Kartellrecht und Ökonomie - Ulrich Schwalbe - E-Book

Kartellrecht und Ökonomie E-Book

Ulrich Schwalbe

0,0
114,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die zunehmende "Ökonomisierung" – d.h. die Heranziehung moderner wirtschaftswissenschaftlicher Methoden und Konzepte bei der konkreten Anwendung und darüber hinaus bei der Weiterentwicklung des Kartellrechts – eines der beherrschenden Themen dieses Rechtsgebietes geworden. Das vorliegende Werk analysiert diese Entwicklung in systematischer Weise und nimmt zu wichtigen Fragen der zunehmenden Berücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse im Wettbewerbsrecht Stellung. Ein Schwerpunkt der 3. Auflage liegt bei der Behandlung der in der Digitalwirtschaft bestehenden Wettbewerbsprobleme. Für die Neuauflage haben die Autoren die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission und des Bundeskartellamtes, des EuG, EuGH, OLG Düsseldorf (als Beschwerdeinstanz nach Entscheidungen des Bundeskartellamtes) und des Bundesgerichtshofs umfassend ausgewertet.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 1508

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kartellrecht und Ökonomie

Moderne ökonomische Ansätze in der europäischen und deutschen Zusammenschlusskontrolle

von

Professor Dr. Ulrich Schwalbe

Institut für Volkswirtschaftslehre Universität Hohenheim

 

Professor Dr. Daniel Zimmer

Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht Universität Bonn

3., überarbeitete und erweiterte Auflage 2021

 

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-8005-1721-3

© 2021 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main

Der Verlag im Internet: www.ruw.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Druckvorstufe: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, 69502 Hemsbach

Druck und Verarbeitung: Appel & Klinger, Druck und Medien GmbH,96277 Schneckenlohe

Printed in Germany

Vorwort

In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die zunehmende „Ökonomisierung“ – d.h. die Heranziehung moderner wirtschaftswissenschaftlicher Methoden und Konzepte bei der konkreten Anwendung und darüber hinaus bei der Weiterentwicklung des Kartellrechts – eines der beherrschenden Themen dieses Rechtsgebietes geworden. Das vorliegende Werk analysiert diese Entwicklung in systematischer Weise und nimmt zu wichtigen Fragen der zunehmenden Berücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse im Wettbewerbsrecht Stellung. Im Fokus der im Jahr 2006 veröffentlichten und schnell vergriffenen ersten Auflage von „Kartellrecht und Ökonomie“ standen vor allem „horizontale“ Fusionen, d.h. solche zwischen Wettbewerbern. Diese Perspektive wurde mit der 2011 publizierten zweiten Auflage um einen umfangreichen Abschnitt zu „vertikalen“ und „konglomeraten“ Fusionen ergänzt, d.h. zu Zusammenschlüssen zwischen Unternehmen, die nicht zueinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehen.

Die nun vorgelegte dritte Auflage steht im Zeichen der Digitalisierung: Die durch Fortschritte in der Digitaltechnologie ermöglichte Entwicklung innovativer internetgestützter Dienste und Geschäftsmodelle hat nicht nur ein großes Potential zur Wohlfahrtssteigerung, sondern auch Bedrohungen für den Wettbewerb und neuartige Probleme für die Kartellrechtsanwendung mit sich gebracht. Das Thema der Digitalisierung zieht sich als roter Faden durch das Buch. So finden sich im ersten Teil grundlegende Aussagen zu den Besonderheiten der digitalen Ökonomie: zur Funktionsweise von Plattformen, zu Netzwerkeffekten und zu ihren Auswirkungen auf Konzentration und Wohlfahrt. Im zweiten Teil werden die Grundlagen der Feststellung von Marktmacht auf zwei- und mehrseitigen Märkten, etwa auf Plattformmärkten, erarbeitet und der Vertrieb digitaler Produkte, die Abgrenzung von Online- und Offline-Märkten sowie die Bedeutung von Daten als Marktzutrittsschranke behandelt. Der dritte Teil des Buches enthält Aussagen u.a. zur Wettbewerbsrelevanz von Innovation und Daten in der digitalen Ökonomie, zum Einsatz von Algorithmen als datenbasierte Instrumente zur Preissetzung, zum marktübergreifenden Wachstum in der Digitalwirtschaft, zu wettbewerbsschädlichen „killer acquisitions“ und zum „Platform Envelopment“ sog. digitaler Ökosysteme.

Wie im Untertitel des Werkes zum Ausdruck gebracht, stehen die Entwicklung und Anwendung moderner ökonomischer Ansätze in der europäischen und deutschen Zusammenschlusskontrolle im Zentrum der Untersuchung. Zudem wurden aktuelle ökonomische Diskussionen, wie z.B. über neue Konzepte zur Abschätzung der Auswirkungen von Fusionen, der Effekte von Zusammenschlüssen auf Innovation, Produktqualität und Privatsphäre oder auch der Bedeutung von „common ownership“ für den Wettbewerb, eingearbeitet und weitere neueste Forschungsergebnisse zu den untersuchten Themenbereichen berücksichtigt. Wie schon in den Vorauflagen wurde die fusionskontrollrechtliche Anwendungspraxis umfassend ausgewertet. Die Analyse der Entscheidungen der Europäischen Kommission und des Bundeskartellamtes, von EuGH, EuG, BGH und OLG Düsseldorf belegt, in welchen rechtlichen Zusammenhängen ökonomische Beweisführungen Berücksichtigung gefunden haben. Hierbei wurden auch neueste Entwicklungen, etwa das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 28. Mai 2020 zu den Voraussetzungen einer auf die Prognose nichtkoordinierter Effekte im Oligopol gestützten Untersagung (Fall CK Telecoms UK Investments/Kommission) behandelt.

An dieser Stelle ist vielfach herzlich Dank zu sagen. Ohne den exzellenten Beitrag wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätte auch die dritte Auflage nicht realisiert werden können. Allen voran sind hier die wissenschaftlichen Mitarbeiter Jan-Frederick Göhsl und Johannes Rottmann zu nennen, die von der Phase der Konzeption bis zum Abschluss der Arbeiten an der Neuauflage intensiv mitgewirkt haben. Neben ihnen haben auch die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Dr. Laura Bolz, Jan Kaufmann, Thomas Pfeffermann, Matthias Schaut und Dr. Kristina Stomper wesentliche Teile der Entscheidungspraxis ausgewertet und eingearbeitet. Schließlich sagen die Verfasser Frau Katharina Klein und Frau Annabell Linder für die Erstellung des Sachregisters und Frau Lara Schäfer für die Setzung der internen Verweise herzlich Dank. Darüber hinaus basiert das Werk noch immer teilweise auf Vorarbeiten, die von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die erste und die zweite Auflage geleistet und dort gewürdigt wurden.

Die erste Auflage ging auf eine Untersuchung zurück, die die Autoren im Auftrag der Studienvereinigung Kartellrecht durchgeführt hatten. Die von der Studienvereinigung ausgeschriebene Studie zum Thema „Kartellrecht und Ökonomie“ sollte untersuchen, inwieweit neuere Ergebnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung Eingang in die kartellrechtliche Gesetzgebung und Rechtsprechung gefunden haben. Dabei waren vor allem Fragen der Marktabgrenzung, der kollektiven Marktbeherrschung sowie der Prognose der Wettbewerbsintensität zu analysieren. Die Verfasser sind der Studienvereinigung für ihre Initiative, das Verhältnis von Kartellrecht und Ökonomie in einer interdisziplinären Studie untersuchen zu lassen, und für die großzügige Förderung der Untersuchung anhaltend dankbar. Die Vorbereitung der dritten Auflage wurde zudem gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder – EXC 2126/1-390838866.

Hohenheim und Bonn, im Dezember 2020 Ulrich Schwalbe und Daniel Zimmer

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Erster Teil: Ökonomische Grundlagen

A. Effizienzbegriffe in der Wirtschaftstheorie

I. Allokationseffizienz

II. Produktionseffizienz

III. Dynamische Effizienz

IV. Der relevante Wohlfahrtsstandard

B. Wettbewerb und Effizienz

I. Vollkommene Konkurrenz

II. Monopol

III. Dominantes Unternehmen mit wettbewerblichem Rand

IV. Monopolistische Konkurrenz

V. Oligopol

1. Grundlagen der Spieltheorie

a) Spieler, Strategien und Auszahlungen

b) Nash-Gleichgewicht

2. Gleichgewichte auf oligopolistischen Märkten

a) Bertrand-Wettbewerb: Preiswettbewerb mit homogenen Gütern

b) Bertrand-Modell mit Kapazitätsbeschränkungen – Edgeworth-Zyklen

c) Mengenwettbewerb mit homogenen Gütern

d) Bertrand-Wettbewerb mit differenzierten Gütern

e) Cournot-Wettbewerb mit differenzierten Gütern

f) Weitere Modelle oligopolistischen Wettbewerbs

g) Effizienz in oligopolistischen Märkten

VI. Monopson und Oligopson

C. Besonderheiten der digitalen Ökonomie – Netzwerkeffekte, Plattformen, Konzentration und Wohlfahrt

I. Indirekte und direkte Netzwerkeffekte

II. Preisgestaltung auf Plattformmärkten

III. Wettbewerbsökonomische Aspekte

Zweiter Teil: Marktmacht, Marktbeherrschung und Marktabgrenzung

A. Marktmacht und Preiselastizitäten

I. Einleitung

1. Der Lerner-Index als Maß für Marktmacht

2. Die Preiselastizität der Nachfrage

II. Marktmacht und Lerner-Index bei verschiedenen Marktformen

III. Marktmacht bei differenzierten Gütern

IV. Marktmacht auf zweiseitigen Märkten

V. Marktmacht auf Ausschreibungs- und Bietermärkten

B. Marktmacht, Marktbeherrschung und wirksamer Wettbewerb – ökonomische und juristische Aspekte

C. Feststellung von Marktmacht und Marktbeherrschung

I. Direkte Feststellung von Marktmacht

II. Indirekte Erfassung von Marktmacht

1. Abgrenzung von Märkten – Ökonomische Marktkonzepte

a) Bedarfsmarktkonzept

b) Hypothetischer Monopolistentest

c) Einzelaspekte der Marktabgrenzung

α) Nachfragesubstitution

β) Angebotssubstitution

γ) Simultane sachliche und räumliche Marktabgrenzung

δ) Marktabgrenzung bei differenzierten Gütern

ɛ) Substitutionsketten

ζ) Marktabgrenzung bei Preisdiskriminierung

η) Folgemärkte

θ) Sortimentsmärkte

ι) Zweiseitige Märkte

κ) Innovationsmärkte

λ) Marktabgrenzung bei bestehender Marktmacht – Die Cellophane fallacy

μ) Folgerungen

2. Empirische Verfahren zur Marktabgrenzung

a) Preiselastizität der Nachfrage

b) Kritische Elastizitäten und kritischer Absatzrückgang

c) Preistests

d) Weitere Verfahren zur räumlichen Marktabgrenzung

e) Folgerungen

3. Ökonomische Marktkonzepte in der Anwendungspraxis

a) Unionsrecht

α) Bedarfsmarktkonzept

β) Hypothetischer Monopolistentest

b) Deutsches Recht

α) Bedarfsmarktkonzept

β) Hypothetischer Monopolistentest

4. Einzelaspekte der Marktabgrenzung in der Anwendungspraxis

a) Preiselastizitätsanalysen

b) Absolute und relative Preisunterschiede

α) Sachliche Marktabgrenzung aufgrund von Preisdifferenzen

β) Räumliche Marktabgrenzung aufgrund von Preisdifferenzen

c) Preiskorrelation

α) Anwendung von Preiskorrelationsanalysen zur Abgrenzung von Produktmärkten

β) Anwendung von Preiskorrelationsanalysen zur Abgrenzung von geographischen Märkten

