Erster Akt.
Zweiter Akt.
Dritter Akt.
Vierter Akt.
Fünfter Akt.
Personen:Präsident
von Walter, am Hof eines deutschen Fürsten.Ferdinand,
sein Sohn, Major.Hofmarschall
von Kalb.Lady
Milford, Favoritin des Fürsten.Wurm,
Haussecretär des Präsidenten.Miller,
Stadtmusikant oder, wie man sie an einigen Orten nennt,
Kunstpfeifer.Dessen
Frau.Luise, dessen
Tochter.Sophie,
Kammerjungfer der Lady.Ein
Kammerdiener des Fürsten.Verschiedene
Nebenpersonen.
Erster Akt.
Erste Scene.Zimmer beim Musikus.Miller steht eben vom Sessel auf und stellt sein Violoncell
auf die Seite. An einem Tisch sitzt Frau Millerin noch im
Nachtgewand und trinkt ihren Kaffee.Miller (schnell auf- und abgehend). Einmal für allemal! Der
Handel wird ernsthaft. Meine Tochter kommt mit dem Baron ins
Geschrei. Mein Haus wird verrufen. Der Präsident bekommt Wind, und
kurz und gut, ich biete dem Junker aus.Frau. Du hast ihn nicht in dein Haus geschwatzt—hast ihm
deineTochter nicht nachgeworfen.Miller. Hab' ihn nicht in mein Haus geschwatzt—hab' ihm 's
Mädel nicht nachgeworfen; wer nimmt Notiz davon?—Ich war Herr im
Haus. Ich hätt' meine Tochter mehr coram nehmen sollen. Ich hätt'
dem Major besser auftrumpfen sollen—oder hätt' gleich Alles Seiner
Excellenz, dem Herrn Papa, stecken sollen. Der junge Baron bringt's
mit einem Wischer hinaus, das muß ich wissen, und alles Wetter
kommt über den Geiger.Frau (schlürft eine Tasse aus). Possen! Geschwätz! Was kann
über dich kommen? Wer kann dir was anhaben? Du gehst deiner
Profession nach und raffst Scholaren zusammen, wo sie zu kriegen
sind.Miller. Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Commerz
auch herauskommen?—Nehmen kann er das Mädel nicht—Vom Nehmen ist
gar die Rede nicht, und zu einer—daß Gott erbarm?—Guten
Morgen!—Gott, wenn so ein Musje von sich da und dort, und dort und
hier schon herumbeholfen hat, wenn er, der Henker weiß! was als?
gelöst hat, schmeckt's meinem guten Schlucker freilich, einmal auf
süß Wasser zu graben. Gib du Acht! gib du Acht! und wenn du aus
jedem Astloch ein Auge strecktest und vor jedem Blutstropfen
Schildwache ständest, er wird sie, dir auf der Nase, beschwatzen,
dem Mädel Eins hinsetzen und führt sich ab, und das Mädel ist
verschimpfiert auf ihr Lebenlang, bleibt sitzen, oder hat's
Handwerk verschmeckt, treibt's fort. (Die Hand vor der Stirn) Jesus
Christus!Frau. Gott behüt' uns in Gnaden!Miller. Es hat sich zu behüten. Worauf kann so ein Windfuß
wohl sonst sein Absehen richten?—Das Mädel ist schön—schlank—führt
seinen netten Fuß. Unterm Dach mag's aussehen, wie's will. Darüber
guckt man bei euch Weibsleuten weg, wenn's nur der liebe Gott
parterre nicht hat fehlen lassen—Stöbert mein Springinsfeld erst
noch dieses Kapital aus—he da! geht ihm ein Licht auf, wie meinem
Rodney, wenn er die Witterung eines Franzosen kriegt, und nun
müssen alle Segel dran, und drauf los, und—ich verdenk's ihm gar
nicht. Mensch ist Mensch. Das muß ich wissen.Frau. Solltest nur die wunderhübsche Billeter auch lesen, die
der gnädige Herr an deine Tochter als schreiben thut. Guter Gott!
