carnelia in eine konstitutionelle Monarchie zu verwandeln. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Militärjunta, die meinen Vater unterstützt hat, vorher die Herrschaft übernimmt. Wenn du mich heiraten würdest und Akathinia und Carnelia damit eine symbolische Verbindung eingingen, dann wäre das ein starkes Zeichen für die Zukunft, die ich meinem Volk bieten kann, wenn es mir die Möglichkeit dazu gibt. Eine Vision von Frieden und Freiheit.“

Ungläubig sah sie ihn an. „Du bittest mich, dich zu heiraten, mich in das Lager des Feindes zu begeben, das jeden Moment von einer mächtigen Militärfraktion übernommen werden kann, und ein Land, eine Regierung, mit dir umzuwandeln?“

„Ja. Du hast den Mut, die Kraft und das Mitgefühl, um mir dabei zu helfen, Carnelia in die Zukunft zu führen, die es verdient.“

Ihre Augen funkelten. „Und was ist mit mir? Soll ich auf mein Glück verzichten? Soll ich aus einem Pflichtgefühl heraus einen Mann heiraten, den ich nicht ausstehen kann?“

Er schüttelte den Kopf. „Du hasst mich nicht, Stella. Du weißt, dass das gelogen ist. Außerdem wäre es nicht aus einem Pflichtgefühl heraus. Du könntest dir einen Traum erfüllen. Du hast mir mal erzählt, dass du Anwalt für Menschenrechte werden wolltest, um weitreichende Veränderungen zu erreichen. Als meine Königin könntest du das tun. Du würdest den Lauf der Geschichte ändern. Du würdest Menschen Glück bringen, die genug gelitten haben. Willst du wirklich sagen, dass es das nicht wert ist?“

Sie schürzte die Lippen. „Du spielst dein Ass aus, Kostas? Jetzt weiß ich, wie verzweifelt du bist.“

„Wir wissen beide, dass es nicht mein Ass ist, aber dass wir sehr gut zusammenpassen. Mehr als gut sogar.“

Sie wurde rot. „Das war vor zehn Jahren, und es war nur ein Kuss.“

„Aber was für einer. Er hat gereicht, dass du in durchsichtiger Wäsche in mein Bett gesprungen bist und bis ein Uhr morgens auf mich gewartet hast, während die Gäste auf der Party dachten, du wärst krank.“

„Ein toller Gentleman bist du, dass du das auf den Tisch bringst.“

„Nein“, entgegnete er sanft. „Das war ich, als ich dich rausgeworfen habe. Du warst Athamos’ kleine Schwester. Erst achtzehn Jahre alt. Ich war der Sohn eines Diktators. Dich zu küssen war dumm von mir, denn ich wusste doch, auf welchen Sockel du mich gestellt hattest. Ich habe versucht, es zu beenden, aber du hast ein Nein als Antwort nicht akzeptiert. Manchmal ist Grausamkeit Freundlichkeit in seiner rudimentärsten Form.“

Ihre saphirblauen Augen funkelten. „Dann hättest du mir den Mitleidskuss ersparen sollen.“

„Es war weit komplizierter zwischen uns, und das weißt du.“ Sie war am Boden zerstört gewesen, weil ihre Eltern ihr verboten hatten, wie ihr Bruder Nik an der Harvard Law School zu studieren. Damit hatte sich ihr größter Traum in Luft aufgelöst. Und er war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass es derart zwischen ihnen funken könnte.

„Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte mit dir geschlafen?“ Er hielt ihrem wütenden Blick stand.

„Nein. Du hast mir einen Gefallen getan. Und da wir jetzt festgestellt haben, dass du ein herzloser Kerl bist, den ich niemals heiraten würde, denke ich, es ist alles gesagt, was gesagt werden musste.“

Sie sprang auf, nahm ihre Tasche und schob den Stuhl zurück.

„Du brichst die Abmachung?“

„Die Abmachung war, dass ich dir zuhöre. Aber ich merke plötzlich, dass ich keinen Appetit mehr habe.“

Er stand ebenfalls auf, nahm sein Portemonnaie und zog eine Karte von dem Jachthafen heraus, wo er auf der Jacht eines Freundes wohnte. Sie zuckte zusammen, als er ihr die Karte in die Hosentasche steckte. „Triff diese Entscheidung nicht, weil du mich hasst, Stella. Triff sie für das, woran du glaubst. Triff sie für Akathinia. Wenn das Militär nicht gestoppt wird, dann wird es versuchen, den Job zu beenden, den es letztes Jahr begonnen hat, als es ein Schiff von Akathinia gekapert hat. Menschen werden sterben.“

Sie verkrampfte sich.

„Ich kenne dich“, murmelte er. „Du wirst das Richtige tun.“

„Nein, du kennst mich nicht.“ Langsam schüttelte sie den Kopf. Ein Meer an Emotionen spiegelte sich in ihren blauen Augen. „Du kennst mich überhaupt nicht.“

2. KAPITEL

Kostas konnte sie nicht kennen, sie kannte sich in diesem Moment ja selbst nicht. Allein die Tatsache, dass sie sich mit seinem Vorschlag überhaupt beschäftigte, war schon irrsinnig.

Unruhig lief Stella auf der Terrasse von Jessies Villa am Meer auf und ab. Ihr rauchte der Kopf. Wie konnte Kostas es wagen hierherzukommen? Wie konnte er es wagen, Schuldgefühle in ihr zu wecken? Sie war nach Barbados gereist, um nachzudenken und zu sich zu finden. Stattdessen lastete jetzt das Gewicht von zwei Ländern auf ihren Schultern.

Wenn das Militär nicht gestoppt wird, dann wird es versuchen, den Job zu beenden, den es letztes Jahr begonnen hat, als es ein Schiff von Akathinia gekapert hat.

Ihr Magen verkrampfte sich, kalte Angst breitete sich in ihr aus. Fünf Mitglieder der Crew waren ums Leben gekommen, als sich ein abtrünniger Commander aus Carnelia im letzten Jahr während einer Routineübung in den Gewässern zwischen Akathinia und Carnelia eines akathinianischen Schiffes bemächtigt hatte. Wenn Kostas die Kontrolle über Carnelia verlor und das Militär an Macht gewann, dann war Akathinia in Gefahr.

