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Kain Wegner, Zwillingsbruder von Abel Wegner soll am Gehirn operiert werden. Mithilfe von Petra Maurer gelingt ihm die Flucht aus der Psychiatrie. Er schwört Rache an den Kriminologen, Gerd und Robert. Die ihn verhaftet hatten. Kain entführt Rosi, die Enkelin von Robert. Kain droht Rosi zu töten und sie neben seinen Lieblingen zu beerdigen. Robert ist dem Stress nicht mehr gewachsen und stirbt an einer Herzattacke. Gerd ist jetzt auf sich allein gestellt und gibt alles, um Kain in seinem Versteck aufzufinden. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Wird es Gerd schaffen Rosi rechtzeitig zu finden und wird er das Katz und Mausspiel durchschauen, das die beiden Zwillingsbrüder ihm liefern?
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Kain und Abel
von
Herbert Zvab
Kain Wegner musste clever sein. Verdammt clever. Schon der kleinste Ausrutscher würde ihm das Genick brechen. Er schauderte bei dem Gedanken in der Gefängniszelle der Irrenanstalt für immer und ewig lebendig begraben zu sein, um hundserbärmlich zu krepieren.
Sein übergeschnappter Zellenkumpan klebte mit dem Ohr ununterbrochen an der Wasserleitung, um geheimnisvolle Anweisungen aus dem Weltraum zu empfangen. Für die von Gott auserwählten Insassen war es stinknormal, sich mit Dämonen und Geister aus dem Totenreich zu unterhalten. Einige kämpften verbissen mit dem Teufel oder versuchten ihm, durch die Wand, mit dem Kopf voraus ins Jenseits zu entkommen.
In der Nacht hallten in völliger Verzweiflung Schreie von Besessenen durch schwummrige Korridore. Ohne Antwort zerbarsten sie an den dicken Mauern wie Seifenblasen und ihr Echo verlor sich in den Winkeln einer kalten und gefühllos gewordenen, komplizierten Welt.
Kain wurde gezwungen sich auf seine geniale Intelligenz zu verlassenen, um den verzwickten Plan durchzuführen, den er sich mühsam ausgetüftelt hatte. Jede Zelle seines Körpers, die ihn als Person in diesem Leben ausmachte, würde er in die Waagschale des Schicksals werfen. Vor dem Gericht der Götter würde die Feder des Maat schwerer wiegen als Herz und Verstand. Deshalb würde Osiris, nach dem Gesetz des Totenbuches, ihm die Freiheit und sein früheres Leben wieder zurückgeben.
Ihm war klar, dass er einzig und allein lediglich diese eine Chance vom Schicksal zugewiesen bekam. Darum hatte er die Stoppuhr aufgezogen. Sie tickte laut und der silberne Zeiger rotierte schnell über das helle Zifferblatt. Denn schon morgen ist es so weit. Er hatte diesen Termin mit den Göttern in Weiß.
Sie sagten, dass sie ihm helfen würden. Sie sagten, die moderne Medizin hätte die Macht, ihn wieder gesund und glücklich zu machen. Sie versprachen ihm, von diesem inneren Zwang zu befreien.
Sein Gehirn sei gefangen im Netz eines stinkenden Schleimpilzes. Dieser würde mit klebrigen Fäden das Denkvermögen zersetzen und seine gesunden Gedanken vergiften.
Aber Kain wusste, dass sie es nur sagten, um ihn umzustimmen. Mit allen Mitteln wollten sie ihn zu dieser schwachsinnigen Operation überreden.
In Wirklichkeit brauchten sie einen Idioten. Ein Versuchskaninchen. Sie beabsichtigten, ihn aufzuschneiden, wie eine Laborratte um ihn anschließend, als geheilt für immer im Untergrund der Psychiatrie verschwinden zu lassen.
Sie bemühten sich, ihn über den Tisch zu ziehen, aber das konnte er nicht zulassen. Er war im Begriff, die Karten neu zu mischen, um sich den Joker zu sichern.
In aller Herrgottsfrühe würden sie kommen und ihn abholen. Sie würden ihn auf den Rücken zwingen und Arme und Beine mit breiten Riemen an ein kaltes Metallgestell fesseln. Danach seinen Kopf glatt rasieren, um ihn in einen Schraubstock zwängen. Dann mit steril glänzenden Schrauben fixieren.
Danach käme ein Nussknacker, wie er den Gehirnchirurgen verächtlich nannte. Dieser würde ihn mit einem scharfen Messer skalpieren und die Kopfhaut abkratzen. Die Kreissäge würde er brauchen, um die Schädeldecke zu zerteilen. »Das Geräusch ist nicht lauter als das Bohren beim Zahnarzt«, hat er gesagt.
Er würde den geknackten Knochen auf die Seite klappen, um das Gehirn freizulegen. Schließlich musste der Kerl an seinen Mandelkern herankommen. Oder ans Stammhirn. Vielleicht wühlte sich der Halbgott in Weiß mit seinem Skalpell auch noch durch den Thalamus. »Eine Vollnarkose sei nicht nötig, weil das Gehirn schmerzunempfindlich sei«, meinte der Narkosearzt.
Aber so genau wusste Kain es nicht. Er wusste nur, sie würden eine Biopsie durchführen, um eine Gehirnprobe zu bekommen. Die würden sie in dünne Scheiben schneiden und zwischen zwei Glasplättchen spannen.
Mit Laserlicht und elektronischen Mikroskopen wollen sie das Böse in Kains Kopf suchen und finden. Sichtbar machen, um es herauszuschneiden.
Zum Schein gab er ihnen sein Einverständnis zur Operation. Er kritzelte mit einem heimtückischen Lächeln seinen Namen auf den Wisch, den sie ihm unter die Nase hielten. Denn dies war die einzige Möglichkeit, sich auf die Krankenstation verlegen zu lassen, um das zu tun, was er vorhatte.
Jetzt gab es kein Zurück mehr und seine Finger zitterten, in freudiger Erregung. Daumen und Zeigefinger spielten mit der bunten Kunststoffkordel, die er in mühevoller Handarbeit aus Orangensäckchen geflochten hatte, die ahnungslose Familienangehörigen nach dem Besuch ihrer Lieben achtlos zurückgelassen hatten.
Sein Name wurde aufgerufen und flugs verschwand die Kordel unter seinem Kissen.
An der massiven Zellentüre war in Brusthöhe eine Klappe angebracht, durch die ihm seine alltägliche Medikamentenration geschoben wurde.
Er schluckte angewidert die vielen bunten Kapseln, die ihm der Betreuer durch die Türklappe in einem Schälchen reichte und spülte mit Wasser nach. Widerwillig beugte er auf Kommando seinen Rücken und streckte dem Pfleger seinen Kopf entgegen und öffnete den Mund.
»Mach schon. Strecke die Zunge raus. Ich will in deine Hamsterbacken sehen«, schnauzte der Wärter ihn an.
Kain streckte die Zunge heraus und dieser leuchtete ihm mit der Stablampe in den Rachen.
»Wer sagts denn. Alles brav hinuntergeschluckt. Du solltest mal zum Zahnarzt gehen, da hinten rechts hast du einen faulen Zahn. Der ist schon ganz schwarz«, sagte er zu Kain.
»Du kannst mir mal in den Hintern leuchten. Der ist auch schwarz und meine Hämorriden begutachten, wenn du so besorgt um mich bist«, entgegnete Kain und schob grinsend die Schlafanzughose in die Kniekehlen und streckte dem Wärter seinen Allerwertesten entgegen.
»Wenn du morgen nicht diese Operation hättest, würde ich dir die Hämorriden mit dem Gummiknüppel zärtlich massieren. Danach wäre einen Einlauf mit heißem Wasser fällig. Nur zu deiner Entspannung. Reinste Wellness sozusagen. Spezialbehandlung für Engelmacher. Kannst’e mir glauben.«
Kain zog seine Hose wieder hoch.
»Red kein Stuss. Es ist nichts bewiesen. Ich bin unschuldig.«
»Du hast die Kleinen umgebracht, das weiß doch jeder. Du bist der Engelmacher. Ich würde dich bei der Operation einfach abkratzen lassen, weil du ein Schwein bist. Und jetzt geh zur Seite und lass, den Dicken vorbei, oder willst du seine Tabletten auch noch fressen?«
»Du blöder Vollidiot. Der Teufel soll dich holen!«, brüllte Kain hitzköpfig durch den Schlitz dem Pfleger entgegen und trat mit gerunzelter Stirn zur Seite.
Das gleiche Prozedere der Medikamentenausgabe wiederholte sich bei seinem aus der Form geraten Zellenkollegen. Allerdings ohne Beschimpfungen. Dann knallte die Klappe wieder zu. Sein dicker Zellenkumpan ließ sich schwer stöhnend auf sein Bett fallen und kratze sich eifrig am Bauch. Die Matratzen ächzten im Rhythmus seiner Bewegungen.
Kain kannte diesen lästigen Juckreiz nur zu gut.
»Scheiß Medikamente«, wimmerte der gewichtige Kerl, wobei das ß durch seinen abgebrochenen Schneidezahn pfiff wie die Böe durch einen schmalen Spalt. Daraufhin schob er hastig die gestreifte Pyjama-Jacke über seine haarige Wampe bis zur Brust empor. Hektisch, aber unter erleichterndem Grunzen kratzte sich der Fleischberg genussvoll die Haut um den Bauchnabel wund.
Kain streckte sich lässig auf seinem Gitterbett aus und starrte abwartend an die Zimmerdecke.
Es war wie jeden Abend, zur selben Zeit, immer das Gleiche.
Zuerst wurde das grelle Neonlicht auf schwummrige Nachtbeleuchtung umgeschaltet.