d) Produktdifferenzierung/Substitutionsketten

e) Vertriebswege

α) Vertrieb physischer Produkte über unterschiedliche Vertriebswege

β) Vertrieb digitaler Produkte und die Abgrenzung von Online- und Offline-Märkten

f) Preisdiskriminierung/anderweitige Abnehmerdifferenzierung

g) Komplementäre Produkte/Folgemärkte

h) Wechselkosten und -quoten

i) Schockanalysen und Analysen anderer Ereignisse

j) Sortimentsmärkte

k) Zweiseitige Märkte/Plattformmärkte

α) Europäische Anwendungspraxis

β) Deutsche Anwendungspraxis

5. Bestimmung der Marktanteile

a) Ökonomische Konzepte der Marktanteilsbestimmung

α) Absatzbasierte Marktanteile

β) Umsatzbasierte Marktanteile

γ) Kapazitätsbasierte Marktanteile und weitere Bezugsgrößen

δ) Marktanteile bei unentgeltlichen Leistungen (Null-Preis-Märkten)

b) Bestimmung der Marktanteile in der Praxis

α) Absatzmenge als Berechnungsgrundlage

β) Umsatz als Berechnungsgrundlage

γ) Kapazitäten als Berechnungsgrundlage

δ) Alternative Berechnungsmethoden

6. Bedeutung von Marktanteilen und anderen Faktoren

a) Absolute Marktanteile und Marktanteilsschwellen im europäischen Recht

α) Unbedenkliche Marktanteilswerte

β) Marktanteilswerte, die eine Prüfung auf Marktmacht indizieren

b) Faktoren, die die Aussagekraft von Marktanteilen beeinflussen

α) Märkte mit differenzierten Produkten

β) Dynamische Märkte

γ) Bieter- und Ausschreibungsmärkte – Wettbewerb um den Markt

δ) Historische Entwicklung der Marktanteile

ε) Abhängigkeit des Marktanteils von Einzelaufträgen

ζ) Stellung aktueller Wettbewerber

η) Marktzutrittsschranken und potentieller Wettbewerb

θ) Nachfragemacht

c) Besonderheiten des deutschen Rechts

α) Gesetzliche Ausgangslage und 9. GWB-Novelle

β) Bedeutung des Marktanteils

III. Schlussbetrachtung

Dritter Teil: Effekte von Marktstrukturveränderungen

A. Einführung

B. Einzelmarktbeherrschung

I. Ökonomische Grundlagen

II. Einzelmarktbeherrschung in der Anwendungspraxis

1. Unionsrecht

2. Deutsches Recht

C. Nichtkoordinierte Effekte

I. Unterschiedliche Effekte bei unterschiedlichen Wettbewerbsformen

1. Preiswettbewerb mit homogenen Gütern

a) Grundsätzliche Aussagen

b) Insbesondere: Märkte mit Kapazitätsbeschränkungen, Edgeworth-Zyklen

2. Mengenwettbewerb mit homogenen Gütern

3. Preiswettbewerb mit differenzierten Gütern

4. Mengenwettbewerb mit differenzierten Gütern

5. Abschlussbetrachtung zu den traditionellen Oligopolmodellen

6. Zusammenschlüsse auf Plattformmärkten – die Rolle von Daten

7. Minderheitsbeteiligungen (cross ownership und common ownership)

II. Nichtpreiswirkungen von Fusionen

1. Auswirkungen auf Innovationen

a) Innovationswirkungen: Theoretische und empirische Erkenntnisse

b) Zur Feststellung von Innovationswirkungen

c) Innovationswettbewerb in der jüngeren Kommissionspraxis

α) Traditioneller Ansatz: Produktmarkt-orientierte Betrachtung

β) Neuer Ansatz: Innovationsräume und Industrieebene

2. Auswirkungen auf die Produktqualität und Privatsphäre

3. Fusionen, Innovation und Daten in der digitalen Ökonomie

III. Erfassung nichtkoordinierter Effekte mit dem SIEC-Test

1. Rechtsentwicklung bei der EU-Fusionskontrolle

2. Anpassung des deutschen Kartellrechts

IV. Methoden zur Feststellung nichtkoordinierter Effekte

1. Strukturelle Methoden

a) Herfindahl-Hirschman-Index

b) Preis-Konzentrationsanalysen

2. Indikatoren des Preissteigerungsdrucks – UPP, UPP*, und GUPPI

a) Upward Pricing Pressure (UPP) und Gross Upward Pricing Pressure Index (GUPPI)

b) Ein erweiterter UPP-Filter

c) UPP als erster Filter in der Fusionskontrolle

d) Von Anreizen zur Preiserhöhung zum Ausmaß der Preiserhöhungen

e) Kompensierende Grenzkostenreduzierung

f) Zusammenhang zwischen Indikatoren des Preiserhöhungsdrucks und der Marktabgrenzung

g) Indikatoren des Preiserhöhungsdrucks in der Kommissionspraxis

3. Simulationsmodelle

4. Bidding-Studies und Win/Loss Analysen

a) Wettbewerbliche Nähe

α) Erstpreisauktion

β) Zweitpreisauktion

γ) Preis/Margen-Teilnahme-Analyse

b) Bieteranzahl

c) Wettbewerbliche Relevanz

5. Ereignisstudien

a) Ex-Post-Studien

b) Natürliche Experimente

c) Methodik

6. Folgerungen für die Methodenwahl

V. Nichtkoordinierte Effekte und zugehörige Methoden in der Anwendungspraxis

1. Neuere Entwicklungen

2. Fallpraxis der Kommission360

3. Fallpraxis des Bundeskartellamts

4. Neueste Entwicklung: Das Urteil des EuG im Fall CK Telecoms UK/Kommission

a) Beseitigung eines „beträchtlichen Wettbewerbsdrucks“

b) Beurteilung der Nähe des Wettbewerbsverhältnisses der Zusammenschlussparteien

c) Anwendung quantitativer Verfahren zur Schätzung der Preiseffekte einer Fusion

d) Bewertung des Urteils

D. Koordinierte Effekte und kollektive Marktbeherrschung

I. Ökonomische Grundlagen der kollektiven Marktbeherrschung

II. Juristische Einordnung

III. Grundlegende Bedingungen einer kollektiven Marktbeherrschung

1. Wiederholte Interaktion

2. Diskontfaktor

3. Glaubwürdiger Bestrafungsmechanismus

4. Markttransparenz

a) Transparenz bezüglich der Kollusionsmodalitäten

b) Markttransparenz als kollusionsstabilisierender Faktor

IV. Unternehmensbezogene Kriterien und Konzentration

1. Anzahl der Unternehmen

a) Zahl der Wettbewerber und angebotsseitige Konzentration

b) Eingriffsschwelle bezüglich der Anbieterzahl

c) Bedeutung des Konzentrationsgrads

2. „Symmetrie“ der Unternehmen

a) Technologie und Kosten

b) Marktanteile

c) Produktpalette

d) Organisationsform und Konzernstruktur

3. Kapazitäten und Lagerbestände

4. Strukturelle Verbindungen zwischen Marktbeteiligten

V. Marktbezogene Kriterien

1. Marktzutritt

2. Preiselastizität der Nachfrage

3. Typische Transaktionen

4. Homogene und differenzierte Produkte

5. Nachfragemacht

6. Multi-Markt-Kontakte

7. Wachsende und schrumpfende Märkte

8. Innovationen

9. Konjunkturschwankungen

10. Räumliche Verteilung der Wirtschaftstätigkeit

VI. Erzielen von Übereinstimmung über die Koordinierungsmodalitäten

1. Bezugspunkt der Kollusion

2. Bedeutung früheren Wettbewerbsverhaltens

3. Instrumente der Verhaltenskoordination

a) Explizite Vereinbarungen

b) Informationsaustausch und Preisführerschaft

c) Preisregeln

d) Algorithmen als faciliting device

e) Weitere Mechanismen zum Erreichen einer Verhaltenskoordination

VII. Rezeption wirtschaftstheoretischer Erkenntnisse in der Anwendungspraxis

VIII. Feststellung koordinierter Effekte

1. Feststellung koordinierter Effekte in der Anwendungspraxis

a) Unionsrecht

b) Deutsches Recht

α) Einführung

β) Die Prüfkriterien im Einzelnen

γ) Vergleich mit dem Unionsrecht

2. Wirtschaftstheoretische Probleme der Prognose koordinierter Effekte

IX. Zur Vorgehensweise der Prüfung auf koordinierte Effekte

E. Weitere für die Beurteilung von Zusammenschlusswirkungen relevante Faktoren

I. Zusammenschlüsse in zwei- oder mehrseitigen Märkten

II. Übernahme eines besonders dynamischen Wettbewerbers – Mavericks

III. Die Übernahme eines potentiellen Wettbewerbers und „killer acquisitions“

IV. Aufholfusionen

V. Sanierungsfusionen

VI. Die Berücksichtigung von Effizienzgewinnen

1. Effizienzgewinne aus ökonomischer Sicht

a) Rationalisierungsgewinne und zunehmende Skalenerträge

b) Verbundvorteile

c) Vorteile auf den Beschaffungsmärkten

d) Verbesserte Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung

e) Verringerung von Slack und von X-Ineffizienzen

f) Verbesserte Weitergabe von Know-how

g) Effizienzgewinne durch die Zusammenführung von Datenbeständen

h) Technischer Fortschritt

2. Effizienzgewinne in der FKVO Nr. 4064/1989

3. Effizienzgewinne in der FKVO Nr. 139/20041366

4. Der maßgebende Wohlfahrtsstandard

a) Einführung

b) Probleme der Wohlfahrtsstandards

5. Anforderungen der Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse

6. Welche Effizienzgewinne erfüllen die in den Leitlinien genannten Bedingungen?

7. Bewertung der einzelfallbezogenen Berücksichtigung von Effizienzgewinnen aus institutionenökonomischer Sicht

a) Kosten und Nutzen einer Einzelfallbetrachtung

b) Kosten und Nutzen einer pauschalierenden Berücksichtigung

c) Schlussfolgerung

8. Besonderheiten im deutschen Recht?

F. Vertikale und konglomerate Zusammenschlüsse

I. Vertikale Zusammenschlüsse

1. Wettbewerbsfördernde Wirkungen vertikaler Zusammenschlüsse

a) Doppelte Marginalisierung

b) Senkung von Transaktionskosten

2. Wettbewerbsbeschränkende Wirkungen vertikaler Zusammenschlüsse

a) Inputabschottung (Input Foreclosure)