Aber ihn heiraten, um ihr Land zu schützen?

Sie blieb stehen und blickte hinaus auf das dunkle Meer. Ein schmerzhafter Knoten formte sich in ihrem Magen. Zumindest kannte sie jetzt die Wahrheit über Athamos. Es erklärte allerdings nicht, was Cassandra Liatos an sich hatte, dass er sich ihretwegen ein Todesrennen mit Kostas lieferte – warum er so dumm gewesen war, sein Leben für eine Frau wegzuwerfen, die nicht wusste, was sie wollte.

Es sei denn, er hat sie geliebt.

Hat er sie geliebt? fragte sie sich frustriert. War das die Antwort auf das Geheimnis, das sie quälte. Sie wollte mit den Fäusten gegen die breite Brust ihres Bruders trommeln, doch Athamos war nicht hier. Würde nie wieder bei ihr sein.

Heiße Tränen brannten ihr in den Augen. Irgendwie musste sie loslassen. Sie wusste nur nicht, wie.

Als Jessie mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern nach Hause kam, tigerte sie immer noch auf und ab.

„Was macht Kostas hier? Er hätte fast deine Tarnung auffliegen lassen.“

„Er will, dass ich ihn heirate.“

Jessie fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Ihn heiraten?“

„Mach die Flasche auf.“

Ihre Freundin entkorkte den Wein, schenkte zwei Gläser ein und reichte ihr eins.

Sie trank einen Schluck. „Es wäre eine rein politische Verbindung.“

„Warum?“

„Ich bin der symbolische Schlüssel zu Frieden und Demokratie im Ionischen Meer.“

Ungläubig sah Jessie sie an. „Das ist doch keine Basis für eine Ehe. Denk an deine Mutter. Sie hat aus denselben Gründen geheiratet und wäre daran fast zugrunde gegangen.“

Wir alle haben darunter gelitten, schoss es Stella durch den Kopf. Die Ehe ihrer Eltern mochte eine politische Verbindung gewesen sein, doch ihre Mutter hatte ihren Vater geliebt. Leider war ihr Vater unfähig gewesen, irgendjemanden zu lieben, weder seine Frau noch seine Kinder. Die ständigen Affären des Königs hatten für Schlagzeilen in der Presse gesorgt und die Familie zerstört.

„Kostas macht sich Sorgen wegen der Militärjunta, die seinen Vater unterstützt hat. Er will im Herbst Wahlen einberufen, um eine konstitutionelle Monarchie zu etablieren, doch er fürchtet, dass das Militär vorher die Herrschaft übernimmt, wenn er nicht ein deutliches Signal für Veränderung setzt.“

„Und du als Vorzeigefrau für globale Demokratie wärst das.“

„Ja.“

Entsetzt starrte Jessie sie an. „Du denkst doch nicht wirklich darüber nach, oder?“

Stella schwieg.

Jessie trank einen Schluck Wein und betrachtete dabei ihre Freundin. „Stella, du warst mal in ihn verliebt. Warst verrückt nach ihm. Soll sich alles wiederholen?“

„Es war eine kindische Schwärmerei und hatte nichts zu bedeuten.“

Jessie verzog den Mund. „Ihr beide habt den ganzen Sommer nur Augen füreinander gehabt. Es war vorherbestimmt, dass ihr … Und dann handelst du endlich, und er lässt dich einfach stehen.“

Stella schüttelte den Kopf. „Es hat nicht sollen sein. Es war zu kompliziert.“

„Vergleichst du deshalb jeden anderen Mann mit ihm? Schätzchen, mach dir nichts vor. Ich kenne dich. Du warst total verstört, als er in die Bar kam. Und du bist es immer noch.“

„Ich habe mich unter Kontrolle.“

„Tatsächlich? Damals gab es nur ihn für dich. Er war der neueste Superheld, geschickt, um uns alle vor den bösen Jungs zu retten.“

Was für eine sinnige Beschreibung ihrer jugendlichen Schwärmerei für Kostas … Sie hatte ihn auf ein Podest gestellt wegen seiner Entschlossenheit, sein Land in die Demokratie zu führen. Und sie hatte daran geglaubt, dass nur er erkennen konnte, wie schrecklich einsam sie war, weil er, dessen war sie sicher gewesen, es auch war.

„Ich kenne jetzt seine Fehler“, sagte sie und sah Jessie an. Sie hatte längst nicht mehr dieses unrealistische Bild von ihm. „Die Sache ist die, dass ich schon lange nicht mehr glücklich bin, Jess. Ich bin rastlos, fühle mich wie eingesperrt. Ich führe ein geborgenes, ein perfektes Leben, und doch bin ich unglücklich.“

„So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Aber warum? Du leistest erstaunliche Arbeit. Sinnvolle Arbeit. Befriedigt dich das nicht?“

„Doch, aber es ist nicht wirklich meins. Außer dass ich die Abrüstung unterstütze, ist es die gesäuberte, geschönte Presseversion von Menschenliebe, die der Palast steuert.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du weißt, ich dachte immer, dass ich zu etwas Höherem berufen bin. Dass ich die Fähigkeit und Macht besitze, weitreichende Veränderungen zu bewirken. Doch jedes Mal, wenn ich versucht habe, meine Flügel auszubreiten, wurden sie gestutzt. Athamos und Nik haben die Vorrangstellung eingenommen. Ich war diejenige, die sich fügen musste.“

Jessie schwieg. „Ich verstehe, was du meinst“, sagte sie schließlich. „Doch das hier ist eine große Sache, Stella. Unabänderlich. Wenn du ihn heiratest, dann bist du Königin und Vorbild einer ganzen Nation. Eine sehr heikle Situation, über die du nicht wirklich die Kontrolle hast.“

Aber war das nicht gerade die Art von Herausforderung, die ihrem Leben diesen besonderen Kick gäbe? Trotz aller Risiken? War das nicht das, wonach sie sich ihr ganzes Leben gesehnt hatte? Die Chance, sich einen Namen zu machen?