Eine Lautsprecherdurchsage mit sanfter, freundlicher Stimme wünschte allen Patienten der Krankenstation eine angenehme Nachtruhe.
Kain verharrte, bis der Fleischberg sich auf die Seite drehte und ins Reich der Träume flüchtete.
Kaum vernahm er ein gleichmäßiges Schnarchen, tastete seine Finger suchend nach der Kunststoffkordel unter dem Kopfkissen. Bedachtsam schälte er sich aus seiner Bettdecke und schlich zu dem Schlafenden.
Dann wand er ihm die Kordel sachte um den speckigen und wund zerkratzten Nacken. Der Dicke miefte, wie jener durchnässte herrenlose Straßenköter auf der Müllhalde, dem er einst, während eines Sommergewitters die Sehne an den Hinterläufen durchschnitt, um zu beobachten, wie der Hund sich ohne Hinterläufe beim Fortbewegen quälte.
Kain hielt den Atem an, um sich für einen Moment zu konzentrieren. Er schloss die Augen und bündelte seine Kraft. Seine Muskeln spannten sich und mit einem harten Ruck zog er die Schlinge zu. Das Schnarchen verstummte augenblicklich und ein heißeres Röcheln war zu hören. Der Fleischberg riss entsetzt die Augen auf und starrte Kain ins Gesicht. Wild strampelte er mit seinen dick angeschwollenen Beinen und verhedderte sich im Laken. Verzweifelt zerrte er an der Schlinge und setzte alles daran, sich aufzurichten.
Kains Nacken wurde feucht. Seine Stirnader schien zu platzen und die Leine schnitt in seine Handrillen. Erbarmungslos erhöhte er trotzdem die Spannung auf die Kordel. Jetzt stemmte er seinem Opfer brutal das Knie auf die Brust und drückte den Oberkörper des Dicken tiefer in die Matratze hinein. Der Bettrahmen knarrte unter dem Gewicht der beiden ringender Männer und Metallfedern brachen.
Speichelschaum floss dem Fleischberg aus dem wulstigen Mundwinkel. Seine blaue Zunge kreiste ungebändigt in krampfhaft zuckenden Windungen von der Nasenspitze zum Kinn. Sie glich einem schlangenähnlichen Parasiten, der aus dem sterbenden Körper einen Fluchtweg suchte.
Kain lockerte seinen Griff erst wieder, nachdem das verzweifelte Zappeln aufhörte und der erstickte Mann sich leblos und schwer in die Kissen legte.
Kain lächelte, bei dem Gedanken wie simpel es doch ist, jemanden ins Jenseits zu befördern. Nur vermisste er bei dieser Leiche seine Emotionen.
Ihm fehlte die Erregung. Ihm fehlte dieser Zustand, der ihn hineingleiten ließ in eine andere Lebendigkeit. Eine Wachheit des Seins, die er als Kind zu empfinden hatte, wenn sich sein Vater um ihn kümmerte.
Dieser duldete nicht, dass er sich zurückzog. In eine eigene heile Traumwelt. Dieser wusste eine solche Flucht zu verhindern.
Vaters Schläge rissen die junge Seele fortwährend zurück, in die Wirklichkeit. In die Wahrheit der Gegenwart.
Noch heute war er dankbar, über diese Zuwendung seines Vaters. Hatte dieser ihm doch versichert, dass jene Qualen, die er empfangen durfte, nur zu seinem Besten seien.
Nur aus reiner Liebe würde er so erzogen werden.
»Schmerzen machen aus dir einen Mann. Sie machen dich hart und das Leben erträglich«, erklärte ihm sein Vater.
Je mehr er mich quält, umso mehr liebt er mich, dachte Kain und mit zusammengebissenen Zähnen trainierte er sich das Weinen ab.
Ja, er glaubte auch dann noch an die väterliche Liebe, während Vaters Schläge mit der frisch geschnittenen Weidenrute Kains Haut über der Brust aufplatzen ließ und das warme Blut an ihm herabfloss. Kain musste es glauben, hatte er doch nie etwas anderes erfahren in seiner bisherigen Kindheit.
Kain löste endgültig die Schlinge vom Hals des Toten und steckte sie ein. Dann öffnete er den Schraubverschluss der weißen Plastikflasche mit dem Aufdruck Sterilium Hände Desinfektionsmittel, die er mitgehen ließ, als der Koch bei der Essensausgabe gerade nicht hinsah und schüttete den gesamten Inhalt als Brandbeschleuniger über die Leiche.
Jetzt musste er nur noch auf das verabredete Signal warten, das ihn zum weiteren Handeln auffordern würde.
Petra war jung, sehr jung.
Sie hatte erst vor zwei Monaten die Führerscheinprüfung bestanden.
Auch war sie eines jener verträumten Mädchen, die in ihrer Fantasie an die große Liebe auf den ersten Blick glaubten.
Sie wusste von Anfang an, dass er der Richtige sei, als sie die Zeitung, wenige Tage kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag aufschlug und diese Fotografie von ihm sah. Dieser magische Gesichtsausdruck von Kain hielt sie so sehr gefangen, dass sie jeden männlichen Kontakt in ihrem Freundeskreis abbrach.
Petra nahm eine Schere und schnitt diese Fotografie mit äußerster Sorgfalt aus, um das Bild in ihrem Zimmer eingerahmt aufzustellen. Dieses Bild wählte sie zu ihrer Ikone. Jeden Abend, bevor sie schlafen ging, versank sie in seinen braunen, hypnotisch wirkenden Augen und streichelte mit den Fingerspitzen liebevoll seine hohen Wangen. Ihre warmen Lippen berührten die seinen und nur die Gleichgültigkeit des stummen Papiers ließ keinen weiteren Austausch von Zärtlichkeiten zu.
Dann legte sie sich schlafen und in ihrem Traum war sie seine Braut. Die Hochzeitsnacht brachte sie der Ekstase nahe. Mitten in der Nacht weckte sie ihr Stöhnen im Verlangen nach seinen Berührungen.
Dann weinte sie, weil sie ihre weit gespreizten Schenkel leer fand. Nur ein Windhauch strich vom geöffneten Fenster sanft über ihre feuchte Scham, konnte ihre Hitze aber nicht kühlen.
Oft ist sie, weil sie noch keinen Führerschein besaß, mit dem Bus zu dem Gebäude des psychologischen Krankenhauses gefahren, in dem er behandelt wurde.
Dort ist sie ausgestiegen und alleine auf dem Besuchergelände, das als Park angelegt war, spazieren gegangen. Nur um in seiner Nähe zu sein.
Kurz darauf schrieb sie ihm lange Briefe, in denen sie ihm ihre geheimsten Gedanken und Gefühle mitteilte und ihre Liebe zu ihm gestand.
Als sie endlich den Mut fand, ihn zu besuchen, zog sie ihr schönstes Kleid an und schminkte sich, um attraktiver zu wirken.
Ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Kain sah in Wirklichkeit noch faszinierender aus als auf der Fotografie.
Er wirkte auf sie wie ein schlanker Dressman aus einer Modezeitschrift. Sein dunkler südländischer Teint erinnerte sie an den freundlichen Fischer, der mit ihr in seinem kleinen Boot auf dem Meer dem Sonnenuntergang entgegen gesegelt war. Auch er besaß diese kleine männliche Kerbe am Kinn. Dieselben schmalen Lippen, die beim Lächeln kleine Grübchen an seine Mundwinkel zauberten. Petras Erinnerungen an das Meer und den Urlaub verstärkten ihre zarten Gefühle für Kain.
Ein solcher Mensch konnte unmöglich böse sein. Mit absoluter Bestimmtheit ist er unschuldig, dachte sie und er hatte es ihr auch in einem langen Gespräch bestätigt.
Zum Abschied, als sich die viel zu kurze Besucherzeit dem Ende zuneigte, nahm er sie in die seine starken Arme und küsste sie wie ein Bruder auf die Wange.
Bei ihrem zweiten Besuch küsste er sie zum Abschied auf die Lippen. Petras Herz setzte für einen Moment aus. Dann wurde ihr heiß und eine schüchterne Röte kribbelte in ihrem Gesicht, während ihre Ohren glühten. Jetzt waren sie noch mächtiger geworden, diese verwirrenden Gefühle, die kein Denken mehr zuließen.
Beim dritten Besuch durften sie Petras achtzehnten Geburtstag feiern. Es wurde ihnen gestattet, das Gästezimmer zu benutzen, das für Ehepaare reserviert war. Dort gab sie sich ihm als Frau hin. Er war ihr erster Mann, in ihrem jugendlichen und unerfahrenen Leben.
Er war etwas grob zu ihr, doch es war seine Art zu lieben. Außerdem ließen sich die blauen Flecken und Bisswunden gut unter der Jeans verstecken.
Seine obszönen Worte die er in Ekstase, rhythmisch in ihr Ohr bellte, stachelte ihre Lust noch mehr an.
Heute war sie mit dem Auto ihres Vaters unterwegs. Zu ihm in die Klinik, um ihren Teil des gemeinsam ausgeheckten Planes zu erfüllen. Zusammen hatten sie sich eine Strategie zurechtgelegt, diese würde ihrem unschuldigen Kain die Freiheit bringen.
Beide wollten sie ein neues Leben beginnen. In einem anderen fernen Land, vielleicht.
Dort wollten sie heiraten und als Ehepaar glücklich in Frieden und Freiheit leben, das hatte er ihr fest versprochen.
Sie strahlte vor Glück, als sie an das Kind dachte, das sie erwartete. Dass sie schwanger war, hat sie ihm noch nicht erzählt. Sie hielt es als eine Überraschung für ihn zurück. Eine Überraschung im doppelten Sinn. Schließlich lag es an seinem Erbgut, dass sie Zwillinge unter ihrem Herzen trug.