b) Kundenabschottung (Customer Foreclosure)

c) Koordinierte Effekte vertikaler Zusammenschlüsse

3. Wettbewerbliche Wirkungen vertikaler Fusionen

II. Konglomerate Zusammenschlüsse

1. Wettbewerbsfördernde Wirkungen konglomerater Zusammenschlüsse

a) Verbundvorteile auf der Angebotsseite

b) Verbundvorteile auf der Nachfrageseite

c) Verbesserte Koordination

d) Cournot-Effekte

e) Effizienzwirkungen von Kopplungsbindungen

f) Kopplungsbindungen als Instrument der Preisdiskriminierung

g) Das Argument des einzigen Monopolgewinns

2. Wettbewerbsbeschränkende Wirkungen konglomerater Zusammenschlüsse

a) Wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen von Kopplungsbindungen

b) Tying

α) Tying komplementärer Güter

β) Tying unabhängiger Güter

c) Produktbündelung

α) Produktbündelung komplementärer Güter – Wettbewerb zwischen Systemen

β) Produktbündelung und Preiswettbewerb

γ) Produktbündelung und Innovation

d) Wettbewerbliche Wirkungen von Kopplungsbindungen

e) Sortimentseffekte, Interoperabilität und Platform Envelopment

f) Beschränkung der Finanzierungsmöglichkeiten von Wettbewerbern

g) Koordinierte Effekte konglomerater Zusammenschlüsse

3. Wettbewerbliche Wirkungen konglomerater Fusionen

a) Einführung

b) Insbesondere: marktübergreifende Fusionen in der digitalen Ökonomie

III. Rechtliche Aspekte vertikaler und konglomerater Zusammenschlüsse

1. Prognose wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens und Beweisanforderungen

2. Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse

3. Anwendung ökonomischer Methoden und Argumentationsmuster in der Praxis

a) Praxis der Kommission

b) Praxis des Bundeskartellamts

G. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Sachregister

Einleitung

Das vorliegende Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die verschiedenen ökonomischen Effizienzbegriffe eingeführt und im Zusammenhang verschiedener Marktformen wie der vollkommenen Konkurrenz, dem Monopol und dem Oligopol diskutiert. Auch werden die für die die Untersuchung vor allem des Oligopols notwendigen spieltheoretischen Konzepte erläutert. Schließlich werden Besonderheiten der digitalen Ökonomie und ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb dargestellt.

Der zweite Teil befasst sich mit den Zusammenhängen zwischen dem ökonomischen Begriff der Marktmacht und dem juristischen der Marktbeherrschung. Dabei werden direkte und indirekte Methoden zur Feststellung von Marktmacht und Marktbeherrschung erörtert und Konzepte der Marktabgrenzung diskutiert. Die Anwendungspraxis zur Abgrenzung des relevanten Marktes und zur Feststellung von Marktbeherrschung wird eingehend analysiert und mit den wirtschaftswissenschaftlichen Konzepten abgeglichen.

Die Auswirkungen von Marktstrukturveränderungen auf den Wettbewerb werden im dritten Teil behandelt. Der Fall einer Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung eines einzelnen Unternehmens (Einzelmarktbeherrschung) steht am Beginn der Darlegung möglicher Fusionswirkungen. Der folgende Abschnitt ist den Folgen eines Zusammenschlusses in einem oligopolistischen Markt gewidmet, die in der Literatur als nichtkoordinierte Effekte bezeichnet werden. Schließlich werden – drittens – die Konzepte der kollektiven Marktbeherrschung und die zur Entstehung oder Verstärkung einer solchen Marktbeherrschung führenden sogenannten koordinierten Effekte eines Zusammenschlusses erörtert. Weitere für die Beurteilung von Zusammenschlusswirkungen relevante Gesichtspunkte werden im Anschluss diskutiert. Besonderes Gewicht liegt hier auf der Frage, ob und in welcher Weise mögliche Effizienzgewinne in der Fusionskontrolle Berücksichtigung finden sollten. Der letzte Abschnitt des dritten Teils ist schließlich den Besonderheiten vertikaler und konglomerater Zusammenschlüsse gewidmet.

In allen genannten Zusammenhängen wird die Anwendungspraxis der deutschen und europäischen Kartellbehörden und Gerichte einbezogen. Die Auswahl der hierbei wiedergegebenen Entscheidungen erfolgte unter dem Gesichtspunkt der Verwendung des in der Untersuchung dargestellten wirtschaftswissenschaftlichen Analyseinstrumentariums. Die Verfasser haben den Eindruck gewonnen, dass seit dem Erscheinen der zweiten Auflage im Jahr 2011 der Einsatz ökonomischer Analysemethoden insbesondere durch die Kommission wie auch durch die an Fusionskontrollverfahren beteiligten Parteien weiter zugenommen hat und mittlerweile die Verwendung zahlreicher Methoden (z.B. die Analyse der Nähe von Wettbewerbsbeziehungen der Zusammenschlussbeteiligten, hierzu S. 386–448) routinemäßig erfolgt.

Erster Teil: Ökonomische Grundlagen

Im folgenden einleitenden Abschnitt werden die grundlegenden wirtschaftstheoretischen Konzepte und Methoden skizziert, die für eine Reihe der im zweiten Teil diskutierten Begriffe, Fragen und Probleme, wie z.B. der Marktmacht oder der kollektiven Marktbeherrschung, von zentraler Bedeutung sind. Weiterhin werden in diesem Teil die verschiedenen Typen unvollkommenen Wettbewerbs, d.h. insbesondere Monopole und Oligopole, sowie die theoretischen Grundlagen zur Analyse dieser Marktformen vorgestellt.

A. Effizienzbegriffe in der Wirtschaftstheorie

Neben dem Kartellverbot und der Missbrauchsaufsicht gehört die Fusionskontrolle zu den zentralen Bestandteilen der Wettbewerbspolitik. Ziel der Fusionskontrolle ist, präventiv die Entstehung und Verstärkung von Marktmacht und Marktbeherrschung durch externes Unternehmenswachstum zu verhindern. Der Grund für eine wettbewerbliche Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen ist, dass aufgrund des Entstehens von Marktmacht der Wettbewerb auf einem Markt nicht mehr die positiven Ergebnisse hervorbringt, die bei funktionierendem Wettbewerb in der Regel zu erwarten sind. Hierzu ist es erforderlich, Kriterien zu entwickeln, die es erlauben, Marktergebnisse zu beurteilen und zu vergleichen. Das von der Wirtschaftstheorie vorgeschlagene Konzept ist das der Effizienz. Mit Hilfe dieses Konzeptes lassen sich die verschiedenen Aspekte der Funktionsweise von Märkten beurteilen, wobei, je nach Fragestellung, verschiedene Dimensionen unterschieden werden. So ist zum einen die Frage zu beurteilen, ob eine Zuordnung der verschiedenen Produktionsfaktoren, Güter und Dienstleistungen in die jeweils wirtschaftlich sinnvollsten Verwendungen erfolgt. Weiterhin ist die Frage zu beantworten, ob die Produktion in einer Weise organisiert ist, sodass mit einer gegebenen Menge an Einsatzfaktoren der maximal mögliche Output erzielt wird. Schließlich ist die Effizienz auch in Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung, d.h. den technischen Fortschritt und die Entwicklung neuer Güter und Produktionsverfahren, zu beurteilen. Diese verschiedenen Dimensionen des Effizienzbegriffs werden in der Literatur durch die statischen Konzepte der allokativen und produktiven Effizienz und den der dynamischen Effizienz erfasst. Da diese Begriffe für die ökonomische Analyse von Zusammenschlüssen und das Verständnis wirtschaftstheoretischer Argumente von grundlegender Bedeutung sind, werden diese drei Begriffe im Folgenden näher erläutert.

I.Allokationseffizienz

Ein für die Wirtschaftswissenschaft wesentliches Konzept ist das der Allokation. Unter einer Allokation wird eine Zuordnung der in einer Volkswirtschaft vorhandenen Güter und Produktionsfaktoren auf die Akteure verstanden. Allokationseffizienz ist dann gewährleistest, wenn die in einer Volkswirtschaft vorhandenen Ressourcen (wie z.B. die Produktionsfaktoren oder die vorhandenen Güter) in den wirtschaftlich sinnvollsten Verwendungen eingesetzt werden. Eine Reallokation, d.h. eine Änderung der Zuordnung der Ressourcen kann nicht dazu führen, dass die Wirtschaftssubjekte bessergestellt werden. Diese Art von Effizienz wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur auch als Pareto-Effizienz bezeichnet.1 Eine Allokation ist ineffizient, wenn man durch eine andere Allokation alle Wirtschaftssubjekte besser stellen könnte, oder zumindest die Lage eines Wirtschaftssubjektes verbessern könnte, ohne gleichzeitig ein anderes schlechter zu stellen. Allerdings macht die Pareto-Effizienz keine Aussage über die Verteilung der Güter – auch eine extrem ungleiche und als ungerecht empfundene Verteilung könnte pareto-effizient sein. Die ist kein Mangel des Konzeptes der Pareto-Effizienz, sondern es ist gerade so konstruiert, um Fragen der Effizienz von normativen Fragen über die Gerechtigkeit der Verteilung strikt zu trennen.

Das Konzept der Allokationseffizienz kann am einfachsten am Beispiel eines Marktes für ein homogenes Gut illustriert werden. Es wird dabei unterstellt, dass sowohl die Konsumenten als auch die Unternehmen davon ausgehen, dass sie durch ihr Verhalten am Markt keinen Einfluss auf den Marktpreis ausüben können. Diese Annahme ist z.B. dann gerechtfertigt, wenn jeder Konsument und jedes Unternehmen nur einen sehr kleinen Anteil am Gesamtmarkt hat. Dieser Fall wird als atomistische bzw. polypolistische Konkurrenz bezeichnet. Zur Charakterisierung einer effizienten Allokation ist es sinnvoll, die Konzepte der Nachfrage- und der Angebotsfunktion einzuführen. Das Nachfrageverhalten der Wirtschaftssubjekte wird durch eine Nachfragefunktion (NN’) beschrieben, die angibt, welche Menge des Gutes die Konsumenten bei jedem Preis nachfragen. In der Regel hat sie einen fallenden Verlauf, da bei höheren Preisen eine geringere Menge des Gutes nachgefragt wird.2 Die Nachfragefunktion kann auch interpretiert werden als die marginale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten, d.h. ihre Zahlungsbereitschaft für eine weitere Einheit des Gutes: Für die erste Einheit des Gutes ist ein Konsument bereit, einen relativ hohen Betrag auszugeben. Wenn er zwei Einheiten konsumiert, dann wird er für die zweite Einheit nur noch einen geringeren Preis zahlen wollen, bei drei Einheiten sinkt die Zahlungsbereitschaft weiter. Die Zahlungsbereitschaft für weitere Einheiten, die marginale Zahlungsbereitschaft, nimmt also ab. Der fallende Verlauf der Nachfragefunktion kann alternativ wie folgt interpretiert werden: Für einige Konsumenten hat das Gut eine große Bedeutung und sie sind bereit, einen hohen Preis für das Gut zu zahlen, andere würden dafür nur einen mittleren oder geringen Betrag ausgeben wollen. Ordnet man die Konsumenten nach ihrer Zahlungsbereitschaft, dann ergibt sich ein fallender Verlauf. Summiert man die Zahlungsbereitschaften für die einzelnen Einheiten auf, so erhält man die gesamte Zahlungsbereitschaft, die der Fläche unter der Nachfragefunktion entspricht.

