(K)ein Kavaliersdelikt - Chris P. Rolls - E-Book

(K)ein Kavaliersdelikt E-Book

Chris P. Rolls

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Beschreibung

Leandro ist Keyborder in einer regional bekannten Boyband. Nach einer Probe trifft er auf Henny, ein Mädchen aus dem Kunstkurs. Sie fasziniert und verblüfft ihn, denn sie ist so ganz anders, als alle Mädchen, mit denen er bisher zusammen war. Was er nicht ahnt: Henny ist die Abkürzung für Hendrik und dieser kann sein Glück gar nicht fassen, dass sein heimlicher Schwarm ihn tatsächlich angesprochen hat. Er geht auf Leandros Flirt ein, auch wenn ihm bewusst ist, dass die Täuschung früher oder später auffliegen wird.

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Seitenzahl: 263

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(K)ein Kavaliersdelikt

Gay Romance

Impressum:

© dead soft verlag

http://www.deadsoft.de

©Chris P. Rolls 2012

Autorenblog:

http://chrisrolls.blogspot.com

Cover: © Pavel Losevky – fotolia.com

Graphische Gestaltung: Irene Repp

http://daylinart.webnode.com/

1. Auflage

ISBN 978-3-944737-00-3 (print)

ISBN 978-3-944737-01-0 (epub)

Dieser Roman enthält explizite Szenen. Bitte beachten Sie: Dies ist eine reine Phantasiegeschichte. Im wahren Leben gilt verantwortungsbewusster Umgang miteinander und vor allem: Safer-Sex!

Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.

Für meine liebe Mel

Danke für alles

Inhalt:

Leandro ist Keyborder in einer regional bekannten Boyband. Nach einer Probe trifft er auf Henny, ein Mädchen aus dem Kunstkurs. Sie fasziniert und verblüfft ihn, denn sie ist so ganz anders, als alle Mädchen, mit denen er bisher zusammen war. Was er nicht ahnt: Henny ist die Abkürzung für Hendrik und dieser kann sein Glück gar nicht fassen, dass sein heimlicher Schwarm ihn tatsächlich angesprochen hat. Er geht auf Leandros Flirt ein, auch wenn ihm bewusst ist, dass die Täuschung früher oder später auffliegen wird.

1 Leandros Entdeckung

„Klasse! Genau so machen wir es!“

Nils, der Sänger der Boyband „Chevaliers of Chaos“ klatschte begeistert in die Hände und schlug seinem Kumpel Leandro kräftig auf die Schulter.

„Das wird der absolute Erfolg werden. Wirst schon sehen, die Girls werden uns in Scharen nachrennen“, meinte er lachend und erntete allgemeine Zustimmung. Keyboarder Leandro grinste zurück und ließ seine Finger noch einmal spielerisch über sein Keyboard gleiten.

„Ihr werdet immer besser, Jungs. Lasst es euch nur nicht zu Kopf steigen. Ruhm ist vergänglich.“ Michael Grundt, der junge Musikstudent, unter dessen Aufsicht die Band im Musikraum der Fachschule üben durfte, nickte anerkennend.

Gemeinsam verließen er und die vier Jungen den Raum und er schloss hinter ihnen ab.

„Beim Contest müsst ihr alles geben“, gab er ihnen augenzwinkernd mit auf den Weg. „Dann wird es schon klappen mit der Karriere, den schnellen Autos und … den heißen Mädchen.“ Verschwörerisch tippte er sich an die Nase. „Vielleicht lasst ihr mir eine übrig?“

Lachend verabschiedeten sie sich von ihm.

„Pass ja gut auf deine Stimme auf“, ermahnte Leandro Nils, der zustimmend brummte, bevor er hastig losstürzte. Sein Bus fuhr in wenigen Minuten und er würde sich beeilen müssen, ihn noch zu erreichen.

„Bis dann“, verabschiedete sich Leandro von den anderen Bandmitgliedern Maik und Carsten, die es kaum weniger eilig hatten. Er selbst hingegen hatte noch reichlich Zeit, denn seine Bahn in den Vorort Hamburgs fuhr nur jede Stunde und eine hatte er ohnehin schon verpasst.

Zufrieden mit sich und ihrer Band schlenderte er den Gang entlang. Die Probe war ein voller Erfolg gewesen und er sah dem kommenden Wettbewerb zuversichtlich entgegen. Ihre Band genoss an ihrer Schule einen sehr guten Ruf und sie spielten oft auf Events rund um Hamburg. Der Band-Contest der Schulen war ein weiterer Schritt und sie würden ihn mit ihrem neuen Song bestimmt gewinnen können. Der Preis war eine professionell aufgenommene Demo und danach stand ihrer  Karriere im Prinzip nichts mehr im Wege.

Auf den Gängen herrschte hektische Aufbruchstimmung. Neben Musikkursen gab es an der Fachschule auch Mal- und Töpferkurse, die sich großer Beliebtheit erfreuten.

Leandros Blick glitt über die anderen Jungen und Mädchen, die mit Musikinstrumenten oder Zeichenutensilien bepackt, hinauseilten. Der Geruch von Ölfarbe lag schwer in der Luft und er warf einen eher zufälligen Blick in den Raum der Kunstgruppe. Ein halbfertiges Gemälde fiel ihm ins Auge und er stockte im Schritt.