Endlich. Petras Signal. Zum Fürchten, deutlich und klar. Darauf hatte Kain in atemloser Spannung gewartet. Jetzt galt es unverzüglich das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen, um das begonnene Werk erfolgreich zu beenden.
»Sie hat es wirklich getan. Braves Mädchen«, flüsterte er anerkennend und rieb sich die Hände.
Die Patienten auf allen Stationen wurden mit rabiater Gewalt aus dem Schlaf gerissen. Der plötzliche Feueralarm löste Panik aus. Aggressiv aufjaulende Sirenen kreischten ihre Todesdrohung gnadenlos durch die Räume und brachten viele an ihre Grenzen. Verzweifelte Hände pressten sich auf die gepeinigten Ohren, um das hochsensible Membran im Gehörgang zu schützen.
Patientenfäuste hämmerten unaufhörlich, getrieben von entsetzlicher Angst auf verschlossene Zellentüren. Niemand wusste, was wirklich los war und die eingenommenen Psychopharmaka verstärkten ihre krankheitsanfällige Fantasie ins Unendliche.
Im gleichen Atemzug schnippte Kain siegesbewusst lächelnd ein brennendes Streichholz auf den toten Fleischberg. Eine leises »wub«, wie beim Anzünden eines mit Spiritus präparierten Holzkohlegrills war zu hören. Explosionsartig breitete sich die bläuliche Flamme über die Leiche aus. Es roch nach gegrilltem Fleisch, während das fressgierige Feuer das Fettgewebe des Toten annagte.
Kain starrte wie von Sinnen auf die emporlodernden Flammen. Sie schienen ihn beim Namen zu rufen und in dieser seelischen Anspannung weitete sich seine Iris. Kains erregter Geist konnte nur mit größter Mühe der Magie, die von den Flammen ausging, widerstehen. Er biss die Zähne zusammen und zwang sich zur Ruhe. Finster entschlossen wandte er sich der verriegelten Zellentüre zu, die nur mit einer Magnetkarte zu öffnen war und hämmerte mit aller Kraft dagegen.
»Feuer«, schrie er aus Leibeskräften. »Feuer, ich verbrenne..Hilfe, lasst mich hier heraus.«
Unter der, aus weißem Kunststoff gearbeiteten Zimmerdecke bildeten sich bereits graue Qualmwolken. Ein giftiger Rauchschwaden, der nach verbranntem Plastik roch, verkrampften seine Bronchien und löste einen zähen Hustenanfall in ihm aus. Keuchend rang er nach Luft. Verdammt, es stinkt wie damals auf der Müllkippe, nachdem ich diesen winselnden Köder angezündet hatte, dachte er. Und plötzlich wurde ihm klar, in welch einer Gefahr er sich gebracht hatte.
Endlich aktivierte sich die Sprinkleranlage an der Zimmerdecke.
Kains Haare klebten vom Wasser durchnässt an seiner Stirn, als endlich die Türe von einem Pfleger aufgestoßen wurde. Dieser sah aus, als würde er als Skelett in einer Geisterbahn auf der Kirmes arbeiten.
»Na endlich!«, wetterte Kain keuchend.
»Alles o.k. bei ihnen?«
»Nix ist o.k.bei mir!«, japste Kain und deutete aufgeregt zu dem bläulich brennenden Leichnam hinüber.
»Oh mein Gott, oh mein Gott«, stammelte der Pfleger erschüttert und stürzte mit entsetzter Miene an Kain vorbei in das qualmende Zimmer hinein.
Diese Reaktion des Betreuers hatte Kain vorausgeahnt. Sie war ein Teil seines Planes. Der Pfleger war durch den Toten abgelenkt und mit einer wieselflinken Bewegung huschte Kain in den Rücken des Betreuers. Eiskalt legte er diesem seine Kordel um den schmal Hals und zog mit aller Kraft zu.
Der Mann erstarrte. Jegliche Bewegung zerbrach im Schock. Dann griff er sich an den Hals. In panischer Verzweiflung bemühte sich der Pfleger, die Finger unter das Halsband des Todes zu bekommen. Aber Kain gab ihm keine Chance und zog die Schlinge enger und enger.
Blut quoll aus der Furche, die die Kordel in das Fleisch über der Gurgel schnitt und dem lebensspendenden Atem den Weg verwehrte.
Jetzt wurde der Körper schwer und brach in sich zusammen. Kain ließ ihn, ohne den Griff zu lockern, auf den Boden gleiten. Er wusste, ein Mann war nur dann besiegt, wenn dieser auch im Geiste kapitulierte. Wie ein Reiter setzte er sich auf die Brust des Opfers und beobachtete, wie die Augäpfel aus dem Schädel gepresst wurden. Feine Äderchen platzten und das Weiß färbte sich Rot. Im Gegensatz zu dem Dicken biss sich der Pfleger die Zungenspitze ab und seine Kiefer knirschte im Todeskampf mit den Zähnen.
»Verrecke endlich !«, schrie er dem Sterbenden ins Gesicht.
Dieser bäumte sich mit letzter Kraft noch einmal auf und Krämpfe schüttelten sein Körper. Dann blutete er aus der Nase, bevor er seinen Kopf kraftlos zur Seite sinken ließ und mit aufgerissenem Mund ins Unendliche starrte.
Mit einem hämischen Grinsen löste Kain seinen Griff. Dann stand er auf und warf die nutzlos gewordene Kordel in die Flammen.
Mit der Fußspitze tippte er die abgetrennte und noch zuckende Zungenspitze zur Seite. Dann zog er der Leiche den weißen Pfleger Kittel aus und schlüpfte hastig hinein. In der rechten Tasche fand, der die Magnetkarte, die ihn alle Türe in diesem Haus öffnen würde.
Kain stieg über den leblosen Körper und verließ, mit eiligen Schritten den Raum. Zu seiner Verblüffung waren die Gänge menschenleer. Die Türen der Büros standen offen und waren verwaist. Das gesamte Gebäude war geräumt worden und alle Insassen und das Pflegepersonal befanden sich vor dem Gebäude auf dem Freigelände.
Nur das Ohrenbetäubende jaulen der Sirenen, begleitete ihn durch die menschenleeren Räume der Klinik. Niemand hatte etwas von seiner Tat bemerkt. Alle waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen.
Im Vorhof der Klinik angekommen, klappte er den Kragen seines geklauten Kittels hoch, um nicht erkannt zu werden. Er mischte sich unter eine Patientengruppe, die ziellos und ängstlich umher wuselten.
Kein Mensch achtete auf ihn. Termiten dachte er. Das sind keine Menschen. Nur ein Hafen ängstliche Hosenscheißer ohne Hirn und Verstand. Einfach nur ekelhaft.
Niemand hatte den Versuch unternommen, das Feuer zu löschen. Dabei wäre es so einfach gewesen einen Feuerlöscher, die an jeder Ecke hingen zu betätigen.
Jetzt sah er den Feuerschein des brennenden Nebengebäudes, das den Alarm ausgelöst hatte. Das lichterloh brennende Gehöft war der ältere Gebäudeteil der Klinik und unbewohnt. Der alte Schuppen brannte so heftig, dass die Hitze der Flammen bis hierher zu spüren war. Der Funkenflug ähnelte Leuchtspurgeschosse, die sich den Weg durch den Nachthimmel zu den Sternen bahnten.
»Ich bin zufrieden mit deiner Arbeit, Petra«, murmelte er zu sich.
Das Ablenkungsfeuer hat sie im richtigen Moment gelegt. Jetzt muss ich nur noch hinüber zu diesem Waldparkplatz, dachte er.
So war es abgesprochen mit ihr. In diesem besonderen Besucherzimmer, das keine Videoüberwachung besaß. Dort heckten sie den Plan gemeinsam aus. Danach liebten sie sich wie besessen auf dem Boden. Dass er Menschenleben auslöschen würde, das hatte er Petra nicht erzählt.
Kain setzte sich unauffällig von dem Gewimmel ab und stahl sich in den schützenden Schatten der Bäume. Als er im Zwielicht dem düsteren Trampelpfad folgte, drehte er sich um. Er sah, dass die Feuerwehr das Gebäude, welches er in Brand gesteckt hatte, angefangen hatte zu löschen.
Aber es war ihm nicht mehr wichtig. Er war stolz auf sich. Er hatte es ihnen allen gezeigt. Der Nussknacker kann sich jetzt sein Skalpell in den Hintern schieben, dachte er und grinste.
Endlich konnte er aufatmen. Endlich war er frei. Endlich konnte er das tun, was er sich vorgenommen hatte. Er rieb sich eifrig die Hände. Nicht nur, weil er fröstelte.
Seine leichten asiatischen Stoffschuhe mit dünnen Gummisohlen waren für den Aufenthalt in geheizten Klinikräumen und gebohnerten Parkettböden hergestellt worden. Jedoch für Waldwanderungen in kalten Nächten völlig ungeeignet. Trotzdem genoss Kain seine ersten Schritte in wiedergewonnener Freiheit.
Hier im Wald roch es nach frisch geschlagenen Kiefern, Harz und Tannenzapfen. Die kühle Waldluft belebte seine Lunge und er fühlte sich seit langer Zeit wieder voller Zuversicht und mit Leben erfüllt.
Mit dem Feuerschein in seinem Rücken war der Kiesweg, der zum Treffpunkt mit Petra führte, noch mühelos sichtbar, obwohl stämmige Fichten stellenweise ihren Schatten über den Pfad legten.
