Kakaoküsse und Weihnachtswunder - Emma S. Rose - E-Book
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Kakaoküsse und Weihnachtswunder E-Book

Emma S. Rose

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Beschreibung

Kann ein Zufall dein gesamtes Leben verändern? Ihren Start ins Studentenleben hat Amelie sich anders vorgestellt. Anstatt Freunde zu finden, verkriecht sie sich hinter ihren Büchern. Dass sie mit der Weihnachtszeit sehr schmerzhafte Erinnerungen verbindet, macht die Situation nicht besser. Als sie eines Abends gemeinsam mit Nikolas in der Bibliothek eingeschlossen wird, ahnt sie nicht, dass sich ihr Leben grundlegend ändern wird. Er ist alles, wovor sie sich fürchtet: Selbstbewusst, gutaussehend und beliebt. Außerdem überrascht er sie, denn anstatt sich über ihre Unsicherheit lustig zu machen, entlockt er ihr sogar sehr persönliche Dinge. Am nächsten Tag ist Amelie alles – aber nicht mehr unsichtbar. Nikolas will sie um jeden Preis kennenlernen, und als er bemerkt, wie schwer ihr die Adventszeit fällt, steht sein Entschluss fest. Er wird ihr persönlicher Weihnachtsengel. Dabei muss er nicht nur gegen die Vorurteile mancher Kommilitonen ankämpfen, sondern vor allem gegen Amelie selber, die an seiner Aufrichtigkeit zweifelt. Zwischen Schneeflocken, Kakao und Weihnachtsmusik kommen Gefühle ins Spiel – und Amelie muss sich entscheiden, ob sie über ihren eigenen Schatten springen kann oder nicht. Sie ist die Unsichtbare. Er der heißeste Kerl des Semesters. Kann es für sie ein Weihnachtswunder geben?

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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KAKAOKÜSSE UND WEIHNACHTSWUNDER

EMMA S. ROSE

Kakaoküsse und Weihnachtswunder

Emma S. Rose

 

1. Auflage

November 2019

© Emma S. Rose

Rogue Books, Inh. Carolin Veiland, Franz - Mehring - Str. 70, 08058 Zwickau

[email protected]

Buchcoverdesign: Sarah Buhr / www.covermanufaktur.de unter Verwendung von Bildmaterial von merggy; tijanaM / Shutterstock

Alle Rechte sind der Autorin vorbehalten.

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung und Vervielfältigung - auch auszugsweise - ist nur mit der ausdrücklichen schriftlichen Genehmigung der Autorin gestattet.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung des Werkes in andere Sprachen, liegen alleine bei der Autorin. Zuwiderhandlungen sind strafbar und verpflichten zu entsprechendem Schadensersatz.

Sämtliche Figuren und Orte in der Geschichte sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit bestehenden Personen und Orten entspringen dem Zufall und sind nicht von der Autorin beabsichtigt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek.Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Für die größten Wunder meines Lebens:

Felix und Charlotte.

Ich kann es kaum erwarten, das Leuchten eurer Augen in der Adventszeit von Jahr zu Jahr größer werden zu sehen.

Liebe ist nicht etwas, das du findest, Liebe ist etwas, das dich findet.

LORETTA YOUNG

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Epilog

Danksagung

Newsletter

Über den Autor

Auf einer langen Liste an Dingen, die uncool waren, zählte »in einer Bücherei eingeschlossen werden« definitiv zu den Top Ten.

Nicht, dass es schlimm war, eine ganze Nacht lang alleine mit einem Haufen Büchern zu sein, das nicht. Früher gehörte das sogar zu meinen Wunschvorstellungen. Ewige Stunden lang nach Lust und Laune lesen, dabei vielleicht Schokolade essen, und mich total rebellisch fühlen. Mit elf, zwölf Jahren klang das ziemlich verlockend.

Nun aber, allein zwischen all den dunklen Regalschluchten, fühlte ich mich eher bedroht als geborgen, eher ängstlich als rebellisch.