Sie und Jessie sprachen bis spät in die Nacht. Als ihre Freundin schließlich todmüde zu Bett ging, blieb Stella noch auf der Terrasse sitzen und schaute in den sternenklaren Himmel.

Sie stellte ihre Fähigkeit, das zu tun, worum Kostas sie bat, nicht infrage. Sie hatte Kriegsgebiete bereist, um sich für den Frieden in Ländern einzusetzen, in denen junge Menschen die unschuldigen Opfer des Konflikts waren. Sie hatte Stammesführer getroffen und herausgefordert, einen besseren Weg zu finden, als sich gegenseitig zu zerstören. Wovor sie Angst hatte, war Kostas. Was er ihr antun könnte in einer politischen Ehe mit ihr als seiner Schachfigur.

Der heutige Abend hatte gezeigt, dass sie auch jetzt, zehn Jahre später, noch nicht immun gegen ihn war. Im Gegenteil, er hatte offenbart, was die Ursache für ihren schlimmen Fehler mit Aristos Nicolades im letzten Jahr gewesen war.

Sie hatte eine Reihe Männer kennengelernt und einen nach dem anderen abserviert, ohne auch nur einen näher an sich heranzulassen. Als sich das als unbefriedigend erwies, hatte sie ihre Fühler nach Aristos ausgestreckt, um sich zu beweisen, dass sie einen Mann für sich gewinnen konnte, der mindestens so unerreichbar war wie Kostas. Ebenso faszinierend. Sie hatte versucht, den Geist der schmerzlichsten Zurückweisung ihres Lebens zu vertreiben und zu beweisen, dass sie mehr wert war. Doch Aristos hatte ihr das Herz gebrochen und, was noch schlimmer war, sich Hals über Kopf in ihre Schwester verliebt und diese geheiratet.

Sie war dazu bestimmt, allein zu bleiben. Hatte akzeptiert, dass Liebe für sie unerreichbar war. Dass sie zu oft zu tief verletzt worden war, um Liebe als etwas anderes als eine destruktive Kraft zu sehen. Was die Idee einer politischen Verbindung fast erträglich machte. Wenn es dabei um jemand anderen als Kostas gegangen wäre.

Sich an einen Mann zu binden, der sie zerstören konnte, schien eine weitere schlechte Entscheidung in der langen Liste von vielen zu sein. Es sei denn, sie bekam seine Wirkung auf sie in den Griff.

Wenn sie Kostas heiraten und überleben wollte, dann musste sie ihre Gefühle für ihn tief vergraben, damit er sie nicht gegen sie benutzen konnte.

Die Frage war nur … Könnte sie das?

„Die Prinzessin ist gekommen, um Sie zu sprechen, Hoheit.“

Kostas blickte von den geheimdienstlichen Anweisungen auf, die er gerade prüfte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Es waren zwei Tage vergangen, seit er seine Karten hoffnungsvoll vor Stella aufgedeckt hatte. Zwei Tage ohne Antwort. Da er morgen wegen eines Gipfeltreffens nach Carnelia zurückkehren musste, dachte er schon, dass er sein Verhandlungsgeschick bei der Prinzessin, die einen sehr persönlichen Groll gegen ihn hegte, überschätzt hatte.

Er zeigte nicht, wie erleichtert er war, als er seinem Berater Takis zunickte. „Ich komme nach oben.“

Nervös lief er die Stufen zum oberen Deck der Jacht seines alten Freundes Panos Michelakos hinauf, die im Hafen der kleinen Bucht Carlisle Bay ankerte, während der Besitzer sich um Geschäfte auf den Westindischen Inseln kümmerte. Stella stand an der Reling des beeindruckenden siebzig Fuß langen Boots und blickte hinaus aufs Meer.

Ihre schlanke Silhouette zeichnete sich gegen die untergehende Sonne ab, ihr honigfarbenes Haar fiel ihr über den Rücken. Sie trug einen weißen Rock und ein karamellfarbenes Top. Sie wirkte ganz wie die kühle, weltgewandte junge Frau, die sie angeblich war. Allerdings wusste er aus Erfahrung, dass Stella alles andere als kalt war. Sie war leidenschaftlich in allem, was sie tat.

Das Bild von ihr in blutroten Dessous, ausgestreckt auf seinem Bett im Palast von Akathinia, hatte sich für immer in sein Gedächtnis eingeprägt. Es war dort abgespeichert, um ihn mit der Erinnerung an die einzige Frau zu quälen, bei der er sich den Sex versagt hatte. Die einzige Frau, die er nie vergessen hatte.

Brennende Hitze breitete sich in ihm aus, als das erotische Bild in seinem Kopf aufblitzte. Es war schon früher Morgen gewesen, als er nach einer Party im Palast die Stufen zu seinem Zimmer hinaufstieg, etwas berauscht von zu vielen Gläschen Tsipouro. Er hatte nicht gemerkt, dass noch jemand in seiner Suite war, hatte sich ausgezogen, die Kleidung auf den Boden fallen lassen und war auf das Bett gefallen.

Erst als seine Hand die seidige Haut einer Frau berührte, war ihm bewusst geworden, dass er nicht allein war. Zuerst hatte er gedacht, dass er vielleicht zu viel getrunken hatte und nur von Stella träumte, bis sie anfing zu reden und ihm sagte, dass er der aufregendste Mann war, den sie je kennengelernt hatte, dass der Kuss in der Bibliothek unglaublich gewesen war und dass er der Erste sein sollte, mit dem sie Sex hatte.

Er war damals dreiundzwanzig Jahre alt gewesen und war fast durchgedreht. Mit ihren festen, wunderschönen Brüsten und den endlos langen Beinen war sie der Traum eines jeden heißblütigen Mannes. Unbändiges Verlangen und sein Verstand hatten miteinander gerungen. Für einen Mann, der damit kämpfte, sich von seinem autokratischen Vater abzugrenzen, war sie zu unschuldig, zu rein, zu bestrebt, die Welt zu verändern. Und er zweifelte daran, jemals ihren hohen Idealen entsprechen zu können.