Gleich rechts vor ihm, hinter einem abgeknickten Baumstumpf, tauchte ein von Waldarbeitern kunstvoll geschnitztes Hinweisschild auf.
Zum Waldparkplatz noch siebenhundert Meter.Für Riesen zwei Minuten und für Zwerge eine Stunde. Vorsicht ist geboten bei tieffliegenden Hexen, stand als Information für die Kinder von Familienausflüglern darunter. Kain schmunzelte. Die auf dem groben Fichtenholz geschnitzten Buchstaben tanzten wild im Licht des unruhig flackernden Großbrandes, der noch in der Ferne tobte.
Kain atmete erleichtert aus. Endlichfast am Ziel dachte er und hastete weiter den Pfad entlang, bis zum Waldrand, wo das niedrige dornige Gestrüpp die mächtigen Kiefern ablöste.
Jetzt zögerte er für einen Augenblick und lauschte angestrengt in die Nacht hinein. Dann, als er sich in Sicherheit wähnte, löste er sich scheu wie ein wildes Tier aus dem Schatten des Waldes. Bereit, bei minimaler Gefahr sofort wieder in dessen Schutz einzutauchen.
Seine Augen tränten vor Anstrengung bei dem Versuch, die Dunkelheit zu durchdringen. Sie waren auf der Suche nach Petra.
Nichts. Keine Petra. Kein Auto. Einfach nichts.
»Ich fasse es nicht. Diese dumme Kuh hat mich im Stich gelassen. Womöglich hat sie Schiss gekriegt und ist nach Hause zu Vati gefahren, um sich an seiner Schulter auszuweinen. Einfach ekelhaft. Warum nur habe ich mich auf diese dämliche kleine Göre eingelassen?«, schimpfte er.
Erst rann ihm der Schweiß von der Stirn, dann glühte sein Kopf. Und da war sie wieder diese unkontrollierte Wut, geboren aus Hilflosigkeit und Angst.
Sie würde mich lieben. Hat sie gesagt. Ausgerechnet mich. Wer mich Liebt, ist noch weniger wert als ich. Also, gar nichts.
Plötzlich hörte er Stimmengewirr in seinem Rücken. Kräftige, laute Männerstimmen die Namen in den düsteren Wald riefen. Unterschiedliche Namen von Patienten, die er kannte. Er drehte sich um und sah mehrere Lichtkegel von Lampen, die unaufhaltsam und bedrohlich näher und näher kamen.
Ein Suchtrupp schoss es ihm durch den Kopf. Womöglich haben sie mein Verschwinden bemerkt und verfolgen mich, oder es sind noch andere Patienten abgehauen.
Kain rannte mit einem Katzenbuckel über den Parkplatz, um in der gegenüberliegenden Seite, wieder im Schatten der dicken Bäume zu verschwinden. Dort angekommen sah er im Augenwinkel zwei Autoscheinwerfer aufblitzen, die sich aus der Ferne in seine Richtung bewegten.
Petra. Schoss es ihm durch den Kopf. Es kann nur diese dämliche Kuh sein, oder ein Liebespaar das eine ruhige, dunkle Ecke zum Poppen sucht.
Kain kochte. Ihm war alles egal. Er musste wieder alles auf eine Karte setzen und den Checkpott knacken. In diesem Fall war es das Auto, das er brauchte, um von hier wegzukommen. Sollte sich ein Pärchen im Wagen befinden, würde er sich zuerst den Kerl vorknöpfen und dann der Tussi widmen.
Kain rannte dem Auto wild entschlossen entgegen und warf sich kaltblütig aus der Dunkelheit in das gelbe Licht der Scheinwerfer.
Die Reifen radierten knirschend eine lange Furche in den Kiesweg, bevor das schwere Fahrzeug nur eine Handbreite vor Kains Brustkorb zum Stehen kam.
Die Fahrertüre wurde aufgestoßen und bevor Kain reagieren konnte, stürzte Petra auf den am Boden liegenden zu.
»Kain, um Gottes Willen. Was machst du da? Ist dir etwas passiert?«, rief sie panisch mit zitternder Stimme.
Kain stand auf und klopfte sich Schmutz und Tannennadeln aus seinen Kleidern. Seine Augenbrauen zogen sich wie ein aufkommendes Gewitter über der Nasenwurzel zusammen. Mit gerunzelter Stirn musterte er das Mädchen im Licht der Scheinwerfer und empfand nur noch Ekel für das dumme Ding.
»Hast du die Klamotten dabei?«, fragte er schroff, ohne auf ihre Frage einzugehen.
»Ja, habe ich und Schuhe, alles wie du es wolltest.« Sie hatte noch das Zittern in der Stimme.
»Was ist mit Geld?«, herrschte er sie an.
»Habe ich auch. Hinten im Wagen, in einem schwarzen Aktenkoffer. Die Kreditkarte von meinem Vater ist auch da drin und das Passwort habe ich auf den kleinen Block daneben aufgeschrieben. Es sollte für‘s erste reichen, bis wir...«
»Halt den Rand und Quatsche nicht so viel! Wir müssen schnellstens von hier verschwinden! Die Bluthunde sind mir schon auf den Fersen! Steig ein und gib Gas!«
Petra nahm wieder das Steuerrad in die Hand und Kain schmiss sich missmutig daneben in den Ledersitz.
Sie setzte den Wagen zurück bis zur Weggabelung. Dort wendete sie neben der knorrigen Eiche, die der Blitz im Frühjahr in der Mitte gespaltet hatte. Nachdem der holprige Waldweg hinter ihnen lag, setzte sie den Blinker und bog nach rechts in die Hauptstrasse ein.
»Du musst dich anschnallen, mein Schatz«, bat sie ihn mit heller Stimme.
»Hallt dein Maul und pass lieber auf, dass du nicht in den Graben fährst!«
»Sag mal, was ist los mit dir? Es hat doch alles wunderbar geklappt. Oder etwa nicht?«, lispelte sie vorsichtig, weil sie etwas ahnte, jedoch Kains miese Stimmung nicht in ihre Gefühle einzuordnen vermochte.
»Du hast mich im Stich gelassen. Das ist los!« Sein Gesicht wurde düster.
»Das ist nicht wahr!«, verteidigte sie sich erschrocken.
»Und ob das wahr ist! Die hätten mich fast geschnappt, nur weil du nicht da warst, als ich dich brauchte!«
»Aber was sollte ich denn machen«, winselte sie, »im Dunkeln sieht die Gegend hier ganz anders aus als bei Tag. Ich hatte mich verfranzt im Wald. Da hat mir auch das Navi nichts mehr geholfen und als mir die Feuerwehr mit Blaulicht entgegenkam, musste ich auch noch ausweichen. Verstehst du?«
»Du bist der Feuerwehr begegnet?« Er sah sie an und seine Augenbrauen hoben sich.
»Sagte ich doch«, bemerkte sie fast trotzig, dabei wurde ihre Stimme immer weinerlicher.
»Haben sie dich gesehen?«
»Glaube ich nicht, es ist doch zappen duster.«
»Die haben dich bestimmt gefilmt mit ihrer Bordkamera. Die zeichnen alle Einsätze auf.« Er stöhnte enttäuscht und rieb sich die Augenbrauen.
»Und wenn schon. Bis sie dahinterkommen, dass du verschwunden bist, sind wir beide schon längst über der Grenze und in Sicherheit. Ich habe das Auto voll bis oben hin getankt«, fügte sie mit stolzer Mine hinzu und schaltete das Autoradio um auf CD-Betrieb.
Kain verspürte einen starken Drang, ihr ins Gesicht zu schlagen. Soviel Dämlichkeit auf einem Haufen gehört einfach bestraft, dachte er.
»Ich muss mich irgendwo umziehen. Kannst du kurz anhalten? Dieser weiße Anstaltsanzug ist zu auffällig.«
»Ja. Natürlich«, erwiderte sie Kopfnicken und war froh das Thema wechseln zu können. Sie drückte auf die Bremse und brachte den schweren Wagen zum Stehen.
»Doch nicht hier, direkt an der Hauptstraße. Fahr dort drüben ein Stück den Feldweg hinein, damit mich keiner sieht.«
»Ich weiß etwas Besseres«, sagte sie und Petra fuhr weiter, an einer frisch gemähten Wiese vorbei. Sie ließ die Seitenscheibe herab um den Duft des geschnittenen Grases, der sich über dem Feld ausbreitete ins Innere des Wagens zu lassen.
Dann holperte das Auto an einem lichten Birkenwäldchen vorüber, bevor die Lichtkegel der Scheinwerfer über eine Reihe strubblige Kopfweiden strichen. Gleich hinter den Weiden bog Petra scharf Links ab. Kurz darauf sahen sie den dunklen See.
Von hier aus war der Baggersee für Badegäste frei zugängig. Die einzige Stelle ohne Gestrüpp und Schilf.
Die Wiese war leicht abschüssig und im Sommer tummelten sich hier Sommerfrischler, die keine Lust verspürten zu verreisen.
Nicht ohne Absicht ist sie hierhergefahren. Sie suchte die Einsamkeit mit Kain. Hier an diesem romantischen Ort würde sie ihm ihr süßes Geheimnis offenbaren.
Deshalb hatte sie sich wieder besonders hübsch herausgeputzt. Sie trug das kleine Schwarze und bewusst kein Höschen darunter, weil Kain es so am liebsten mochte.
Petra brachte den Wagen zum Stehen, schaltete den Motor und die Scheinwerfer aus. Sie beugte sich zu ihm hinüber und strich mit ihrer Hand sanft durch sein volles Haar. Dann küsste sie ihm auf den Nacken und flüsterte.
