Julia Weihnachtsband Band 33 - Susan Meier - E-Book
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Julia Weihnachtsband Band 33 E-Book

Susan Meier

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Beschreibung

SILBERGLÖCKCHEN UND LAMETTAGLANZ von Susan Meier
Tannenduft und Lamettafunkeln - nichts für Weihnachtshasser Rory! Doch als er während eines Schneesturms bei seiner Geschäftspartnerin Shannon strandet, muss er helfen, ihr Haus festlich zu schmücken. Im sexy Mrs. Santa-Kostüm ist sie so verführerisch, dass er sie gegen jede Vernunft begehrt …

MEIN SCHÖNSTES GESCHENK BIST DU! von ALISON ROBERTS
Leuchtende Kinderaugen an Weihnachten? Die Hoffnung auf eine Familie hat Ärztin Emma aufgegeben. Da trifft sie beim Notdienst über die Feiertage Playboy Max wieder. Sofort prickelt es wie damals, als er sie unterm Mistelzweig küsste. Macht ausgerechnet er Emma das schönste Geschenk?

WEIHNACHTSZAUBER AUF BLAKELEY CASTLE von JESSICA GILMORE
Nur aus einem Grund lockt Finn seine Jugendfreundin Lola in der romantischen Adventszeit nach Blakeley Castle: Bis Heiligabend will er endgültig mit ihr und der Vergangenheit abschließen! Aber bei zärtlichen Umarmungen vor dem Kamin träumt er stattdessen von einer Zukunft mit Lola …

FEST DER LIEBE FÜR UNS ZWEI von LOUISA GEORGE
Beth‘ Herz klopft verräterisch, als ihr Ex-Verlobter Alex überraschend bei ihr auftaucht. Nie hat sie vergessen, dass er ihr einst am Fest der Liebe das Herz brach. Als er ihr gesteht, warum er vor all den Jahren gehen musste, stellt das ihre Welt auf den Kopf …

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Susan Meier, Alison Roberts, Jessica Gilmore, Louisa George

JULIA WEIHNACHTEN BAND 33

IMPRESSUM

JULIA WEIHNACHTEN erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA WEIHNACHTENBand 33 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2011 by Linda Susan Meier Originaltitel: „Kisses on Her Christmas List“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Beatrice Norden

© 2019 by Alison Roberts Originaltitel: „Single Dad in Her Stocking“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Elisabeth Hartmann

© 2019 by Jessica Gilmore Originaltitel: „Reawakened by His Christmas Kiss“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rita Koppers

© 2019 by Louisa George Originaltitel: „A Puppy and a Christmas Proposal“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sonja Frenzel

Abbildungen: Harlequin Books S. A., Getty Images / RomoloTavani, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733715069

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

SUSAN MEIER

Silberglöckchen und Lamettaglanz

Hätte Shannon bloß nicht Rory gebeten, den Mistelzweig aufzuhängen! Seitdem träumt sie von sinnlichen Küssen zu Weihnachten. Doch als ihr neuer Geschäftspartner ist Rory absolut tabu!

ALISON ROBERTS

Mein schönstes Geschenk bist du!

Ausgerechnet über die Feiertage muss der überzeugte Junggeselle Max sich um die Kinder seines Bruders kümmern. Zum Glück trifft er Ärztin Emma, die alle mit ihrem Liebreiz bezaubert – auch ihn!

JESSICA GILMORE

Weihnachtszauber auf Blakeley Castle

Lola will ihre Vergangenheit für immer vergessen. Vergebens! Als ihr Ex Finn sie in der Adventszeit an den Ort ihrer Kindheit lockt, ist sie erst schockiert – dann schmilzt das Eis um ihr Herz …

LOUISA GEORGE

Fest der Liebe für uns zwei

Reumütig fragt Alex sich: Wird seine große Liebe Beth ihm je verzeihen, dass er sie einst an Heiligabend verlassen musste? Als sie seinen Kuss erwidert, leuchtet Hoffnung auf wie ein Stern am Firmament …

Silberglöckchen und Lamettaglanz

1. KAPITEL

Shannon Raleigh drehte sich vor dem bodentiefen Spiegel ihres Büro-Badezimmers und starrte entsetzt ihr Spiegelbild an. Die schwarzen Stiefel waren viel zu lang und das rote Samtkleid viel zu kurz. Dazwischen waren ihre wohlgeformten Beine unverhüllt zu sehen. „So kann ich mich nicht vor Kindern sehen lassen!“

Selbst durch die geschlossene Tür konnte sie ihre Assistentin Wendy seufzen hören. „Warum lässt du mich das nicht beurteilen?“

„Weil du sagen wirst, dass ich gut aussehe, auch wenn es nicht stimmt. Ich kann Kinder nicht in einem Rock zum Weihnachtsmann begleiten, der so kurz ist, dass ich mich nicht bücken kann.“

„Dann bück dich einfach nicht!“ Noch ein Seufzer. „Schau, Shannon, du bist nun mal einen Kopf größer als Carlie, aber außer dir ist niemand auch nur im Entferntesten schlank genug für dieses Kostüm. Carlies Auto steckt in einer Schneewehe auf dem Highway fest. Wenn du nicht Santas Helferin spielst, werden die Kinder …“

Das Klingeln des Telefons stoppte Wendy in der Mitte des Satzes. Das Nächste, was Shannon hörte, war Wendys fröhliche Stimme: „Raleigh’s Department Store. Shannon Raleighs Assistentin Wendy am Apparat.“

Während Wendy offensichtlich dem Anrufer zuhörte, warf Shannon einen weiteren kritischen Blick auf ihr Spiegelbild. Eigentlich war das kleine rote Kleidchen irgendwie süß. Die Farbe passte zu ihrem schwarzen Haar und brachte das Blau ihrer Augen zur Geltung. Unter anderen Bedingungen hätte sie sich tatsächlich hübsch gefunden.

Ein fast schon vergessener Schmerz erfüllte sie. Es war wirklich so: Zum ersten Mal seit fast einem Jahr fühlte sie sich attraktiv und sexy. Aber sexy war nicht die Art, in der sich eine erwachsene Frau in einem Raum voller Kinder kleiden sollte.

Der Schmerz über den Verlust einer unbeschwerten Vergangenheit wich rasch der Angst vor den kommenden Stunden. Es lag nicht allein an diesem roten Minikleid. Vor allem trieb sie der Gedanke um, wie sie vier Stunden in einem Raum voller liebenswerter Kinder verbringen sollte. Ausgerechnet sie.

Shannon wünschte sich schmerzlich ein Baby, aber sie würde nie ein eigenes Kind haben können. Wie sollte sie es da ertragen, all diese süßen Gesichter zu sehen und ihren Wünschen an den Weihnachtsmann zu lauschen?

„Ähm, Shannon?“

„In diesem Aufzug komme ich nicht raus.“

„Auch gut! Das war eben Tammy aus der Schuhabteilung. In der letzten Stunde hat kein Mensch mehr den Laden betreten, und der Schneesturm ist noch heftiger geworden. Die Wettervorhersage rechnet mit einem weiteren halben Meter.“

„Noch mehr Schnee?“ Shannon rannte aus dem kleinen Bad neben ihrem Chefbüro und zog die Gardine zurück. Dicke, flauschige Schneeflocken fielen vom Himmel und bedeckten das Lametta und die silbernen Glocken an den Straßenlaternen der Main Street in Green Hill, Pennsylvania. Auf dem Dach des Pavillons im Park thronte der Schnee wie ein großer weißer Hut. „Heiliger Strohsack!“, entfuhr es ihr.

Nach einem Blick auf Shannons Kostüm prustete auch Wendy heraus: „Heiliger Strohsack!“

„Mach keine Witze! Wir haben ein ernsthaftes Problem.“ Shannon wandte sich vom Fenster ab. „Wir müssen wohl einsehen, dass der Schneesturm die Kundschaft abhält.“

„Und die meisten Mitarbeiter haben Angst, auf den verschneiten Straßen nach Hause zu fahren. Je länger wir warten, desto schlimmer wird es.“

„Okay. Mach eine Durchsage, dass das Geschäft in fünfzehn Minuten schließt, und sag bitte allen, dass sie anschließend nach Hause gehen können. Ich rufe die Radiosender an, damit die unsere Schließung im Verkehrsfunk bringen. Danach mache ich den Laden für heute zu.“

Während die Ansage über den Lautsprecher ertönte, rief Shannon alle lokalen Radiosender an, um mitzuteilen, dass Raleigh’s wegen des Schneesturms schließen würde. Gerade als sie das erledigt hatte, kehrte Wendy zurück.

„Okay. Fünfzehn Minuten sind um. Der Laden ist leer.“

„Großartig. Sei vorsichtig, wenn du nach Hause fährst!“

„Mein Freund kommt mich mit seinem Geländewagen abholen. Es wird schon klappen.“

Shannon lächelte. „Wir sehen uns morgen.“

„Wenn wir durchkommen.“

„Das wollen wir hoffen! Das Wochenende vor Weihnachten ist unsere umsatzstärkste Zeit.“

Wendy zuckte mit den Schultern. „Wenn die Käufer es morgen nicht schaffen, kommen sie einfach am Montag oder Dienstag. Niemand wird Weihnachten ohne Geschenke auskommen. Ich würde sagen, deine Gewinne sind sicher.“ Lachend machte sie sich auf den Weg.

Shannon aktivierte mit wenigen Klicks auf ihrer Tastatur die Alarmanlage. Angesichts ihres unmöglichen Kostüms sollte sie sich eigentlich umziehen, aber aus Sorge, die Straßen könnten mit jeder Minute schlechter befahrbar werden, zog sie einfach ihren langen Wintermantel über und verließ ihr Büro.