Das Angebotsverhalten der Unternehmen auf diesem Markt wird durch eine steigende Angebotsfunktion (AA’) dargestellt, die aus dem Gewinnmaximierungsverhalten der Unternehmen hergeleitet wird. Das Gewinnmaximum ist dann erreicht, wenn der Erlös aus dem Verkauf einer weiteren Einheit des Gutes, d.h. der Preis, den Herstellungskosten dieser zusätzlichen Einheit entspricht.3 Diese Kosten werden als Grenzkosten bezeichnet. Übersteigt der Preis des Gutes die Grenzkosten, dann lohnt sich das Angebot einer weiteren Einheit, denn der zusätzliche Erlös ist größer als die zusätzlichen Kosten, der Gewinn würde also steigen. Andernfalls sollte die Produktion eingeschränkt werden. Hierdurch könnte mehr an Kosten eingespart werden als durch den reduzierten Erlös eingebüßt wird. Das gewinnmaximale Angebot liegt dort, wo Preis und Grenzkosten gleich sind. Die Angebotsfunktion des Unternehmens entspricht daher der Grenzkostenfunktion unter der Bedingung, dass das Unternehmen keinen Verlust erwirtschaftet. Dies ist dann der Fall, wenn der Preis mindestens die Stückkosten der Herstellung deckt. Dabei ist zu beachten, dass die Aussage, ein preisnehmendes Unternehmen wählt seine Angebotsmenge nach der Regel „Preis gleich Grenzkosten“ nur in langfristiger Betrachtung gilt. Langfristig bedeutet in der Wirtschaftstheorie einen Zeitraum, in dem alle Kosten variiert werden können, d.h. es treten per definitionem langfristig keine fixen Kosten auf. Kurzfristig können die fixen Kosten einen erheblichen, in manchen Fällen, wie z.B. in der Softwareindustrie, sogar den überwiegenden Teil der Gesamtkosten ausmachen. Hier würde ein Preis in Höhe der kurzfristigen Grenzkosten für das Unternehmen einen Verlust bedeuten. Alternativ zu den Grenzkosten, die sich auf eine infinitesimale Outputerhöhung beziehen, werden bei diskreten Outputänderungen die so genannten inkrementellen Kosten herangezogen. Inkrementelle Kosten umfassen sowohl die bei einer endlichen Outputerhöhung anfallenden zusätzlichen variablen als auch die zusätzlichen fixen Kosten. Die Grenzkosten werden bei steigender Produktionsmenge im Allgemeinen zunehmen,4 da z.B. bei steigender Herstellungsmenge auch zusätzliche, teurer zu beschaffende Inputs verwendet werden müssen. Daher hat die Angebotsfunktion einen steigenden Verlauf. Da die Grenzkosten immer die Kosten der Herstellung einer weiteren Einheit angeben, so entsprechen die Grenzkosten der ersten produzierten Einheit den gesamten variablen Kosten. Kommt noch eine zweite Einheit hinzu, dann fallen für diese Einheit ebenfalls Grenzkosten an. Die Grenzkosten der ersten plus die der zweiten Einheit sind also gleich den gesamten variablen Kosten der beiden hergestellten Einheiten usw. Die Fläche unter den Grenzkosten bzw. unter der Angebotsfunktion gibt die gesamten variablen Kosten an. Diese wiederum entsprechen in langfristiger Betrachtung auch den Gesamtkosten, da langfristig alle Produktionsfaktoren variabel sind. Das Gleichgewicht auf diesem Markt liegt im Schnittpunkt von Nachfrage- (NN’) und Angebotsfunktion (AA’).

Trägt man den Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragefunktion auf der senkrechten Achse ab, erhält man den Gleichgewichtspreis pk, auf der waagrechten Achse ergibt sich entsprechend die bei diesem Preis gehandelte Gleichgewichtsmenge xk. Im Gleichgewicht fragen die Konsumenten genau die Menge nach, die die Unternehmen anbieten, und der Markt ist geräumt. Die von den Konsumenten insgesamt getätigten Ausgaben sind durch die Fläche pkbxk0 (Gleichgewichtspreis pk× Gleichgewichtsmenge xk) beschrieben. Da die Fläche unter der Nachfragefunktion dergesamten Zahlungsbereitschaft der Konsumenten entspricht, verbleibt zwischen der Zahlungsbereitschaft für die Gleichgewichtsmenge und den dafür getätigten Gesamtausgaben eine positive Differenz, die als Konsumentenrente (consumer surplus) oder Konsumentenwohlfahrt (consumer welfare) bezeichnet wird und der Fläche abpk entspricht. Eine ähnliche Überlegung gilt für die Unternehmen: Die im Gleichgewicht erzielten Erlöse entsprechen ebenfalls der Fläche pkbxk0 (Gleichgewichtspreis pk× Gleichgewichtsmenge xk). Da die Fläche unter der Angebotsfunktion (in langfristiger Betrachtung) die gesamten Kosten angibt, resultiert für die Unternehmen eine positive Differenz zwischen den Erlösen und den Kosten, die als Produzentenrente (producer surplus) bezeichnet wird.5 Diese wird durch die Fläche pkbd angegeben. Die Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente (abd) wird als volkswirtschaftliche Rente oder Gesamtwohlfahrt (total welfare) bezeichnet. Sie entspricht der Summe aller Tauschgewinne auf dem Markt und wird häufig als Maß für die Wohlfahrt in einem Markt herangezogen.

Abbildung 1: Gleichgewicht auf einem Markt bei vollkommenem Wettbewerb

Bei jedem anderen als dem Gleichgewichtspreis ist die volkswirtschaftliche Rente kleiner: Liegt der Preis eines Gutes über dem Gleichgewichtspreis pk, dann wäre das Angebot größer als die Nachfrage nach diesem Gut. In diesem Fall gäbe es Unternehmen, die bereit wären, ihr Produkt zu einem etwas geringeren als dem Marktpreis zu verkaufen, um ihre Herstellungsmenge absetzen zu können. Wenn der Preis noch über den Grenzkosten liegt, würde sich ein leichtes Unterbieten des Marktpreises lohnen. Es wäre daher mit einer Preissenkung für das Gut zu rechnen. Liegt der Marktpreis hingegen unterhalb des Gleichgewichtspreises, dann wäre die Nachfrage größer als das Angebot und der Wettbewerb der Nachfrager würde zu einer Preiserhöhung führen, denn bei einem Preis unterhalb des Gleichgewichtspreises gäbe es einige Konsumenten, die bereit wären, etwas mehr als diesen Preis zu zahlen, um das Gut zu erhalten, da ihre Zahlungsbereitschaft den Marktpreis übersteigt. Im Gleichgewicht ergibt sich also ein Marktpreis, der Angebot und Nachfrage ausgleicht und auch dazu führt, dass alle Tauschgewinne in diesem Markt realisiert werden, d.h. im Gleichgewicht entspricht der Preis den Grenzkosten und es liegt eine effiziente Allokation vor.

II.Produktionseffizienz

Das Konzept der Produktionseffizienz bezieht sich auf den Einsatz der Inputs und Produktionsfaktoren bei der Herstellung von Gütern. Ein einzelnes Unternehmen produziert dann effizient, wenn bei gegebener Technologie jeder Output mit dem geringstmöglichen Einsatz von Inputfaktoren erzeugt wird. Damit dies der Fall ist, muss ein Unternehmen auch intern entsprechend organisiert sein. Um effizient zu produzieren, müssen die Entscheidungsträger innerhalb des Unternehmens die richtigen Anreize haben, das Unternehmensziel der Gewinnmaximierung zu verfolgen und nicht ihren eigenen, davon abweichenden Interessen (wie z.B. luxuriöse Büroausstattung oder teure Dienstwagen) nachzugehen. Bei mehreren Unternehmen kann sich die Produktionseffizienz auch auf die Verteilung der Produktion zwischen den Firmen beziehen. Wenn Verbundvorteile (economies of scope) vorliegen, d.h. wenn zwei oder mehr Güter in einem Unternehmen z.B. aufgrund von Synergieeffekten mit weniger Inputs hergestellt werden können als in getrennten Unternehmen, dann wäre nur die gemeinsame Produktion in einem Unternehmen effizient, die Aufteilung der Produktion auf mehrere Unternehmen würde eine Verschwendung von Ressourcen bedeuten. Bei ineffizienter Produktion könnte die gleiche Menge an Gütern mit einer geringeren Menge an Inputs hergestellt werden – die verbleibenden Inputs könnten zur Herstellung weiterer Güter eingesetzt und die Wirtschaftssubjekte könnten besser gestellt werden. Alternativ kann man Produktionseffizienz dadurch charakterisieren, dass eine vorgegebene Produktionsmenge mit den geringstmöglichen Kosten hergestellt wird. Im Falle der einzelwirtschaftlichen Produktionseffizienz ist dies im Allgemeinen durch die Annahme der Gewinnmaximierung sichergestellt. Gesamtgesellschaftlich sind die Produktionskosten minimal, wenn für die Herstellung eines oder mehrerer Produkte immer auch die jeweils effizienteste Technologie eingesetzt wird.

Bei der Allokations- und der Produktionseffizienz handelt es sich um rein statische Konzepte, d.h. Veränderungen, z.B. der Technologien, des Know-hows oder der Industriestrukturen werden damit nicht erfasst. Es ist daher notwendig, neben diesen statischen Effizienzbetrachtungen auch die effiziente Entwicklung der Wirtschaft über die Zeit zu betrachten. Dies geschieht mithilfe des Konzepts der dynamischen Effizienz.