»Ich muss dir nachher etwas sagen Kain. Etwas Wunderschönes. Ein Geheimnis.«
Kain drückte ihre Hand schroff zur Seite. Mit einem Ruck ergriff er die Sporttasche, die auf dem Rücksitz lag und öffnete den Reißverschluss. Er stieg aus und legte einige Kleidungsstücke auf den Kotflügel und begutachtete diese. Nachdem er seine Auswahl getroffen hatte, zog er sich um und warf dann diese verhassten Anstaltsklamotten zurück in den Wagen.
Petra war ausgestiegen und schmiegte sich an seine Brust.
»Na, hast du nicht etwas vergessen, bevor du dir die Jens zugeknöpft hast?«
Und sie legte sich verführerisch auf die warme Motorhaube. Geschickt ließ sie ihr Röckchen nach oben gleiten und spreizte einladend ihre Schenkel.
»Du liegst genau richtig. Wie eine kleine Rinnsteinprinzessin vom Straßenstrich«, sagte er, während er in sie eindrang. Er spürte die Hitze ihres Körpers und in jedem Stöhnen, das sie ausstieß, war ein Verlangen enthalten, das nach mehr schrie.
Aber Kain empfand nichts. Unter ihm lag nur ein zuckendes warmes Stück Fleisch, das er nicht mehr gebrauchen konnte. Sie war für ihn wertlos geworden und würde ihm nur im Wege stehe.
Kain legte mit diesen Gedanken seine Hände um ihren schlanken Hals. Er berührte ihre weiche, warme Haut und in der Halsschlagader fühlte er ihr Leben pulsieren. Für Sekunden genoss er, diese naive Ahnungslosigkeit seines Opfers und Herr über Leben und Tod zu sein. Dann drückte er zu, mit jener zerstörerischen blinden Wut, die weder Ziel noch Richtung kannte.
Ihre Augen weiteten sich in verständnislosem Entsetzen und ihre Hände krallten sich an seinen Unterarmen.
Er beobachtete ihr Sterben und sah dabei zu, wie ihre Schönheit Stück für Stück erlosch und empfand nichts.
Es ging schnell, zu schnell. Petra hatte unerwartet schnell aufgegeben.
In ihrem gebrochenen Blick lag eine unendliche Enttäuschung und zwei Tränen glänzten im Sternenlicht an ihren Wimpern, bevor sie in einem Windhauch über den Wangen zerrannen.
Aber dies sah Kain nicht.
Nachdem er seinen Griff lockerte, rutschte sie vom warmen Blech und fiel schlaff wie eine Lumpenpuppe vor seine Füße auf den Boden.
Kain öffnete die hintere Tür des Geländewagens und nahm die schwarze Aktentasche mit dem Geld heraus. Er platzierte diese neben seine Sporttasche.
Dann legte er Petra auf den frei gewordenen Rücksitz des Wagens.
»Jetzt kannst du dein Geheimnis den Fischen erzählen.«
Er schlug die Türe zu und löste die Handbremse. Verstohlen schaute er sich in alle Richtungen um.
Nachdem er sicher war, nicht beobachtet zu werden, schob er das schwere Auto den abschüssigen Hang hinab, der geradewegs in den Baggersee führte.
Zuerst verstummte das Radio. Dann blubberte es nicht mehr. Daraufhin strich der Atem des Windes die letzten Wasserkringel glatt, um das Entsetzliche zu verbergen.
Kain grinste zufrieden, dann kniete er nieder und öffnete die schwarze Ledertasche, die das Geld enthielt. Er stopfte die Scheine und die Kreditkarte zu seinen Kleidungsstücken und schulterte die unauffälliger wirkende Sporttasche. Den leeren schwarzen Aktenkoffer schleuderte er in die Brombeersträucher neben der Uferböschung und machte sich zu Fuß auf den Weg.
»Ich gehe jetzt nach Hause und werde ...« Die letzten Worte formten sich lediglich in seinen abscheulichen Gedanken.
»Hallo, hier bei Jenny Hauser«, meldete sich eine lebensfrohe helle Mädchenstimme am Telefon.
»Guten Morgen Jenny. Mein Name ist Gerhart Maurer. Ich bin der Vater von Petra.«
»Hallo Herr Maurer. Wie geht’s Petra?«
»Das wollte ich eigentlich von dir erfahren.«
»Wieso von mir ?«
»Na, ihr beide seid doch dick befreundet.«
»Ja, schon, aber ich habe sie schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
»Das verstehe ich nicht. Sie hat gesagt, dass sie sich dieses Wochenende mit dir treffen wollte. Deshalb habe ihr auch meinen Wagen gegeben. Sie war so stolz auf sich, weil sie den Führerschein bestanden hat. Ich dachte, ihr macht eine Spritztour zusammen.«
»Das wusste ich gar nicht, Herr Maurer. Das mit dem Führerschein.«
»Dann hast du Petra wirklich schon lange nicht mehr gesehen.«
»Das stimmt. Und angerufen hat sie mich in letzter Zeit auch nicht mehr.«
»Aber warum den nicht? Ihr habt euch doch immer so gut verstanden?«
»Das lag nicht an mir. Petra hat sich abgekapselt.«
»Hattet ihr Streit?«
»Nein, ich denke, das liegt an ihrem neuen Freund.«
»Petra hat einen Freund?«
»So genau weiß ich das auch nicht, weil ich ihn nie gesehen habe.«
»Woher weißt du es dann?«
»Ich habe gesehen, dass sie Blumenmuster auf einen Brief malte und ihn dann parfümierte. Das macht nur ein verliebtes Mädchen«,und sie lachte ins Telefon.
»Stimmt. So einen habe ich auch einmal von meiner Frau bekommen, in jungen Jahren«, sagte er.
»Aber was mache ich jetzt? Die einzige Telefonnummer, die ich von Petras Freundeskreis habe, ist deine.«
»Das ist kein Problem Herr Maurer, Petra hatte wenig Freunde und deren Nummer habe ich auf meinem Handy gespeichert. Ich werde alle anrufen und gebe ihnen dann Bescheid.«
»Das wäre überaus nett von dir und ich wäre dir sehr dankbar.«
»Na klar, Herr Maurer. Das ist schon in Ordnung. Also bis dann.«
Jenny legte auf.
»Mann o Mann, wie die Zeit vergeht«, sagte Robert Moser zu seinem ein paar Jahre jüngeren Nachfolger Gerd, der neben ihm stand und mit Rita diese Abschiedsparty organisiert hatte. Robert war Ehrengast auf dieser Feier, die ihn zum Frührentner abstempelte. Er nippte, verdrossen, am Sektglas und blickte wehmütig über die Ansammlung seiner Gäste hinweg. Alle waren Arbeitskollegen vom Dezernat. Viele auch nur Bekannte, mit denen er in irgendeiner Form schon einmal etwas zu tun hatte.
»Echter Schampus«, bemerkte er richtig und verzog das Gesicht, als würde er Essig trinken. Apfelessig, dachte er, den seine Frau dudelte, wenn sie wieder einmal eine ihrer supertollen Kur machte, die sie aus irgendeiner ganz mondänen Illustrierten hatte. Angepriesen als Wundermittel und Jungbrunnen von irgendeinem Doktor so und so. Daraufhin ließ sie ihm keine andere Wahl, bis auch er dieses Zeug in sich hineinschüttete.
Aus Solidarität und damit er seine Ruhe hatte, opferte er sich zu dieser Selbstkasteiung, bis der Dünnpfiff kamen.
Danach hatte sie jedes Mal ein schlechtes Gewissen und kochte ihm sein Lieblingsgericht. Schweineschulter mit Kruste, die so herrlich krachte wie Chips, wenn man reinbiss. Dazu gab es mit der Hand geschabte Spätzle auf denen sie einen Klecks Schwabengold , als Gaumenkitzler setzte. Anschließend hatte er noch einige Monate Galgenfrist, bis sie ihren nächsten Selbstversuch startete.
»Jetzt stell dich nicht so an. Ab heute kannst du mit deinem kriminalistischen Feinsinn die Forellen im Neckar aufspüren. Schach oder Halma spielen. Und dir einen Hund zum Gassigehen anschaffen. Zeit genug hast du nun als Rentner«, frotzelte Gerd Grün, der nicht erst seit gestern als sein Nachfolger gehandelt wurde.
»Hallo Robert«, unterbrach ihn Rita Bauer, die schwarzhaarige Sekretärin. »Ich möchte mit dir noch rasch anstoßen, bevor ich wieder ans Telefon gefesselt werde.«
»Na klar, Rita, mein Schmuckstück, wie könntest du mich vergessen, nach all diesen Jahren unserer fruchtbaren Zusammenarbeit. Sag mal, hast du vielleicht ein Bier da?« Dabei zog er eine Schnute, als würde er etwas Unangenehmes riechen und schaute leicht missmutig in die perlende Flüssigkeit seiner Sektflöte.
»Aber Robert, du wirst doch nicht etwa den echten französischen Champagner verschmähen, den wir extra für dich besorgt haben. Weißt du eigentlich, wie viel eine Flasche davon kostet? Ein Vermögen sag ich dir und du willst ein Bier.«
»Ist ja gut Rita. Bleib mal ganz ruhig. Ich stoße mit dir auch mit Salatmarinade an. Aber nur, weil es du bist.«
»Ach du meine Güte, ich muss zum Telefon«, flötete sie und tippelte auf ihren High Heels und mit ihrem viel zu engen Rock, der ihren attraktiven Hintern betonen sollte, zur Telefonanlage, die wieder bimmelte.
Robert grinste und stieß Gerd mit dem Ellbogen an die Seite.