da sieht man's ja sonnenklar, wie es ihm pur um ihre schöne Seele
zu thun ist.Miller. Das ist die rechte Höhe. Auf den Sack schlägt man,
den Esel meint man. Wer einen Gruß an das liebe Fleisch zu
bestellen hat, darf nur das gute Herz Boten gehen lassen. Wie hab'
ich's gemacht? Hat man's nur erst so weit im Reinen, daß die
Gemüther topp machen, wutsch! nehmen die Körper ein Exempel; das
Gesind macht's der Herrschaft nach, und der silberne Mond ist am
End nur der Kuppler gewesen.Frau. Sieh doch nur erst die prächtigen Bücher an, die der
HerrMajor ins Haus geschafft haben. Deine Tochter betet auch
immer draus.Miller (pfeift). Hui da! Betet! Du hast den Witz davon. Die
rohen Kraftbrühen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen
noch zu hart.—Er muß sie erst in der höllischen Pestilenzküche der
Belletristen künstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark.
Da saugt mir das Mädel—weiß Gott, was als für?—überhimmlische
Alfanzereien ein, das läuft dann wie spanische Mucken ins Blut und
wirft mir die Handvoll Christenthum noch gar auseinander, die der
Vater mit knapper Noth soso noch zusammenhielt. Ins Feuer, sag'
ich. Das Mädel setzt sich alles Teufelsgezeug in den Kopf; über all
dem Herumschwänzen in der Schlaraffenwelt findet's zuletzt seine
Heimath nicht mehr, vergißt, schämt sich, daß sein Vater Miller der
Geiger ist, und verschlägt mir am End einen wackern ehrbaren
Schwiegersohn, der sich so warm in meine Kundschaft hineingesetzt
hätte—Nein! Gott verdamm mich! (Er springt auf, hitzig.) Gleich muß
die Pastete auf den Herd, und dem Major—ja ja, dem Major will ich
weisen, wo Meister Zimmermann das Loch gemacht hat. (Er will
fort.)Frau. Sei artig, Miller. Wie manchen schönen Groschen haben
uns nur die Präsenter-Miller (kommt zurück und bleibt vor ihr
stehen). Das Blutgeld meiner Tochter?—Schier dich zum Satan, infame
Kupplerin! —Eh will ich mit meiner Geig' auf den Bettel herumziehen
und das Concert um was Warmes geben—eh will ich mein Violoncello
zerschlagen und Mist im Sonanzboden führen, eh ich mir's schmecken
lass' von dem Geld, das mein einziges Kind mit Seel' und Seligkeit
abverdient. —Stell den vermaledeiten Kaffee ein und das
Tobackschnupfen, so brauchst du deiner Tochter Gesicht nicht zu
Markt zu treiben. Ich hab mich satt gefressen und immer ein gutes
Hemd auf dem Leib gehabt, eh so ein vertrackter Tausendsasa in
meine Stube geschmeckt hat.Frau. Nur nicht gleich mit der Thür ins Haus! Wie du doch den
Augenblick in Feuer und Flammen stehst! Ich sprech ja nur, man
müss' den Herrn Major nicht disguschthüren, weil Sie des
Präsidenten Sohn sind.Miller. Da liegt der Haas im Pfeffer. Darum, just eben darum
muß die Sach noch heut auseinander. Der Präsident muß es mir Dank
wissen, wenn er ein rechtschaffener Vater ist. Du wirst mir meinen
rothen plüschenen Rock ausbürsten, und ich werde mich bei Seiner
Excellenz anmelden lassen. Ich werde sprechen zu seiner Excellenz:
Dero Herr Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist
zu schlecht zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes
Hure ist meine Tochter zu kostbar, und damit basta!—Ich heiße
Miller.Zweite Scene.Secretär Wurm. Die Vorigen.Frau. Ah guten Morgen, Herr Sekertare! Hat man auch einmal
wieder das Vergnügen von Ihnen?Wurm. Meinerseits, meinerseits, Frau Base! Wo eine
Cavaliersgnade einspricht, kommt mein bürgerliches Vergnügen in gar
keine Rechnung.Frau. Was Sie nicht sagen, Herr Sekertare! Des Herrn Majors
von Walter hohe Gnaden machen uns wohl je und je das Bläsier; doch
verachten wir darum Niemand.Miller (verdrießlich). Dem Herrn einen Sessel, Frau. Wollen's
ablegen, Herr Landsmann?Wurm (legt Hut und Stock weg, setzt sich). Nun! nun! und wie
befindet sich denn meine Zukünftige—oder Gewesene?—Ich will doch
nicht hoffen—kriegt man sie nicht zu sehen—Mamsell
Luisen?Frau. Danken der Nachfrage, Herr Sekertare. Aber meine
Tochter ist doch gar nicht hochmüthig.Miller (ärgerlich, stößt sie mit dem Ellenbogen).