III.Dynamische Effizienz

Während man bei der Allokations- bzw. Produktionseffizienz von einem gegebenen Stand des Wissens, der Technologie und einer gegebenen Menge möglicher Produkte ausgeht, erfasst das Konzept der dynamischen Effizienz die Verbesserung des Know-hows, den technischen Fortschritt und die Entwicklung und Einführung neuer Güter. Der Wirtschaftsprozess ist dann dynamisch effizient, wenn diese Veränderungen im Zeitablauf mit der gesellschaftlich optimalen Rate stattfinden, d.h. wenn die zusätzlichen Kosten einer weiteren Investition in Forschung und Entwicklung genauso groß sind wie der erwartete zusätzliche Ertrag aus einer solchen Investition. Diese Definition ist allerdings aus mehreren Gründen für eine praktische Anwendung ungeeignet, da z.B. die erwarteten Erträge aus Forschung und Entwicklung meist nur äußerst unzureichend prognostiziert werden können oder weil die Forschung zu Resultaten führt, die gänzlich unerwartet sind. Aus diesen Gründen ist es schwierig zu bestimmen, ob sich der Wirtschaftsprozess in dynamisch effizienter Weise vollzieht. So bestreitet die auf Schumpeter basierende evolutionsökonomische Innovationsforschung, dass der Begriff der Effizienz in ähnlich zweckmäßiger Weise auf das hochkomplexe Phänomen von Innovationsprozessen und technischem Fortschritt angewendet werden kann wie bei der Frage nach dem optimalen Einsatz von Ressourcen bei gegebenen Produkten und Technologien. Insofern handelt es sich beim Kriterium der Innovation um eines jenseits der Produktions- und Allokationseffizienz, das auch theoretisch bisher nicht in adäquater Weise in die ökonomische Theorie integriert werden konnte.6 Man wird daher aus Vereinfachungsgründen davon ausgehen müssen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen den Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) und dynamischer Effizienz besteht.7

Größere Investitionen in F&E werden von einem Unternehmen aufgrund der höchst unsicheren Erträge im Allgemeinen nur dann getätigt, wenn sichergestellt ist, dass es auf seine Investitionen zumindest den am Markt erzielbaren durchschnittlichen Ertrag erhält. Wenn aber andere Unternehmen, die selbst keine derartigen Investitionen getätigt haben, sich die Forschungsergebnisse kostenlos aneignen könnten, wären die Anreize, in F&E zu investieren, deutlich reduziert. Eine Geheimhaltung der Forschungsergebnisse ist in vielen Fällen nicht möglich, da sich das Forschungsresultat in einem Produkt manifestiert hat, das von anderen Unternehmen imitiert werden kann. Aus diesen Gründen ist zur Sicherstellung ausreichender Investitionen in F&E ein Anreizsystem, wie z.B. der Patentschutz, nötig, das es den Unternehmen erlaubt, sich die Erträge ihrer Investitionen anzueignen. Ein „ewiges Patent“ ist jedoch aus gesellschaftlicher Sicht nicht sinnvoll, da es wünschenswert ist, die neuentwickelte Technologie auch anderen zugänglich zu machen. Ein vernünftiges Anreizsystem, das zum Erreichen eines dynamisch effizienten Wirtschaftsprozesses beiträgt, wird also einen Kompromiss finden müssen zwischen den Anreizen für Unternehmen, in F&E zu investieren, und der Verbreitung der Forschungsergebnisses in der Gesellschaft, d.h. einen Patentschutz für einen begrenzten Zeitraum.

Von den genannten ökonomischen Zielen der Wettbewerbspolitik, der Allokations-, der Produktions- und der dynamischen Effizienz ist letztere aufgrund ihres Zukunftsbezuges das am schwierigsten zu erfassende Kriterium.8 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass zwischen den beiden statischen Konzepten der Allokations- und Produktionseffizienz einerseits und der dynamischen Effizienz andererseits im Allgemeinen keine Harmonie besteht, sondern Zielkonflikte auftreten. So kann z.B. eine effiziente Allokation dazu führen, dass Unternehmen keine Gewinne realisieren und daher keine ausreichenden Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen können, sodass die Wirtschaftsentwicklung sich nicht in dynamisch effizienter Weise vollzieht.

IV.Der relevante Wohlfahrtsstandard

Diese Überlegungen stehen in direktem Zusammenhang mit der Diskussion über den in der Wettbewerbspolitik zu verwendenden Wohlfahrtsstandard, wie z.B. bei der Beurteilung von Effizienzgewinnen in der Fusionskontrolle. Dabei werden zumeist zwei alternative Beurteilungsmaßstäbe diskutiert: Der Gesamtwohlfahrtsstandard (Total Welfare Standard) und der Konsumentenwohlfahrtsstandard (Consumer Welfare Standard). Der erste entspricht der Vorstellung, die Wettbewerbspolitik sollte darauf hinwirken, die Gesamtwohlfahrt als Summe von Konsumenten- und Produzentenrente zu maximieren. Die Aufteilung der volkswirtschaftlichen Rente auf Konsumenten- und Produzentenrente ist unerheblich, es kommt lediglich darauf an, sie so groß wie möglich zu machen. Aus ökonomischer Sicht ist der Gesamtwohlfahrtsstandard gleichbedeutend mit der Realisierung einer effizienten Allokation und wird daher von vielen Ökonomen präferiert.9 Der Konsumentenwohlfahrtsstandard hingegen orientiert sich ausschließlich an der Konsumentenrente.10 Wettbewerbspolitische Maßnahmen sollten hiernach darauf abzielen, sie zu erhöhen oder zumindest eine Verringerung zu verhindern.11 Änderungen der Produzentenrente sind dabei unbeachtlich. Beim Konsumentenwohlfahrtsstandard ist entscheidend, wie sich die Konsumentenrente verändert. Bei gleichbleibenden Leistungen steigt die Konsumentenrente genau dann, wenn die Preise fallen. Der Unterschied zwischen den beiden Wohlfahrtsstandards kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Falls eine Fusion zum einen zu mehr Marktmacht und damit zu höheren Preisen führt, zum anderen aber auch mit Kosteneinsparungen verbunden ist (produktive Effizienz), so würde beim Gesamtwohlfahrtsstandard nur berücksichtigt, ob die allokativen Effizienzverluste, die aufgrund der Marktmacht entstehen, größer oder kleiner sind als die aufgrund der fusionsbedingten Kosteneinsparungen erzielten Gewinne an produktiver Effizienz. Je nachdem, welcher Effekt überwiegt, sollte die Fusion genehmigt oder untersagt werden. Hierbei handelt es sich um den bekannten Williamson-Trade-off zwischen den negativen Auswirkungen einer Fusion aufgrund steigender Marktmacht auf die allokative Effizienz und deren positive Auswirkungen auf die produktive Effizienz.12 Die gleichzeitig stattfindende Umverteilung der volkswirtschaftlichen Rente von den Nachfragern zu den Anbietern infolge des höheren Preises aufgrund zusätzlicher Marktmacht würde nicht in die Beurteilung eingehen. Beim Konsumentenwohlfahrtsstandard würde diese Umverteilung hingegen berücksichtigt, weil es hier nur auf die Auswirkungen auf die Konsumentenrente ankommt. Wären hierbei die Effizienzvorteile durch die Fusion so groß, dass es trotz erhöhter Marktmacht zu fallenden Preisen und damit zu einer erhöhten Konsumentenrente kommt, dann würde einer Genehmigung dieser Fusion nichts im Wege stehen. Beim Konsumentenwohlfahrtsstandard ist folglich keine Saldierung der Wohlfahrtsverluste für die Konsumenten mit den Wohlfahrtsgewinnen für die Produzenten möglich, wie dies beim Gesamtwohlfahrtsstandard der Fall ist. Wohlfahrtsökonomisch entspricht damit der Gesamtwohlfahrtsstandard dem so genannten Kaldor-Hicks-Kriterium, das – aufgrund der theoretisch möglichen Kompensationsmöglichkeit der Konsumenten durch die Produzenten – eine Saldierung erlaubt, während der Konsumentenwohlfahrtsstandard darauf beharrt, dass wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen sich nie so auswirken dürfen, dass die Konsumenten schlechter gestellt werden.13

Zumeist werden für den Gesamtwohlfahrtsstandard die folgenden Argumente angeführt: Die Berücksichtigung sowohl der Konsumenten- als auch der Produzentenrente sorge dafür, dass eine größere Zahl effizienzerhöhender Entwicklungen ermöglicht werde als bei einer Beschränkung auf die Betrachtung der Konsumentenrente. Viele Unternehmen gehörten Aktionären, die gleichzeitig Konsumenten seien, sodass eine Erhöhung der Produzentenrente letztlich auch den Konsumenten zugute komme. Weiterhin wird argumentiert, dass eine Erhöhung der Produzentenrente die Unternehmen in die Lage versetze, einen größeren Betrag in Forschung und Entwicklung zu investieren, von der mittel- und langfristig auch wieder die Konsumenten profitierten.14

Für die Konzentration auf die Konsumentenrente als Beurteilungskriterium hingegen spreche die Tatsache, dass es im Unterschied zu den Unternehmen den Konsumenten im Allgemeinen nicht möglich sei, ihre Interessen zu bündeln, um im politischen Prozess hinreichend Berücksichtigung zu finden. Daher müssten die Interessen der Konsumenten bereits institutionell, im Rahmen des Wettbewerbsrechts bzw. der Wettbewerbspolitik Beachtung finden, was durch den Konsumentenwohlfahrtsstandard gewährleistet sei. Auch können bei Anwendung dieses Standards Unternehmen mögliche Informationsvorteile gegenüber den Wettbewerbsbehörden nicht mehr ausnutzen. Ein weiteres, pragmatisches Argument für diesen Standard ist, dass er einfacher anzuwenden sei, da wettbewerbsrechtliche bzw. -politische Maßnahmen bereits anhand einer zu erwartenden Preisänderung beurteilt werden könnten und Änderungen der Produzentenrente nicht berücksichtigt werden müssten. Ein weiteres Argument, das für den Konsumentenwohlfahrtsstandard angeführt wird, ist, dass das Ziel der Gesamtwohlfahrt besser erreicht wird, wenn die Wettbewerbsbehörden sich am Konsumentenwohlfahrtsstandard orientieren. So wurde gezeigt, dass eine Ankündigung der Wettbewerbsbehörden, sich am Konsumentenwohlfahrtsstandard zu orientieren, dazu führt, dass vor allem solche Zusammenschlüsse stattfinden werden, die die Gesamtwohlfahrt erhöhen.15 Wenn Unternehmen durch Lobbying das Ergebnis eine Fusionsentscheidung beeinflussen können, dann führt ein gewichteter Durchschnitt von Produzenten- und Konsumentenrente mit einem größeren Gewicht für letztere zu einem Ausgleich des Einflusses der Unternehmen auf die Wettbewerbsbehörden.16

Die Entscheidung über den Standard zur Beurteilung wettbewerbsrechtlicher bzw. -politischer Maßnahmen ist letztlich normativer Natur.17 Die meisten Wirtschaftswissenschaftler neigen dem Gesamtwohlfahrtsstandard zu, da sie sich in aller Regel an der gesamten Wohlfahrt orientieren und Verteilungsfragen anderen Politikbereichen zuweisen.18 Der Gesamtwohlfahrtsstandard lässt die Verteilung der volkswirtschaftlichen Rente zwischen Produzenten- und Konsumentenrente bewusst unberücksichtigt, entscheidend ist nur ihre absolute Höhe. Die Aufteilung auf Konsumenten und Unternehmen könnte durch eine entsprechende Verteilungs- oder Steuerpolitik geregelt werden. Verteilungsfragen werden also anderen Politikbereichen als der Wettbewerbspolitik zugeordnet.19 Verwendet man hingegen den Konsumentenwohlfahrtsstandard, dann wird über die Verteilung der volkswirtschaftlichen Rente bereits im Rahmen der Wettbewerbspolitik bzw. des Wettbewerbsrechts mitentschieden: Nur solche Maßnahmen und Entwicklungen sind unproblematisch, die die Konsumenten an den Vorteilen teilhaben lassen. Die normative Frage, welcher Wohlfahrtsstandard anzuwenden sei, wird in verschiedenen Jurisdiktionen unterschiedlich beantwortet. So wird in Europa und in den USA tendenziell der Standard der Konsumentenwohlfahrt herangezogen, während in Ländern wie z.B. Kanada, Australien und Neuseeland auch die Produzentenrente mitberücksichtigt wird.20

1

Benannt nach dem italienischen Ökonomen und Soziologen

Vilfredo Pareto

(1848–1923).