»Wird Zeit, dass die einen findet, bevor sie als alte Jungfer stirbt.«
»Jungfrau ist Rita bestimmt nicht mehr. Aber immer, wenn sie einen Verehrer an Land gezogen hat, klammert sie sich an ihn wie eine Affenmama an ihr Junges und dann haut ihr Auserwählte nach kurzer Zeit wieder ab. Tja, Männer brauchen schon etwas Freiraum. Zum Atmen. Findest du nicht auch?«
»Man merkt, dass du noch nicht verheiratet bist, mein Lieber.«
»Du hattest nur verdammt viel Glück damals, sonst hätte ich dir Hilde vor der Nase weggeschnappt, geradeso wie du mir.«
»Ich weiß mein Alter. Trotzdem sind wir Freunde geblieben.«
»Hallo Gerd, komm schnell her, ich habe ein Telefonat für dich. Die Feuerwehr ist dran« rief Rita und winkte dem zukünftigen Kommissariatsleiter hektisch zu sich herüber.
»Entschuldige Robert, bin gleich wieder da, die Pflicht ruft.« Er stellte sein Glas ab und nahm den Hörer an, den ihm Rita entgegenhielt.
»Seid doch mal ruhig. Ich kann sonst nichts verstehen«, rief er in die quasselnde Menge.
»Ja, jetzt kann ich Sie verstehen. Würden sie bitte noch einmal wiederholen.«
Gerd wurde blass und sein Augenlid fing an zu zucken. Er knallte den Telefonhörer in die Gabel.
»Scheiße. Die Party ist für mich zu Ende«, sagte er zu Robert und wandte sich dem Ausgang zu.
»Was ist denn los?«, wollte Robert wissen und hielt ihn an der Schulter fest.
»Du willst es nicht wissen.«
»Was will ich nicht wissen?«, hakte Robert nach.
»Sei froh, dass dies dein letzter Arbeitstag ist.«
»Mensch Gerd spuck‘s endlich aus und spann mich nicht länger auf die Folter, noch bin ich dein Vorgesetzter.«
»Also gut, du willst es nicht anders. Am Wochenende musste die Feuerwehr zwei Brandherde auf dem Gelände der psychiatrischen Klinik in Weinberg löschen. An einem der Gebäude wurde ein leerer Benzinkanister sichergestellt.«
»Ja und? Was ist mit dem zweiten Brandherd?«
»Im anderen Gebäude entdeckte man, bei den Aufräumarbeiten, zwei verkohlte Leichen.«
»Und weiter.«
Gerd zog eine Grimasse, als würde ihm jedes Wort Schmerzen bereiten.
»Es war in Zimmer neunundzwanzig des Sicherheitstrakts. Hörst du mich, neunundzwanzig im ersten Stock.«
»Das Zimmer von Kain Wegner«, entfuhr es Robert und dabei starte er Gerd kopfschüttelnd in die Augen.
»Meinst du, das Schwein ist verbrannt?«
»Keine Ahnung, das müssen wir feststellen.«
»Wieso wir?«, entgegnete Gerd.
»Ich komme selbstverständlich mit. Das will ich mit eigenen Augen sehen.«
»Vergiss nicht, die Spurensicherung hin zu beordern.«
»Das hat die Feuerwehr schon in die Wege geleitet. He, Oliver, auf geht’s, die Pflicht ruft.«
Oli stellte sein Glas ab.
»Scheiß Job, immer wenn es am schönsten ist muss man ... Ach, ist ja auch egal. Ich komme schon.«
Er gab der heißen kleinen Blonden in Uniform, mit der er geflirtet hatte, einen Kuss auf die Wange und verabschiedete sich mit einem kräftigen Klaps auf deren strammen Hintern.
»Guten Tag, mein Name ist Gerhart Maurer und ich muss meine Tochter als vermisst melden, weil...«
»Einen kleinen Augenblick, bitte. Ich bin gleich für Sie da. Ich muss nur noch schnell diese E-Mails bearbeiten. Nehmen Sie doch derweil Platz«, sagte der uniformierte Beamte und deutete auf einen der abgenutzten Stühle, die vor seinem Schreibtisch standen.
»So, das wäre erledigt«, meinte er nach einer Weile und richtete einen fragenden Blick auf Herrn Maurer, der ihm mit rundem Rücken und trübem Blick gegenüber saß.
»Also, wie ich schon sagte, meine Tochter hat sich das ganze Wochenende nicht mehr bei mir gemeldet und ich mache mir große Sorgen um sie.«
»Sie wollen eine Vermisstenanzeige aufgeben, Herr. ... Wie war doch gleich ihr Name?«
»Maurer, Gerhart Maurer.«
»Adresse?«
»Ludwigstraße fünf in Heilbronn.«
»Schildern Sie mir nun, was sie dazu veranlasst, anzunehmen, dass ihre Tochter verschwunden sei. Wie heißt das Mädchen überhaupt?«
»Petra, Petra Maurer und sie ist gerade erst achtzehn geworden.«
»Dann ist Ihre Tochter volljährig.«
»Das weiß ich auch.«
»Können Sie mir eine Personenbeschreibung geben. Hat sie besondere Merkmale?«
»Ich habe ein Bild von ihr dabei«, sagte er und schob dem Beamten mit zitternden Fingern eine Fotografie von Petra über den Schreibtisch.
»Ein hübsches Mädchen«, bemerkte dieser. »Wie lange genau ist sie schon weg?«, wollte der Beamte wissen.
»Seit Samstag.«
»Wissen Sie zufällig, was sie vorhatte?«
»Sie wollte sich mit einer Freundin treffen und mit ihr eine Spritztour ins Grüne machen. Petra hat seit kurzem den Führerschein, aber noch kein Auto. Ich wollte ihr eine Freude machen und habe ihr meinen Wagen gegeben.« Er senkte traurig den Kopf.
»Die Freundin, wie ist ihr Name?«
»Jenny Hauser. Ich habe mit dem Mädchen schon telefoniert und sie hat behauptet, dass Petra nicht bei ihr erschienen sei. Sie wusste nichts von einer Verabredung.«
»Offensichtlich hat ihre Tochter Sie angeschwindelt.« Stellte der Beamte nüchtern fest und grinste.
»Petra hat es nicht nötig, zu lügen. Sie ist meine einzige Tochter. Mein Nesthäkchen. Mein ein und alles. Nach dem unerwarteten Tot meiner Frau sind wir noch näher zusammengerückt. Wir haben sonst keine Verwandtschaft. Wir haben nur uns. Ich vertraute ihr völlig.«
»Wieso vertraute?« Der Beamte richtete sich auf und wurde hellhörig.
»Seit ihrem Verschwinden fehlt meine Kreditkarte und es wurde ein beträchtlicher Geldbetrag von meinem Konto abgehoben.«
»Wie viel?«
»Zehntausend.«
Der Beamte pfiff leise durch die Zähne.
»Wollen Sie Anzeige erstatten?«
»Sie meinen, ich soll mein eigenes Kind belasten? Niemals!«
»Nun, Herr Maurer, ich fasse zusammen. Ihre Tochter ist volljährig. Sie fährt Ihr Auto. Petra hat Sie offensichtlich bestohlen. Meiner Meinung nach will sie gar nicht gefunden werden.«
»Ihre Meinung ist mir egal. Ich will ... Ich will, dass Sie mein Kind suchen, dafür sind Sie da. Das Geld ist mir schnurz, das kann ich ersetzen, aber meine Petra ist unersetzlich. Ist das angekommen bei Ihnen?«, wetterte Herr Maurer erregt über den Schreibtisch und fuhr dabei in die Höhe.
»Jetzt beruhigen Sie sich, Herr Maurer. Setzten Sie sich wieder. Ich tue mein Möglichstes, um Ihnen zu helfen«, beschwichtigte dieser.
»Davon merke ich nicht viel«, sagte Herr Maurer, rieb sich die Schläfe und setzte sich wieder.
»Geben Sie mir noch die Autokennzeichen und den Fahrzeugtyp an, mit dem ihre Tochter unterwegs ist. Als Nächstes werde ich die Daten den Kollegen weiterleiten. Die werden sich um ihre Sache kümmern. Bis dahin können Sie nachhause gehen. Wir informieren Sie, sobald wir neue Erkenntnisse haben.«
Herr Maurer gab dem Beamten die von ihm gewünschten Daten. Er stand entkräftet, mit hängenden Schultern auf und ohne Gruß verließ er das Polizeigebäude. Auf der Straße blieb er nachdenklich stehen und rieb sich die Stirn. Hätte ich den Freund erwähnen sollen?, fragte er sich.
»Grün mein Name. Gerd Grün und diese zwei Herren gehören zu meinem Ermittlungsteam.«
»Ach nee, die drei Musketiere von der Mordkommission. Wo bleibt ihr nur so lange? Euretwegen schiebe ich wieder Überstunden«, maulte der sachverständige Spezialist für Brandstiftungen.
»Was sagst du da? Glaubst du, wir haben unsere Party abgebrochen, nur um uns hier dumm anmotzen zu lassen?«, entgegnete Gerd gereizt und hob drohend den Zeigefinger.
»Aber meine Herren, sparen sie sich ihre Energie lieber für die bevorstehenden Ermittlungen auf und bleiben sie sachlich«, mischte sich Robert energisch ein.
»Siehste Gigi. Dein Chef sagt auch, du sollst die Gosche halten«, sagte der Feuersalamander und grinste hämisch.
»Gigi, dürfen mich nur meine Freunde nennen. Und da gehört kein Feuersalamander dazu. Hast du verstanden? Für dich bin ich immer noch Herr Gerd Grün.«
»Na meinetwegen. Hauptsache ihr fangt jetzt an, mit eurem Job, bevor ich in Rente gehe. Schließlich habe ich heute noch etwas vor«, sagte der Feuersalamander brummig und stapfte wegweisend vor ihnen her.