Was war das denn?

Soweit er wusste, fand in diesem Raum zur selben Zeit ihrer Proben ein Acrylmalkurs statt. Die fertigen Bilder dieser Kurse wurden oft im Flur ausgestellt, allerdings hatte er ihnen nie besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Bis heute.

Das Bild, das seinen Blick angezogen hatte, war absolut ungewöhnlich. Er spähte von der offenen Tür aus neugierig auf die Staffelei.

Wow. Das war wirklich etwas Besonderes.

Auf der großen Leinwand entstand das Bild eines nackten Mannes, der schlafend auf einem Sofa ruhte. Er lag auf dem Bauch, ein Arm nach vorne gestreckt, einer hing herunter, die Hand schlaff auf dem angedeuteten Teppichboden. Sein Gesicht war bereits fertig gemalt und trug einen erschöpften und dennoch zufriedenen Ausdruck.

Dichte, schwarze Haare umrahmten das dunkelhäutige Gesicht mit dem Anflug von feinen Bartstoppeln. Das Antlitz wirkte echt, einem Foto erstaunlich nahe. Aber vor allem den Körper hatte der Maler gut getroffen. Jeder einzelne Muskel sah derartig plastisch aus, als ob man ihn tatsächlich anfassen könnte. Leandro konnte sich gut vorstellen, dass der schlafende Mann gleich die Augen aufschlagen würde, so unglaublich realistisch wirkte das Bild.

Der junge Künstler, der noch immer an dem Bild arbeitete, war ganz in sein Gemälde vertieft und bemerkte offenbar nicht, dass ihm jemand dabei zusah.

Neugierig trat Leandro in den Raum und ging auf den schwer beschäftigten Jungen zu. Er musterte ihn von hinten genauer, als er sich näherte. Ein schlaksig wirkender Körper mit langen Armen und Beinen. Die hellbraunen, sehr lockigen Haare waren im Nacken nachlässig mit einem kitschigen, rosasilbernen Haargummi zu einem winzigen Zöpfchen gebunden. Allerdings waren die Haare dafür zu kurz, sodass sie sich in kurzen, gekringelten Locken seitwärts herausgewunden hatten und bei jeder Bewegung munter tanzten.

Leandro stutzte und lächelte befriedigt. Der vermeintliche Maler war wohl vielmehr eine Malerin, bemerkte er versonnen und musterte sie von hinten.

Die Figur war bei genauerem Hinsehen eher mädchenhaft und auch nicht sehr groß. In ihren Ohrläppchen glitzerten kleine grüne Ohrringe. Ihr langer Hals verlockte seine Finger, darüber zu streichen, die weiche Haut zu liebkosen, ihr diese schönen braunen Haare zurückzustreichen.

Sie trug eine enge Bluejeans, die ihre langen Beine betonte. Zu Leandros Bedauern verdeckte ein weites, burschikos wirkendes, kariertes Hemd ihre restliche Figur. Schlanke Finger hielten den Pinsel.

Das Mädchen war augenscheinlich ganz auf seine Arbeit konzentriert, denn sie bemerkte ihn nicht, selbst als er direkt hinter sie trat. Sie fügte gerade winzige Korrekturen an einem der kräftigen Beine ihres Motivs ein.

Eindeutig ein Mädchen, mit dieser schmalen Taille und vor allem dem lustigen Zopfgummi, schloss Leandro erfreut. Er schätzte sie etwas jünger als sich selbst ein. Vielleicht um die fünfzehn oder sechzehn.

Er staunte nicht schlecht über ihr Motiv. Wieso sie es wohl gewählt hatte? Einem Mädchen in ihrem Alter hätte er eher das Bild eines bekannten Schauspielers oder berühmten Musikers zugetraut. Oder ein kitschiges Engelsbild. Dieses Bild hier hingegen hatte sogar eine gewisse erotische Ausstrahlung, der er sich erstaunlicherweise auch nicht entziehen konnte und passte irgendwie nicht ganz, fand er. Andererseits war es faszinierend, dass sie einen Männerkörper derart detailliert darstellen konnte. Soweit er sehen konnte, malte sie nicht einmal nach einer Vorlage.

Sie waren ganz alleine in dem Raum, denn eigentlich waren alle Kurse bereits vor fünfzehn Minuten zu Ende gewesen. Sie schien sich hingegen nicht daran zu stören.

Um das Mädchen nicht zu erschrecken, das noch immer völlig versunken in seine Arbeit war, räusperte sich Leandro leise und trat seitlich an sie heran. Dennoch fuhr sie erschrocken zusammen, drehte sich hastig zu ihm um und erstarrte. Sie riss ihre Augen überrascht auf, öffnete ganz leicht den Mund und sog keuchend die Luft ein.

Oh je, ich habe sie wohl gerade ziemlich erschreckt. Leandro lächelte verlegen.

Sie schaute ihn so bestürzt an wie einen Geist. Bildhübsche grüne Augen unter langen Wimpern musterten ihn verblüfft.