Am Ende des Flurs betrat sie den Aufzug, der sie von der Chefetage durch die verschiedenen Abteilungen des Kaufhauses hinab bis zur Süßwarenabteilung im Erdgeschoss brachte. Dort verließ sie das Gebäude durch die Hintertür.

Mit eingeschaltetem Allradantrieb lenkte sie ihren SUV vorsichtig die kurvenreiche Straße entlang, die zu ihrem Haus fünf Meilen außerhalb der Stadt führte.

In ihrer Einfahrt lag der Schnee fast einen halben Meter hoch. Der Anblick ließ sie erschauern. Es war zwar schon ein Jahr her, aber es fühlte sich an, als sei sie erst gestern im sonnigen Charleston in South Carolina glücklich verheiratet gewesen, wo die Menschen nicht oft Schnee sahen und keine Wintermäntel und Stiefel brauchten.

Dann plötzlich war ihre Welt auf den Kopf gestellt worden. Bei einer Routineuntersuchung hatte sich herausgestellt, dass sie an einer besonders schweren Form von Endometriose erkrankt war. Eine Entfernung ihrer Gebärmutter war unausweichlich gewesen. Für ihre abgrundtiefe Verzweiflung hatte ihr Mann kein Verständnis gehabt und sich augenblicklich von ihr getrennt. Shannon war in die tröstenden Arme ihrer Eltern nach Pennsylvania geflüchtet. Aber gerade, als sie sich daran gewöhnt hatte, wieder im Norden zu leben, hatten ihre Eltern ihr die Geschäftsführung für das familieneigene Kaufhaus überlassen und waren nach Florida gezogen. Nun wollten sie das Geschäft sogar verkaufen, um mit dem Erlös ihren Ruhestand zu finanzieren. Wieder einmal war sie allein … und bald würde sie auch noch arbeitslos sein.

Mühsam stapfte sie die Stufen zur Eingangstür hinauf und schimpfte wegen ihrer trüben Gedanken mit sich selbst. Sie wusste, was mit ihr los war. Die Vorstellung, vier Stunden lang Kinder zum Thron des Weihnachtsmanns zu führen und ihre kleinen Stimmen beim Vortragen ihrer Wunschlisten zu hören, hatte sie aus der Bahn geworfen. Es war eine bittersüße Erinnerung daran, dass sie nie selbst ein Kind zur Welt bringen würde.

Im Haus angekommen, war sie gerade dabei, sich den Schal vom Hals zu wickeln, als es klingelte. Erstaunt wich sie auf dem Flur den Kisten mit Weihnachtsschmuck aus, die sie am Vorabend vom Dachboden geholt hatte, schaltete das Außenlicht an und öffnete die Tür.

Ein schneebedeckter Polizist nahm seine Mütze ab. „Guten Abend, Madam. Ich bin Officer Potter.“

Sie blinzelte. Was konnte die Polizei von ihr wollen? „Guten Abend“, erwiderte sie zögernd seinen Gruß.

Als Officer Potter ein wenig zur Seite trat, entdeckte sie Rory Wallace. Seine schwarzen Haare und sein Mantel waren ebenso schneebedeckt wie der Polizist neben ihm.

„Rory?“

„Guten Abend, Shannon.“

Der Polizist wandte sich halb um. „Ich sehe, Sie kennen Mr. Wallace.“

„Ja, in der Tat.“ Wie hätte sie diesen dunkelhaarigen, dunkeläugigen Adonis vergessen können, der jetzt vor ihr stand? Während des ersten Semesters an der Universität war er mit ihrer Mitbewohnerin Natalie befreundet gewesen. Im Geheimen war aber auch Shannon in ihn verknallt gewesen. Wie auch nicht? Seine hohen Wangenknochen, das kräftige Kinn, seine sportliche, eins fünfundachtzig große Gestalt mit breiten Schultern und flachen Bauchmuskeln hatte Frauen von jeher reihenweise schwach werden lassen.

„Mr. Wallace ist auf der Autobahn gestrandet. Die Hotels sind bereits überfüllt, und seine einzigen Optionen sind jetzt ein Kinderbett in der Turnhalle der High School oder jemand, der ihn privat aufnimmt. Er hat mir gesagt, er sei in Pennsylvania, weil er am Montag geschäftlich mit Ihnen verabredet sei, und …“

„Ich bin ein paar Tage früher angereist, um mir das Geschäft selbst anzusehen“, unterbrach Rory und trat vor. „Aber ich bin in den Sturm geraten. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich über Nacht bleibe. Normalerweise würde ich nicht um einen so großen Gefallen bitten, aber wie du siehst, bin ich verzweifelt.“

Etwas ausmachen? Fast hätte Shannon laut aufgelacht. Die Hälfte aller Frauen, die ihm begegneten, würde davon träumen, mit ihm in einem Schneesturm stecken zu bleiben. Sie öffnete die Tür etwas weiter. Der Himmel musste ihn geschickt haben, um sie aus der Flaute ihres Lebens zu befreien. Ihre Fantasie machte eigenwillige Sprünge: kalte Nacht, toller Typ, flackernder Kamin und süffiger Wein. Sie hatte reichlich Wein im Keller.

„Daddy, mir ist kalt.“

Shannons Fantasie kam abrupt zum Stillstand, als sie nach unten blickte und ein kleines Mädchen in einer rosa Skijacke und mit einem passenden rosa Rucksack neben Rory entdeckte. Kleine blonde Strähnen schauten unter ihrer Kapuze hervor. Shannon stockte der Atem. Fand es das Schicksal lustig, sie vor der Rolle als Weihnachtsmannhelferin zu verschonen, um ihr jetzt ein bezauberndes Kind vor die Tür zu stellen?

Rory sah sie an. „Verstehst du, warum ich nicht in einem öffentlichen Schutzraum bleiben möchte?“

Shannon sank das Herz. Jede Minute mit diesem süßen Mädchen würde ihre Sehnsucht nach einem eigenen Kind schmerzhaft verstärken. Aber sie brachte es auch nicht fertig, Rory und seine Tochter in der Kälte stehen zu lassen oder in eine überfüllte Turnhalle mit Hunderten anderen Gestrandeten zu schicken.

„Ja, ja, natürlich.“ Sie trat zurück, damit sie eintreten konnten.

Rory trug einen kleinen Koffer und eine Aktentasche bei sich. Als er an Shannon vorbei in den Flur trat, stießen sie versehentlich aneinander. Die unerwartete Berührung löste einen Feuersturm der Gefühle in ihr aus. Sie versuchte, die unwillkommenen Empfindungen zu ignorieren. Ein Mann mit Kind war höchstwahrscheinlich verheiratet, und seit ihrer Scheidung war es ihr nicht mehr gelungen, sich Männer anders als angestellte Mitarbeiter vorzustellen. Nach der verletzenden Art, in der ihr Ex sie nach fünfjähriger Ehe verlassen hatte, lähmte sie die Angst, auch andere Männer könnten sie zurückweisen.

Außerdem sollte sie am Montag Geschäfte mit Rory machen. Seine Familie besaß eine Holdinggesellschaft für verschiedene Arten von Unternehmen, und Raleigh’s würde wahrscheinlich zu ihrer Sammlung passen. Es sollte ein schneller, schmerzloser Verkauf sein. Den wollte sie nicht gefährden. Aber die Vorstellung, mit ihm im Schneesturm gestrandet zu sein, hatte Spaß gemacht. Für einen kurzen Moment.

Als Rory seinen Koffer abstellte, sagte sie nur: „Was für ein schrecklicher Sturm.“

„Der schlimmste seit zehn Jahren“, stimmte der Trooper zu. „Ist alles geklärt? Ich muss wieder auf die Straße.“

„Wir werden schon klarkommen“, versicherte Shannon und begann, die Tür zu schließen. Nachträglich fügte sie hinzu: „Danke.“

„Ja, vielen Dank“, rief Rory Wallace ihm nach.

Der Trooper winkte zum Abschied und stapfte durch den dichten Schnee zu seinem Auto.

Peinliche Stille trat ein, während Rory Wallace seine Umgebung musterte. Es war ihm schon unangenehm, ausgerechnet bei einer potenziellen Geschäftspartnerin um Schutz zu bitten. Nun musste er auch noch erkennen, dass sie sich anscheinend mitten im Umzug befand. Kartons in allen Größen blockierten die Hälfte des Flurs und erstreckten sich bis ins Wohnzimmer auf der rechten und das Esszimmer auf der linken Seite. „Danke. Ich weiß das wirklich zu schätzen“, sagte er verlegen.

Shannon lächelte gnädig. „Gern geschehen.“ Dann trat sie an den Thermostaten an der Wand. „Einen Moment, ich muss die Anlage höher stellen.“ Die Heizung war nur auf niedriger Stufe gelaufen, während sie bei der Arbeit gewesen war. „Ihr solltet vielleicht eure Mäntel anbehalten, bis es hier wärmer geworden ist.“

Rory öffnete seinen Mantel. „Nach der Kälte da draußen kommt es mir in deinem Haus mollig warm vor.“ Er beugte sich vor, um seiner Tochter aus der Jacke zu helfen. Dabei wurde ihm klar, dass er sie noch nicht vorgestellt hatte. „Das ist Finley, meine Tochter.“

Shannon hockte sich neben die Kleine. „Es ist schön, dich kennenzulernen, Finley.“

Finley murmelte: „Auch schön, dich kennenzulernen.“ Dann sah sie zu ihrem Vater auf, als wolle sie sicherstellen, dass er ihre höfliche Erwiderung bemerkt hatte. Er half ihren Armen aus der Jacke und nickte ihr zustimmend zu. In letzter Zeit war Finley etwas schwierig gewesen und hatte sich zuweilen wie eine sechsjährige Diva aufgeführt. Er war froh, dass sie sich jetzt brav verhielt. Nicht auszudenken, wenn sie ihre Retterin beleidigt hätte.