Trotz seines Alkoholkonsums war er vernünftig genug gewesen, sie aus dem Bett zu heben, zur Tür zu tragen und mit der Bemerkung, sie solle in ihrer eigenen Sandkiste spielen, außerhalb seiner Suite wieder auf die Füße zu stellen. Er war sicher, dass sie eines Tages begreifen würde, dass er ihr ein gebrochenes Herz erspart hatte. Dass Frauen für ihn nur flüchtige Abenteuer waren. Er amüsierte sich mit ihnen und warf sie dann weg, um die nächste zu erobern. Dieser Zwang, Eroberungen zu machen und stets gewinnen zu müssen, charakterisierte sein Leben.

Doch nach dieser Nacht hatte er begriffen, dass seine Gefühlloslosigkeit die zähe, unverwüstliche Stella tiefer getroffen hatte, als er geglaubt hatte. Dass sein Bedürfnis, ihr zu zeigen, dass er nicht der richtige Mann für sie war, sie tief verletzt hatte.

Stella spürte Kostas’ Anwesenheit, noch bevor er sich bemerkbar machte. Die Hände an der Reling, drehte sie sich um, und sein Anblick erschütterte sie bis ins Mark. Ihr angehender Verlobter betrachtete sie mit einer Neugier und Intensität, die jede der Schutzbarrieren zu zerlegen schien, mit denen sie sich gerüstet hatte.

„Überlegst du gerade dein weiteres Vorgehen, Kostas?“

„Nein, ich bewundere dich.“

Ungewollte Hitze durchströmte sie und erreichte Stellen, die eiskalt bleiben mussten. „Du musst mir nicht schmeicheln“, sagte sie. „Du weißt, warum ich hier bin.“

„Ehrlichkeit“, entgegnete er, als er vor ihr stehen blieb, „ist etwas, das du immer von mir bekommen wirst, Stella. Ob dir gefällt, was ich zu sagen habe, oder nicht.“

War das noch eine weitere Anspielung auf seine demütigende Zurückweisung?

„Ich kann mit Ehrlichkeit umgehen. Das war immer meine Stärke. Und dass ich meinen Prinzipien treu bleibe und dazu stehe, wenn ich etwas verbockt habe.“

Er ignorierte den Seitenhieb. „Was hat dich umgestimmt?“

„Du hattest recht. Als notorischer Regimekritiker kann ich unseren beiden Ländern nicht den Rücken kehren. Auch nicht meinen Träumen, denn ja, die habe ich noch. Aber ich werde nur unter gewissen Bedingungen deine Königin.“

„Lass hören.“

„Ich bin nicht nur das Aushängeschild eines patriarchischen Establishments. Du gibst mir Entscheidungsbefugnis und einen klaren Status.“

„Denkst du da an etwas Bestimmtes?“

„Einen Sitz im Exekutivrat.“

„Das wäre höchst … ungewöhnlich.“

„Sag Ja, Kostas, oder aus der Sache wird nichts.“

Lange sah er sie an. „Kala. Du kannst einen Sitz im Exekutivrat haben. Aber ich warne dich, es wird nicht einfach werden. Akathinia mag modern sein, aber in Carnelia herrscht noch finsteres Mittelalter.“

„Ich liebe Herausforderungen. Zweitens werde ich meine Arbeit bei den Organisationen fortsetzen, die ich gegenwärtig unterstütze, es sei denn, mein Terminkalender ist zu voll.“

„Damit habe ich kein Problem. Du leistest großartige Arbeit. Was du allerdings nicht tun kannst, ist durch Kriegsgebiete spazieren. Das ist zu riskant.“

„Ich spaziere nicht, Kostas. Das Foto von mir mit diesen Kindern hat Millionen von Dollar für die Unterstützung eines regionalen Abrüstungsabkommens gebracht.“

Er neigte den Kopf. „Schlechte Wortwahl. Aber Tatsache ist, dass ich meine Königin lebend brauche.“

Nicht weil er Zuneigung für sie empfand, sondern weil sie für ihn von Wert war.

„Drittens“, fuhr sie fort, „nimmst du dir keine Geliebte. Solltest du es tun, kann ich mich sofort scheiden lassen. Ich brauche kein von der Regierung unterschriebenes Dekret.“

„Ich bin nicht wie dein Vater, Stella. Ich habe nicht die Absicht, mir Affären zu gönnen. Warum sollte ich auch, wenn ich eine Frau wie dich im Bett habe?“

„Da wir gerade davon sprechen, es ist eine politische Heirat. Das heißt, ich muss nicht zwingend mit dir schlafen.“

„Das könnte ein Problem sein, denn ich muss schnell einen Erben zeugen, um die Laskos-Linie zu sichern. Auch steht dein vierter Punkt im Widerspruch zu deinem dritten. Ich darf mir keine Geliebte nehmen, aber wir werden auch keinen Sex haben?“

Sie winkte ab. „Der Erbe – das ist möglich.“

„Wie soll das funktionieren?“ Er trat einen Schritt näher. „Eheliche Besuche sind erlaubt? Ich komme zu dir, wenn du fruchtbar bist?“

„So in etwa.“

Seine dunklen Augen funkelten. „Gefällst du dir in der Rolle der Märtyrerin, Stella?“

Sie reckte das Kinn. „Ich wäre nicht die erste Prinzessin, die sich aus einem Pflichtgefühl heraus opfert. Die Geschichte ist voll davon. Wir werden für unsere Schönheit und Haltung geschätzt, unser Mitgefühl und unsere Empathie, doch am Ende sind wir nicht mehr als bessere Zuchtstuten.“

Einen Moment lang sah er sie schweigend an. „Ich biete dir weit mehr als das. Es wäre eine echte Partnerschaft.“

„Nebst Erben, den du unbedingt brauchst.“

„Was passiert, wenn du gerade nicht als meine Zuchtstute fungierst? Wenn ich normale männliche Bedürfnisse habe?“

Bei den erotischen Bildern, die vor ihrem geistigen Auge auftauchten, wurde sie rot. Sie sah ihn vor sich … nackt, und in jeglicher Hinsicht prächtig ausgestattet. Heiß strömte das Blut durch ihre Adern, und ihre Haut begann zu prickeln.