Leandro starrte zurück, konnte sich sekundenlang nicht von dem faszinierenden Gesicht lösen. Sie war vielleicht keine klassische Schönheit, hatte eher etwas Herbes in ihren jugendlichen Zügen. Ja, man hätte sie durchaus auch für einen Jungen halten können, wären da nicht die tollen Haare und die zu vollen Lippen gewesen. Ihre großen, wunderschönen Augen lösten in Leandro in jedem Fall ein unglaublich erregendes Prickeln aus und das passierte ihm ganz gewiss nicht bei einem Jungen.

„Was schleichst du dich denn hier so an?“, blaffte sie ihn schließlich mit erschrocken klingender Stimme an. Diese war weniger hell, als Leandro erwartet hatte, passte jedoch absolut zu ihrem burschikosen Aussehen.

Leandro stutzte dennoch, zweifelte noch einen winzigen Moment.

Nein, er war sich sicher. Dies war definitiv ein Mädchen. Solche Augen mit so langen Wimpern konnte nur ein Mädchen haben. Zudem diese niedliche Stupsnase und ihre weichen Lippen. Die wollte man sofort küssen. Und welcher Junge würde sich die Haare schon mit einem derartig kitschigen Haargummi zum Zopf binden? Zudem hatte sie diese kleinen, grünen und funkelnden Ohrringe. Nein, befand er, sie war vor allem einfach viel zu süß, um ein Junge zu sein.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken“, brachte Leandro zerknirscht hervor, konnte allerdings – verflucht noch einmal – nicht den Blick von ihren Augen lassen.

Wow, so toll. Tiefgrün und nach außen hin heller werdend. Das war mit Abstand das faszinierendste Mädchen, das er seit Langem gesehen hatte.

„Habe ich da etwa was im Gesicht?“, fragte sie ihn überrascht, als er sie unentwegt anstarrte. Vorsichtshalber wischte sie sich mit dem Ärmel ihres zu großen, farbverschmierten Hemdes über die Wange.

„Äh, nein. Entschuldige!“, antwortete Leandro schuldbewusst und löste endlich mühsam den Blick von ihren Augen und den geschwungenen Wimpern.

Unsicher irrte sein Blick umher und er war um weitere Worte verlegen. So etwas passierte ihm höchst selten. Er war zwar kein echter Draufgänger oder Aufreißer, trotzdem fiel ihm sonst immer ein guter Spruch ein. Heute klappte es irgendwie nicht.

„Wow, total toll!“, stieß er schließlich hervor und nickte zu dem Bild hin. „Ein echt perfekter Männerkörper. Hast du genial hingekriegt.“ Das Mädchen blickte ihn äußerst misstrauisch an und er beeilte sich hinzuzufügen: „Echt! Ich finde es total gut gelungen. Sehr plastisch. Man sieht alles, kann es fast anfassen, so echt wirkt es.“

Noch immer ruhte ihr Blick abschätzend auf ihm, als ob sie sich fragte, ob er sie nur veralbern wollte. Oder als ob sie nicht recht fassen könnte, dass er mit ihr redete. Sie war gewiss nicht der Typ Mädchen, den jeder Junge sofort wahrnehmen würde. Andererseits ...

„Hat dir dafür etwa jemand Modell gestanden oder malst du nach Fotovorlage?“, fragte Leandro neugierig nach, wagte es abermals sie genauer anzusehen.

Nun, ein echtes Mauerblümchen war sie aber auch nicht. Nur eben keine auffällige Schönheit.

Wie niedlich: Sie hat kleine Grübchen direkt neben ihrem schönen Mund und ein paar Sommersprossen auf der Nase. Mann, die Kleine ist ja echt total süß. Da würde ich auch gerne mal Modell stehen. Ganz privat natürlich.

Verlegen wandte er den Blick von ihr ab, denn seine ungebührlichen Gedanken sandten heiße Schauer über seine Wirbelsäule. Und tiefer.

Sie schien über seine Worte ein wenig nachdenken zu müssen und belustigt bemerkte er, dass sie bei dem Kompliment tatsächlich rot anlief.

„Nein! Dafür hat mir keiner Modell stehen müssen“, gab sie zögernd zu, wirkte nun plötzlich recht verlegen, als sie sich umdrehte und ihren Pinsel auswusch, den sie noch immer in der Hand gehalten hatte. „Und ich brauche kein Foto dafür.“

Der Geruch der frischen Farbe drang in Leandros Nase und er nutzte die Gelegenheit, um das Mädchen noch mal ungestraft eingehend zu mustern.

„Dann scheinst du auf jeden Fall ausreichend Fantasie zu haben“, fuhr er bewundernd fort. „Klasse Leistung, einen solchen Körper nur aus der Vorstellung zu zeichnen, ohne jede Vorlage. Ich meine, das ist ja nicht selbstverständlich. Da muss man ja zumindest … anatomische Kenntnisse haben.“ Er stockte und lachte auf. „Also für ein Mädchen ist das schon toll.“

Ruckartig drehte sie sich zu ihm um und starrte ihn mit gerunzelter Stirn an. Leandro schluckte, lächelte sie jedoch nur weiterhin freundlich an.