Weib!Frau. Bedauern's nur, daß sie die Ehre nicht haben kann vom
HerrnSekertare. Sie ist eben in der Meß, meine Tochter.Wurm. Das freut mich, freut mich. Ich werd' mal eine fromme,
christliche Frau an ihr haben.Frau (lächelt dumm-vornehm). Ja—aber, Herr Sekertare-Miller
(in sichtbarer Verlegenheit, kneipt sie in die Ohren).
Weib!Frau. Wenn Ihnen unser Haus sonst irgend wo dienen kann—mit
allemVergnügen, Herr Sekertare-Wurm (macht falsche Augen). Sonst
irgendwo!Schönen Dank! Schönen Dank!—Hem! hem! hem!Frau. Aber—wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden
haben-Miller (voll Zorn seine Frau vor den Hintern stoßend).
Weib!Frau. Gut ist gut, und besser ist besser, und einem einzigen
Kind mag man doch auch nicht vor seinem Glück sein.
(Bäurisch-stolz.) Sie werden mich ja doch wohl merken, Herr
Sekertare?Wurm (rückt unruhig im Sessel, kratzt hinter den Ohren und
zupft an Manschetten und Jabot). Merken? Nicht doch—O ja—Wie meinen
Sie denn?Frau. Nu—nu—ich dächte nur—ich meine, (hustet) weil eben halt
der liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnädigen Madam will
haben-Wurm (fährt vom Stuhl). Was sagen Sie da? Was?Miller. Bleiben sitzen! Bleiben sitzen, Herr Secretarius! Das
Weib ist eine alberne Gans. Wo soll eine gnädige Madam herkommen?
Was für ein Esel streckt sein Langohr aus diesem
Geschwätze?Frau. Schmähl du, so lang du willst. Was ich weiß, weiß
ich—und was der Herr Major gesagt hat, das hat er
gesagt.Miller (aufgebracht, springt nach der Geige). Willst du dein
Maul halten? Willst du das Violoncell am Hirnkasten wissen?—Was
kannst du wissen? Was kann er gesagt haben?—Kehren sich an das
Geklatsch nicht, Herr Vetter—Marsch du, in deine Küche!—Werden mich
doch nicht für des Dummkopfs leiblichen Schwager halten, daß ich
oben aus woll' mit dem Mädel? Werden doch das nicht von mir denken,
Herr Secretarius?Wurm. Auch hab' ich es nicht um Sie verdient, Herr
Musikmeister. Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen
lassen und meine Ansprüche auf Ihre Tochter waren so gut als
unterschrieben. Ich habe ein Amt, das seinen guten Haushälter
nähren kann; der Präsident ist mir gewogen; an Empfehlungen kann's
nicht fehlen, wenn ich mich höher poussieren will. Sie sehen, daß
meine Absichten auf Mamsell Luisen ernsthaft sind, wenn Sie
vielleicht von einem adeligen Windbeutel herumgeholt-Frau. Herr
Sekertare Wurm! Mehr Respect, wenn man bitten darf-Miller. Halt du
dein Maul, sag' ich—Lassen Sie es gut sein, Herr Vetter! Es bleibt
beim Alten. Was ich Ihnen verwichenen Herbst zum Bescheid gab,
bring' ich heut wieder. Ich zwinge meine Tochter nicht. Stehen Sie
ihr an—wohl und gut, so mag sie zusehen, wie sie glücklich mit
Ihnen wird. Schüttelt sie den Kopf—noch besser—in Gottes Namen
wollt' ich sagen—so stecken Sie den Korb ein und trinken eine
Bouteille mit dem Vater—Das Mädel muß mit Ihnen leben—ich
nicht.—Warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmecken kann,
aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen?—Daß mich der böse
Feind in meinen eisgrauen Tagen noch wie sein Wildpret
herumhetzt—daß ich's in jedem Glas Wein zu saufen—in jeder Suppe zu
fressen kriege: Du bist der Spitzbube, der sein Kind ruiniert