Diavole, aber so würde es nicht laufen. Sie reckte das Kinn noch höher und funkelte ihn rebellisch an. „Es ist nicht meine Sache, das herauszufinden, Kostas. Das ist dein Job.“

„Tatsächlich?“ Langsam ließ er den Blick über ihre heißen Wangen wandern. „Ich denke, wenn du die Vergangenheit ruhen lässt, wenn du mir endlich verzeihst und erkennst, wie gut wir zusammenpassen, dann werden wir im Bett genauso harmonieren wie als Herrscherpaar meines Landes.“

„Nein“, entgegnete sie, obwohl die Funken zwischen ihnen sprühten. „Das wird nicht passieren. Frauen sind nur Objekte für dich. Auch ich bin lediglich ein Mittel zum Zweck. Ich wäre blöd, wenn ich das vergessen würde.“

„Du wirst meine Ehefrau sein, kein Objekt. Und nur weil ich in jener Nacht nicht mit dir geschlafen habe, Stella, bedeutet das nicht, dass ich dich nicht wollte. In meiner Fantasie habe ich mir oft einen ganz anderen Ausgang des Abends ausgemalt.“

Ihre Bauchmuskeln zogen sich zusammen. Es war ein verführerischer Gedanke, dass er sie begehren könnte. Dass das Verlangen nicht so einseitig gewesen war, wie sie gedacht hatte. Wenn sie genauer darüber nachdachte, könnte sie vielleicht sogar seine Zurückweisung vergessen. Doch ihr Verstand sagte ihr, dass das Ganze reine Taktik von ihm war. Verhandlungsgeschick. Manipulation.

Sie hob den Kopf. „Deinen Erben zu empfangen wird ein Akt sein. Mehr nicht. Ich habe kein Interesse mehr an Größenwahnsinnigen in schöner Verpackung.“

„Größenwahnsinnige?“

„Ja – du.“

Er betrachtete sie einen Moment. „Schließt du Aristos Nicolades in diese Gruppe ein?“

Erstaunt zog sie eine Augenbraue hoch. „Verfolgst du mein Liebesleben, Kostas? Aristos war einfach der letzte Versuch. Ich habe für mich entschieden, Beziehungen genauso ablehnend gegenüberzustehen wie du. Es lohnt sich einfach nicht.“

„Das bist nicht du, Stella. Du lebst für die Leidenschaft.“

„Nicht mehr. Du solltest übrigens glücklich über meine neue Sichtweise sein. Denn nur deshalb heirate ich dich.“

„Das und dein Wunsch, unglaublich viel Gutes zu tun, denn das wirst du.“

„Behandle mich nicht so herablassend.“ Sie trat einen Schritt zurück, denn sie musste unbedingt tief durchatmen, was in seiner Nähe nicht möglich war. „Ich bin an Bord, wenn du meinen Bedingungen zustimmst.“

„Abgemacht. Sollen wir jetzt die nächsten Schritte besprechen?“

Ihr wurde ganz schwindlig. Das alles geschah tatsächlich. „Schieß los.“

„Ich fliege morgen zu einem Gipfeltreffen nach Carnelia. Es wäre ideal, wenn du mich begleiten würdest, damit wir die Verlobung verkünden und mit den Vorbereitungen für die Hochzeit beginnen können.“

Morgen? Sie hätte dringend etwas Zeit für sich gebraucht.

Er spürte ihre Bestürzung. „General Houlis, die treibende Kraft hinter der Militärjunta, hat seine Kampagne begonnen und mobilisiert die nötigen Kräfte im Hintergrund. Seine Unterstützung ist keineswegs solide – er hat noch einen langen Weg vor sich. Wir müssen ihn aufhalten, solange wir noch können.“

„Ich vermute, die bevorstehenden Wahlen sind deine größte Waffe?“

„Ja. Ich werde sie bei dem Gipfeltreffen diese Woche ankündigen. Es werden viele Medienvertreter anwesend sein. Nik ist auch da. Wir werden Einigkeit präsentieren.“

„Und unsere Verlobung? Verkünden wir sie vorher oder nachher?“

„Das bespreche ich mit meinem PR-Team, aber ich dachte an kommenden Freitag. Dann würde die Woche mit einem Knaller bei der Konferenz beginnen und mit einer gleichermaßen starken Aussage zur Zukunft enden.“

„Und die Hochzeit? Wann soll die stattfinden?“

„In sechs Wochen, dachte ich.“

„Sechs Wochen?“

„Meine Eventmanagerin wird sich um alles kümmern. Du musst nur erscheinen.“

Ich bin nur eine Schachfigur, die herumgeschoben wird.

Sein Gesichtsausdruck wurde versöhnlich. „Ich weiß, es ist Tradition, dass die Verlobungsparty im Land der Braut gefeiert wird, aber in diesem Fall muss sie in Carnelia stattfinden, und alle Schlüsselfiguren sollten anwesend sein.“

„Das ist in Ordnung.“

„Gut.“ Er griff in seine Tasche und zog einen Ring heraus. Überrascht blickte sie auf den funkelnden Brillanten.

„Warst du dir so sicher?“

„Ich habe es gehofft. Dieser Ring gehörte meiner Mutter. Eins der wenigen Erinnerungsstücke, die ich habe.“

„Du warst noch sehr klein, als sie starb.“

„Ich war erst vier. Ich habe keine wirkliche Erinnerung an sie.“

Sie betrachtete seinen ungerührten Gesichtsausdruck. Wie musste es gewesen sein, ohne Wärme aufzuwachsen? Nur mit seinem allgemein verhassten Tyrann von Vater? Hatte es in seinem Leben einen Menschen gegeben, dem er sich anvertrauen konnte, der ihn geliebt hatte – eine Großmutter, eine Patin? Sie konnte sich nicht erinnern, dass er jemals davon gesprochen hätte.

Athamos hatte einmal bemerkt, dass Kostas der einzige ihm bekannte Mensch war, der selbst inmitten einer Ansammlung von Leuten einsam und verlassen wirkte.

„Deine Hand“, riss Kostas sie aus ihren Gedanken.