„Also nicht, dass ich es dir nicht zutrauen würde ...“, ergänzte er unsicher und rang nach weiteren Worten. Er wollte nicht wie ein Macho erscheinen, der Mädchen nichts zutraute. Aber genau so hatten seine Worte wohl geklungen.

Sie wirkte nunmehr eher irritiert, starrte ihn extrem misstrauisch und abweisend an.

Vertrug sie etwa keine Komplimente? Oder war er ihr womöglich sogar unsympathisch? Aber verflixt nochmal, sie war echt total knuffig, absolut sein Typ. Er musste sie auf jeden Fall näher kennenlernen.

Los frag sie schon, ermahnte er sich. So eine Gelegenheit bietet sich dir nicht jeden Tag. Das ist was anderes, als diese aufdringlichen Mädchen bei den Konzerten, die dich offen ansabbern.

Leandro gab sich einen Ruck.

„Äh, wie heißt du denn?“, fragte er ein wenig unbeholfen nach. Normalerweise war er Mädchen gegenüber nicht schüchtern. Er traf allerdings auch selten auf eines, das ihn derart faszinierte, wie diese Malerin hier.

Sie war etwas kleiner als er. Genau die richtige Größe, um sie gut zu küssen und im Arm zu halten, dachte er schmunzelnd, sah sich einen Moment lang tatsächlich schon mit ihr Händchen haltend spazieren gehen.

Ein wenig schüchtern schien sie hingegen zu sein, denn sie musterte ihn noch immer eher ablehnend.

„Ich bin auf jeden Fall Leandro“, stellte er sich daher erst einmal mutig vor und reichte ihr seine Hand. Beinahe automatisch ergriff sie diese und drückte sie erstaunlich fest.

„Hen…ny“, antwortete sie zögernd und fügte hastiger hinzu: „So nennen mich meine Freunde. Henny.“

„Hallo, Henny. Schön dich kennenzulernen“, meinte Leandro erfreut.

Habe ich gerade richtig gehört? Also habe ich durchaus Chancen ihr Freund zu werden, wenn ich sie schon mit ihrem Spitznamen ansprechen darf? Prima, das lief doch gut. Vermutlich hieß sie eigentlich Henriette oder Hendrike. Aber Henny passte gut zu ihr.

„Ist ein sehr schöner Name. So wie … du“, probierte er mutiger das nächste Kompliment aus. Seine Wangen brannten ein wenig und er lächelte sie einfach direkt an.

Augenblicklich ließ sie seine Hand los, starrte ihn groß an. Leandro biss sich verschämt auf die Lippe.

War er etwa gleich zu weit gegangen? Aber sie war wirklich anders als andere Mädchen. Sie gefiel ihm ausnehmend gut, da konnte er ruhig ein bisschen flirten.

„Was?“, fragte sie überrascht nach, tat, als ob sie sich verhört hätte. Ihre halblangen Haare hatten sich jetzt fast alle aus dem Zopf gelöst und umrahmten in lustigen Locken ihr schmales Gesicht.

„Henny“, wiederholte Leandro noch einmal etwas verlegener.

„Der Name passt zu dir. Ist irgendwie ...“, er zögerte, gab sich abermals einen Ruck und lächelte, „niedlich eben.“

Das bist du. Einfach echt eine Augenweide, dachte er sehnsüchtig. Oh Mann, ich habe mich noch nie verknallt, aber bei ihr hat gerade definitiv der berühmte Blitz eingeschlagen.

Ihre Augen wurden noch größer und insgeheim amüsierte sich Leandro darüber, dass sie es offenbar gar nicht gewöhnt war, dass jemand mit ihr flirtete. Ein deutlich rosafarbener Schimmer überzog mittlerweile ihre Wangen und ihr Atem hatte sich kaum merklich beschleunigt. Hastig wandte sie sich ab, wusch wortlos ihre restlichen Pinsel aus und verschloss ihre Malfarben.

„Du machst diesen Kunstkurs hier mit?“, erkundigte sich Leandro völlig überflüssigerweise, nur um überhaupt etwas zu sagen, als sich das Schweigen zwischen ihnen langsam unangenehm ausbreitete.

„Ja“, antwortete sie einsilbig, ohne ihr Tun zu unterbrechen.

„Ich habe dich vorher noch nie hier gesehen“, stellte Leandro fest, konnte den Blick nicht von ihr lassen. Die schmal geschnittene Hose zeigte ihm ihre schlanken langen Beine. Gerne hätte er ein wenig mehr von ihr gesehen. Das Malerhemd verbarg einfach zu viel von ihrem Oberkörper. Nicht dass er prinzipiell auf gewaltige Oberweiten stand, nur bei ihr konnte er rein gar nichts erkennen. Das war schade.

Verzückt starrte er auf das halb herausgerutschte Haargummi. Leandro war echt versucht, ihr diese letzten frechen Locken aus dem Zopf zu lösen, der sich nun unweigerlich immer weiter lockerte. Ihr Nacken zog seine zuckende Hand unwiderstehlich an.

Mann, wieso ist sie mir bloß noch nie vorher aufgefallen? So eine süße Puppe. Seine Hand zuckte stärker und wollte sich ungefragt erheben. Genau in dem Moment drehte sie sich zu ihm um, zum Glück, ehe seine Hand von alleine Dummheiten machen konnte.