„Ihr kommt mir gerade recht“, verkündete Shannon und hängte Finleys Jacke in den Schrank hinter sich. „Meine Eltern werden nächsten Samstag aus Florida zurückkehren, und ich habe versprochen, das Haus für das Weihnachtsfest zu dekorieren.“ Dabei deutete sie auf die herumstehenden Kartons. „Ihr könnt mir dabei helfen.“

Finley verzog angewidert das Gesicht. Ehe Rory sie bremsen konnte, sprudelte es aus ihr heraus: „Ich hasse Weihnachten!“

Shannon zuckte zurück, als habe sie jemand geschlagen. Ihre blauen Augen weiteten sich ungläubig. „Du hasst Weihnachten? Wie kann man Weihnachten hassen?“

„Wie kannst du glauben, dass ein Fettsack im roten Anzug dir Geschenke bringt?“

Verärgert schoss Rory seiner Tochter einen warnenden Blick zu. Er wollte sie nicht vor Shannon anschreien, aber sie musste sich an ein paar Verhaltensregeln halten, wenn sie sich bei jemandem einquartierten, den sie kaum kannten.

Beschämt sah er Shannon an. „Vielleicht zeigst du mir am besten, wo wir schlafen sollen.“

Shannon zuckte zusammen. „Eigentlich gibt es nur ein Schlafzimmer.“

„Oh!“

„Kein Problem! Wir geben Finley das Bett, und wir beide nehmen Schlafsäcke. Du kannst deinen auf den Boden neben dem Bett ausrollen, und ich schlafe auf dem Sofa.“

Rory wand sich verlegen. „Auf keinen Fall verzichtest du auf dein Zimmer! Finley und ich haben nichts dagegen, im Wohnzimmer zu schlafen.“

Seine Tochter stampfte trotzig mit dem Fuß. „Ich will aber nicht auf dem Boden schlafen!“

Er sah Finley erneut mahnend an. „Das musst du auch nicht. Du kannst das Sofa haben.“

„Ich will ein Bett!“

Rory dröhnte der Kopf. Er verstand, dass diese Jahreszeit für Finley nicht einfach war. Am Weihnachtstag vor zwei Jahren war ihre Mutter auf und davon gegangen, und in der Weihnachtszeit kam die schmerzliche Erinnerung wieder hoch. Aber ihr ungehöriges Benehmen konnte er ihr nicht durchgehen lassen.

Er wandte sich zu Shannon. „Würdest du uns bitte das Schlafzimmer zeigen, damit ich in Ruhe mit Finley sprechen kann?“

Das kleine Schlafzimmer im ersten Stock war so ordentlich und sauber wie der Rest des Hauses … abgesehen von den überall herumstehenden Kartons. Eine geraffte Überdecke lag auf einem einfachen Doppelbett. Rote Kissen auf dem Bett passten zum roten Teppich darunter und zu den Vorhängen an den Doppelfenstern. „Wow!“, entfuhr es Rory.

„Wow?“ Sie lächelte ihn fragend an. Ihr glänzend schwarzes Haar umspielte ihr Gesicht mit langen federnden Locken. In den Jahren seit der Universität war aus ihr eine weichere, schönere Version des jungen Mädchens geworden, an das er sich erinnerte.

„Ich bin nur ein wenig überrascht von deinem Zimmer.“

„Wirklich? Warum?“

„Das viele Rot.“ Er fühlte, wie sich die gleiche Farbe auf seinen Wangen ausbreitete. Das Zimmer wirkte mädchenhaft und zugleich sexy. Doch das konnte er unmöglich der Frau sagen, die ihm und seiner Tochter Unterschlupf gewährte. Schon gar nicht nach Finleys Trotzanfall.

„Kommt einfach herunter, wenn ihr bereit seid.“ Sie lächelte. „Ich fange an, das Abendessen vorzubereiten. Ich hoffe, ihr mögt getoastete Käsesandwiches und Suppe. Ich bin keine gute Köchin.“

„An einem so kalten Tag wie diesem klingt Suppe fantastisch.“

Shannon schloss die Tür hinter sich, und Rory hockte sich vor seiner Tochter nieder. Er strich ihr mit der Hand über das glänzend blonde Haar und sagte: „Du bist unmöglich.“

Finley blinzelte unschuldig. „Wieso?“

„Ms. Raleigh tut uns einen Gefallen, indem sie uns bleiben lässt. Wir sollten höflich zu ihr sein.“

„Ich war doch höflich.“

„Wie ein ungezogenes Kind mit dem Fuß aufzustampfen, ist unhöflich.“

Ihre Unterlippe begann zu zittern. „Tut mir leid.“ Sie sah ihn treuherzig von unten an. So machte sie es immer, sobald er sie kritisierte oder gar mit ihr schimpfte. Das machte es ihm schwer, ihr böse zu sein.

Rory richtete sich auf. „Du bleibst ein paar Minuten hier, während ich mich um unsere Gastgeberin kümmere.“ Und mich für dich entschuldige und Schadensbegrenzung betreibe.

„Während ich weg bin, kannst du darüber nachdenken, wie sich ein kleines Mädchen benehmen sollte, das bei uns zu Gast ist. Wenn du ihretwegen auf dein Bett verzichten würdest, würdest du sicher wollen, dass sie nett zu dir ist.“

Finley nickte eifrig. „Okay. Ich verstehe.“

Damit gab Rory sich einstweilen zufrieden. Er ließ Finley im Schlafzimmer zurück und ging hinunter in die Küche. Das Haus war klein, aber komfortabel, die Möbel neu und teuer. Es schien, als sei Raleigh’s Department Store gut im Geschäft. Vielleicht sollte sich die lange Autofahrt bei eisiger Kälte doch auszahlen.

Er fand Shannon in der Küche. Sie trug noch immer ihren Mantel und nahm gerade Brot aus einer Schublade und Käse aus dem Kühlschrank. „Nochmals danke, dass du uns aufgenommen hast.“

„Kein Problem.“ Sie stellte Brot und Käse auf den Küchentisch. Dann griff sie nach dem obersten Knopf ihres Mantels. „Die Heizung ist endlich angesprungen“, stellte sie lachend fest. Nachdem sie die ersten drei Knöpfe geöffnet hatte, hielt sie inne. „Ich denke, ich hänge ihn gleich in den Flurschrank.“

Gerade als er fragte: „Was kann ich tun, um beim Abendessen zu helfen?“, glitt ihr der Mantel von den Schultern und enthüllte ein leuchtend rotes Kleid. Bei genauerem Hinsehen entdeckte er, dass es nicht wirklich ein Kleid war, sondern ein kleines rotes Ding aus Samt, dessen tief eingeschnittenes Mieder ein verführerisches Dekolleté offenbarte. Schwarze Stiefel betonten ihre langen Beine. Sie sah aus wie Mrs. Santa … sofern Mrs. Santa eine wohlgeformte junge Frau war, die kurze Röcke mochte.

Seine schlafenden Hormone erwachten wie aus einem langen Winterschlaf, und er trat einen Schritt zurück. Dies war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt für Fantasien.

Er hatte eine aufsässige Tochter, die Vorrang vor allem in seinem Leben hatte, einschließlich seiner Hormone, und er war Gast in Shannons Haus. Wenn morgen der Schneesturm vorüber war, würden sie sich als Verhandlungspartner gegenüber sitzen. Sie würde versuchen, ihr Familienunternehmen möglichst teuer an ihn zu verkaufen, und er würde sich nach Kräften bemühen, den Preis zu drücken. Er durfte sich nicht von ihr angezogen fühlen.

Rory schluckte alle koketten Bemerkungen hinunter, die ihm auf der Zunge lagen. „Das ist eine interessante Arbeitskleidung“, brachte er schließlich hervor.

Sie lachte nervös. „Ich wollte für die Helferin unseres Weihnachtsmanns in der Spielzeugabteilung einspringen.“

„Aha. Also nicht Mrs. Santa persönlich, sondern seine Assistentin. Nun, das Kleid ist sehr …“ Er hielt inne. Er nahm an, dass das Kleid weihnachtlich und niedlich wirken sollte, und bei einer kleineren Frau wäre es das wahrscheinlich auch. Sie aber war groß und schlank und dabei ausgeprägt weiblich. Er wagte allerdings nicht, ihr das zu sagen. „… festlich“, rettete er sich.

Shannon versuchte verlegen, sich hinter ihrem Mantel zu verbergen. „Das ist der beabsichtigte Eindruck, festlich und glücklich. Bei dem für den Auftritt vorgesehenen Mädchen funktioniert es tatsächlich. Ihr passt das Kostüm. Mich hat glücklicherweise Mutter Natur mit ihrem Schneesturm davor gerettet, einspringen zu müssen …“

Rory spürte ihre Nervosität und löste seinen Blick von ihren ansehnlichen langen Beinen. „Ich… ähm…“, räusperte er sich, „wollte nur sehen, ob ich dir bei etwas helfen kann.“

Sie deutete auf seinen schwarzen Anzug und sein weißes Hemd. „Bist du sicher, dass du Tomatensuppe rühren willst?“

Er zog seine Jacke aus, löste seine Krawatte und krempelte die Ärmel hoch. Shannons Nervosität wuchs. Verdammt! Sie hatte doch beschlossen, sich keiner Fantasterei hinzugeben. Sicher, seine Schultern waren breit, seine Arme muskulös, und sie hatte schon immer eine Schwäche für tatkräftige Männer gehabt, aber soviel sie wusste, war er verheiratet. Außerdem sollte er das Kaufhaus ihrer Eltern kaufen. Das schloss Bettgeschichten definitiv aus.