Nein. Heute, einige Jahre später, gefiel mir diese Vorstellung längst nicht mehr so gut. Erschaudernd umklammerte ich meine Bücher, presste sie wie ein Schutzschild vor die Brust und lief durch den dunklen Raum in die Richtung, wo das kleine, grüne Notausgangsschild leuchtete. Nicht, dass ich ernstlich vorhatte, diese Tür aufzureißen und damit einen Alarm auszulösen. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie das innerhalb kürzester Zeit die Runde über den Campus drehen würde. Ängstliche Studentin löst Alarm aus, weil sie zu blöd ist, rechtzeitig die Bibliothek zu verlassen. Gerade jetzt, zu Beginn meines ersten Semesters, während meine Versuche, Anschluss zu finden, noch nicht richtig gefruchtet hatten, konnte ich auf diese Art von Aufmerksamkeit sehr gut verzichten. Aber dort war wenigstens ein bisschen Licht. Und es gab ein paar Arbeitsplätze, an denen ich es mir gemütlich machen konnte.

So die Theorie.

Von dort aus würde ich mich orientieren, mir einen Plan zurechtlegen. Nachdem ich die Haupteingänge bereits kontrolliert und festgestellt hatte, dass diese verschlossen waren, blieben mir nicht allzu viele Optionen. Um mein nervös pochendes Herz zu beruhigen, erschien es mir sinnvoll, mich nahe einer Lichtquelle auszuruhen, meinen letzten Müsliriegel zu essen und die Panik unter Kontrolle zu bekommen. Vielleicht hatte ja auch jemand sein Ladekabel liegen gelassen. Eher weit hergeholt, aber die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt. Ich hatte nicht wirklich geplant, über Nacht zu bleiben, weshalb ich den Akku meines Handys durch ausgiebigen Spotifykonsum zum Kapitulieren gebracht hatte. Dummer Fehler, an dieser Stelle. Anfängerfehler. Aber wer hätte denn ahnen können, dass ich in der Unibibliothek eingeschlossen werden würde?

Ich ganz sicher nicht.

Gedankenversunken war ich derart darauf fokussiert, den Arbeitsplatz direkt neben der Tür zu ergattern und meine müden Beine auszuruhen, dass ich im ersten Moment gar nicht realisierte, was mein Herz bereits mit einem nervösen Flattern ankündigte.

An einem der Arbeitsplätze weiter links saß, mit dem Oberkörper auf dem Arbeitsplatz abgelegt und offenbar schlafend, ein weiterer Mensch.

Anhand der Silhouette vermutlich ein Mann, wie ich noch geistesgegenwärtig feststellte.

Dann begann ich zu schreien.

In diesem Moment geschahen zwei Dinge zugleich. Der dunkle Schatten vor mir richtete sich ruckartig stöhnend auf und ich plumpste rückwärts auf meinen Hintern. Nun stöhnte auch ich, denn der Aufprall war nicht gerade angenehm, auch wenn meine Rückseite ausreichend gepolstert war.

Der Schatten drehte sich zu mir um – ja, tatsächlich ein Mann – und starrte auf mich hinunter. Mit Sicherheit gab ich ein wundervolles Bild ab, so zu seinen Füßen sitzend und mit Büchern um mich herum verteilt. Ein kehliges Geräusch entkam meinen Lippen.

»Was zur Hölle?«

Wir starrten uns an. Natürlich war ich sprachlos. Jeder andere Mensch hätte jetzt irgendetwas getan, aber ich konnte nur stumm wie ein Fisch dasitzen und glotzen. Das Licht war gedimmt, aber trotzdem mehr als ausreichend, um mir zu verraten, wer genau da eigentlich vor mir stand und offenbar dem gleichen Schicksal wie ich ausgeliefert war.

Nikolas Winter, der wohl heißeste Typ vom Campus; zumindest aus meinem Semester. Einer von den Typen, die mich bisher nicht einmal angesehen hatten, die wahrscheinlich nicht einmal wussten, dass ich existierte.

Aber tada, hier war ich. Saß ihm zu Füßen, starrte mit offenem Mund zu ihm hinauf und spürte, wie sich Röte in meinem Gesicht ausbreitete.

Und auf meinem Dekolleté.