hat.Frau. Und kurz und gut—ich geb meinen Consenz absolut nicht;
meine Tochter ist zu was Hohem gemünzt, und ich lauf' in die
Gerichte, wenn mein Mann sich beschwatzen läßt.Miller. Willst du Arm und Bein entzwei haben,
Wettermaul?Wurm (zu Millern). Ein väterlicher Rath vermag bei der
Tochter viel, und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr
Miller?Miller. Daß dich alle Hagel! 's Mädel muß Sie kennen. Was ich
alter Knasterbart an Ihnen abgucke, ist just kein Fressen fürs
junge naschhafte Mädel. Ich will Ihnen aufs Haar hin sagen, ob Sie
ein Mann fürs Orchester sind—aber eine Weiberseel' ist auch für
einen Kapellmeister zu spitzig.—Und dann von der Brust weg, Herr
Vetter—ich bin halt ein plumper gerader deutscher Kerl—für meinen
Rath würden Sie sich zuletzt wenig bedanken. Ich rathe meiner
Tochter zu Keinem—aber Sie mißrath ich meiner Tochter, Herr
Secretarius! Lassen mich ausreden. Einem Liebhaber, der den Vater
zu Hilfe ruft, trau' ich—erlauben Sie—keine hohle Haselnuß zu. Ist
er was, so wird er sich schämen, seine Talente durch diesen
altmodischen Kanal vor seine Liebste zu bringen—Hat er's Courage
nicht, so ist er ein Hasenfuß, und für den sind keine Luisen
gewachsen—Da! hinter dem Rücken des Vaters muß er sein Gewerb an
die Tochter bestellen. Machen muß er, daß das Mädel lieber Vater
und Mutter zum Teufel wünscht, als ihn fahren läßt,—oder selber
kommt, dem Vater zu Füßen sich wirft und sich um Gotteswillen den
schwarzen gelben Tod oder den Herzeinigen ausbittet—Das nenn' ich
einen Kerl! das heißt lieben!—und wer's bei dem Weibsvolk nicht so
weit bringt, der soll—auf seinem Gänsekiel reiten.Wurm (greift nach Hut und Stock und zum Zimmer hinaus).
Obligation,Herr Miller!Miller (geht ihm langsam nach). Für was? für was? Haben Sie
ja doch nichts genossen, Herr Secretarius! (Zurückkommend.) Nichts
hört er, und hin zieht er—Ist mir's doch wie Gift und Operment,
wenn ich den Federfuchser zu Gesichte krieg'. Ein confiscierter
widriger Kerl, als hätt' ihn irgend ein Schleichhändler in die Welt
meines Herrgotts hineingeschachert—Die kleinen tückischen
Mausaugen—die Haare brandroth—das Kinn herausgequollen, gerade als
wenn die Natur für purem Gift über das verhunzte Stück Arbeit
meinen Schlingel da angefaßt und in irgend eine Ecke geworfen
hätte—Nein! eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe,
lieber soll sie mir—Gott verzeih mir's-Frau (spuckt aus, giftig).
Der Hund!—aber man wird dir's Maul sauber halten!Miller. Du aber auch mit deinem pestilenzialischen
Junker—Hast mich vorhin auch so in Harnisch gebracht—Bist doch nie
dummer, als wenn du um Gotteswillen gescheidt sein solltest. Was
hat das Geträtsch von einer gnädigen Madam und deiner Tochter da
vorstellen sollen? Das ist mir der Alte! Dem muß man so was an die
Nase heften, wenn's morgen am Marktbrunnen ausgeschellt sein soll.
Das ist just so ein Musje, wie sie in der Leute Häusern
herumriechen, über Keller und Koch räsonnieren, und springt einem
ein nasenweises Wort übers Maul—Bumbs! haben's Fürst und Mätreß und
Präsident, und du hast das siedende Donnerwetter am
Halse.Dritte Scene.Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand.