2

Es kann theoretisch auch der Fall eintreten, dass die Nachfragefunktion in bestimmten Bereichen auch einen steigenden Verlauf hat. Derartige so genannte Giffen-Güter konnten jedoch empirisch bisher noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.

3

Das in der Wirtschaftstheorie verwendete Kostenkonzept entspricht zumeist nicht den buchhalterischen Kosten, sondern es handelt sich um sogenannte Opportunitätskosten. Diese enthalten z.B. auch den kalkulatorischen Unternehmerlohn und die marktübliche Kapitalverzinsung.

4

Allerdings kann auch der Fall abnehmender Grenzkosten auftreten. In diesem Fall liegt ein sogenanntes natürliches Monopol vor, denn in einer solchen Situation wäre es am kostengünstigsten, die gesamte Produktionsmenge nur in einem einzigen Unternehmen herzustellen.

5

Bei langfristiger Betrachtung ist die Produzentenrente gleich dem Gewinn des Unternehmens, in kurzfristiger Betrachtung differieren Produzentenrente und Gewinn um den Betrag der Fixkosten, die ja in diesem Fall nicht in die Grenzkosten eingehen.

6

Vgl. S. 20–22. Der Begriff der „dynamischen Effizienz“ hat deshalb in der ökonomischen Theorie nicht den gleichen theoretischen Status wie die Konzepte der Allokations- und Produktionseffizienz.

7

Allerdings gibt es theoretische Modelle, die zeigen, dass in bestimmten Situationen zuviel in Forschung und Entwicklung investiert wird, als für die Gesellschaft optimal wäre.

8

Auf dieses Problem haben bereits

Hayek

und

Hoppmann

in ihrer Diskussion von Wettbewerb als ergebnisoffenem Prozess aufmerksam gemacht. Vgl.

Hayek

(1968) sowie

Hoppmann

(1988).

9

Vgl.

Farrell/Katz

(2006),

Heyer

(2006).

10

Zum Konsumentenwohlfahrtsstandard vgl.

Cseres

(2006).

11

Dabei ist zu berücksichtigen, dass „Konsument“ nicht nur den Endverbraucher bezeichnet, sondern Nachfrager allgemein. Vgl. hierzu

Akman

(2008).

12

Vgl.

Williamson

(1968) sowie

Farrell/Shapiro

(1990). Vgl. auch S. 620–623.

13

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei Anwendung des Gesamtwohlfahrtsstandards unterstellt ist, dass eine Umverteilung, d.h. eine Änderung der Einkommensverteilung, selbst keine Wohlfahrtseffekte bewirkt. Dies gilt jedoch nur unter sehr spezifischen Voraussetzungen.

14

Vgl. hierzu S. 9–11.

15

Vgl.

Friedolfsson

(2007);

Lyons

(2002).

16

Vgl.

Neven/Röller

(2005).

17

Die Frage nach dem anzuwendenden Wohlfahrtsstandard ist im Kontext des „New Brandeis Movements“ in der US-amerikanischen Wettbewerbspolitik in jüngerer Zeit wieder thematisiert worden. Vgl. hierzu S. 638f. und die dort angegebene Literatur.

18

Vgl. z.B.

Farrell/Katz

(2006).

19

Dieses Argument setzt jedoch implizit voraus, dass die Höhe der volkswirtschaftlichen Rente unabhängig von einer möglicherweise später erfolgenden Umverteilung ist. Vgl. auch Fn. 9. Die Frage der Umverteilung von volkswirtschaftlicher Rente von den Konsumenten auf die Produzenten gehörte zu den traditionellen Argumenten der Wettbewerbspolitik. Dieser Aspekt wurde von

Pittman

(2007) wieder aufgegriffen.

20

Lyons

(2002) sowie

Motta

(2004), 20.

B. Wettbewerb und Effizienz

Bisher wurden die ökonomischen Ziele des Wettbewerbsrechts bzw. der Wettbewerbspolitik nur in abstrakt-genereller Form dargestellt, ohne deutlich zu machen, in welcher Weise der Wettbewerb dazu beiträgt, diese Effizienzkriterien zu erfüllen. Im Folgenden sollen nun die wirtschaftstheoretischen Grundlagen dargestellt werden, mit deren Hilfe Aussagen darüber getroffen werden können, inwieweit Wettbewerb dazu führt, die genannten Ziele zu erreichen. Dabei werden die in der Wirtschaftstheorie untersuchten Marktformen der vollkommenen Konkurrenz, des Monopols sowie des Oligopols diskutiert. Auf den Fall des Monopsons sowie des Oligopsons wird ebenfalls kurz eingegangen.

I.Vollkommene Konkurrenz

Wie oben beschrieben, liegt eine effiziente Allokation auf einem Markt nur dann vor, wenn der Preis des Gutes den Grenzkosten seiner Herstellung entspricht und Angebot und Nachfrage sich ausgleichen. In diesem Fall sind alle Tauschgewinne, die auf diesem Markt erzielt werden können, ausgeschöpft. Betrachtet man nicht nur einen einzelnen Markt, sondern eine gesamte Volkswirtschaft, dann muss diese Bedingung simultan für alle Märkte erfüllt sein, damit die gesamte volkswirtschaftliche Rente maximiert wird. Es stellt sich daher die Frage, ob und unter welchen Bedingungen in einer Marktwirtschaft eine Situation existieren kann, bei der simultan auf allen Märkten eine effiziente Allokation vorliegt, d.h. ein allgemeines Gleichgewicht. Diese zentrale Frage der Wirtschaftstheorie konnte in allgemeiner Form erst in den 1950er Jahren durch die Arbeiten von Arrow, Debreu und McKenzie positiv beantwortet werden.21 Für die Existenz eines allgemeinen Gleichgewichts, das auch als Walras-Gleichgewicht22 oder als Gleichgewicht bei vollkommener Konkurrenz bzw. Wettbewerbsgleichgewicht bezeichnet wird, müssen jedoch eine Reihe restriktiver Bedingungen erfüllt sein, die in der Realität, wenn überhaupt, nur in einer sehr geringen Anzahl von Märkten vorliegen. Es sei in diesem Zusammenhang deutlich darauf hingewiesen, dass die Theorie des allgemeinen Gleichgewichtes sich nicht als realistische Beschreibung einer existierenden Marktwirtschaft versteht und auch keineswegs so interpretiert werden sollte. Auch ist ein Wettbewerbsgleichgewicht kein anzustrebendes Ziel der Wettbewerbspolitik. Vielmehr handelt es sich bei diesem Konstrukt um eine Idealvorstellung der Wirtschaftstheorie, das in erster Linie dazu dient, die Funktionsweise einer Marktwirtschaft, insbesondere die allokative Rolle von Preisen, zu verdeutlichen.

Die wichtigsten Annahmen für die Existenz eines allgemeinen Gleichgewichts werden im Folgenden kurz skizziert: So müssen, wie im Abschnitt über Allokationseffizienz bereits erwähnt, sich alle Unternehmen und alle Konsumenten als Preisnehmer verhalten, d.h. jedes Unternehmen und jeder Konsument muss davon ausgehen, dass sein Angebots- bzw. Nachfrageverhalten keinerlei Einfluss auf den Marktpreis hat. Der Marktpreis ist daher für jedes Unternehmen und für jeden Konsumenten ein Datum. Die Nachfragefunktion, der sich ein einzelnes Unternehmen gegenübersieht, verläuft also horizontal: Jedes Unternehmen geht annahmegemäß davon aus, dass es beim herrschenden Preis jede beliebige Menge absetzen kann. Diese Annahme ist dann sinnvoll, wenn die Anzahl der Unternehmen (bzw. Konsumenten), die dieses Produkt anbieten (bzw. nachfragen), „groß“ ist und jedes Unternehmen (bzw. jeder Konsument) im Verhältnis zur gesamten Menge des Gutes am Markt nur einen sehr geringen Anteil anbietet (bzw. nachfragt). Unternehmen und Konsumenten verhalten sich im Rahmen dieses Modells also als Preisnehmer und können nur die angebotene bzw. nachgefragte Menge des jeweiligen Gutes anpassen.

Dabei werden Güter im Sinne der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts unterschieden nach ihren physischen Eigenschaften, dem Ort und dem Zeitpunkt ihrer Bereitstellung.23 Das gleiche physische Gut, das an einem anderen Ort zur Verfügung gestellt wird, ist ein anderes Gut im Sinne dieser Theorie. Unterscheiden sich die physischen Eigenschaften, wie z.B. bei differenzierten Gütern, auch nur geringfügig, werden diese als verschiedene Güter betrachtet. Güter und Märkte werden im Rahmen dieser Theorie also identifiziert. Jedem Gut ist ein eigener Markt zugeordnet, ein so genannter „ökonomischer Markt“. Auf diesem gilt das „Gesetz des einheitlichen Preises“, denn andernfalls würden Wirtschaftssubjekte eine Arbitrage vornehmen und die Preise würden sich angleichen.

Weiterhin wird angenommen, dass alle Marktteilnehmer über die gleichen, vollständigen Informationen über sämtliche entscheidungsrelevanten Größen, wie z.B. Preise, Konditionen, Qualität der Güter, Bezugsmöglichkeiten etc. verfügen, denn eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Käufern und Verkäufern oder unvollständige Information über wichtige Eigenschaften kann dazu führen, dass der Wettbewerb auf einem Markt nicht zu einem aus gesellschaftlicher Sicht wünschenswerten Ergebnis führt.24 Ist z.B. die Qualität eines Gutes von den Käufern nicht beobachtbar, dann wird aufgrund dieser Qualitätsunsicherheit häufig nur eine geringere Menge nachgefragt als dies bei vollkommener Information über die Qualität der Fall wäre. Die Existenz unvollständiger oder asymmetrisch verteilter Informationen führt darüber hinaus häufig dazu, dass Transaktionen nicht mehr kostenlos durchgeführt werden können, wie in der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts implizit unterstellt wird. Den Wirtschaftssubjekten entstehen bei der Abwicklung, Durchführung und gegebenenfalls bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche Transaktionskosten, die zu allokativen Ineffizienzen führen können.