Verflucht, wahrscheinlich glühte mein gesamter Körper, und ich konnte nichts dagegen tun. Immerhin spielten die Lichtverhältnisse mir jetzt in die Karten; das grünliche Licht kaschierte meine Scham. Dennoch, mir persönlich reichte es bereits, zu wissen, dass mein Körper mich blamierte.

»Äh, hi?«, brachte ich schließlich hervor.

Nikolas Winter schnaubte. »Was ist hier los?«

Eine eher dumme Frage, wenn ihr mich fragt. Ungewollt schlüpfte mir ein Lachen über die Lippen, das leicht irre klang. »Es ist dunkel.«

Seine Augenbrauen wanderten in die Höhe.

»Und leer.«

Nun begann sein Gesichtsausdruck sich zu verändern, so als würde ihm etwas dämmern. Kluger Kerl. Er atmete scharf ein.

»Wir, äh, sind hier irgendwie eingeschlossen?«

»Was?« Auch wenn er im ersten Moment sehr irritiert wirkte, geschah schon im nächsten Moment etwas, das mir buchstäblich die Luft zum Atmen raubte: Er lachte los. Laut, volltönend, und mit Sicherheit nicht panisch oder irre oder sonst wie beunruhigt.

Nein.

Er klang, als wäre das hier tatsächlich ein Spaß. Verwirrt starrte ich ihn an.

»Komm.« Wie aus dem Nichts reckte er mir seine Hand entgegen. Noch immer lachend, weshalb sie zitterte, aber ich konnte mehr als deutlich erkennen, wie groß und kräftig sie war.

Männlich.

Im ersten Moment wäre ich lieber mit dem Erdboden verschmolzen, als diese Hand zu ergreifen, aber das hätte nur Fragen aufgeworfen. Als sein Gelächter verebbte, seine Miene etwas ernster wurde, zögerte ich den Augenblick nicht länger hinaus und nahm sein Angebot, mir aufzuhelfen, an. Schwungvoll – schwungvoller als erwartet – zog er mich auf die Füße. Ich stolperte einen Schritt nach vorne, weshalb er mich nicht losließ, mit der anderen Hand sogar meine Schulter ergriff und mich stabilisierte.

Dann stand ich vor ihm. Er war mehr als einen Kopf größer als ich, weshalb ich im ersten Moment lediglich gegen seine Brust starrte. Langsam wanderten meine Augen nach oben, und als unsere Blicke sich trafen, spürte ich ein seltsames Ziehen in der Magengrube. Augenblicklich riss ich meine Hand los, verschränkte die Arme und starrte zu Boden.

»Also das ist ja mal ein lustiger Zufall«, murmelte Nikolas. »Wir beide hier eingeschlossen. Wie ist das überhaupt möglich?«

Oh, diese Frage hatte ich mir bereits gestellt, als ich noch nichts von meiner zweifelhaften Gesellschaft gewusst hatte. Ohne ihn anzublicken, ging ich in die Hocke, um meine Bücher einzusammeln. »Das Personal ist knapp, und -« Weitere Worte blieben in meinem Hals stecken, da er direkt neben mir ebenfalls zu Boden sank und nach ein paar von den Büchern griff, die ich so heldenhaft um mich herum verteilt hatte. Automatisch verschloss sich meine Kehle, und als ein Hauch seines Aftershaves oder was auch immer in meine Nase drang, kapitulierte auch diese. Weiche Wattewolken breiteten sich in meinem Hirn aus; anders konnte ich mir nicht erklären, wieso zumindest Teile von mir aufhörten zu funktionieren. Ich räusperte mich trocken. »Also, äh, ich war im Archiv und habe die Zeit vergessen.«

Nikolas schnaubte leise. »Und ich bin eingeschlafen. Offensichtlich. Hier.«

Ich nahm seine Bücher entgegen, legte sie auf meinen Stapel und richtete mich ruckartig auf. Erneut taumelte ich ein wenig, dieses Mal aber von ihm fort. Noch ehe Nikolas mich berühren konnte, eilte ich zu jenem Arbeitsplatz, der vorhin noch mein Ziel gewesen war, und ließ mich auf den Stuhl sinken.