Vorige.Luise (legt das Buch nieder, geht zu Millern und drückt ihm
die Hand).Guten Morgen, lieber Vater.Miller (warm). Brav, meine Luise—Freut mich, daß du so
fleißig an deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm
wird dich halten.Luise. O! ich bin eine schwere Sünderin, Vater—War er da,
Mutter?Frau. Wer, mein Kind?Luise. Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen
gibt—MeinKopf ist so wüste—Er war nicht da? Walter?Miller (traurig und ernsthaft). Ich dachte, meine Luise hätte
denNamen in der Kirche gelassen?Luise (nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich
versteh' ihn, Vater—fühle das Messer, das Er in mein Gewissen
stößt; aber es kommt zu spät.—Ich hab' keine Andacht mehr,
Vater—der Himmel und Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele,
und ich fürchte—ich fürchte—(Nach einer Pause.) Doch nein, guter
Vater. Wenn wir ihn über dem Gemälde vernachlässigen, findet sich
ja der Künstler am feinsten gelobt.—Wenn meine Freude über sein
Meisterstück mich ihn selbst übersehen macht, Vater, muß das Gott
nicht ergötzen?Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl). Da haben wir's!
Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen.Luise (tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt
ist?—Die vornehmen Fräulein, die ihn sehen—ihn hören—ich bin ein
schlechtes, vergessenes Mädchen. (Erschrickt an dem Wort und stürzt
ihrem Vater zu.) Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein
Schicksal nicht. Ich will ja nur wenig—an ihn denken—das kostet ja
nichts. Dies Bischen Leben—dürft' ich es hinhauchen in ein leises,
schmeichelndes Lüftchen, sein Gesicht abzukühlen;—dies Blümchen
Jugend—wär' es ein Veilchen, und er träte drauf, und es dürfte
bescheiden unter ihm sterben!—Damit genügte mir, Vater! Wenn die
Mücke in ihren Strahlen sich sonnt—kann sie das strafen, die stolze
majestätische Sonne?Miller (beugt sich gerührt an die Lehne des Stuhls und
bedeckt das Gesicht). Höre, Luise—das Bissel Bodensatz meiner
Jahre, ich gäb' es hin, hättest du den Major nie
gesehen.Luise (erschrocken). Was sagt Er da? was?—Nein, er meint es
anders, der gute Vater. Er wird nicht wissen, daß Ferdinand mein
ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie
steht nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah—(rascher) und mir
das Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede
Wallung sprach, jeder Athem lispelte: er ist's!—und mein Herz den
Immermangelnden erkannte, bekräftigte: er ist's! und wie das
wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt! Damals—o damals ging
in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefühle
schossen aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's
Frühling wird. Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn' ich mich,
daß sie niemals so schön war. Ich wußte von keinem Gott mehr, und
doch hatt' ich ihn nie so geliebt.Miller (tritt auf sie zu, drückt sie wider seine
Brust).Luise—theures—herrliches Kind—nimm meinen alten mürben
Kopf—nimmAlles—Alles!—den Major—Gott ist mein Zeuge—ich kann dir
ihnnimmer geben. (Er geht ab.)Luise. Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater! Dieser
karge Thautropfen Zeit—schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn
wollüstig auf. Ich entsag' ihm für dieses Leben. Dann, Mutter—dann
wenn die Schranken des Unterschieds einstürzen—wenn von uns
abspringen all die verhaßten Hülsen des Standes—Menschen nur
Menschen sind—Ich bringe nichts mit mir, als meine Unschuld; aber
der Vater hat ja so oft gesagt, daß der Schmuck und die prächtigen
Titel wohlfeil werden, wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise
steigen. Ich werde dann reich sein. Dort rechnet man Thränen für
Triumphe und schöne Gedanken für Ahnen an. Ich werde dann vornehm
sein, Mutter—Was hätte er dann noch vor seinem Mädchen
voraus?Frau (fährt in die Höhe). Luise! der Major! Er springt über
diePlanke. Wo verberg' ich mich doch?Luise (fängt an zu zittern). Bleib Sie doch,
Mutter!Frau. Mein Gott! Wie seh' ich aus; ich muß mich ja schämen.
Ich darf mich nicht vor seiner Gnaden so sehen lassen.