„Ich bin ja auch erst seit letzter Woche dabei“, erklärte sie ein wenig schroff, ging an ihm vorbei und verstaute die Malutensilien in einem Schrank.

Leandro folgte ihr einfach. Vielleicht war sie wirklich nur schüchtern und deswegen kurz angebunden. Er musste nur dran bleiben, dann würde er sie schon knacken. Sonst musste er sich eher der aufdringlichen Mädchen erwehren und wusste oft genug nicht recht, was mit ihnen anzufangen.

„Macht es dir denn Spaß?“, fiel ihm als Fortführung des einseitigen Gesprächs ein.

Verflixt, irgendwie muss ich doch mit ihr ins Gespräch kommen. Eine solche Gelegenheit will ich mir einfach nicht entgehen lassen.

„Ja“, antwortete sie erneut einsilbig.

Innerlich seufzte Leandro. Okay, so einfach machte sie es ihm wohl nicht, da musste er sich schon mehr einfallen lassen. Leandro kniff nachdenklich die Lippen zusammen. Er könnte ihr ja erzählen, dass er in einer ziemlich bekannten Band Keyboard spielte. Nur, ob sie das beeindrucken würde? Nachher stand sie gar nicht auf Rockmusik oder würde ihn für einen blöden Angeber halten.

Schweigend sah er ihr zu, wie sie den Schrank schloss, an das Waschbecken herantrat und ihre farbverschmierten Hände abwusch.

Wie sich diese schmalen, langen Finger wohl auf ihm anfühlen würden, träumte Leandro und ermahnte sich sofort. Womöglich hatte sie einen Freund und war deshalb derart abweisend zu ihm?

Ein eisiger Schauer lief über sein Rückgrat. Zum Glück wandte sie ihm den Rücken zu und konnte die plötzlich aufkommende Eifersucht und Furcht nicht bemerken.

Na, wenn schon, dann muss ich sie eben für mich gewinnen. Das wäre doch gelacht.

Nur wie?

Sie trocknete sich die Hände ab, griff nach ihrer Tasche und schwang sie sich über die schmale Schulter. Irgendetwas sollte er sich einfallen lassen und zwar schnell, sonst war sie weg und er wusste gerade mal ihren Vornamen.

„Hast du ...“, begann er zögerlich, dennoch wild entschlossen. Als sie sich ihm fragend zuwandte, brachte er ein viel zu hastiges: „Hast du noch etwas Zeit?“, hervor.

„Zeit?“, fragte sie ihn irritiert, runzelte verblüfft die Stirn. Sie zog sich das Zopfgummi aus den Haaren und fragte misstrauisch: „Wozu denn?“

„Na ja, also ich ... also kann ich dich vielleicht noch zu einem Kaffee oder so einladen?“, stieß Leandro hastig hervor, lächelte schief, als sie ihre Augen abermals erstaunt aufriss.

„Fünf Minuten von hier, in der Innenstadt ist ein nettes Café, die haben auch Kaffee und Kuchen, wenn du was magst?“, schlug er unsicher vor, denn ihr Ausdruck war unverändert überrascht und wirkte weiterhin mehr ablehnend als begeistert.

Vielleicht war er wirklich nicht ihr Typ? So irre toll sah er ja nun auch nicht aus. Er war nur mäßig groß, einigermaßen schlank und mit dunklen, fast schwarzen Haaren gesegnet. Seine braunen Augen waren öfter von einigen Fanmädchen schön genannt worden, aber die schmierten ihm ohnehin dauernd Honig um den Bart. Er hatte sich ihnen gegenüber ein gesundes Misstrauen angewöhnt.

Vielleicht wollte gerade dieses besondere Mädchen gar nichts mit ihm zu tun haben? Weitere Zweifel regten sich in ihm, während sie ihn bestimmt eine Minute lang nur ansah. Hilflos zuckte er die Schultern.

Was sollte er denn sonst zu einem Mädchen sagen? Ihm fiel nichts mehr ein. Es war immer schwer, sich mit ihnen zu unterhalten. Mit Jungs war es bedeutend leichter.

„Ich würde dich halt gerne ein bisschen kennenlernen“, fügte er leiser, fragend hinzu.

Bitte gib mir eine Chance, bat er stumm, hoffte, sie würde in seinen Augen lesen können, dass er es ernst meinte.

Henny schluckte, schien mit sich zu ringen und nickte schließlich zu Leandros großer Erleichterung. In seinem Bauch stieg prompt der berühmte Schwarm Schmetterlinge auf und flatterte wild durcheinander.

Bingo, sie geht mit mir! Er konnte sein Glück kaum fassen.

„Ja, okay!“, antwortete Henny entschlossener, lächelte schüchtern und unglaublich süß, sodass Leandro regelrecht dahinschmolz. „Ich habe noch etwas Zeit, meine nächste S-Bahn geht in einer Stunde.“

2 Hennys Date

Nebeneinander gingen sie durch die Einkaufspassage. Henny warf Leandro immer wieder verstohlene Blicke zu. Es war falsch, furchtbar falsch hier neben diesem tollen Typen zu gehen. Leandro hatte ihn tatsächlich auf einen Kaffee eingeladen.