In meinem Kopf drehte sich alles.

Faktencheck.

Seit knapp einem Monat war ich nun eine Studentin. Bisher hatte ich einen Großteil meiner Zeit damit verbracht, mich mit meiner Umgebung vertraut zu machen. Dabei hatte ich einen Ort gefunden, an dem ich mich, neben meinem WG-Zimmer, wohl am liebsten aufhielt: die Bibliothek. Kontakt zu meinen Kommilitonen hatte ich nicht wirklich aufgebaut. Und meine WG-Genossin, ein irgendwie dauerbetrunkenes Mädel aus dem fünften Semester, war auch eher ein Geist als alles andere. Dennoch hatte ich nicht lange gebraucht, um mitzubekommen, dass es eine Handvoll Leute gab, die schon von Tag eins an zu den Coolsten des Semesters gehörten. Studenten, mit denen die anderen gerne in der Mensa an einem Tisch saßen, an dessen Lippen sie hingen, sobald sich einer im Kurs meldete. Eine Gruppe aus angehenden Sportlern, Jahrgangsleitern, Studentenvereinigungs-Gründern. Kurzum – genau die Art von Menschen, um die ich einen großen Bogen machte. Denn ich hasste die große Aufmerksamkeit. Ich war nicht der Typ Mensch, der sich darin sonnte, wenn alle auf ihn achteten, nein. Ich stolperte. Und ich fiel kopfüber in den einzigen Matschehaufen, der weit und breit zu sehen war. Oder ich schrie los, wenn ich bemerkte, dass ich nicht alleine eingeschlossen war, und landete auf meinem Hintern. So jemand war ich.

Gar nicht leicht, damit umzugehen, wenn man plötzlich gar keine andere Wahl hatte, als sich mit diesen Dämonen auseinanderzusetzen. Nikolas war nämlich genau das. Er war die Personifizierung meines eigenen Unbehagens. Seine Nähe machte mich nervös, ließ mich stammeln und stolpern. Alleine kam ich herrlich zurecht, aber mit ihm in der Nähe verwandelte ich mich in ein angespanntes Häuflein Elend.

Ziemlich uncool, wenn man bedachte, dass diese Nacht gerade erst angefangen hatte.

Ich stöhnte leise auf.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Nikolas in meine Richtung schlenderte; wahrscheinlich, um sich auf dem Stuhl direkt neben mir niederzulassen. Selbst die schlechten Lichtverhältnisse hinderten mich nicht daran, sein Aussehen wahrzunehmen. Vielleicht, weil ich ihn bereits so oft aus der Ferne gesehen hatte. Er war groß, wie bereits erwähnt. Mit sehr breiten Schultern, die vermuten ließen, dass er trainierte, ebenmäßigen Gesichtszügen, sehr markanten Wangenknochen, vollen Lippen. Außerdem hatte er so tiefschwarzes Haar, dass es manchmal fast schon bläulich wirkte, dazu stechend graue Augen. Und so lange, dichte Wimpern, dass ihn wohl jede Frau darum beneidete.

Ganz und gar nicht meine Liga. Ganz und gar nicht die Art von Gesellschaft, die ich bevorzugte.

Er plumpste lautstark ächzend auf den Stuhl neben mir. »Also, Leidensgenossin. Was jetzt?«

Ich musste mich vollständig darauf konzentrieren, nichts Peinliches zu tun. Einfach so vom Stuhl zu rutschen zum Beispiel, oder quietschen, wenn ich den Mund aufmachte. Ich hasste es, dass jemand wie er mich in ein so unsicheres Mädchen verwandeln konnte, aber das war schon immer mein Problem gewesen; es würde sich heute Nacht sicher nicht ändern. »Ich habe die Haupteingänge kontrolliert. Alle verschlossen.«

Er nickte, als hätte er damit bereits gerechnet. »Okay.«

Langsam zog ich mein Smartphone hervor. »Mein Akku hat den Geist aufgegeben. Nicht, dass ich wüsste, wen man in einem solchen Fall anrufen könnte ...«

Mit einem lauten Klatschen schlug Nikolas seine Hand vor die Stirn. »Klar, mein Handy. Na ja, es ist im Schließfach -«

»Und das ist außerhalb der Haupteingänge im Nebenraum«, ergänzte ich seinen Satz leise. »Natürlich.«

»Aber auch ich wüsste nicht, wen ich anrufen sollte.« Seine Zähne blitzten auf, als er mir zu grinste. »Die Polizei würde wohl kaum zu unserer Rettung eilen.«

»Feuerwehr«, warf ich ein.