(Ab.)Vierte Scene.Ferdinand von Walter. Luise.(Er fliegt auf sie zu—sie sinkt entfärbt und matt auf einen
Sessel—er bleibt vor ihr stehn—sie sehen sich eine Zeitlang
stillschweigend an. Pause.)Ferdinand. Du bist blaß, Luise?Luise (steht auf und fällt ihm um den Hals). Es ist nichts!
nichts!Du bist ja da. Es ist vorüber.Ferdinand (ihr Hand nehmend und zum Munde führend). Und liebt
mich meine Luise noch? Mein Herz ist das gestrige, ist's auch das
deine noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und
gehn und es auch sein—Du bist's nicht.Luise. Doch, doch, mein Geliebter.Ferdinand. Rede mir Wahrheit. Du bist's nicht. Ich schau
durch deine Seele, wie durch das klare Wasser dieses Brillanten.
(Zeigt auf seinen Ring.) Hier wirft sich kein Bläschen auf, das ich
nicht merkte—kein Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir
entwischte. Was hast du? Geschwind! Weiß ich nur diesen Spiegel
helle, so läuft keine Wolke über die Welt. Was bekümmert
dich?Luise (sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit
Wehmuth). Ferdinand! Ferdinand! Daß du doch wüßtest, wie schön in
dieser Sprache das bürgerliche Mädchen sich ausnimmt-Ferdinand. Was
ist das? (Befremdet.) Mädchen! Höre! wie kommst du auf das?—Du bist
meine Luise. Wer sagt dir, daß du noch etwas sein solltest? Siehst
du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen muß. Wärest du
ganz nur Liebe für mich, wann hättest du Zeit gehabt, eine
Vergleichung zu machen? Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine
Vernunft in einen Blick—in einen Traum von dir, wenn ich weg bin,
und du hast noch eine Klugheit neben deiner Liebe?—Schäme dich!
Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem
Jüngling gestohlen.Luise (faßt seine Hand, indem sie den Kopf schüttelt). Du
willst mich einschläfern, Ferdinand—willst meine Augen von diesem
Abgrund hinweglocken, in den ich ganz gewiß stürzen muß. Ich seh'
in die Zukunft—die Stimme des Ruhms—deine Entwürfe—dein Vater—mein
Nichts. (Erschrickt und läßt plötzlich seine Hand fahren.)
Ferdinand! Ein Dolch über dir und mir!—Man trennt uns!Ferdinand. Trennt uns! (Er springt auf.) Woher bringst du
diese Ahnung, Luise? Trennt uns?—Wer kann den Bund zweier Herzen
lösen, oder die Töne eines Accords auseinander reißen?—Ich bin ein
Edelmann—Laß doch sehen, ob mein Adelbrief älter ist, als der Riß
zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen gültiger, als die
Handschrift des Himmels in Luisens Augen: dieses Weib ist für
diesen Mann?—Ich bin des Präsidenten Sohn. Eben darum. Wer, als die
Liebe, kann mir die Flüche versüßen, die mir der Landeswucher
meines Vaters vermachen wird?Luise. O wie sehr fürcht' ich ihn—diesen Vater!Ferdinand. Ich fürchte nichts—nichts—als die Grenzen deiner
Liebe. Laß auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich
will sie für Treppen nehmen und drüber hin in Luisens Arme fliegen.
Die Stürme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung
emporblasen, Gefahren werden meine Luise nur reizender machen.—Also
nichts mehr von Furcht, meine Liebe. Ich selbst—ich will über dir
wachen, wie der Zauberdrach über unterirdischem Golde—Mir vertraue
dich! Du brauchst keinen Engel mehr—Ich will mich zwischen dich und
das Schicksal werfen—empfangen für dich jede Wunde—auffassen für
dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude—dir ihn bringen in die
Schale der Liebe. (Sie zärtlich umfassend.) An diesem Arm soll
meine Luise durchs Leben hüpfen; schöner, als er dich von sich
ließ, soll der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung
eingestehn, daß nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen
legte-Luise (drückt ihn von sich, in großer Bewegung). Nichts mehr!
Ich bitte dich, schweig! —Wüßtest du—Laß mich—du weißt nicht, daß
deine Hoffnungen mein Herz wie Furien anfallen. (Will
fort.)Ferdinand (hält sie auf). Luise? Wie! Was! Welche
Anwandlung?