Sie hängte ihren Mantel auf und eilte dann an ihm vorbei durch die Küche geradewegs in die Waschküche. Dort lehnte sie sich an die geschlossene Tür und holte tief Luft. Gott, er war hinreißend! Aber er war auch verheiratet. Verheiratet, verheiratet, verheiratet! Während sie eine Jogginghose und ein T-Shirt aus dem Trockner zog, zwang sie sich diese Litanei in den Kopf und hoffte, dass sie hängenbliebe.

Als sie in die Küche zurückkehrte, fand sie Rory mit dem Kochlöffel im Suppentopf vor. „Solange wir einen Moment unter uns sind, möchte ich mich auch für Finley entschuldigen. Ich habe sie mitgebracht, weil sie während der Weihnachtsferien nicht in der Schule ist und ich sie nicht so lange bei ihrer Nanny lassen will. Aber ich weiß, dass sie eine ziemliche Kratzbürste sein kann.“

Shannon trat zu ihm. „Sie ist ja noch ein kleines Mädchen“, besänftigte sie.

„Stimmt, aber seit Kurzem stampft sie trotzig mit dem Fuß auf, wenn sie ihren Willen nicht bekommt.“

Sie stand so nah bei ihm, dass sie sein Aftershave riechen konnte. Ihr Atem wurde ungleichmäßig. Deshalb versuchte sie ihre Erregung mit einem Lachen zu kaschieren. „Eine neue Phase also?“

„Im Kindergarten war alles in Ordnung, aber die erste Klasse hat sie in eine launische Diva verwandelt.“

„Eine Diva?“ Er erwiderte ihren fragenden Blick mit einem Lächeln, das jeden Nerv in ihrem Körper zum Zittern brachte.

Vorsichtshalber wandte sie sich von ihm ab und wiederholte die Litanei in ihrem Kopf: verheiratet, verheiratet, verheiratet!

„Ich komme in der Küche gut allein zurecht“, versuchte sie abzulenken. „Du willst inzwischen vielleicht deine Frau anrufen?“

Er lachte auf. „Nicht wirklich.“

„Ich bin sicher, sie macht sich Sorgen.“

„Und ich bin sicher, dass sie und ihr neuer Mann im Moment nicht einmal an Finley und mich denken.“

„Oh!“ Shannon sah ihn mit großen Augen an. Er war geschieden? Nicht verheiratet? Sie versuchte, an den bevorstehenden Geschäftstermin zu denken, aber es wollte nicht gelingen. Die Luft zwischen ihnen schien wie elektrisch geladen zu knistern. Angelegentlich tat sie so, als brauche sie ihre ganze Konzentration, um zwei Suppendosen zu öffnen.

So schwierig Finley auch sein mochte, Shannon war froh, dass das Mädchen bei ihm war. Der Verkauf des Geschäftes hatte absoluten Vorrang vor dem Wunschtraum einer Nacht voller … sie schluckte … Leidenschaft.

Gütiger Gott, an so etwas hatte sie seit einem Jahr nicht einmal mehr gedacht. Sie würde wahrscheinlich schamrot anlaufen, wenn er einen Annäherungsversuch machte.

Gerade als Shannon den Suppentopf und die Brotschale auf den Tisch stellte, kam Finley die Treppe herab. Sie setzte sich auf einen Stuhl und breitete ihre Papierserviette auf ihrem Schoß aus.

Ein Hauch von Wehmut streifte Shannon bei der Erinnerung an ihre Träume, hübsche Kleider für ihr eigenes kleines Mädchen zu kaufen, mit ihr in den Park zu gehen, sie zum Ballettunterricht zu fahren …

Hastig unterbrach sie ihre Gedanken und vertrieb die Traurigkeit, die sie zu überkommen drohte. Noch hatte sie den Gedanken, eines Tages Mutter zu sein, nicht aufgegeben. Sie wusste, dass sie ein Kind adoptieren konnte, sobald sie sich endgültig damit abgefunden hatte, kein eigenes bekommen zu können. Also war dies vielleicht ein guter Zeitpunkt, sich an die Anwesenheit eines kleinen Mädchens zu gewöhnen.

Finley seufzte auf. „Ich mag keine rote Suppe.“

Nachsichtig erklärte Rory: „Das ist okay. Iss einfach ein Sandwich!“

Finley stöhnte missmutig, als sei es reine Folter, dem Wort ihres Vaters folgen zu müssen. In weiser Zurückhaltung ignorierte Rory ihr Verhalten. Shannon musterte sie neugierig. Vielleicht konnte sie durch diese kleine Diva an ihrem Tisch heute Abend einen Eindruck bekommen, was es hieß, Mutter zu sein? Ob sie selbst das Zeug dazu hatte, ein Kind zu adoptieren und großzuziehen?

Rory unterbrach ihre Gedanken. „Dies ist wirklich ein schönes altes Haus.“

Als Shannon sich zu ihm umwandte, trafen sich ihre Blicke. Er hatte die dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte. Sie gab sich einen Ruck. Es war sinnlos, darauf zu reagieren. Er würde nicht in Gegenwart seiner Tochter mit ihr flirten, und sie durfte es nicht, weil sie im Begriff war, ein Geschäft mit ihm zu machen.

Sie räusperte sich. „Die renovierten Teile sind in Ordnung, aber die gesamte Heizungsanlage muss erneuert werden.“ Dabei sah sie ihn an, und alles, was Rory hatte sagen wollen, verflog aus seinem Kopf. Ihre großen blauen Augen erinnerten ihn an einen Sommerhimmel, und seine Hände verlangten danach, die schwarzen Locken zu berühren, die ihr Gesicht umspielten.

Quengelnd meldete sich Finley erneut: „Ich will diese Suppe nicht!“

Ihr Vater sah sie streng an. „Wir haben bereits vereinbart, dass du sie nicht essen musst.“

„Ich will auch nicht, dass sie vor mir steht!“

Bevor Rory reagieren konnte, erhob sich Shannon mit einem Lächeln. „Dann stelle ich sie auf die Anrichte.“ Sie griff über den Tisch und stellte den Topf beiseite. Dann setzte sie sich, als wäre nichts passiert. Mit ihrer ruhigen Reaktion hatte sie die aufkommende Spannung entschärft.

Natürlich wusste Rory, dass das seine Aufgabe gewesen wäre, aber nach zehn anstrengenden Stunden auf der Straße war er genauso müde und gereizt wie seine Tochter.

„Ich will auch das Sandwich nicht.“ Finley ließ nicht locker.

„Finley … !“

„Ich bin müde!“

Wieder rettete Shannon die Situation. „Ich habe genau das Richtige gegen Müdigkeit. Wie wäre es mit einem Schaumbad?“

Finleys Miene hellte sich sofort auf. „Wirklich?“

„Ich habe verschiedene Sorten Badeschaum. Gehen wir gleich, ein Bad für dich bereitmachen?“

Finley sprang fast von ihrem Stuhl. „Oh ja!“

Die beiden verschwanden, und Rory strich sich seufzend mit der Hand über das Gesicht. Er wusste nicht, was ihn zuerst verrückt machen würde, seine Tochter oder seine Hormone.

2. KAPITEL

Mit einer vergnügten Finley im Schlepptau machte sich Shannon auf den Weg zum Badezimmer. Sie war froh, dem armen, erschöpften Rory mit seiner Tochter helfen zu können. Außerdem wollte sie die unverhoffte Chance nutzen, mit Finley zu erfahren, ob sie dem Umgang mit Kindern gewachsen war. Nur so würde sie eines Tages sicher entscheiden können, ob sie ein Kind adoptieren wollte.

Kaum waren sie allerdings außerhalb Rorys Hörweite, wurde Finley wieder zur Diva. „Du kannst gehen. Ich füll mir das Wasser selbst ein.“

Bei ihren Freunden in Charleston hatte Shannon gelernt, dass Erwachsene zu ihrer Verantwortung stehen müssen. Sie beschloss, sich nicht auf Finleys Spielchen einzulassen. „Ich glaube dir, dass du das kannst, aber ich möchte es nicht.“

Finley verschränkte die Arme vor der Brust und stampfte mit dem Fuß auf.

Rory zuliebe verkniff sich Shannon ihr Lachen. „Mir gefällt dieser Duft am besten“, sagte sie und deutete auf eine Flasche Schaumbad. „Aber du kannst dir selbst aussuchen, welche du möchtest.“

Natürlich wählte Finley eine andere Sorte. Shannon zuckte nur mit den Schultern. Ihr konnte es egal sein. Sie drehte den Wasserhahn auf, regelte die Temperatur und sagte dann: „Ich lasse dich allein, während das Wasser einläuft, damit du dich ausziehen kannst. Ruf mich, wenn du bereit bist, in die Wanne zu steigen.“

„Das kann ich alleine! Ich bin doch kein Baby!“

Nun, fand Shannon, hatte sie genug mit Kindererziehung experimentiert. Die Kleine brauchte eine feste Hand, aber ihr selbst stand nicht zu, sie zu disziplinieren. Diesen Kampf überließ sie lieber Rory. „Okay! Auch gut.“

Sie verließ das Bad und ging zurück in die Küche. „Die Wanne ist fast voll, und Finley zieht sich aus. Vielleicht solltest du hingehen und auf sie aufpassen.“

Rory erhob sich. „Sie kann allein baden, aber vielleicht sollte ich in der Nähe sein.“ Er deutete verlegen auf das Geschirr. „Tut mir leid.“

Sie machte eine abwehrende Geste. „Dafür habe ich eine Spülmaschine. Geh du nur!“

Eine gefühlte Ewigkeit später, nachdem sie die Spuren der missglückten Mahlzeit beseitigt hatte, wollte Shannon sich um den Weihnachtsschmuck kümmern. Doch gerade hatte sie einen Karton mit Girlanden aufs Sofa gestellt, als Rory erschien.