Sie streckte die Hand aus, und ihre Finger zitterten leicht, als er ihr den Ring überstreifte und ihr dabei tief in die Augen sah. „Efharisto, Stella. Danke. Ich verspreche, dass du es nie bereuen wirst. Wir werden ein starkes Team abgeben und den Carnelianern die Zukunft geben, die sie verdienen.“

Seine Energie übertrug sich auf sie, pulsierte durch ihren Körper. Sank mitten in ihr Herz. Ihre Zukunft war jetzt unwiederbringlich mit einem Mann verbunden, den sie hassen wollte, einem Mann, für den ihre Gefühle weit komplexer waren, als sie jemals erwartet hätte. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr.

3. KAPITEL

Die Tage, die auf Stellas Rückkehr nach Akathinia folgten, vergingen wie im Flug. Sie wusste, dass ihre Entscheidung, Kostas zu heiraten, richtig war, wusste, dass dies die Herausforderung war, nach der sie gesucht hatte. Der Rummel, der darum gemacht wurde, setzte ihr allerdings gehörig zu.

Jeder schien eine Meinung zu ihrer bevorstehenden Hochzeit mit dem König von Carnelia zu haben. Angefangen bei ihrer Friseurin, die ihn als „richtigen Mann unter all den Pseudomännern“ bezeichnete, über ihre Schwester Aleksandra, die sich mit der Friseurin darüber einig war, dass Kostas „ein blendend aussehender, sexy Mann“ war, bis hin zur Regenbogenpresse, die ihre Verbindung als „die aufregendste, die in den letzten Jahrzehnten in den Königshäusern eingegangen war“ titulierte.

Die traditionelle Presse dagegen, Kostas’ härtester Kritiker, nahm eine abwartende Haltung ein. Nicht alle waren überzeugt, dass König Idas’ Sohn, der zweiunddreißigjährige, in Oxford ausgebildete Befürworter einer Demokratie, das Land retten konnte. Das Militär war gegen ihn, die Stimmungswerte für die Monarchie waren niedrig, und es war nicht vorauszusehen, ob Kostas die Herzen der carnelianischen Bevölkerung gewinnen konnte.

Aber es gab auch Hoffnung. Die Menschen schienen vorsichtig optimistisch. Auf den Straßen wurde spontan gefeiert, als die erste Wahl in der Geschichte des Landes angekündigt wurde. Diese Freudenfeste dauerten an, als sich die Nachricht über die bevorstehende Hochzeit mit der Prinzessin von Akathinia verbreitete. Für die große Mehrheit war sie das vielversprechende Licht am Ende des Tunnels, doch für andere war sie eine unbekannte Größe in einer Kultur, die Fremden gegenüber schon immer verschlossen gewesen war.

Diese Hürde muss genommen werden, dachte Stella grimmig, als sie eine Woche vor der Verlobungsparty zu einem offiziellen Termin nach London flog. Die Zukunft des Landes und die Selbstbestimmung seines Volkes hingen davon ab.

Aufdringliche Pressevertreter verfolgten sie, als sie an einem Benefizessen zugunsten einer Krebsstation in einem der größeren Krankenhäuser teilnahm. Was als friedliche Veranstaltung begann, wurde wegen der bevorstehenden Hochzeit zu einem Medienrummel. Sie wusste, dass das alles nur ein kleiner Vorgeschmack auf das war, was sie bei der Hochzeit erwartete, und war entsprechend schlecht gelaunt, als sie nach Akathinia zurückkehrte, um mit ihrer Schwägerin Sofía und ihrer Schwester Alex ein Kleid für die Verlobungsfeier und eins für die Hochzeit auszusuchen.

„Was hältst du von dem?“ Sofía hielt ein aufsehenerregendes, rückenfreies saphirblaues Kleid hoch.

„Zu auffallend.“

Sofía hängte das Kleid wieder an den Ständer und nahm das nächste. Ein weißes Chiffongewand.

„Zu jungfräulich.“

Ihre Schwägerin ging die Reihe mit Kleidern durch und zeigte ein elegantes mitternachtsblaues Spitzenkleid.

Stella schüttelte den Kopf. „Auch nicht.“

„Was ist los?“ Nachdenklich sah Alex sie an.

„Entschuldigt, ich weiß, dass ich eine Plage bin, aber es war eine schlimme Woche.“

Sofía legte das Kleid über den Arm. „Du musst es nicht tun. Es ist noch nichts passiert, was nicht rückgängig gemacht werden könnte.“

Ihre Schwägerin sollte es wissen. Sie war eine ehrgeizige Boutiquebesitzerin gewesen, bevor sie sich in Stellas Bruder verliebt hatte und Königin geworden war. Doch der Weg zum Glück war für sie und Nik nicht einfach gewesen.

„Ich tue das Richtige.“

„Für dich oder für dein Land?“

„Beides.“

Es klopfte, und ihr Bruder trat ein, das Jackett überm Arm, die Krawatte gelöst. Neugierig warf er einen Blick auf den Kleiderständer. „Wie läuft’s?“

Alex zog eine Grimasse. „Überhaupt nicht.“

Nik sah Stellas finsteres Gesicht. „Könnt ihr uns einen Moment allein lassen?“, bat er Sofía und Alex, die sichtlich erfreut waren über die Verschnaufpause. „Alles okay mit dir?“, wandte er sich an seine Schwester.

„Es war nie besser.“

„Es war deine Entscheidung, Stella.“

„Das ist es nicht.“ Sie winkte ab. „Ich brauchte eine Herausforderung wie diese. Es ist der Medienrummel, der mir an die Nerven geht. Man könnte meinen, ich hätte eine Lösung für den Hunger auf der Welt gefunden, statt mich zu verloben.“

„Sieh es als Vorteil für Carnelia. Die Menschen sind aufgeregt.“

„Ich weiß.“

„Kostas ist ein guter Mann. Es ist nicht einfach für ihn, mit den Schuldgefühlen fertig zu werden. Lass ihm ein wenig Zeit.“

„Du sprichst ihn von jeder Verantwortung frei?“

„Ich habe entschieden, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Das solltest du auch tun. Aber ich wollte über etwas anderes mit dir sprechen. Darius wird mit dir nach Carnelia gehen. Für immer.“

„Das kann ich nicht von ihm erwarten. Er lebt hier.“

„Er möchte es gern. Seine Loyalität dir gegenüber war immer unstrittig.“

„Weiß Kostas das?“

„Er ist einverstanden. Ich vertraue Kostas bedingungslos – er wird auf dich aufpassen. Doch wenn er mal nicht da ist, dann möchte ich einen zuverlässigen Mann aus Akathinia bei dir wissen.“

„Warum? Meinst du, ich bin in Gefahr?“

„Es ist einfach eine kluge Vorsichtsmaßnahme. Du begibst dich in eine sehr heikle politische Situation.“

Ihr gefiel seine Antwort nicht. Andrerseits hatte sie gewusst, dass sie volles Risiko ging, als sie die Herausforderung annahm.