»Was?«

Ich zuckte zusammen. »Ist nicht normalerweise die Feuerwehr für solche Rettungsaktionen zuständig?«

Eine Weile schwieg er, dann schnaubte er los. »Ja, du hast recht. Ich denke schon.«

Wie aus dem Nichts sprang er plötzlich auf die Beine und begann, hin und her zu laufen. »Echt unglaublich, dass die abgesperrt haben, ohne zu kontrollieren, ob alle draußen sind.«

Ich kam nicht umhin zu bemerken, dass er nicht direkt verzweifelt klang, eher aufgeregt – als wäre das hier ein Abenteuer. Gott, ich wünschte, ich könnte es genauso betrachten. Aber ich selbst war in erster Linie verzweifelt-hysterisch. Zuzusehen, wie dieser Hüne von Mann vor mir seine Runden drehte, machte es nicht gerade leichter. Unbehaglich verschränkte ich die Arme vor der Brust und schluckte fest.

»Wie heißt du eigentlich?«

Abrupt blieb er vor mir stehen und blickte auf mich herab, weshalb ich ein weiteres Mal zusammenzuckte. Als dann auch noch seine Hand in meinem Blickfeld auftauchte, so als wollte er mich förmlich begrüßen, quittierten ein paar weitere Hirnzellen ihren Dienst. Kurz spürte ich sogar, wie Irritation in mir aufflammte. Wenn ich groß und schlank wäre, mit vollen Brüsten und glatten Haaren und rotem Kussmund, wüsste er sicherlich, wie ich heiße.

Aber das war ich nun mal nicht.

Ich war gerade mal eins fünfundsechzig groß, hatte mindestens zwanzig Kilo zu viel auf den Rippen, mein Haar war ein Durcheinander aus wirren, dicken Strähnen, und ich hatte ein Gesicht, das ein Typ mal als Allerweltsgesicht bezeichnet hatte. Damals fand ich es irgendwie nett. Heute weiß ich, dass es alles andere als das war. Aber die Worte hatten sich eingebrannt.

Einen winzigen Moment lang zog ich in Erwägung, nicht zu antworten. Er würde meinen Namen sowieso wieder vergessen, sobald wir hier raus waren. Aber meine Erziehung ließ mir keine Wahl, also atmete ich leise aus. »Amelie.« Zwar ergriff ich nicht seine Hand, aber ich reckte mein Kinn, und als unsere Blicke sich begegneten, spürte ich erneut dieses Ziehen in meiner Magengrube.

Kleine Fältchen bildeten sich in seinen Augenwinkeln. »Hallo Amelie, ich bin Nikolas. Und ich schätze, wir werden die Nacht miteinander verbringen.«

Noch ehe ich deshalb loszischen konnte, redete er weiter.

»Also, du weißt schon. Hier in der Bibliothek.« Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich behauptet, er war verlegen. Zumindest rieb er sich über den Nacken und lachte leise auf. »Tja. Nun sind wir hier eingeschlossen. Und weiter?«

Um den ganzen Peinlichkeiten die Krone aufzusetzen, beschloss mein Magen, ihm zu antworten. Ein lautstarkes Knurren erinnerte mich an meinen Müsliriegel.

Nikolas lachte auf. »Oh ja, Hunger. Das klingt gut.«

Ich starrte ihn überrascht an. Ein Teil von mir hatte wohl damit gerechnet, dass er nun einen dummen Spruch raushauen würde, über mein Gewicht zum Beispiel, und den Umstand, dass ich gerade jetzt an Essen denken musste. Regungslos sah ich zu, wie er zu seinem ursprünglichen Arbeitsplatz joggte und mit seiner Tasche zurückkehrte. Langsam zog ich den weich gewordenen Riegel aus meiner Hosentasche, während er selbst eine Dose hervorzauberte, die er mit einem leisen Klicken öffnete. Zwei große, belegte Brötchen lagen darin. Eines davon bot er mir an.