Auch kann bei Vorliegen von öffentlichen Gütern, d.h. solchen Gütern, die durch Nichtrivalität im Konsum und Nichtausschließbarkeit gekennzeichnet sind, wie z.B. die Landesverteidigung oder das Rechtssystem, die Funktionsweise eines Marktsystems gestört sein. Da aufgrund der Nichtausschließbarkeit jedes Wirtschaftssubjekt in den Genuss eines öffentlichen Gutes kommen würde, auch ohne hierfür eine Zahlung zu leisten, wird im Allgemeinen eine zu geringe Menge des öffentlichen Gutes angeboten. Verwandt mit den öffentlichen Gütern sind so genannte externe Effekte, die vorliegen, wenn die Konsum- oder Produktionsaktivitäten eines Wirtschaftssubjektes einen direkten, d.h. nicht über einen Markt vermittelten Einfluss (der positiv oder negativ sein kann) auf andere Wirtschaftssubjekte haben, wie es z.B. bei Schadstoffemissionen der Fall ist. Auch hier liegt ein Problem der Nichtausschließbarkeit vor und es wird im Vergleich zum Optimum zuviel von dem entsprechenden Gut produziert, da in dem unternehmerische Kalkül die negativen Auswirkungen der Schadstoffemissionen nicht berücksichtigt werden.

Weiterhin dürfen Unternehmen keine Größenvorteile, so genannte zunehmende Skalenerträge (economies of scale), aufweisen, denn in diesem Fall würden die Stück- und Grenzkosten mit zunehmender Produktionsmenge fallen. Je mehr ein solches Unternehmen produziert, desto kostengünstiger wird die Herstellung. Seine Gewinne würden mit steigender Produktionsmenge zunehmen. Langfristig würde ein solches Unternehmen seine Konkurrenten vom Markt verdrängen und wäre dann nicht mehr „klein“ im Verhältnis zum gesamten Markt. In diesem Fall wird es sich nicht mehr als Preisnehmer verhalten.25 Dies gilt analog für Verbundvorteile (economies of scope), bei denen es günstiger ist, mehrere Produkte in einem Unternehmen herzustellen, als die Produktion auf mehrere spezialisierte Unternehmen zu verteilen.

Alle diese Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein allgemeines Gleichgewicht mit den genannten Eigenschaften existiert. Ist nur eine davon verletzt, dann ist entweder die Existenz eines allgemeinen Gleichgewichtes nicht gewährleistet oder das Gleichgewicht besitzt nicht die gewünschte Eigenschaft der Pareto-Optimalität. In einem solchen Fall spricht man von einem Marktversagen. Die Wirtschaftstheorie hat sich seit längerer Zeit mit den verschiedenen Ursachen möglichen Marktversagens befasst und untersucht, mit welchen Ergebnissen auf Märkten zu rechnen ist, wenn z.B. Transaktionen nicht kostenlos durchgeführt werden, Informationsprobleme vorliegen oder Unternehmen über Größenvorteile verfügen. Im Zuge der Untersuchung der verschiedenen Ursachen von Marktversagen ist eine Reihe von Teildisziplinen der Wirtschaftstheorie entstanden. So untersucht die Transaktionskostenökonomik vor allem die Frage, welchen Einfluss Transaktionskosten auf Marktergebnisse haben und welche Institutionen von den Akteuren geschaffen und verwendet werden, um die resultierenden Ineffizienzen möglichst gering zu halten. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand der Transaktionskostenökonomik ist die interne Organisationsstruktur von Unternehmen.26 In engem Zusammenhang mit der Transaktionsökonomik steht die Informationsökonomik, die untersucht, welchen Einfluss asymmetrische Informationsverteilungen zwischen den Wirtschaftssubjekten auf die Gestaltung von Transaktionen haben und wie Verträge (im ökonomischen Sinne) ausgestaltet sein sollten, um möglichst effiziente Ergebnisse zu erzielen. Transaktionskostenökonomik und Informationsökonomik mit dem Teilgebiet der Vertragstheorie werden häufig unter dem Begriff der Neuen Institutionenökonomik zusammengefasst.27 Das Gebiet der Industrieökonomik untersucht die Struktur von Märkten mit unvollständigem Wettbewerb, d.h. in Situationen, in denen Akteure durch ihr Verhalten das Marktergebnis, also z.B. Preise oder Produktqualität beeinflussen können. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn auf einem Markt nur wenige oder, im Extremfall, nur ein einziges Unternehmen aktiv ist, d.h. auf oligopolistischen und monopolistischen Märkten. Zu den Themen der Industrieökonomik gehören daher die Preis- und Angebotsentscheidungen von Unternehmen in verschiedenen Marktstrukturen, Werbung, das Investitionsverhalten, Markteintritts- und -austrittsbarrieren, die Bildung von Kartellen, Unternehmenszusammenschlüsse, die Beziehungen zwischen Märkten auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette sowie Strategien der Unternehmen, um aktuelle oder potentielle Wettbewerber zu behindern. Aber auch Märkte mit spezifischen Besonderheiten, wie z.B. Märkte mit Netzwerkeffekten, zwei- oder mehrseitige Märkte oder auch natürliche Monopole werden von der Industrieökonomik analysiert.

Diese Teilgebiete sind nicht strikt voneinander zu trennen, sondern es gibt vielfältige Überschneidungen. Zahlreiche Ergebnisse aus den Bereichen der Neuen Institutionenökonomik, z.B. über bestimmte Vertragsgestaltungen, über die Auswirkungen asymmetrischer Information oder über die interne Organisation von Unternehmen sind in die Industrieökonomik eingeflossen und Resultate z.B. über oligopolistische Märkte finden Verwendung in der Informations- und Transaktionskostenökonomik. Im Vergleich zur Theorie des allgemeinen Gleichgewichts sind diese Ansätze deutlich realistischer, allerdings unterliegen sie der Einschränkung, dass in der Regel nur ein einzelner Markt betrachtet wird. Es handelt sich also um so genannte partialanalytische Modelle. Das komplexe System einer Volkswirtschaft mit allen Wechselwirkungen und Rückkoppelungseffekten zwischen den Märkten bleibt unbeachtet. Für viele Fragen, die im Bereich der Wettbewerbstheorie im Zentrum des Interesses stehen, sind diese Effekte in aller Regel nur von untergeordneter Bedeutung.

Die letzte wichtige Einschränkung im Zusammenhang mit der Theorie des allgemeinen Gleichgewichtes ist der statische Charakter des Modells. Es werden keinerlei Veränderungen z.B. bezüglich der Zahl der Unternehmen und Konsumenten, der verwendeten Technologien oder der Anzahl der verschiedenen Güter betrachtet. Das Verhalten von Konsumenten und Unternehmen wird bei gegebenen Rahmenbedingungen untersucht, mit ausschließlicher Konzentration auf Gleichgewichtszustände. Anpassungsprozesse an ein Gleichgewicht und die dabei ablaufende Zeit spielen keine Rolle – es handelt sich um ein statisches, atemporales Modell. Veränderungen der Rahmenbedingungen, d.h. dynamische Aspekte, wie z.B. Marktein- und -austritte, Innovationen, technischer Fortschritt oder die Entwicklung und Vermarktung neuartiger Produkte werden im Modell des allgemeinen Gleichgewichts systematisch ausgeblendet. Dies ist jedoch, insbesondere für Fragen der dynamischen Effizienz, deren zentraler Aspekt ja gerade derartige Änderungen in den Rahmenbedingungen ist, eine erhebliche Einschränkung.28 Für die Teilgebiete der Neuen Institutionenökonomik und der Industrieökonomik gilt diese Einschränkung in deutlich geringerem Maße. Im Rahmen dieser Forschungsbereiche werden Modelle zu Innovationen, Forschung und Entwicklung, Marktein- und Marktaustritten oder zeitlich sequentiellen Entscheidungen entwickelt. Allerdings ist auch bei den Versuchen, intertemporale oder dynamische Aspekte zu erfassen, eine starke Betonung des Gleichgewichtsgedankens unverkennbar.

Vollkommene Konkurrenz und Allokationseffizienz. Trotz dieser zahlreichen und restriktiven Annahmen stellt die Wirtschaftstheorie weiterhin auf das Modell der vollkommenen Konkurrenz als zentralen Bezugspunkt ab, weil ein Wettbewerbsgleichgewicht eine Reihe von wünschenswerten Eigenschaften besitzt, die in den beiden Hauptsätzen der Wohlfahrtstheorie zusammengefasst werden. Der erste Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie besagt, dass die Allokation im allgemeinen Gleichgewicht pareto-effizient ist. Alle Tauschgewinne sind ausgeschöpft und es gibt keine Möglichkeit, ein Wirtschaftssubjekt besser zu stellen, ohne gleichzeitig ein anderes schlechter zu stellen. Allerdings könnte die im Gleichgewicht realisierte Allokation jedoch sehr ungleich und aus verteilungspolitischen Erwägungen nicht akzeptabel sein. Der zweite Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie besagt nun, dass unter bestimmten Voraussetzungen durch geeignete Eingriffe, wie z.B. Umverteilungsmaßnahmen, jeder gewünschte pareto-effiziente Zustand als ein Wettbewerbsgleichgewicht erreicht werden kann.29

Die Theorie des allgemeinen Gleichgewichts, wie sie von Arrow und Debreu entwickelt wurde, geht von einer festen Anzahl von Unternehmen aus, eine Annahme, die zur Beschreibung langfristiger Entwicklungen auf einem Markt häufig nicht geeignet ist. Daher wird in einem alternativen Modell unterstellt, dass eine potentiell unendliche Anzahl von Unternehmen gebildet werden kann, die in einen Markt eintreten, wenn dort positive Gewinne erwirtschaftet werden können.30 Diesen Unternehmen steht die effizienteste Produktionstechnologie zur Verfügung. Realisieren Unternehmen jedoch Verluste, werden sie den Markt verlassen. Ein langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht ist dadurch charakterisiert, dass Angebot und Nachfrage auf diesem Markt ausgeglichen sind, die Unternehmen ihren Gewinn maximieren und keine weiteren Marktein- oder Marktaustritte erfolgen. Letzteres ist dann der Fall, wenn Unternehmen weder Gewinne realisieren noch Verluste machen, d.h. jedes Unternehmen produziert im Minimum seiner Stückkosten.31 Da in den ökonomischen Kosten, den Opportunitätskosten, der kalkulatorische Unternehmerlohn und die Kapitalverzinsung bereits enthalten sind, bedeutet die Null-Gewinn-Bedingung, dass jedes Unternehmen den Normalgewinn realisiert. Weiterhin hat das langfristige Gleichgewicht die Eigenschaft, die volkswirtschaftliche Rente zu maximieren, d.h. es ist pareto-optimal.