„Jetzt schläft sie wenigstens.“

„Sie muss müde gewesen sein.“

„Völlig erschöpft!“

„Morgen früh wird sie wieder ein vergnügtes Kind sein.“

Seufzend ließ Rory sich auf dem Sofa nieder. „Wieso verstehst du so viel von Kindern?“

Sein Lob überraschte sie. Sie hatte zwar früher oft die Kinder ihrer Freunde gehütet, war ihnen aber in diesem schwierigen vergangenen Jahr aus dem Weg gegangen. „In South Carolina hatte ich Freunde mit Kindern“, erklärte sie. „Ich habe manchmal als Babysitter ausgeholfen.“

Er lachte auf. „Du hast dich freiwillig mit Kindern abgegeben?“

„Mit fremden Kindern umzugehen ist viel einfacher.“ Sie schob den Karton beiseite und klopfte sich den Staub von den Händen. Um das Thema zu wechseln, fragte sie: „Du klingst, als könntest du ein Glas Wein gebrauchen.“

„Oder ein Bier, wenn du welches im Haus hast.“

„Na klar.“ Sie holte zwei Bierflaschen aus dem Kühlschrank in der Küche und reichte Rory eine davon.

Er ließ sich in die Sofakissen sinken und schloss die Augen. „Vielen Dank.“

„Keine Ursache.“ Eigentlich sollte sie endlich mit der Weihnachtsdekoration beginnen, aber als gute Gastgeberin hielt sie es für ihre Pflicht, Rory Gesellschaft zu leisten. Mit größtmöglichem Abstand ließ sie sich neben ihm auf dem Sofa nieder. „Du musst eine ziemlich anstrengende Fahrt hinter dir haben.“

„Zwischendurch wäre ich einmal fast umgekehrt, aber im Wetterbericht hieß es, dass der Sturm bald nachlassen würde.“ Er deutete mit einer Kopfbewegung zum Fenster. „War wohl ein Irrtum.“

„Das lehrt uns, den Wetterfröschen kein Wort zu glauben.“

Er lachte zunehmend entspannt. „Du bist also inzwischen in das Familienunternehmen eingestiegen?“

„Mir blieb nichts anderes übrig. Ich hatte schon das Marketing für Raleigh’s übernommen, aber dann wollte mein Vater sich zurückziehen, und so blieb es an mir als dem einzigen Kind hängen.“ Nach kurzer Pause fuhr sie fort: „Und du scheinst auch in den Fußstapfen deines Vaters gelandet zu sein.“

Rory hatte sie die ganze Zeit eindringlich betrachtet. Sie hatte ein hübsches Lächeln, ungezwungen und offen. Sie machte keine Anstalten, mit ihm zu flirten, und doch spürte er ein eigenartiges Kribbeln im Bauch. „Ja, wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass wir einmal die Geschäfte unserer Eltern übernehmen würden?“

„Für dich als ältestem Sohn war der Weg doch eigentlich vorgezeichnet. Ich wäre lieber Anwältin geworden … bis ich herausfand, dass die Juristerei schrecklich langweilig ist.“

Er lachte wieder und konnte sich nicht erinnern, wie lange es her war, dass er an einem Abend zweimal hintereinander gelacht hatte. Ein wohliges Gefühl durchfuhr ihn. In Shannons Gegenwart fühlte er sich wie von schweren Lasten befreit.

Halt! Er war mit geschäftlichen Absichten hierhergekommen. Shannon attraktiv zu finden, passte nicht zu seinen Plänen. Außerdem war er schon einmal auf das Drängen seiner Hormone hereingefallen. Er hatte sich mit Haut und Haaren einer Frau verschrieben … die ihn und ihre gemeinsame Tochter sitzengelassen hatte. Ausgerechnet am Weihnachtsabend.

Über ihren Anwalt hatte sie ihn wissen lassen, dass sie keinen Anspruch auf das Sorgerecht erheben würde und Finley nicht mehr sehen wollte. Lange hatte er gehofft, dass sie ihre Meinung ändern würde, und Finley mit allerlei Ausreden über ausbleibende Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke hinweggetröstet. Nicht mehr lange, und er würde seiner sechsjährigen Tochter eröffnen müssen, dass ihre Mutter nichts mit ihr zu tun haben wollte.

Allein der Gedanke daran brach ihm das Herz. Nie wieder würde er sich an eine Frau binden, und nicht einmal für flüchtige Affären hatte er sich in den vergangenen beiden Jahren interessiert.

Er erhob sich vom Sofa. „Weißt du, was? Ich bin auch müde. Ich muss morgen einen Weg finden, meinen Wagen von der Autobahn zu holen, und dafür bin ich lieber ausgeschlafen.“ Er lächelte ihr zu. „Vielen Dank, dass wir hier übernachten dürfen.“

Damit wandte er sich um und wollte zur Tür, doch schon nach drei Schritten hielt Shannons Stimme ihn auf. „Rory?“

Er blickte zurück.

Sie deutete auf den zusammengerollten Schlafsack neben der Tür. „Den solltest du mitnehmen.“

Er holte tief Luft. Der Schlafsack war der einzige Grund, weshalb er noch einmal in den Wohnraum gekommen war. Zwei Minuten in ihrer Gegenwart hatten ihn seine Absicht vergessen lassen. „Ach ja, vielen Dank.“ Er bückte sich nach dem Schlafsack und war froh, dass sie sein feuerrot angelaufenes Gesicht nicht sehen konnte. Seit Jahren hatte ihn die Gegenwart einer Frau nicht so verwirrt. Gut, dass er am nächsten Morgen abreisen würde.

Das Gefühl eines warmen Atems in ihrem Gesicht ließ Shannon aufwachen. Sie wischte mit der Hand danach, bis sie etwas Festes traf. „Autsch!“ Eine empörte Mädchenstimme drang an ihr Ohr.

Erschrocken fuhr Shannon hoch, während ihr mehrere Dinge gleichzeitig durch den Kopf schossen. Erstens schlief sie auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer. Zweitens hatte sie Gesellschaft. Drittens war Finley kein besonders liebenswertes Kind, und viertens vor allem würde sie mit ihr allein sein, bis Rory aufwachte.

„Ich habe Hunger.“ Finleys Miene war missmutig verzogen, die Mundwinkel nach unten gezogen.

Shannon presste die Lippen zusammen, um nicht lauthals aufzulachen. Sie war froh, dass Finley so eine verzogene Göre war und nicht eine niedliche Kleine. Das ließ sie ihre Gegenwart leichter ertragen.

Ihre Freunde hatten oft darüber geklagt, dass ihre Kinder zu den unmöglichsten Zeiten aufwachten, aber ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon nach acht war. Finley war nichts vorzuwerfen. Es war Samstag, und spätestens um zehn musste sie die Türen des Kaufhauses öffnen.

Glücklicherweise blieb ihr noch genug Zeit. „Gut, dass du mich geweckt hast. Ich werde uns beiden ein Frühstück bereiten.“

So viel freundliches Entgegenkommen schien Finley zu verwirren.

Lachend fuhr Shannon ihr übers Haar. „Was möchtest du lieber, Pfannkuchen oder Waffeln?“

„Hast du Blaubeeren?“

„Na klar.“

„Dann möchte ich Pfannkuchen.“

Shannon befreite sich vom Schlafsack. „Komm mit in die Küche! Wir beide werden gut miteinander auskommen.“

Während sie die Zutaten aus dem Küchenschrank holte, setzte Finley sich brav an den Tisch. Dann griff Shannon nach der Fernbedienung der Stereoanlage und schaltete das Radio ein. Eine fröhliche Version von „Here comes Santa Claus“ klang durch den Raum.

„Möchtest du ein Glas Milch?“

„Ja bitte.“

Als Shannon sich dem Kühlschrank zuwandte, rutschte Finley von ihrem Stuhl, nahm die Fernbedienung und schaltete das Radio aus. Shannon blickte erstaunt auf. „He! Ich wollte das hören.“

„Es war doof!“

„Es war ein Weihnachtslied.“

„Und Weihnachten ist doof.“

Shannon sah sie ungläubig an. Schon zum zweiten Mal hörte sie jetzt, dass Finley Weihnachten nicht mochte. Die Versuchung war groß, sie nach ihrem Grund zu fragen, doch sie wusste nicht recht, wie sie es anfangen sollte. Hatte das Kind wirklich ein Problem mit Weihnachten, oder war es nur eine seiner Launen?

Leise vor sich hin summend wandte sie sich wieder ihren Frühstücksvorbereitungen zu. Sie war keine großartige Köchin, aber Pfannkuchen oder Waffeln konnte sie gut.

„Wo gehst du denn zur Schule?“, versuchte sie ein Gespräch zu beginnen.

„Winchester Academy.“

„Ist das eine Privatschule?“

Finley nickte.

„Gefällt es dir in der Schule?“

„Manchmal. Artie Regan bringt manchmal Frösche mit und ärgert mich damit, und Jenny Logan will immer zuerst auf die Schaukel.“

Ein mütterliches Gefühl durchströmte Shannon. Wenn sie nicht gerade auf ihrem Willen beharrte, war Finley ein ganz normales Kind.

Die Tür ging auf, und Rory trat gähnend in die Küche. „Tut mir leid!“

„Was tut dir leid?“ Shannon wandte sich lächelnd zu ihm um, und sofort begann ihr Herz heftiger zu schlagen.

Sein dunkles Haar war zerzaust, und seine Augen schienen sich nicht ganz öffnen zu wollen. Der Bartwuchs eines Tages warf sexy Schatten auf Kinn und Wangen. Seine langen Beine steckten in einer blauen Trainingshose, und sein muskulöser Oberkörper war nur unzureichend von einem weißen Unterhemd bedeckt.