»Ich habe nicht gewusst, dass ihr euch kennt«, flüsterte Robert zu Gerd. »Wieso sagst du Feuersalamander zu ihm?«
»Sein Nachname ist Salamander und seine feuerroten Haare schreiben ihm den Spitznamen ungefragt auf die Stirn. Außerdem ist das Feuer sein Beruf. Diesen komischen Kauz konnte noch keiner leiden. Auch bei uns stimmt die Chemie nicht.«
»Dann werde ich mit ihm reden, wenn‘s dir recht ist. Meine letzte Amtshandlung, sozusagen. Nimmt auch ein wenig Druck aus unserer Kommunikation. Was meinst du?«
»Wie du meinst Robert. Aber jetzt bin ich erstmal gespannt, was am Tatort auf uns wartet.«
Der Rothaarige führte die Ermittler am ersten Gebäude vorbei, welches die Flammen bis auf die Grundmauern aufgefressen hatten.
»Da war nichts mehr zu machen. Älteres Gebäude. Viel Holz. Keine Sprinkleranlage. Zum Glück ist der alte Schuppen leer gestanden.«
Weiter ging es zu jenem Haus, das als Sicherheitstrakt für schwierige Patienten genutzt wurde.
»Wie sie von außen sehen können, ist...«
»Uns interessiert nur die Etage mit dem Zimmer neunundzwanzig, in dem sich die Leichen von zwei Personen befinden sollen«, unterbrach Robert schroff.
»Dann folgen Sie mir. Ich führe Sie direkt da hin. Hier, ziehen Sie die Überschuhe an, um den Tatort nicht zu kontaminieren«, befahl der Feuersalamander.
Die Ermittler schlüpften in die blauen Überzieher und betraten im Gänsemarsch die Brandruine.
Verrußter Schlamm klebte an den Wänden, die einmal weiß gestrichen waren. Auf den Böden waren Pfützen, gefüllt mit Löschwasser, das in giftigen Regenbogenfarben schillerte. Es roch nach Ruß und verschmortem Gummi. Ein bitterer Geschmack legte sich ungefragt auf die Zunge und der Atem wurde flacher.
»Siehst‘e Oli so sieht es in deiner Raucherlunge aus, wenn du noch ein paar Jahre qualmst«, lästerte Gigi und grinste schadenfroh.
Oli spukte verächtlich aus.
Die Treppe war trotz alledem gerade noch begehbar. Etwas schlüpfriger war es im ersten Stock. Die Decke im Flur hatte sich in der Hitze völlig aufgelöst und gab den Blick auf nackten Beton, Rohrleitungen und verschmorte Kupferkabel frei.
Endlich standen sie vor diesem besagten Zimmer 29, oder vor dem, was noch von diesem übrig geblieben war.
Robert schob die schwere Metalltüre einen Spalt auf. Sogleich lösten sich verschmorte Kunststoffteile aus der Verkleidung und platschten vor ihm ins teerige Löschwasser.
»Nichts anfassen!«, befahl der Rotschopf mit strenger Stimme.
»Ich muss da hinein«, gab Robert zurück.
»Die Spurensicherung war schon drin«, informierte der Feuersalamander.
»Aber wir nicht«, entgegnete Robert schroff und fügte hinzu, »im Übrigen, befinden Sie sich nun in unserem Kompetenzbereich und ich möchte Sie bitten nicht in das Zimmer zu treten.«
»Aber...«
»Nix aber«, mischte sich jetzt Gigi mit dem befriedigten Grinsen eines Säuglings ein und trat in das ausgebrannte Zimmer.
»Hier drin stinkt es wie in einem überfüllten Aschenbecher«, meinte Robert.
»Kannst du etwas erkennen?«, wollte Gigi wissen.
»Nichts. Alles abgefackelt. Das muss eine gewaltige Hitze gewesen sein.«
»Kein Wunder, bei all dem Kunststoff an den Wänden und der Decke. Da sind sogar die Fensterscheiben geplatzt«, erklärte Oli und tappte an der WC-Schüssel und Dusche aus Vollmetall vorbei.
»Schau mal rüber zu diesem Metallgestänge am Fenster. Das war bestimmt ein Gitterbett. Dort liegt etwas. Seht ihrs?«
»Das muss ich mir schon etwas genauer anschauen«, sagte Robert und ging neugierig näher.
»Ach du mein Gott, das sind zwei verbrannte Jugendliche«, äußerte Oli bestürzt.
»Da sieht man mal wieder, dass du noch Frischling bist in unserem Gewerbe. Das sind keine Jugendliche. Das sind die Leichen, die wir gesucht haben«, sagte Robert und trat näher.
»Aber warum sind die so klein?«, wollte Oliver wissen.
»Die Hitze Oli. Diese enorme Hitze ließ das Wasser im Körper der Opfer kochen und die Leichen schrumpfen. Die Forensik wird Schwierigkeiten haben, die DNA festzustellen, wenn die Zähne und Knochen der Opfer nicht mehr zu gebrauchen sind. So wie die Sachlage im Augenblick ist, können wir rein optisch keine Personenbeschreibung mehr durchführen. Es verbietet sich, die verkohlten Körper zu berühren. Die leiseste Erschütterung könnte sie zu Kohlenstaub zerfallen lassen. Uns bleibt nichts übrig, als den Bericht der Gerichtsmedizin abzuwarten«, meinte Robert enttäuscht.
»Du hast dir mehr Information vom Tatort versprochen, stimmts, Robert?«
»Jetzt fängt wieder alles von vorn an.«
»Immerhin könnte Kain Wegner einer von den beiden da sein.«
»Könnte«, entgegnete Robert.
»Denkbar ist alles«, meinte Gigi, klang aber nicht überzeugend.
»Ich weiß es nicht. Ich habe immer so ein Jucken in der Hand. Immer wenn etwas nicht stimmt«, entgegnete Robert genervt und reib sich zwischen den Fingern.
»Die Ungewissheit und das Warten auf ein wichtiges Ereignis, ist nervtötend«, sagte Gigi und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Du haust genau in meine Kerbe. Ausgerechnet jetzt soll ich aus dem Dienst ausscheiden. Ich muss euch den Rücken kehren und hocke zu Hause dumm herum.
Keine Ahnung, was da noch auf uns zukommt. Dieser Psychopath ist verdammt gefährlich, nicht nur für mich und meine Familie. Zum Kotzen diese Ungewissheit«, schimpfte Robert und seine Gedanken durchwühlten wieder die entsetzliche Vergangenheit.
»Guten Tag. Sind Sie, Herr Gerd Grün?«
»Kommt darauf an«, entgegnete Gigi der blonden Naturgewalt auf zwei Beinen mit der frechen Bubikopffrisur, die ein Kopf kleiner war als er und mit einem abgegriffenen Leitz-Ordner unterm Arm vor ihm stand.
»Mein Name ist Liselotte Schmalz. Sie können einfach halber Lisa zu mir sagen«,dabei reichte sie ihm lächelnd ihre ausgestreckte Hand entgegen.
»Angenehm Lisa. Dann bin ich Gerd für Sie. Das Doppel G, steht für Gigi und wurde mir von meinen Kollegen verpasst. Was kann ich für Sie tun?«
»Hat man Sie nicht informiert?«, fragte sie erstaunt und ließ enttäuscht den Ordner sinken.
»Kommen Sie zur Sache, Lisa, ich habe heute noch einiges vor«, entgegnete er gereizt.
»Also gut, wie Sie wollen, Telegrammstil. Sie haben einen Ermittlungsbeamten angefordert und ich wurde ihnen zugeteilt.«
»Sie sind noch jung, Lisa. Haben Sie Erfahrung?«
»Theoretisch.«
»Also keine! Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Lisa. Mein Team braucht einen erfahrenen Beamten, der Robert ersetzen kann. Mit Oli währen Sie schon der zweite Lehrling, den ich am Hals hätte. Ich habe keine Lust, Glucke zu spielen, um auf zwei Küken aufzupassen, bei der Sache, die auf uns zukommt.«
»Sehen Sie sich wenigstens meine Unterlagen an, bevor Sie mich ablehnen«, forderte Lisa mit einem Lächeln.
»Ich werde Sie nicht ablehnen. Auf keinen Fall. Wenn ich das täte, würde ich keinen Ersatz mehr für Robert bekommen. Da sind die da oben stur. Die streichen mir die Stelle. Ich möchte, dass Sie ihre Bewerbung für unsere Abteilung zurückziehen. Wie wäre es mit dem Rauschgiftdezernat? Oder der Sitte? Die suchen sicher auch gute Leute.«
»Antwort im Telegrammstil?«
»Ich bitte darum«,stöhnte er heißer und schaute provokant auf die Uhr.
»Nein«,kam es knapp und hart wie ein Aufschlag im Tennis zu ihm zurück und ihr Lächeln gefror.
Weiber, dachte Gigi und atmete tief durch. Stur ist sie ja und sie weiß, was sie will.
»Also in Gottes Namen. Nehmen Sie Platz und zeigen Sie mal her.«
Lisa setzte sich Gigi gegenüber auf den Besucherstuhl und schob ihm ihren Ordner über den Schreibtisch zu.