Vollkommene Konkurrenz und Produktionseffizienz. Die einzelwirtschaftliche Produktionseffizienz ist im Modell des allgemeinen Gleichgewichts gewährleistet. Da im Arrow-Debreu-Modell die Zahl der Unternehmen kurzfristig jedoch fest gegeben ist und keine Marktein- und Marktaustritte stattfinden, ist ein Gleichgewicht mit positiven Gewinnen möglich. Langfristig jedoch werden diese positiven Gewinne durch Markteintritte verringert und es wird ein Zustand erreicht, in dem alle Unternehmen im Minimum ihrer langfristigen Stückkosten produzieren, d.h. jeweils die optimale Betriebsgröße erreicht haben. Dabei wird angenommen, dass die neu in den Markt eintretenden Unternehmen Zugang zur effizientesten Technologie haben und es keine Marktzutritts- oder Marktaustrittsschranken gibt. Aufgrund der zusätzlichen Unternehmen im Markt würde die angebotene Menge steigen und könnte, bei gegebener Nachfrage, nur zu einem geringeren Preis abgesetzt werden. Ineffiziente Unternehmen müssten den Markt verlassen, bis schließlich alle Unternehmen die effizienteste Technologie verwenden. Ein entsprechender Zusammenhang zwischen der Produktivität und Marktein- und Marktaustritten konnte in einigen Untersuchungen auch empirisch bestätigt werden.32

Vollkommene Konkurrenz und dynamische Effizienz. Da es sich beim Modell des allgemeinen Gleichgewichtes um ein statisches, atemporales Modell handelt, erlaubt es keine Aussagen über dynamische Aspekte des Wirtschaftsprozesses. Selbst wenn man ein Gleichgewicht als Resultat eines nichtmodellierten Anpassungsprozesses auffasst, kann diese Theorie zur Erklärung des zeitlichen Ablaufs von Wettbewerbsprozessen nur wenig beitragen. Zwar wurden auch Versuche unternommen, die Theorie des allgemeinen Gleichgewichtes intertemporal zu formulieren, indem man Güter mit einem Zeitindex versehen hat, aber sie bleibt trotz dieser Modifikation weiterhin eine statische Theorie, denn alle Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte werden einmalig und für die gesamte Zukunft getroffen. Auch die Theorie des langfristigen Gleichgewichts ist, trotz Berücksichtigung von Marktein- und Marktaustritten, dem Gleichgewichtskonzept verhaftet. Zwar können Unternehmen den Markt betreten oder ihn verlassen, aber es werden keine Innovationen durchgeführt, keine neuen Güter auf den Markt gebracht und keine neuen Technologien entwickelt. Auch in diesem Modell vollziehen sich keine Prozesse, sondern es wird ein Zustand betrachtet, in dem keine Veränderungen mehr stattfinden.

Neben diesem methodischen Argument kann man die Frage untersuchen, ob und in welchem Maße Unternehmen bei vollkommenem Wettbewerb Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen. Dabei hat es sich als sinnvoll erwiesen, zwischen Prozess- und Produktinnovationen zu unterscheiden. Dabei handelt es sich bei ersteren um neue, kostengünstigere Herstellungsverfahren und bei letzteren um verbesserte oder neuartige Produkte. Der Anreiz, z.B. durch eine Prozessinnovation günstiger als die Konkurrenz zu produzieren, ist für ein Unternehmen auf einem Wettbewerbsmarkt groß, denn dann könnte es zumindest für einen gewissen Zeitraum deutlich höhere Gewinne realisieren oder versuchen, durch eine Unterbietung der Konkurrenten eine temporäre Monopolstellung zu erlangen.33 Bei einer Produktinnovation hätte das Unternehmen wenigstens für die Zeit des Patentschutzes eine Monopolstellung mit den entsprechenden größeren Gewinnen. Wettbewerb zwischen Unternehmen auf einem Markt mit vollkommener Konkurrenz findet also hinsichtlich der dynamischen Effizienz nicht mittels des Preises als Wettbewerbsparameter, sondern durch Innovationen statt. Dies gilt vor allem in Märkten, die durch raschen technischen Wandel gekennzeichnet sind. Allerdings erzielen Unternehmen bei vollkommenem Wettbewerb zumindest langfristig keine höheren als die Normalgewinne, d.h. es stehen ihnen oftmals keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, um in riskante Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu investieren.34 Dies legt die Vermutung nahe, dass die vollkommene Konkurrenz für die dynamische Effizienz des Wirtschafts- und Wettbewerbsprozesses nicht besonders geeignet ist.

II.Monopol

Während im Modell des allgemeinen Gleichgewichts davon ausgegangen wurde, dass sich die einzelnen Unternehmen als Preisnehmer verhalten, da sie nur einen geringen Anteil am gesamten Markt haben, ist diese Annahme bei Unternehmen, die gegenüber dem gesamten Markt eine signifikante Größe haben, nicht gerechtfertigt. So sieht sich ein Monopolist als alleiniger Anbieter eines Gutes der gesamten Marktnachfrage gegenüber. Da ein reines Monopol definitionsgemäß weder aktuellem noch potentiellem Wettbewerb ausgesetzt ist, hat es die Möglichkeit, jeden beliebigen Punkt auf der Nachfragefunktion durch eine entsprechende Preis- oder Mengenpolitik zu realisieren.35 Der Monopolist kann entweder einen bestimmten Preis für sein Produkt fordern und die Konsumenten werden dann die durch die Nachfragefunktion bei diesem Preis determinierte Menge abnehmen oder er kann eine bestimmte Menge produzieren, wobei sich auf dem Markt ein Preis derart bilden wird, dass die hergestellte Menge gerade abgesetzt werden kann.36 Anders als in einem Markt mit vollkommener Konkurrenz kann also ein Monopolist durch sein Verhalten den Marktpreis entweder direkt (durch eine Preissetzung) oder indirekt (über die hergestellte Menge) beeinflussen. Wenn er eine größere Menge seines Produktes am Markt absetzen möchte, dann kann er dies nur, wenn er bereit ist, einen geringeren Preis für sein Produkt zu akzeptieren.37 Würde er seine Herstellungsmenge reduzieren, dann könnte er dadurch den Preis in die Höhe treiben. Es stellt sich daher die Frage, welchen Preis ein Monopolist verlangen bzw. welche Menge er herstellen sollte, um seinen Gewinn zu maximieren.

Wenn der Monopolist seine Angebotsmenge erhöht, dann treten insgesamt drei Effekte auf: Erstens führt die größere Angebotsmenge aufgrund der fallenden Nachfragefunktion zu einem geringeren Preis, zweitens kann er eine größere Menge verkaufen und drittens verursacht die größere Angebotsmenge zusätzliche Kosten. Bietet der Monopolist eine weitere Einheit von seinem Produkt an, dann wird der Preis, den er für sein Produkt erzielen kann, etwas sinken, wobei der geringere Preis nicht nur für die zusätzliche, die so genannte marginale Einheit gilt, sondern auch für alle anderen, bereits hergestellten Einheiten, die so genannten inframarginalen Einheiten.38 Allerdings setzt der Monopolist auch eine zusätzliche Einheit ab. Die Erlösänderung, der Grenzerlös, setzt sich also aus dem geringeren Preis für alle Einheiten und dem Erlös für die eine zusätzlich produzierte Einheit zusammen. Das Ausmaß der Erlösänderung ist durch den Verlauf der Nachfragefunktion determiniert. Aber der Monopolist muss auch die Grenzkosten der zusätzlich produzierten Einheit tragen, die durch die Technologie des Unternehmens bestimmt sind. Eine Angebotsausweitung ist für den Monopolisten immer dann sinnvoll, wenn der dadurch erzielte Grenzerlös größer ist als die Grenzkosten, denn dann steigt der Gewinn. Andernfalls sollte der Monopolist sein Angebot reduzieren. Das Gewinnmaximum für den Monopolisten liegt also bei der Menge, bei der Grenzerlös und Grenzkosten gleich sind. Dies entspricht im Prinzip der Bedingung für das Gewinnmaximum eines Unternehmens bei vollkommener Konkurrenz, denn in einem Wettbewerbsmarkt ist der Marktpreis für ein Unternehmen gegeben, sodass hier im Gewinnmaximum der Grenzerlös gleich dem Preis sein muss. Da ein preisnehmendes Unternehmen in einem Markt mit vollkommenem Wettbewerb bei einer Angebotsausweitung immer den gleichen Preis pro Stück erzielt, wird es sein Angebot bis zu der Menge ausdehnen, bei der die Grenzkosten gleich dem Preis sind. Beim Monopolisten hingegen unterscheiden sich Preis und Grenzerlös, da dieser sich der sich der gesamten fallenden Nachfragefunktion gegenübersieht. Der Monopolist berücksichtigt, dass er einen höheren Preis erzielen kann, wenn er eine geringere Menge anbietet und wird daher sein Angebot reduzieren. Die Maxime „Grenzerlös gleich Grenzkosten“ führt dazu, dass ein Monopolist eine geringere Menge anbietet als ein preisnehmendes Unternehmen, bzw. einen höheren als den Wettbewerbspreis fordert. Das resultierende Gleichgewicht wird sich also bei einem Preis einstellen, der über den Grenzkosten der Herstellung liegt. Graphisch kann man sich das Marktergebnis bei einem Monopol wie folgt verdeutlichen:

Abbildung 2: Marktergebnis beim Monopol

Hier bezeichnet die Linie NN’ die fallende Nachfragefunktion und AA’ die steigende Grenzkosten- bzw. Angebotsfunktion. Die Linie GG’ stellt die Grenzerlösfunktion dar. Diese liegt unterhalb der Nachfragefunktion, da bei einer Mengenerhöhung der Preis für alle Einheiten, auch die inframarginalen, sinkt. Bei vollkommenem Wettbewerb wird im Gleichgewicht die Preis-Mengenkombination pk, xk realisiert, bei der Preis und Grenzkosten übereinstimmen. Der Monopolist wird sein Angebot bzw. seinen Preis derart wählen, dass die Grenzkosten und der Grenzerlös übereinstimmen. Es ergibt sich also im Monopol-Gleichgewicht eine Preis-Mengenkombination pm, xm mit einem höheren Preis und einer geringeren Menge als bei Wettbewerb. Dabei hängt der Unterschied zwischen dem Ergebnis bei vollkommenem Wettbewerb und dem Monopol vor allem vom Verlauf bzw. von der Preiselastizität der Nachfragefunktion ab. Letztere gibt an, wie stark die Nachfrage bei einer Preiserhöhung abnimmt. Verliefe die Nachfragefunktion horizontal, d.h. wäre sie unendlich elastisch, dann wäre selbst bei einer noch so geringen Preiserhöhung keine Nachfrage mehr nach dem Produkt des Monopolisten vorhanden. Wäre die Nachfragefunktion hingegen senkrecht, d.h. vollkommen preisunelastisch, wie es z.B. bei lebenswichtigen Medikamenten der Fall sein kann, dann wäre der Monopolist im Prinzip in der Lage, den Preis seines Produktes solange zu erhöhen, bis er das gesamte Einkommen der Nachfrager abgeschöpft hätte. Diese Überlegungen machen deutlich, dass für das Ergebnis in einem monopolistischen Markt die Eigenschaften der Nachfragefunktion von zentraler Bedeutung sind.39

Monopol und Allokationseffizienz. Wie bereits im Abschnitt über Allokationseffizienz dargelegt wurde, führt ein Preis, der über den Grenzkosten liegt, zu einer ineffizienten Allokation, weil in diesem Fall nicht alle Tauschgewinne ausgeschöpft werden. Da ein Monopolist seine Angebotsmenge bzw. seinen Preis nach der Regel „Grenzerlös gleich Grenzkosten“ wählt, bietet er eine geringere Menge zu einem höheren Preis an, als es unter sonst gleichen Bedingungen bei vollkommenem Wettbewerb der Fall wäre.