„Dass ich verschlafen habe. Normalerweise stehe ich …“ Er stockte. „Machst du Pfannkuchen?“

„Mit Blaubeeren.“

„Wow! Wir sollten öfter auf der Autobahn stranden.“

Sie lachte … und staunte über sich selbst. Sie hatte einen aufregenden Mann und ein süßes kleines Mädchen in ihrer Küche und kam weder ins Stottern noch in trauriges Grübeln.

Aber tief in ihrem Hinterkopf erklang eine kleine Warnung. Es war viel zu schön, um wahr zu sein, und es würde nicht lange währen. Nach dem Frühstück würden die beiden ihre Sachen packen und wieder verschwinden.

Ihr blieben ungefähr zwanzig Minuten mit Blaubeerpfannkuchen und Kaffee, dann würde sie wieder allein sein. Da half es auch nichts, den Pfannkuchenteig langsamer zu rühren.

Rory trat an den Küchentresen, wo die Kaffeemaschine die letzten Tropfen in die Kanne prustete. „Möchtest du auch einen Kaffee?“

„Oh ja … Becher sind im Schrank neben der Spüle.“

Gerade als er den Arm zum Hängeschrank hob, erstarrte er. „Gütiger Himmel!“

Shannon hielt mit dem Rühren inne. „Was?“

„Da draußen liegt fast ein Meter Neuschnee.“

„So war es vorhergesagt.“

„Aber es sieht nicht so aus, als sei hier ein Schneepflug vorbeigekommen.“

Sie ließ den Kochlöffel in der Rührschüssel und trat neben ihn ans Fenster. „Wow!“

Er deutete mit der Hand nach draußen. „Sogar mit deinem SUV wirst du es kaum bis zur Hauptstraße schaffen.“

Sie spürte ein beklommenes Gefühl in sich aufsteigen. Wären sie etwa gezwungen, noch einen weiteren Tag zusammenzubleiben? Würde sie einen weiteren Tag ertragen können?

Die Frage hatte ihr Kopf gestellt. Die Antwort kam augenblicklich aus ihrem Bauch. Sie würde einen weiteren Tag nicht nur ertragen können, sie wünschte sich sogar, dass die beiden blieben.

„Bei dem vielen Schnee bin ich nicht einmal sicher, ob die Hauptstraße befahrbar wäre.“

„Ich werde im Internet nachsehen.“

„Du weißt, dass ihr hier willkommen seid, falls die Straßen weiterhin gesperrt bleiben.“

„Wie es aussieht, werde ich dich beim Wort nehmen müssen.“

Ihr Herz machte vor Vorfreude einen kleinen Satz. Dennoch setzte sie eine betrübte Miene auf. „Es tut mir leid für euch.“

„Nein, mir tut es leid, dass du uns …“

„Ganz und gar nicht.“ Ihre Miene hellte sich auf. „Mir macht es nichts aus.“

Rory deutete mit einer Kopfbewegung auf Finley, die am Küchentisch sitzengeblieben war.

Mit gedämpfter Stimme sagte Shannon: „Sie wird schon damit klarkommen.“

„Bist du bereit, es ihr zu sagen?“

„Wie wäre es, wenn wir sie erst einmal mit Pfannkuchen abfüttern?“

Er stupste sanft mit dem Zeigefinger auf ihre Nasenspitze. „Ausgezeichnete Idee.“

Der freundliche Stups versetzte Shannons Herz in Aufruhr. Sie wandte sich hastig von Rory ab und wandte sich wieder ihrem Pfannkuchenteig zu. Einen weiteren Tag würde er Gast in ihrem Haus sein. Als Freund. Mehr nicht! Als Freunde würden sie eine entspannte Zeit miteinander verbringen können. Auf jeden Fall war das besser als ein einsames, langweiliges Wochenende.

Noch gestern hatte sie Angst davor gehabt, als Santas Helferin von Kindern umgeben zu sein. Heute freute sie sich darauf, den Tag mit einem kleinen Mädchen zu verbringen. Wer hätte das gedacht?

Die Pfanne war jetzt heiß, und als sie Teig hineingoss, begann sich rasch der köstliche Duft von Pfannkuchen in der Küche zu verbreiten. Rory hatte inzwischen den Ahornsirup gefunden und brachte die Kaffeekanne an den Tisch.

Den ersten fertigen Pfannkuchen bekam Finley auf ihren Teller, und ohne dass ihr Vater sie auffordern musste, sagte sie: „Vielen Dank.“

Shannon sah, wie erleichtert Rory das wohlerzogene Verhalten seiner Tochter registrierte. Die beiden hatten keine Ahnung, wie viel ihr ihre Gäste bedeuteten. Insgeheim war sie sogar froh, dass der Schneepflug noch nicht durchgekommen war. Das Unglück der beiden wandte sich zum Glück für sie. Das gemeinsame Abendessen am Tag zuvor … jemand, für den es sich lohnte, Pfannkuchen zu backen … Gäste, die ihr den ganzen Tag Gesellschaft leisten würden. So viel Abwechslung hatte sie selten am Wochenende.

Vielleicht würde sie sogar mit Finley Kekse backen können?

Rory deutete auf seinen Teller. „Die Pfannkuchen sind großartig.“ Er warf ihr einen Blick zu. „Hast du nicht gesagt, du könntest nicht kochen?“

Shannons Herzschlag stotterte ein wenig. Er wirkte so entspannt und zufrieden … fast glücklich. Die Art Glück, die gute Freunde miteinander teilen. „Kann ich auch nicht. Nur fürs Frühstück reicht meine Kochkunst.“

Er widmete sich wieder seinem Pfannkuchen. „Dieser hier ist dir jedenfalls geglückt.“ Dann deutete er mit dem gehobenen Kaffeebecher in Richtung Fenster. „Es ist unglaublich, wie viel Schnee in einer Nacht gefallen ist.“

„Wir sind in Pennsylvania.“

„Wie kommt ihr damit zurecht?“

„An Tagen wie diesem bleiben alle, die es sich leisten können, zu Hause.“

„Und spielt Mensch-ärgere-dich-nicht?“

Sie verstand seine Andeutung. Er bereitete den Boden für die Mitteilung an Finley, dass sie nicht abreisen konnten.

„Zum Beispiel. Wir spielen viele Spiele, aber manchmal backen wir auch Kekse.“

Finley blickte nicht einmal auf. Sie war glücklich mit ihrem Blaubeerpfannkuchen beschäftigt.

„Ich liebe Cookies“, fuhr Rory fort.

„Ich meinte besondere Kekse, die man in verschiedenen Formen aussticht und dann anmalt.“

„Anmalt?“

„Mit Zuckerguss, den man in verschiedenen Farben auf Häuser, Tannenbäume, Glocken …“

Nun hob Finley unvermittelt den Kopf. „Meinst du Weihnachtskekse?“

Shannon zuckte innerlich zusammen. „Äh … ja. Ich backe Kekse für meine ganze Familie, wenn wir nächste Woche Weihnachten feiern.“

„Ich hasse Weihnachten!“

Nun sagte sie das schon zum dritten Mal. Dieses kleine Mädchen schien Weihnachten wirklich nicht zu mögen.

„Also gut. Wie wäre es mit einem Kartenspiel statt Plätzchenbacken?“

„Ich dachte, wir fahren wieder.“

Rory legte seine große Hand auf Finleys kleine. „Das würde ich auch gerne, mein Schatz. Aber erst müssen wir sehen, ob die Straßen befahrbar sind. Es kann gut sein, dass wir noch ein paar Stunden oder vielleicht sogar den ganzen Tag hierbleiben müssen.“

Finley seufzte klagend. Shannon hielt den Atem an. Kam jetzt wieder ein Ausbruch? Gleich darauf kam sie sich lächerlich vor. Das Kind war erst sechs!

Sie stand auf, ohne Finleys Antwort abzuwarten. „Ich gehe mal an meinen Computer und prüfe die Straßenverhältnisse. Inzwischen könnt ihr in Ruhe zu Ende frühstücken. Anschließend können wir Quartett spielen.“

Finley verzog das Gesicht, und ihre Mundwinkel verzogen sich nach unten. Shannon hielt es für das Beste, sie zu ignorieren. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Finley ihren Vater böse ansah.

„Das habe ich lange nicht mehr gespielt“, sagte der, um Finleys Anfall zuvorzukommen. „Ich weiß nicht einmal, ob ich die Regeln noch kenne.“

„Es ist doch kinderleicht, Daddy!“

„Umso besser. Dann sollte ich es schnell wieder lernen können.“

Shannon stellte ihren Teller in die Spüle. „Vielleicht schlägt sie dich sogar dabei.“

Das brachte immerhin ein kleines Leuchten in Finleys Augen. Als Shannon nach einer Weile in die Küche zurückkehrte, war Finley dabei, ihrem Vater beim Abräumen zu helfen.

„Ich musste den Laden für heute schließen“, verkündete sie.

Rory deutete auf sein Handy. „Das habe ich mir gedacht. Die Witterung ist wirklich zu schlecht. Kaum eine Straße ist befahrbar. Es würden sowieso keine Kunden kommen können.“

„Dann machen wir eben das Beste daraus“, erklärte Shannon und ließ sich am Küchentisch nieder.

„Unbedingt! Nicht wahr, Finley“, versuchte er seine Tochter aufzumuntern.

Die Kleine stöhnte auf, aber immerhin ließ sie sich ebenfalls am Tisch nieder.

Shannon bemerkte, dass Rory sich bemühte, Finley die erste Runde gewinnen zu lassen. Die zweite Runde gewann dann Rory selbst, aber als Shannon die dritte für sich entschied, explodierte Finley.

„Du hast gemogelt!“

Shannon lachte. „Nein! Nein! Mit Mogeln zu gewinnen, macht überhaupt keinen Spaß.“

„Das ist mir egal!“ Sie schleuderte ihre Karten in die Gegend, aber bevor sie den Schwung ihrer Hand bremsen konnte, erwischte sie das Milchglas. Es flog hoch durch die Luft und landete auf dem Boden. Weiße Milch ergoss sich in alle Richtungen.