»Ich, äh -«

»Nimm schon.« Sein Lächeln schien aufrichtig zu sein. »Wir brauchen Energie, oder nicht?«

»Äh, ja ...« Ich folgte seiner Aufforderung, griff nach einem der beiden Brötchen und biss langsam hinein. Augenblicklich zogen sich meine Geschmacksknospen vor Wonne zusammen, und ich schloss die Augen.

»Gut, nicht wahr?«

Ich sah ihn nicht an, registrierte aber trotzdem sein zufriedenes Lächeln. Seufzend biss ich ein weiteres Mal ab. In diesem Moment war mir egal, wer da neben mir saß. Dass ich gerade ein himmlisches Käse-Remoulade-Tomaten-Brötchen mit Krautsalat aß und damit unterstrich, woher meine Pfunde zu viel kamen, spielte einfach keine Rolle. Es half ungemein, dass Nikolas mir deshalb keinen dummen Spruch vor die Stirn knallte, außerdem hatte ich wirklich Hunger. Meine letzte Mahlzeit lag mittlerweile über fünf Stunden zurück.

Während wir schweigend unsere Brötchen verdrückten, versuchte ich, mich ein wenig zu entspannen. Bisher war nichts Schlimmes passiert, und Nikolas hatte sich auch nicht über mich lustig gemacht. Ich ging sogar so weit zu glauben, dass es vielleicht gar nicht so schlecht war, diese Nacht nicht alleine durchstehen zu müssen.

Schon merkwürdig, was Essen mit einem anstellen konnte.

»Also, Amelie.« Sein Stuhl knarrte, als er sich darauf streckte, die Arme weit über seinen Kopf hinaus reckte. »Was stellen wir denn nun die ganze Nacht über an?«

Erneut kam sie wieder, die Unsicherheit. Mein Blick wanderte in den Schoß, der von Krümeln bedeckt war. Während ich sie langsam beiseite fegte, setzte ich zu einer Antwort an. »Keine Ahnung. Ich hätte die Zeit wohl genutzt, um ganz ausgiebig zu stöbern. Wann hat man schonmal die Möglichkeit, einfach so durch die Regale zu schauen?« Noch während ich die Worte aussprach, bemerkte ich, wie lahm sie klangen. Verdammt. Nicht, dass ich cooler wirken wollte, als ich war, aber gerade erst hatte ich angefangen, mich in seiner Nähe zu entspannen. Wenn er nun jedoch -

»Das klingt gar nicht schlecht«, riss er mich so überraschend aus meinen Gedanken, dass ich überrascht keuchte.

»Was?«

Er lächelte mich an. »Na ja, es ist doch offensichtlich, oder? Wir sind umgeben von tausenden von Büchern. Ich bin mir sicher, auf diese Weise verfliegt die Nacht im Nu.« Seine Miene veränderte sich, wurde herausfordernder. »Was ist? Damit hast du nicht gerechnet, oder? Für dich bin ich einer der hirnlosen Sportler, die nur dann lesen, wenn es dringend nötig ist, nicht wahr?«

»Nein!«, platzte es aus mir heraus. »Oh Gott, nein, ich ...« Verdammt. Eigentlich hatte ich genau das gedacht.

Er lachte laut los. »Schon okay. Amelie. Wir alle haben mit unseren Vorurteilen zu kämpfen.«

Als hätte er mir gerade lediglich etwas über das Wetter erzählt, sprang er leichtfüßig auf und begann, Richtung Regalreihen zu schlendern. Ein scharfer Schmerz zuckte durch meine Brust; zum einen, weil er mich mit meinen eigenen Vorurteilen konfrontiert hatte. Zum anderen, weil ich mich fragte, was genau er wohl über mich dachte. Plötzlich hielt er inne, blickte zu mir zurück und hob die Augenbrauen. »Was ist? Kommst du, oder nicht?«

Noch immer zog es in meiner Brust, meine Kehle brannte und ein Summen erfüllte mein Hirn. Dennoch richtete ich mich langsam auf, um ihm zu folgen. Verdammt, ich hatte keine Ahnung, was ich hier gerade eigentlich tat.