Ihn!

Oh Mann, er war völlig perplex gewesen, dass ihn ausgerechnet Leandro angesprochen hatte. Ob ihm sein leichtes Zögern aufgefallen war, als er seinen Spitznamen genannt hatte? Offenbar nicht.

Henny.

Einige seiner Freunde nannten ihn wirklich so, nur seine Schwester nannte ihn Ricky. Henny war die Abkürzung für Hendrik. Nicht, wie Leandro vermutlich glaubte, für Hendrike.

Shit, der hält mich echt für ein Mädchen!

Natürlich hätte er es ihm gleich sagen können. Das wäre nur fair gewesen. Sorry, ich bin kein Mädchen, ich bin nur ein Junge und zudem auch noch schwul. Allerdings hätte ihn Leandro danach natürlich nicht mehr irgendwohin eingeladen. Er hätte sich umgedreht und wäre gegangen, hätte ihn keines weiteren Blickes mehr gewürdigt.

Bestenfalls.

Oder er hätte ihn beschimpft. Auch das kannte Hendrik zu Genüge. Nicht jeder Junge stand darauf, wenn ihn ein anderer toll fand. Auf diese Weise war schon eine langjährige Freundschaft zerbrochen und Hendrik hatte seither nur noch wenige wirkliche Freunde.

Woher sollte Leandro auch wissen, dass Hendrik ihn die letzten Wochen heimlich beobachtet hatte. Bei sämtlichen Auftritten von Leandros Band in den letzten zwei Monaten war er dabei gewesen. Jedes Mal, seit er ihn das erste Mal bei jenem Auftritt an seiner eigenen Schule gesehen hatte.

Leandro von Rundorf, der coole Keyboarder der „Chevaliers of Chaos“. Er war der Traum schlechthin, er, der immer im Hintergrund stand, dessen rabenschwarze Haare mit dem dunklen Background der Bühne zu verschmelzen schienen, sodass sein schönes Gesicht aus dem Dunkel geheimnisvoll herausleuchtete. Leandro, der oft mit halb geschlossenen Augen, völlig versunken in die Musik, sein Instrument spielte.

Hendrik wusste haargenau, wie er sich bewegte, wie er sich vorbeugte, sich die Haare aus der Stirn strich, einen Schluck Wasser trank, lächelte. Er kannte jede seiner Bewegungen, hatte sie studiert, in sich aufgesogen, ihn sich nachts vorgestellt. Zum Glück ahnte Leandro nicht im Geringsten, was er sich mit ihm alles vorgestellt hatte.

Hendriks Atem ging unwillkürlich schneller.

Leandro. Allein der Name zerging auf seiner Zunge wie zart schmelzende Vollmilchschokolade und hinterließ das erregende Prickeln hochprozentigen Alkohols.

Er war ein absoluter Traumtyp. Sein Traumtyp.

Größer als er selbst, etwas kräftiger mit dunkler Haut. Ein echter Sonnenschein, der unglaublich nett lächeln konnte, sodass seine braunen Augen buchstäblich strahlten.

Ein einziges Mal hatte er Hendrik direkt angesehen, als dieser ziemlich weit vorne an der Bühne gestanden hatte. Leandro hatte wirklich zu ihm hingesehen, gelächelt, und auch wenn es nur Zufall gewesen sein konnte, für Hendrik war es der Himmel auf Erden gewesen und hatte ihm eine unruhige Nacht mit sehr erotischen Fantasien beschert. Danach hatte er sich jedoch lieber weiter nach hinten gestellt, dorthin, wo ihn Leandro nicht sehen konnte, denn er hatte furchtbare Angst gehabt, dass dieser womöglich erkennen konnte, was er für ihn empfand. Hendriks Augen hätten todsicher sofort sein kleines Geheimnis offenbart, wenn er nicht höllisch aufgepasst hätte, Leandro nicht mehr zu nahe zu kommen.

Jede Nacht träumte er von ihm, seinem Gesicht, seinen wunderschönen Augen, seinen Lippen, seinen Händen, wie er riechen würde. Tagsüber malte er sich aus, wie es wäre, ihn als Freund zu haben, gemeinsam zu lachen, Händchen zu halten, sich anzulächeln und natürlich mehr.

Und heute an diesem grauen Sommertag ging er wahrhaftig mit Leandro zusammen zu einem Café, um mit ihm zusammenzusitzen, sich näher kennenzulernen.

Oh Mann, wenn der wüsste, dass ich gar kein Mädchen bin.Zudem noch schwul und absolut auf ihn stehe, dachte Hendrik verzweifelt. Ich konnte doch vorhin nicht einfach „Nein“ sagen. Niemals hatte er auch nur zu hoffen gewagt, Leandro einmal derart nahe zu kommen, um ihm mehr als ein schüchternes „Hallo“ zu sagen. Und dann sprach dieser ihn wahrhaftig selbst an.

Egal, dann hielt er ihn eben für ein Mädchen. Wenn er deswegen nur Zeit mit ihm verbringen durfte, nur ein wenig davon träumen durfte ...