„Kala.“ In Ordnung.

Niks Blick wurde weich. „Ich finde es sehr mutig von dir, dies zu tun, Stella. Ich bin stolz auf dich. Denk immer daran, dass du nicht allein bist. Niemals. Wir sind immer bei dir.“

Ihr wurde warm ums Herz. Nik war immer ihr Fels in der Brandung gewesen. Leidenschaftlich und voller Idealismus – genau wie sie. Der Gegenpol zu Athamos. Er war zu Athamos ins Internat geschickt worden, als Stella vier war, und sie hatte ihre Brüder nur noch in den Ferien gesehen. Als sie alt genug war, allein zu reisen, hatte sie Nik häufig in New York besucht, in der Hoffnung, eines Tages studieren zu können. Doch ihre Eltern hatten diesen Traum zerstört.

„S’agapao.“ Ich liebe dich. „Das weißt du.“

„Ki ego s’agapao.“ Ich liebe dich auch. Er umarmte sie. „Und jetzt such dir ein Kleid aus. Die Feier ist schon in ein paar Tagen.“

Sofía und Alex kehrten mit Kaffee und Keksen zurück. Stella betrachtete das Tablett. „Nervennahrung.“ Sie lächelte und spürte, wie ihr alter Kampfgeist zurückkehrte.

„Ich denke, ich nehme das saphirblaue Kleid.“

Sie würde glänzen, die Welt aufrütteln. Sie würde ihren Weg gehen und vollenden, was sie sich vorgenommen hatte. Der König hatte keine Ahnung, welcher Sturm ihn erwartete.

Der Orkan in Stella war zu einem stürmischen Tropenwind abgeflaut, als sie die Küste vor dem Palast von Carnelia erreichte. Als Kind war sie oft mit ihrer Familie in dem massiven grauen Steinpalast gewesen. Damals war die Beziehung zwischen Akathinia und Carnelia noch friedlich gewesen, fast freundschaftlich. Der Palast war ein aufregender Ort, dunkel und voller Geheimnisse, der perfekte Platz zum Versteckspielen.

Sie war immer das mutigste unter den Kindern gewesen, war am längsten im Versteck geblieben, ihre Gänsehaut und die klappernden Zähne waren nichts gewesen verglichen mit dem Siegesrausch. Nicht einmal der tapfere Athamos hatte die Dunkelheit gemocht. Doch als sie sich jetzt in der Suite einrichtete, die sie bis zu ihrer Hochzeit mit Kostas bewohnen würde, war sie eher nervös als aufgeregt. Vielleicht weil sie der Gedanke, dies wäre ihr künftiges Zuhause, mit Angst erfüllte. Vielleicht weil sie Nik, Sofía und Alex schrecklich vermissen würde.

Da Kosta am Tag ihrer Ankunft bis spätabends in Meetings war, hatte er ihr ausrichten lassen, dass sie sich am nächsten Morgen sehen würden. Doch erst als Page, ihre Dienerin, dabei war, Stella das Haar für die Feier am Abend zu frisieren, ließ er sich dazu herab zu erscheinen. Der Tag war fast vorbei, und das Warten hatte den Sturm in Stellas Adern wieder aufbrausen lassen.

Als sie der Dienerin ein Zeichen gab, den König hereinzulassen, merkte sie, dass Schmetterlinge in ihrem Bauch aufflatterten. Gekleidet in einen leichten grauen Anzug, dazu ein weißes Hemd, das sein gutes Aussehen noch hervorhob, die dunklen Haare aus dem Gesicht gekämmt, strahlte er so viel Macht und Männlichkeit aus, dass es sie fast umhaute.

Sie hatte geglaubt, ihre Reaktion auf ihn unter Kontrolle zu haben, doch die geräumige Suite schrumpfte auf die Größe eines Schuhkartons zusammen, als er sich neben sie stellte und ihre Blicke sich im Spiegel des Frisiertisches trafen.

Sie befeuchtete sich die Lippen, suchte nach einer klugen Bemerkung, doch ihr fiel keine ein.

Er senkte den Kopf und hauchte einen Kuss auf ihre Wangen. Diese zärtliche Geste traf sie völlig unvorbereitet, und sie zuckte zusammen.

Mit funkelnden Augen richtete Kostas sich auf. „Lassen Sie uns allein“, befahl er der Dienerin, die sich hastig zurückzog

„Du musst lernen, deine … distanzierte Haltung mir gegenüber zu verbergen, wenn andere in der Nähe sind oder wenn heute Abend Fotos gemacht werden, sonst entpuppt sich unsere Hochzeit schnell als Farce.“

Trotzig reckte sie das Kinn. „Das mache ich nicht absichtlich, Kostas. Es passiert einfach.“

Sein Blick verdunkelte sich. „Vielleicht sollten wir es noch einmal tun, uns richtig küssen, üben sozusagen, damit es heute Abend völlig natürlich wirkt.“

„Ich glaube nicht, dass das nötig ist.“

„Warum nicht? Hast du Angst vor deiner Reaktion?“

„Wohl kaum. Aber warum da aufhören? Warum tun wir es nicht gleich richtig? Hier. Im Stehen an der Wand, während Page draußen wartet. Wärst du dann zufrieden? Würde das als Reaktion ausreichen? Dass der ganze Palast begeistert ist, wie du mich auf Kurs hältst?“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Augen funkelten eher amüsiert als verärgert. „Ist das der Plan, Stella? Willst du mich dafür bestrafen, dass ich dich hergelockt habe? Willst du mich provozieren, bis ich den Verstand verliere? Du vergisst, wie gut ich dich kenne. Ich weiß, wie du ausweichst, wenn du gestresst bist und dich in die Ecke gedrängt fühlst, und wie verdammt gut du Sarkasmus als Waffe einsetzt.“