Sie musterte Gigi interessiert, während dieser ihre Bewerbungsunterlagen, durchging. Er bekam große Augen. Dann wiederum schüttelte er ungläubig den Kopf. Als er den Deckel zuklappte und ihr den Ordner zurückgab, pfiff er bewundernd durch die Zähne. »Mein lieber Schwan. Ihr Zeugnis ist außergewöhnlich gut. Profiler sind Sie auch und haben einige Semester Psychologie studiert. Alle Achtung, ich ziehe den Hut vor ihnen, Lisa. Aber trotzdem. Es ist ein harter Job für Jungs. Nichts für Mädchen. Überlegen Sie es sich nochmal.«
»Antwort im Telegrammstil?«
»Glauben Sie mir, Lisa, dies ist...«
»Nein.«
»Ich hab‘s befürchtet.« Gigi strich sich verlegen über den Hinterkopf.
»Wann kann ich anfangen.« Ihr Lächeln war zurück und nun fordernd.
»Langsam Lisa. Ich möchte Ihnen Oliver Rot, Ihren zukünftigen Partner, noch vorstellen«, sagte er und dabei erhob er sich schwerfällig und öffnete die Bürotüre.
»Oli. Hör auf, mit Rita zu flirten, mache deine Kippe aus und komm ins Büro. Ich möchte dich mit jemandem bekannt machen.«
Oli sah zu Gerd hin, nickte kurz und flüsterte Rita etwas ins Ohr, das sie zum Lachen brachte. Daraufhin drückte er seine Zigarette aus und schlenderte mit einer Hand in der Hosentasche lässiger in Gerds Büro.
»Was gibt es Wichtiges, Chef?«
»Ich möchte dich mit Frau Liselotte Schmalz bekannt machen. Sie ist deine neue Kollegin. Frau Schmalz ist der Ersatz für Robert.«
»Was für eine angenehme Überraschung. Willkommen in unserem Team. Ich bin Oliver Rot. Aber zur Einfachheit nennen Sie mich Oli«, sagte er und begrüßte Lisa mit Handschlag.
»Dann nennen Sie mich Lisa und sagst du zu mir, wenn wir schon Kollegen sind.«
»Schön Lisa. Hast du heute Abend schon etwas vor?«
»Hör auf mit dem Unsinn, Oli. Gib mir lieber die Vermisstenmeldung aus der Klinik.«
»Also Chef. Ich habe mit der Personalchefin telefoniert und die meinte, es waren sechs Personen, die vermisst wurden. Eine verwirrte Person wurde noch in der Brandnacht im Wald gefunden. Demnach sind drei Patienten auf der Flucht, wenn ich die zwei verbrannten berücksichtige. Im Übrigen ist unter den Vermissten auch ein Pfleger. Sein Name ist Karl Schimmel.«
»Dann könnte einer der zwei Brandopfer der Pfleger sein. Ich glaube nicht, dass dieser flüchtig ist und in der Landschaft herumirrt wie die Patienten, die das Weite gesucht haben im allseitigen Chaos.«
»Was ist mit der DNA-Probe?«, mischte sich Lisa ins Gespräch ein. »Diese könnten uns Aufschluss geben.«
»Richtig, aber das Ergebnis liegt uns noch nicht vor. Und bis dahin müssen wir einer Vermisstenmeldung nachgehen, die ein Herr Gerhart Maurer aufgegeben hat. Er vermisst seine achtzehnjährige Tochter Petra, die mit einem blauen Mercedes unterwegs sein soll.«
»Wer sucht die flüchtigen Patienten?«,wollte Lisa wissen.
»Um die soll sich die Streifenpolizei kümmern. Ein Hubschrauber wurde auch schon angefordert. Außerdem sind schon die freiwilligen Helfer der Unterländer Hundestaffel im Wald Unterweg. Wenn du unbedingt aktiv werden willst, kannst du mir die Handyortung von Petra zukommen lassen. Oli wird dich dabei unterstützen. Dann lernst du auch gleich die Abteilungen in unserem Präsidium kennen«, sagte er und bemerkte nicht, dass er sie schon duzte.
»Komm Lisa, bis wir das Fax mit den Daten von der Telekom bekommen, schauen wir im Madenzirkus vorbei.«
»Wo willst du hin?«
»Na, zu den Forensikern, in den Keller.«
»Was wollen wir denn da?«
»Die beiden Brandopfer sind eingeliefert worden. Vielleicht liegt schon ein Ergebnis vor. Wir müssen wissen, wer diese beiden Toten sind.«
»Das verstehe ich nicht. Warum müssen wir aktiv werden? Die flüchtigen Patienten fallen auch nicht in unser Aufgabengebiet. Unser Job ist Mordaufklärung. Bei den Brandopfern handelt es sich nicht um ein Tötungsdelikt, sondern um einen Unfall oder verschweigst du mir etwas?«
Ihr Augen wurden groß. Lisa hielt Oli am Ärmel fest und bremste ihn.
»Nun?«, forderte sie.
»Du hast recht. Das kannst du auch nicht wissen. Das war vor deiner Zeit.«
»Was war vor meiner Zeit?«
»In Zimmer neunundzwanzig wurde Kain Wegner untergebracht.«
»Wegner. Wegner. Warte einmal. Der Name sagt mir was. Wegner, ist das etwa der Serienkiller? Engelmacher haben ihn die Reporter getauft, soviel ich noch weiß. Meinst du ihn?«
»Genau den. Robi, ich meine Robert Moser, mein ehemaliger Chef hat ihn zur Strecke gebracht.«
»Ich habe den Fall damals vor ungefähr drei Jahren verfolgt. Es war ein reiner Indizienprozess«, stellte Lisa trocken fest.
»Genau. Seine Schuld wurde nur auf die in seiner Wohnung gefundenen Kleidungsstücke der Kinder zurückgeführt. Die vermissten Kinder wurden nie gefunden. Keiner weiß genau, wie er vorgegangen ist. Selbst der Tatort liegt noch im Geheimen.«
»Wie kam es dann zum Urteil?«, wollte sie wissen.
»Der Richter war unschlüssig und forderte mehrere Psychologen Gutachten an.
Übereinstimmend wurde eine Art Paranoia oder Beziehungswahn diagnostiziert. So genau weiß ich das nicht. Ich bin schließlich kein Seelenklempner. Infolgedessen kam es zu einer Zwangseinweisung mit Sicherungsverwahrung auf Lebenszeit ohne Möglichkeit auf Rehabilitation.«
»Schrecklich für die Eltern der getöteten Kinder.«
»Nicht nur für die Eltern. Lisa. Er hat Robert angedroht, sich zu rächen, sobald er die Möglichkeit dazu bekommen würde.«
»Du und Gigi, ihr seid der Meinung, dass Kain ausgebrochen sein könnte?«
»Dass zwei Brandherde zur gleichen Zeit auf dem PLK-Gelände entstanden sind, stinkt doch gewaltig. Darum gehen wir jetzt in die Katakomben und überprüfen die DNA der Opfer. Wenn Kain dabei sein sollte, hat sich unser Problem gelöst.«
»Und wenn nicht?«
»Dann ist die Kacke am Dampfen.«
Grelles Licht ließ Lisas braunen Teint weichen. Sie wirkte wie ein blasser Geist im Blitzlicht, als sie mit Oli den Auferstehungsraum betrat. Ein gleichfalls überbelichteter Arzt stand vornübergebeugt am Seziertisch. Die weibliche Leiche, die er inspizierte, hatte dunkle Flecken am aufgedunsenen Bauch und war nackt. Nur ein kleines beschriftetes Kunststoffblättchen mit Drahtöse, das aussah wie ein Preisschild in einem Kaufhaus, hing am großen Zeh der Toten. Der Kühlraum roch intensiv nach Desinfektionsmittel und hatte etwas Beängstigendes.
»Mach doch mal den grellen Scheinwerfer aus«, verlangte Oli.
Der Arzt drehte sich behäbig zu Oli um. Dann drückte er auf einen Schalter an der Wand und fragte: »besser so?«
»Viel besser. Danke.«
»Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«, wollte er wissen.
»Ja, sag meiner neuen Kollegin guten Tag.«
Der Arzt ging auf Lisa zu und meinte:» Herzlich willkommen im Auferstehungsraum. Ich bin Frank, wie Frankenstein und Chef in meinen Katakomben.«
»Hallo, Frank, ich bin Lisa und dem Team von Oli zugeteilt worden.«
Sie bekam eine Gänsehaut in der Nähe der Toten und daran waren nicht nur die Kühlaggregate schuld.
»Was kann ich für euch tun?«, wiederholte Frank.
»Ich brauche das Ergebnis deiner DNA-Analyse von den beiden Brandopfer, die in deinem Kühlhaus aufbewahrt sind.«
Der Angesprochene streifte in Etappen seine Latexhandschuhe ab und entsorgte diese. Daraufhin strich er sich verlegen über seine Glatze und meinte, mit dem Blick auf den Boden gerichtet.
»Das kannst du vergessen. Keine Chance.«
»Was soll das Heißen?«, fragte Oli.
»Dieses Höllenfeuer hat alles aufgefressen. Aus den Knochen und den Zähnen habe ich Proben entnommen. Die DNA ist zerstört und nur noch in kurzen Strängen existent. Zu wenig für eine aussagekräftige Analyse. Ich habe keine Chance.«
»Bei beiden Brandopfern?«, wollte er wissen.
»Ja, leider.«
»Schöner Mist. Jetzt müssen wir darauf hoffen, dass die ausgebüxten Patienten wieder in Gewahrsam genommen werden, damit wir sie identifizieren können. Hoffentlich ist es dann nicht bereits zu spät.«
»Wofür zu spät?«, wollte Frank wissen. Doch Oli und Lisa hatten ihm schon den Rücken zugewandt und verschwanden ohne Gruß aus dem Raum.
Gigi wurde blass und ließ sich desolat in seinen Bürostuhl fallen.
»Ich möchte einmal erleben, dass irgendetwas einfach ist«, stöhnte er, als Oli ihm das Ergebnis von Dr.