„Du bist etwas schüchtern, oder?“, unterbrach Leandro abrupt Hendriks sehnsüchtige Überlegungen und lächelte ihn freundlich an.

In Hendriks Hals wurde es noch enger. Sein blödes Herz schlug ohnehin schon derart schnell, dass es ein Wunder war, dass Leandro es nicht hören konnte.

„Eigentlich nicht“, gab Hendrik viel zu leise zu, sich bewusst, dass er vermutlich wirklich schüchtern klang, aber er hatte Angst, dass seine Stimme ihn verraten würde. Es war eben keine helle Stimme und kichern konnte er auch nicht besonders gut. An ihm war eigentlich nur sehr wenig Mädchenhaftes.

Okay, er war ein wenig schmaler als andere Jungs in seinem Alter und sein Gesicht nicht so männlich kantig, wie er es gerne gehabt hätte. Es wirkte einfach noch zu unfertig.

Ab und an hatte ihn deswegen tatsächlich auch schon zuvor jemand für ein Mädchen gehalten. Vermutlich aber vor allem wegen seiner dummen, kringeligen, viel zu langen Haare.

Er trug sie jetzt offen, hatte das kitschig gruselige Zopfgummi seiner Schwester tief in seiner Jeanshosentasche verstaut.

Klar, seine Haare waren für einen Jungen wirklich zu lang. Wenn er sie allerdings kürzer schneiden ließ, lockten sie sich noch viel mehr und er sah aus wie eine dieser blöden, kitschigen  Amorfiguren oder Engelchen. Voll niedlich und süß. Bäh!

Zumindest fanden Erwachsene ihn damit goldig. Er hingegen hatte schon in den ersten Schuljahren erfahren, dass „niedlich“ und „süß“ Begriffe waren, die einem als Junge nur Hohn und blaue Flecke einbrachten.

Daher ließ er seine Haare einfach lang wachsen. Er mochte es lieber, band sie nur beim Malen zurück.

Seine Schwester würde ihn umbringen, wenn sie herausfand, dass er sich heute Morgen heimlich an ihrem heiligen Vorrat bedient hatte, weil ihm sein eigenes, schwarzes Haargummi zerrissen war. Zu seinem Leidwesen hatte sie jedoch nur diese fürchterlichen Mädchenzopfgummis gehabt. Rieke stand auf diesen Kitsch, obwohl sie älter als er war.

Hendrik fuhr sich grübelnd durch seine ungeliebten Haare. Hielt ihn Leandro deswegen vielleicht für ein Mädchen? Offenbar ja. Und anscheinend gefiel ihm, was er sah. Sonst hätte er ihn bestimmt nicht eingeladen.

Vorsichtig blickte Hendrik erneut zu ihm hinüber und schaute prompt direkt in Leandros strahlende Augen.

„Deine Haare sehen offen viel schöner aus“, bemerkte dieser bewundernd, lächelte verlegen und fügte zögernder hinzu: „Du solltest sie immer so tragen! Steht dir besser. Sie sind wirklich schön.“

Hendrik zuckte zusammen, senkte sofort den Blick auf seine Füße und hoffte inständig, dass er nicht zu verdächtig rot angelaufen war. Er hatte es geahnt. Es waren diese unseligen Haare.

Mann, wieso musste Leandro auch noch so verdammt nett sein und so toll aussehen. Hendrik schwieg hartnäckig, kaute auf seiner Unterlippe herum und überlegte fieberhaft, wie er sich verhalten sollte. Er kam sich neben Leandro unglaublich dumm vor und musste jeden seiner Schritte genau überlegen, um sich nicht zu verraten.

Sie schwiegen weitere Minuten und irritiert bemerkte Hendrik, dass Leandro dichter neben ihm ging. Ihre Schultern berührten sich beinahe. Abermals lächelte Leandro ihn an, als er ihm einen verstohlenen Blick zuwarf.

„Bist du etwa das erste Mal von einem Jungen eingeladen worden?“, hakte dieser neugierig nach.

Hendrik schluckte hart und würgte rasch ein simples, wirklich mädchenhaft quietschiges: „Ja“, hervor.

Natürlich nicht. Einen Jungen lud man normalerweise nicht in ein Café zu einem Kaffee ein. Schon gar kein anderer Junge. Erst recht keiner wie Leandro.

Dieser strahlte ihn weiterhin beinahe verliebt an, schien sich ganz offenkundig darüber zu freuen, dass er der Erste war, der dieses vermeintliche Mädchen ausführte.

Insgeheim stöhnte Hendrik verzweifelt auf.

Verdammt, ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen, das kann doch niemals gut gehen.

Was, wenn Leandro mir auf die Schliche kommt?

Was wird der tun?

„Komisch, eigentlich. Du siehst doch total niedlich aus. Du hast ein wirklich hübsches Gesicht. Ich hätte gedacht, dass du bestimmt schon ganz oft zu einem Date eingeladen worden wärst“, erklärte Leandro verschmitzt lächelnd und rückte noch näher. Seine Finger streiften Hendriks Handgelenk.

Niedlich? Hübsch?