Sie zuckte mit der Schulter. „Man muss mit den Waffen arbeiten, die einem zur Verfügung stehen.“

„Warum sagst du mir nicht einfach, was dich ärgert?“

„Warum sollte ich? Ich habe so viel Spaß an deiner laienhaften Psychologie, dass ich denke, du solltest es mir sagen.“

Er schürzte die Lippen. Sah sie an. „Es waren zwei anstrengende Wochen. Wir standen beide dauernd unter Beobachtung. Die meisten Carnelianer scheinen dich willkommen zu heißen, aber einige haben auch ein Problem mit einer Ausländerin. Heute Abend musst du ihnen beweisen, dass du hierhergehörst. Du wärst kein Mensch, wenn du den Druck nicht spüren würdest.“

„Ich bin Medienrummel gewöhnt. Ich werde damit fertig.“

Er neigte den Kopf. „Trotzdem, ich weiß zu schätzen, wie gut du dich der Lage gewachsen zeigst.“

Da ihr keine schlagfertige Antwort einfiel, beließ sie es dabei. Kostas wandte den Blick ab und ließ ihn durch die aufwendig, wenn auch recht dunkel ausgestattete Suite schweifen. „Hast du dich schon eingewöhnt?“

„Einigermaßen. Ehrlich gesagt hast du recht, Kostas. Es ist, als wäre man im finsteren Mittelalter. Alles wirkt so kalt. Es ist keine Wärme in den Räumen, kein Leben. Warum?“

„Seit dem Tod meiner Mutter ist nichts verändert worden. Mein Vater wollte es nicht. Ich stimme dir aber zu, dass dringend renoviert werden muss. Es ist nicht der Ort, an dem ich unsere Kinder aufwachsen sehen will.“

Da war es wieder. Kinder. Ein Erbe. Sie wünschte, sie könnten das Thema für eine Weile vergessen.

„Wie war es für dich, hier aufzuwachsen?“

„Einsam. Kalt. Manche sagen, dass mein Vater nach ihrem Tod innerlich auch tot war und er deshalb zu dem Diktator wurde, der er war.“

„Er hat sie sehr geliebt.“

„Zu sehr.“

Die Schöne und das Biest. „War er wirklich so, wie er dargestellt wird?“

„Ein Tyrann, meinst du?“ Er verzog den Mund. „Es kommt darauf an, wie man ihn antraf. Er konnte charmant, charismatisch und warmherzig sein, wenn er wollte, und dann wieder war er egoistisch, gefühllos und sadistisch. Ein Chamäleon. Ein notorischer Lügner. Machte sich und anderen etwas vor.“

Sadistisch. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. „Und wie war er zu dir, seinem Sohn?“

„Ich war sein Protegé, seit ich fünf Jahre alt war. Es ging darum, die Rolle des Thronerben zu erlernen, in seine Fußstapfen hineinzuwachsen. Es war nie eine normale Vater-Sohn-Beziehung.“

„Hat er dich gemaßregelt?“

„Du meinst, ob er mich geschlagen hat? Ja, körperliche Züchtigung gehörte mit zu seinen erzieherischen Maßnahmen. Angst und Einschüchterung – nach dem Motto kontrollierte er alle Menschen um sich herum. Manchmal waren es Schläge, manchmal böse Gemeinheiten, die er mir an den Kopf warf. Er war ein Meister in beidem.“

„Bitte sag mir, dass es irgendjemanden in deinem Leben gab, zu dem du gehen konntest. Eine Großmutter, eine Tante.“

„Meine yaya. Die Grußmutter väterlicherseits, Königin Cliantha. Sie starb, als ich zwölf war. Aber zu der Zeit war ich schon im Internat.“

„Was passierte, als du deine eigenen Ideen entwickelt hast? Als offensichtlich wurde, dass sich deine Lebensphilosophie von der deines Vaters unterscheidet?“

„Zuerst habe ich versucht, es für mich zu behalten. Meine Großmutter meinte, es wäre besser so. Aber irgendwann, als ich selbstbewusster wurde und von außen die Bestätigung für meine Ideen bekam, kam es raus. Ich wurde als Bedrohung betrachtet. Als Konkurrent. Jeder, der die Praktiken meines Vaters infrage stellte, wurde auf geeignete Weise ‚entsorgt‘. Die größte Bedrohung aber war ich – der Thronfolger, der etwas anderes für sein Land wollte. Ich war nicht so leicht in Schach zu halten.“

„Wie konntet ihr so nebeneinander bestehen?“

„Es war nicht einfach. Ich habe meinem Vater klargemacht, dass ich den richtigen Augenblick abwarten würde. In der Zwischenzeit nahm ich die offiziellen Verpflichtungen wahr, die er nicht schaffte, habe der Welt ein zivilisiertes Verhalten gezeigt und versucht, die internen Angelegenheiten des Lands am Laufen zu halten, während er davon besessen war, Akathinia zu übernehmen. Aber mit Beginn der Demenz wurde sein Verhalten immer unberechenbarer, und für mich wurde es schwieriger, mich zurückzuhalten und nichts zu tun.“

„Die Situation eskalierte, bevor du gegangen bist.“

„Ja. Es gab diejenigen, die meinen Vater ersetzen wollten, die, die mich und meine demokratischen Ideen unterstützten, und jene, die gegen jede Dezentralisierung von Macht kämpften, die ihnen ihre eigene nehmen würde. Es war ein … gefährlicher Zustand.“

Das unbehagliche Gefühl in ihrem Bauch wurde intensiver. Sie sah Kostas an. „Bist du deshalb in jener Nacht mit Athamos das Rennen gefahren? Weil du frustriert warst? Weil du nicht richtig bei Verstand warst?“