Peinlich berührt von Finleys Ausbruch, sprang Rory auf. „Finley!“

Die Kleine rutschte von ihrem Stuhl und rannte aus der Küche. „Ich hasse dich!“ Dann fiel die Tür krachend hinter ihr ins Schloss.

Shannon stand auf und griff nach einem Papiertuch. „Tut mir leid, vielleicht hätten wir sie noch einmal gewinnen lassen sollen.“

Rory fuhr sich verlegen mit der Hand durchs Haar. „Nein. Sie weiß, dass sie nicht immer gewinnen kann.“ Mit einer hilflosen Geste hob er die Hand. „Finleys Verhalten ist nicht die Schuld einer ungezogenen Sechsjährigen, sondern einer Mutter, die sie verlassen hat.“

Shannons Hand stockte mitten in der Bewegung. „Wie bitte?“

„Ihre Mutter …“ Noch nie hatte er mit Fremden über seine Ex gesprochen … und eine Fremde war Shannon ja eigentlich. Er wusste nicht recht, was er sagen sollte. „Finleys Mutter hat uns vor zwei Jahren am Weihnachtsabend verlassen.“

Shannon konnte es kaum glauben. „Deine Ex hat euch ausgerechnet zu Weihnachten verlassen?“

„Ja. Deshalb ist Finley so empfindlich, wenn es um Weihnachten geht. Aber viel schlimmer ist, dass ihre Mutter nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Sie mag keine Kinder und wollte nie welche.“

Shannon sank schwer auf ihren Stuhl zurück und versuchte zu verarbeiten, was sie gerade gehört hatte. Sie selbst hatte sich jahrelang nach einem Kind gesehnt, und Finleys Mutter ließ ihres zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen?

„Meine Ex war nie bereit, etwas zu tun, das ihr nicht passte.“ Rory stand auf und begann die verstreuten Spielkarten aufzusammeln. „Sie hat vor der Hochzeit gesagt, dass sie keine Kinder wolle. Ihre Schwangerschaft war für uns beide eine Überraschung. Ich dachte, es könnte gutgehen. Sie anscheinend nicht.“

Shannon saß wie betäubt auf ihren Stuhl. Was für eine Ungerechtigkeit! Während sie bereit wäre, alles für ein Kind zu tun, hatte Finleys Mutter ihre Tochter einfach verlassen? Wie konnte eine Frau so grausam sein?

3. KAPITEL

Rory stapelte die aufgesammelten Karten sorgfältig auf dem Tisch. „Ich sollte jetzt besser nach Finley sehen.“

„Okay. Dann bereite ich schon mal das Essen vor.“

Wie am Abend zuvor entschied Shannon sich für Suppe und Sandwiches. Diesmal wählte sie Hühnersuppe … ohne rotes Gemüse darin.

Einige Zeit später kehrte Finley in die Küche zurück, dicht gefolgt von ihrem Vater. Den Blick verlegen auf den Boden gesenkt, murmelte sie: „Entschuldigung.“

Mitgefühl durchzuckte Shannon wie ein Schmerz. Aber wahrscheinlich war es nicht hilfreich, zu sagen, was sie dachte: Es ist nicht deine Schuld. Deine Mutter ist eine grausame Frau, die dich niemals hätte verlassen dürfen.

Stattdessen entgegnete sie: „Ist schon in Ordnung. Heute gibt es übrigens keine rote Suppe.“

Finley sah sie verlegen an. „Wirklich nicht?“

„Nein. Es gibt Hühnersuppe mit Nudeln.“

„Die mag ich.“

„Ich auch.“

Rory holte Suppenteller aus dem Schrank und verteilte sie gemeinsam mit Finley auf den Platzdecken, die Shannon bereits ausgebreitet hatte. Finley fand Löffel in der Besteckschublade, und Shannon brachte einen Teller mit Aufschnitt auf den Tisch. Alle waren wortlos beschäftigt.

Shannon war unsicher, wie sie sich verhalten sollte. Wäre es besser gewesen, absichtlich beim Kartenspiel zu verlieren? Hätte sie auf den kindlichen Vorwurf, gemogelt zu haben, anders reagieren sollen? Sie wusste nur, dass das von seiner Mutter verlassene Kind ein wenig Fröhlichkeit brauchte. Wenn sie konnte, wollte sie ihr gern dazu verhelfen.

Sie holte tief Luft. „Weißt du, was? Als ich klein war, bin ich immer mit meinem Dad zum Schlittenfahren gegangen. Ich glaube, ich habe den Schlitten immer noch.“

In Finleys Gesicht leuchtete es auf. „Wirklich?“

„Hinter diesem Haus ist ein kleiner Hügel. Ich habe es noch nie probiert, weil ich erst im letzten Jahr hier eingezogen bin, aber ich nehme an, man kann dort Schlitten fahren.“

„Wirklich?“ Diesmal war es Rorys Stimme.

„Bestimmt. Selbst wenn der Hügel zum Schlittenfahren zu flach ist, wird uns allen ein wenig frische Luft guttun.“

Rory sah seine Tochter an. „Was meinst du?“

„Ich möchte Schlittenfahren.“

„Wenn es geht“, gab Shannon zu bedenken. „Wie gesagt, habe ich diesen Hügel noch nie ausprobiert.“

„Ich habe keinen Schneeanzug mit.“

„Du kannst zwei Paar Jeans übereinander anziehen“, schlug Rory vor.

„Und wenn wir wieder ins Haus kommen, stecken wir sie in den Trockner, sodass du sie morgen wieder anziehen kannst.“

Bereitwillig ließ Finley sich beim Anziehen von zwei Paar Jeans und zwei Pullovern helfen.

Als Finley fertig war, schlüpfte Shannon rasch selbst in einen zweiten Pullover und zog den alten Parka ihres Vaters über. Draußen auf der Terrasse wurden sie von der gleißenden Sonne auf dem Schnee fast geblendet.

„Wow! Das ist wunderschön!“

Shannon betrachtete stolz die schneebedeckte Schönheit ihres kleinen Heimes. „Ja, das ist es. Ich habe gern in South Carolina gelebt, ganz in der Nähe der Strände. Aber dies ist mein Zuhause. Sosehr der Schnee auch manchmal stört, er ist doch auch schön.“

Sie stapften durch die weiße Pracht zum Schuppen hinter der Garage und fanden einen alten hölzernen Schlitten und zwei rote Schneerutscher aus Plastik. Shannon und Finley nahmen die Rutscher, und Rory hob den schweren Schlitten von seinem Haken.

Ein Stück hinter dem Haus begann das Terrain abzufallen. „Aber da unten stehen Bäume!“, rief Finley enttäuscht.

Shannon warf Rory einen Seitenblick zu. „Ich weiß. Deshalb konnte ich auch nicht sicher sagen, ob wir Schlitten fahren können. Ohne eine genügend breite Schneise zwischen den Bäumen ist es zu gefährlich.“

Er ging fünfzig Schritte nach links. „Zu viele Bäume dort unten!“ Dann fünfzig Schritte nach rechts. „Hier wird es gehen!“, rief er aus und winkte Shannon und Finley zu sich. „Da unten ist genügend Platz zwischen den Bäumen.“

Der Hügel war eigentlich kaum der Rede wert. Das Gelände senkte sich sanft etwa dreißig Meter weit, dann gab es einen kleinen Gegenhang, und erst dahinter begann ein steilerer Abhang. Da Finley erst sechs war, hielt Shannon es für ratsam, sich auf das erste, sanftere Stück zu beschränken.

Sie warf ihren Plastikrutscher in den Schnee. „Ich bin bereit.“

Finley tat es ihr gleich. „Ich auch.“

Sie sprangen auf und rutschten den kleinen Hügel hinab. Finleys Freudenschreie gellten durch die Luft. Wie erwartet, wurden sie von dem kleinen Gegenhang gestoppt.

Sofort sprang Finley auf. „Noch mal!“ Sie hob ihren Rutscher auf und stapfte den Berg hinauf.

„Geh an der Seite!“, rief Shannon ihr nach. „Wir wollen unsere Rutschbahn nicht zertreten.“

Zu Shannons Erstaunen rief Finley nur: „Okay!“, und trat brav an den Rand.

Oben wurden sie von Rory erwartet. „Aufgepasst, jetzt komme ich!“ Er warf sich bäuchlings auf den Schlitten und glitt hinab. Doch auf den schmalen Kufen wurde er so schnell, dass der kleine Gegenhang ihn nicht aufhalten konnte. Rory schoss über den Rand und verschwand.

Finley schrie auf. Erst dachte Shannon, das Kind sei entsetzt, doch dann merkte sie, dass die Kleine schallend lachte. Vergnügt fiel sie in das Lachen ein.

„Glaubst du, wir werden ihn jemals wiedersehen?“

Finley konnte gar nicht aufhören zu lachen. „Wie weit geht denn der Abhang hinunter?“

„Keine Ahnung. Ich bin noch nie so weit gegangen.“

Das Gelächter erstarb. Shannon bekam ein mulmiges Gefühl. Wenn er bei dem Tempo gegen einen Baum geprallt war? Vielleicht lag er bewusstlos am Fuß des Abhangs!

„Wir sollten besser nach ihm sehen.“

„Können wir mit unseren Plastikschüsseln hinunterfahren?“

Shannon musste wieder lachen. Wie praktisch Kinder manchmal dachten! Bevor sie antworten konnte, war von unten Rory zu hören: „Alles in Ordnung!“

Beruhigt warf Shannon ihre Schüssel wieder in den Schnee. „Mal sehen, wer zuerst unten ist.“

Finley zögerte nicht lange, und kreischend vor Vergnügen rutschten sie nebeneinander den Hügel hinab. An der Kante sprangen sie ab und blickten hinunter. Weiter unten sahen sie Rory, der schwer atmend seinen Schlitten hinter sich her zog.