Innerlich rollte Hendrik genervt die Augen. Er war nicht niedlich. Und ein ... Date?

Verflucht, er wollte so gerne nach Leandros Fingern greifen, die waren nur noch Zentimeter von ihm entfernt. Aber wie würde das wohl wirken? Machte der das womöglich mit Absicht?

Hendrik schluckte abermals und ihm kam ein böser Verdacht: Wollte ihn Leandro eventuell nur veralbern?

Insgeheim befürchtete er argwöhnisch, dass der andere Junge ihn bereits durchschaut hatte und nur ein böses Spiel mit ihm, dem dummen, verliebten Schwulen spielte.

Lass mal sehen, wie weit der geht und dann lass ihn voll auflaufen. Das kam vor.

Andererseits … wie Leandro ihn ansah? Nein, der flirtete ganz offen mit ihm. Er hielt das hier wirklich für ihr erstes Date.

Der Gedanke verursachte ein flaues Gefühl in Hendriks Magen.

Ich habe wahrhaftig ein Date mit Leandro … dem Leandro. Scheiße, jetzt benehme ich mich echt auch schon so, dachte Hendrik seufzend, dessen Beine sich tatsächlich wackelig anfühlten.

Er brachte keinen Ton heraus. Schüchternes Mädchen bei ihrem ersten Treffen mit ihrem heimlichen Schwarm. Och nee!

Hendrik riss sich zusammen. So schüchtern war er nun auch wieder nicht. Er war schließlich kein Mädchen.

„Ich bin noch nie von einem Jungen ins Café eingeladen worden“, gab er überzeugend von sich. Stimmte ja auch. Er war zwar auch mal mit ein paar anderen schwulen Jungs unterwegs gewesen, aber eingeladen, „gedatet“, hatte ihn noch keiner. Nicht wie Leandro es gerade tat.

„Na dann habe ich ja verdammtes Glück gehabt, dass ich mich getraut habe und du auch noch ‚Ja‘ gesagt hast“, freute sich Leandro glücklich lächelnd und griff augenzwinkernd nach Hendriks Hand.

Sofort schlug dessen Herz noch schneller, obwohl das eigentlich gar nicht mehr möglich war. Instinktiv wollte er die Hand zurückziehen, beließ sie jedoch mit angehaltenem Atem in Leandros Griff. Es fühlte sich warm und einfach nur gut an.

Wahnsinn: Leandro hält meine Hand. Boah, war das toll! Ein absolut geniales Gefühl. Nicht in seinen kühnsten Träumen hatte er es sich derart wunderbar vorgestellt. Leandro ging mit ihm aus und flirtete offensichtlich. Mit ihm!

Nein!

Mit ihr. Mit Henny, ermahnte er sich nüchtern.

Bleib cool. Er ist hetero, er hält dich für ein süßes, schüchternes Mädchen, nur deshalb ist er so zuvorkommend und freundlich zu dir.

Aber es tat gut. Es war einfach nur schön und er würde es genießen, solange es eben ging. Scheiß auf die Konsequenzen.

Sie betraten das Café und Leandro wies sogleich auf einen freien Tisch weiter hinten.

„Da ist noch Platz“, meinte er und ließ Hendriks Hand los. Dieser nickte und ging voraus, sah sich vorsichtshalber sichernd um. Es war sehr unwahrscheinlich, dass er hier jemandem begegnete, den er oder der ihn kannte, denn er stammte aus einem Vorort von Hamburg und kam nur nachmittags zu dem Kunstkurs her.

Es war purer Zufall gewesen, dass Leandro genau dort seine Proben abhielt. Letzte Woche hatte er ihn dort das erste Mal gesehen und wäre fast vor Schreck gestorben. Leandro war mit den anderen Jungs seiner Band an ihm vorbeigegangen, natürlich ohne ihn zu bemerken.

Zum Glück auch nicht den sehnsüchtigen Blick, den Hendrik ihm zugeworfen hatte. So nahe war er ihm noch nie zuvor gekommen. Ansonsten kannte er ihn ja nur von seinen Auftritten mit der Band und ihrer Internetseite.

Leandro trat neben ihn, als sie den Tisch erreicht hatten.

„Soll ich dir die Jacke abnehmen?“, fragte er höflich nach, gerade als sich Hendrik hinsetzen wollte. Dieser verhielt augenblicklich in der Bewegung. Sekundenlang schaute er ihn verblüfft an und zog rasch seine Jacke aus. Leandro half ihm, sie von den Schultern zu streifen und hängte sie zusammen mit seiner Tasche an die Garderobe.

Anscheinend ist Leandro echt bestrebt, einen auf Kavalier zu machen, dachte Hendrik ein wenig belustigt. Er hat ja auch einen adeligen Namen. Vielleicht deshalb? Ist er so erzogen worden?

Lächelnd nahm Leandro ihm gegenüber Platz und Hendrik fühlte seinen prüfenden Blick auf sich ruhen. Prompt wünschte er sich seine Jacke oder wenigstens sein Malerhemd zurück, um seine viel zu flache Brust besser verdecken zu können. In diesem Jeanshemd würde Leandro doch sofort sehen, dass er rein gar keine weiblichen Rundungen hatte.