Aber ich tat es. Die Nacht konnte schließlich nicht noch verrückter werden, oder?

Interessanterweise hatten wir beide einen sehr ähnlichen Geschmack. Ich hätte selber darauf kommen können, wenn man bedachte, dass wir beide als Zweitfach Soziologie studierten, aber dass gerade Nikolas mit mir den Abschnitt stürmen würde, in dem es um delinquentes Verhalten ging, traf mich doch unvorbereitet. Als wir uns eine Weile später im Schein der grünen Notausgangslampe wiederfanden, hatten wir einen ganzen Stapel Bücher darüber zwischen uns liegen, sowohl trockene Schinken alter, soziologischer Klassiker, als auch modernere Fallbesprechungen. Mit klopfendem Herzen dachte ich an meine eigene, persönliche Sammlung zuhause und fragte mich, ob ich mit Nikolas darüber reden sollte.

Vorerst jedoch vertieften wir uns in die Bücher, murmelten uns zwischendurch ein paar Empfehlungen zu oder redeten leise vor uns hin.

Es war ... angenehm.

Weniger angenehm war es für meine Augen, bei diesem Licht zu lesen. Schon bald wurden meine Lider schwer, ich begann, über mein Gesicht zu reiben, und schließlich legte ich das aktuelle Buch beiseite. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es gerade einmal kurz nach zwei war. Wir hatten also noch einige Stunden vor uns; die Bib eröffnete offiziell erst wieder um sechs. Müdigkeit schlich sich in meine Knochen.

Auch Nikolas legte sein Buch beiseite. »Langsam wird es anstrengend, was?«

Ich seufzte auf. »Diese ganzen Wissenschaftler drücken sich immer so geschwollen aus. Wozu eigentlich?«

Er schnaubte. »Weil sie dann direkt viel wichtiger klingen. Komm, wir brauchen eine Pause.«

Ein weiteres Mal war er es, der aufstand und mir bedeutete, ihm zu folgen. Langsam erklomm ich hinter ihm die Treppen in den obersten Stock, wo sich die Bücher der Wirtschaftsfakultät befanden. Dort hatte ich mich noch nie aufgehalten. Die Luft war hier noch stickiger, aber als er mich durch die Regalreihen hindurch ans andere Ende geführt hatte, atmete ich scharf ein. Zwar war es hier nahezu stockdunkel, wir waren weit von den Lichtern des Eingangs entfernt, aber dafür standen wir plötzlich vor einer gläsernen Front. Ich keuchte immer noch leise von den drei Stockwerken, die ich hinaufgeklettert war, aber mein Atem stockte aus ganz anderen Gründen. Wir hatten einen fantastischen Ausblick über den Campus und die Stadt, die sich dahinter ausbreitete. Was mich aber vielmehr erstaunte, war der Umstand, dass es schneite. Dicke, große Flocken rieselten herab, landeten teilweise auf der Scheibe, verliehen der Nacht augenblicklich etwas Mythisches.

Nikolas beobachtete mich. Als ich seinen Blick bemerkte, sah ich, wie er sanft lächelte. Dann nahm er meine Hand und zog mich ein Stück weiter. Direkt an der Front gab es ein paar bequem aussehende Cordsessel, die um einen kleinen Tisch gruppiert waren. Ich ließ mich in einen sinken, er wählte den mir gegenüberliegenden aus. Noch immer spürte ich seinen Blick auf mir ruhen, ich selbst jedoch starrte nach draußen, beobachtete die Schneeflocken und hieß den Frieden willkommen, der sich in mir ausbreitete.

»Vielleicht schlafe ich hier ein«, murmelte ich leise.

»Dann ist es so«, erwiderte Nikolas. »Ich vielleicht auch.«

Und so schwiegen wir eine Weile.