Finley winkte ihm zu. „Hey Daddy!“ Sie strahlte glücklich. „Das ist so cool!“

Shannon deutete den Hügel hinauf. „Ich wette, wir können noch zweimal hinabrutschen, ehe dein Daddy hier an der Kante ankommt.“

Sofort griff Finley nach ihrem Rutscher. „Oh ja!“

Tatsächlich schafften sie es zweimal, den kleinen Hügel hinaufzuklettern und wieder hinabzuflitzen, ehe Rory wieder bei ihnen oben war.

Shannon musterte argwöhnisch den steilen Hang. Zwar schien der Streifen zwischen den Bäumen breit genug, aber das Gefälle war ziemlich steil.

Rory bot ihr seinen Schlitten an. „Willst du es auch versuchen?“

Sie lachte auf. „Auf keinen Fall!“

„He, Schlittenfahren war deine Idee. Ich dachte du wärest ein Pro.“

„Ich bin schon seit Jahren nicht mehr …“

Bevor sie den Satz vollenden konnte, hatte Rory den Schlitten vor ihr in den Schnee geworfen. Dann gab er ihr einen Stoß, sodass sie bäuchlings auf den Schlitten fiel. Gleich darauf legte er sich auf sie, und ab ging die wilde Fahrt. Im ersten Moment bekam sie kaum Luft, doch dann fing sie an zu schreien. Es dauerte nicht lange, bis aus ihren Angstschreien Freudenschreie wurden. Der Geschwindigkeitsrausch hatte sie gepackt, und der eisige Fahrtwind im Gesicht fühlte sich großartig an.

Unten lenkte Rory den Schlitten scharf nach links, um nicht gegen die vor ihnen aufragenden Bäume zu prallen. Das war zu viel! Sie kippten um, und lachend kugelten sie beide durch den Schnee.

Von oben erklang Finleys Stimme: „Ich auch, Daddy!“

Er sprang auf, streckte Shannon die Hand entgegen und half ihr auf die Füße. „Das war toll!“ rief sie begeistert aus.

Rory hob den Schlitten auf. „Finde ich auch. Als wäre man noch einmal Kind.“

Mit der einen Hand trug er den Schlitten, den anderen Arm legte er ihr um die Schultern. „Jetzt zahlen wir den Preis für das Vergnügen. Wo es steil hinab geht, geht auch steil wieder hinauf.“

Sie lachte, doch in ihrem Inneren knisterte es. Im vergangenen Jahr hatte sie sich selbst bei der Arbeit im Geschäft immer nur einsam gefühlt. Zwar hatte sie Kontakt zu einigen alten Freunden, doch sie hatte sich nirgendwo wirklich zugehörig gefühlt. Mit Rory und Finley war das auf einmal ganz anders.

Sie holte tief Luft und versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen. Die beiden würden höchstens noch einen weiteren Tag bei ihr sein. Spätestens nach dem Frühstück am nächsten Morgen würden sie wieder abreisen. Es war besser, sich nicht zu sehr an sie zu gewöhnen.

Oben angekommen, fanden sie eine glückliche Finley vor. Die Kleine war wirklich ein süßes Kind und hatte ein unbeschwertes Vergnügen verdient. Dass ihre Mutter nichts mehr von ihr wissen wollte, musste einfach furchtbar für sie sein.

Rory hob seine Tochter hoch und setzte sich mit ihr auf den Schlitten. Ihr gemeinsames Gewicht setzte den Schlitten den kleinen Hügel hinab in Bewegung. Shannon folgte ihnen mit gebührendem Abstand auf ihrer Plastikschüssel. Kurz bevor die Schlittenbahn in den steileren Hang überging, hielt sie an und sah zu, wie Vater und Tochter weiter hinuntersausten.

Finleys Freudenschreie schallten durch den Wald. Shannon war stolz auf ihre gute Idee, die den Nachmittag zu einem Freudenfest gemacht hatte.

Geduldig wartete sie, bis Finley und Rory den Hügel wieder heraufgeklettert kamen. „War das gut?“, fragte sie und beugte sich nieder, um die Kleine in die Arme zu schließen.

Finley sah sie mit großen, strahlenden Augen an. „Das war so cool!“ Dann wandte sie sich an ihren Vater. „Noch mal!“

„He, ich bin gerade drei Mal diesen Berg hochgeklettert. Ich brauche eine Pause.“ Er deutete auf das flachere Stück des Hügels. „Aber dort kannst du mit deiner Schüssel so oft hinabfahren, wie du möchtest.“

Erstaunlicherweise sagte Finley nur „Okay“ und folgte ihm den Hügel hinauf. Oben sprang sie auf ihre Schüssel und ließ sich hinuntertragen.

Rory ließ sich aufatmend in den Schnee sinken. „Ich bin ganz schön kaputt.“

Shannon setzte sich neben ihn in den Schnee. „Nach drei kleinen Fahrten schon?“

„Drei kleine Fahrten?“, fuhr er auf. „Versuch du mal, ohne Pause drei Mal nacheinander diesen Berg hinaufzuklettern.“

Finleys fröhliches Geschrei erklang von unten zu ihnen herauf. Shannons Herz wurde weit. So musste es sich anfühlen, wenn man eine richtige Familie hatte. Einen tollen Ehemann und ein entzückendes Kind.

Rory sah seiner Tochter entgegen, die ihre Plastikschüssel hinter sich her zerrend den Hügel heraufkam. „Deshalb ist es so schön, ein Kind zu haben. Wenn sie nicht gerade ihre Trotzphase hat, ist Finley ein Schatz.“ Er warf Shannon einen Seitenblick zu. „Und sehr spontan ist sie. Manchmal sagt sie Dinge, die mich einfach umhauen.“

Shannon war tief gerührt von Rorys liebevoller Bemerkung über seine Tochter. „Ja, sie ist wirklich süß“, konnte sie nur zustimmen.

Shannons Bemerkung machte Rory glücklich. Der ganze Nachmittag war harmonisch verlaufen, obwohl er ihr von seiner Exfrau erzählt hatte. Vielleicht sogar gerade deswegen. Sie schien zu spüren, dass Finley manchmal besondere Zuwendung brauchte, und hatte sich alle Mühe gegeben, der Kleinen ein paar schöne Stunden zu bereiten.

„Du liebst Finley wirklich sehr, nicht wahr?“, fragte sie plötzlich.

Er sah sie erstaunt an. Die Frage hatte ihn überrascht. Als er sie ansah, entdeckte er, wie die Sonne auf den Schneeflocken in ihrem Haar glitzerte.

„Ja“, sagte er. „Sie ist mein Ein und Alles. Ich bin aus ganzem Herzen Vater.“

Ihr Lächeln zitterte ein wenig. „Das kann man sehen.“

Er lachte auf. „Du hast ja auch die Schattenseiten miterlebt. Die meiste Zeit ist Finley aber die reine Freude. Sie gibt meinem Leben einen Sinn und meiner Arbeit einen Zweck.“

„Du bist ein großartiger Vater.“

„Es ist nur schade, dass ich wahrscheinlich nicht noch mehr Kinder haben werde.“

Sie sah ihn so verblüfft an, dass er sich zu einer Erklärung genötigt sah. „Meine Ex ist von einem Tag auf den anderen gegangen, ohne Erklärung und ohne das geringste Interesse an unserem Kind.“ Er wandte den Blick von Shannon ab und sah zum Himmel auf. „Wenn einem so etwas widerfährt, bekommt die Idee von der Ehe einen mehr als bitteren Beigeschmack.“ Nun wandte er sich ihr wieder zu. „Es ist schwierig genug, ein einziges Kind ohne Mutter großzuziehen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es mit mehreren wäre. Es wird also bei Finley und mir bleiben.“

„Obwohl du Kinder liebst, willst du keine andere Möglichkeit ausprobieren?“

„Wenn ich eine Frau hätte, könnte ich ja auf die altmodische Weise Kinder bekommen.“ Es sollte scherzhaft klingen, doch dann wurde er wieder ernst. „Wenn ich mich noch einmal binden würde, hätte ich liebend gern mehr Kinder. Einen kleinen Jungen, der so aussieht wie ich, oder ein Mädchen, das seiner Mutter ähnlich ist.“

Er wusste, wie traurig er geklungen hatte. Er hatte etwas von seiner Seele offenbart, damit hatte Shannon sicher nicht gerechnet. Und doch: Ihm war, als ob er selbst gar nicht gewusst hatte, wie er über Kinder dachte – bis er es eben ausgesprochen hatte.

Über Shannon wusste er kaum etwas, fiel ihm nun auf. „Was ist mit dir? Kein Ehemann? Keine Kinder? Mit deinem Geschäft verheiratet?“

Sie hockte sich hin und strich mit der Hand über den Schnee. „Letztes Jahr um diese Zeit war ich noch verheiratet.“

„Oh?“ Ein eigenartiges Gefühl durchfuhr ihn … und erstaunte ihn. Gewiss, er fand sie attraktiv, aber Eifersucht? Auf einen Kerl aus ihrer Vergangenheit? Das war einfach dumm.

Gedankenverloren begann sie, mit beiden Händen den schneebedeckten Boden vor sich festzuklopfen, und mied seinen Blick. „Ich bin so ähnlich sitzengelassen worden wie du. An einem Tag liebte er mich und am nächsten nicht mehr.“

„Das tut mir leid.“

„Du kannst ja nichts dafür.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin darüber hinweg. Nur ein Dummkopf weint jemandem nach, der einen nicht mehr will.“

„Das könnte ich unterschreiben.“