Ich musste wohl wirklich langsam weggedöst sein, hypnotisiert von den Flocken, die vor mir herumwirbelten, entspannt von dem bequemen Sessel und eingehüllt in Dunkelheit, als Nikolas sich schließlich räusperte. Zumindest zuckte ich zusammen, und mein Puls begann augenblicklich zu rasen. Mein Blick huschte in seine Richtung. Da ich mich mittlerweile etwas an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, konnte ich seine Silhouette sehr gut erkennen, ebenso das Weiß seiner Augen. Er hatte seine Beine über eine der Lehnen geschwungen und hing so lässig dort, dass ich mich direkt wieder plump fühlte, eingeschüchtert war.

»Wir studieren gemeinsam, nicht wahr?«

Ah, ja. Nun wollte er mir wohl auf den Zahn fühlen. Unsicher, ob ich damit einverstanden war, schloss ich die Augen. So konnte ich ihn nicht mehr sehen, und die gesamte Situation wurde unwirklich. Vielleicht also ... konnte ich ehrlich sein. »Ja, das tun wir.«

»Hm.« Er klang nachdenklich. »Aber wir haben noch nie miteinander geredet.«

Das war eine Feststellung, keine Frage. Ich seufzte auf. »Nein. Wundert dich das etwa?«

Ein Knarzen verriet mir, dass er sich aufrichtete. Dennoch blickte ich ihn nicht an. »Wieso sagst du das?«

Nun stellte er sich offenbar dümmer, als er war. »Ach komm schon. Du ... und ich. Wir verkehren in ganz unterschiedlichen Kreisen. Natürlich haben wir nicht miteinander geredet. Und wären wir jetzt nicht hier eingeschlossen, hätte sich das auch nicht geändert.«

Keine Ahnung, woher ich diesen Mut nahm, aber er war da. Morgen, bei Tageslicht, würde ich es bereuen. Aber jetzt sprach ich die Worte aus, die auf meiner Seele brannten. Ändern würde sich sowieso nichts. Morgen war jeder von uns wieder der, der er war. Keine Berührungspunkte. Es war genau genommen also vollkommen egal, was ich sagte.

»Das musst du mir jetzt aber genauer erklären.«

Zum ersten Mal hatte ich den Eindruck, dass Nikolas nicht mehr so locker war wie bisher. Ich hätte jetzt wohl besser einen Rückzieher gemacht, aber es war, als hätte ich eine Art Sog betreten. Ich war faktisch nicht in der Lage, meinen Mund zu halten. Irgendwie fühlte es sich an, als würde sich ein Brennen in meinem Körper ausbreiten. In meiner Brust entfacht, wanderte das Feuer hinab in meine Magengrube und von dort aus in Fingerspitzen und Füße, bis ich schließlich unruhig umher rutschte. Es war, als würde ich innerlich verbrennen, wenn ich jetzt nicht endlich meinen Mund öffnete.

Also tat ich es.

»Ich schätze, es fängt schon damit an, dass ich sehr wohl wusste, wer du bist. Du jedoch kennst nicht einmal meinen Namen. Nicht, dass es besonders schlimm wäre – unser Semester ist groß. Aber während du von Anfang an eine große Gruppe Freunde um dich geschart hast, habe ich bis heute kaum jemanden gefunden, mit dem ich über die Kurse hinweg Kontakt habe.« Ich hielt kurz inne, um zu schnauben. »Oder mit dem ich unfreiwillig in einer Bibliothek eingeschlossen bin, weshalb sozialer Kontakt nicht ausbleibt.« Verdammt, das wurde immer armseliger. Ich biss mir auf die Unterlippe. »Wie auch immer. Es ist nur so – wir sollten uns nichts vormachen. Sobald wir hier raus sind, werden wir diese Nacht sowieso schnell wieder vergessen. Weshalb sollten wir uns jetzt also die Mühe machen, uns näher kennenzulernen?«

Okay, das war’s. Spätestens jetzt würde ich einfach im Erdboden versinken müssen, denn das hier – es war zu peinlich. Ich hätte meinen Mund halten, hätte einfach mitspielen sollen. Nun hatte ich viel zu viel von mir selbst offenbart.

---ENDE DER LESEPROBE---