Kidnapper Mine - Ute Jäckle - E-Book
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Kidnapper Mine E-Book

Ute Jäckle

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Beschreibung

Das ganze Land hielt mich für verrückt und trotzdem tat ich es. Ich verliebte mich in meinen Kidnapper.

Elenas neu gewonnene Freiheit kostet sie einen hohen Preis. Nichts entwickelte sich so, wie sie es sich ausgemalt hatte. Sie hat ihren Seelenverwandten verloren, ihre große Liebe, ihre gefährlichste Versuchung. Wieder zu Hause begegnet sie Lorenzo, einem attraktiven Womanizer, der nichts anbrennen lässt. Doch die Schatten der Vergangenheit ruhen nicht, und so trifft Rico aus Liebe zu Elena eine folgenschwere Entscheidung. Er beschwört damit Ereignisse herauf, die auch Elena in höchste Gefahr bringen. Bald weiß Elena nicht mehr, wem sie noch trauen kann und wen sie liebt.

Sie hatte sich ausgerechnet an mir festgehalten. Ihrem Kidnapper.

Neuauflage! Erschien ursprünglich unter dem Titel: Verlorene Sehnsucht. Obwohl beide Teile in sich geschlossen sind und somit auch unabhängig voneinander gelesen werden können, empfiehlt es sich, Kidnapper Dearest zuerst zu lesen.

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Kidnapper Mine

Ute Jäckle

Inhalt

Über die Autorin

Rico

Elena

Rico

Elena

Rico

Elena

Rico

Elena

Elena

Rico

Elena

Rico

Elena

Rico

Elena

Elena

Lorenzo

Rico

Rico

Elena

Elena

Rico

Elena

Elena

Rico

Milena

Rico

Elena

Elena

Rico

Elena

Rico

Elena

Elena

Rico

Rico

Elena

Rico

Elena

Elena

Rico

Rico

Elena

Rico

Elena

Lorenzo

Rico

Rico

Rico

Rico

Leseprobe

Kapitel 1

Kapitel 2

Neuauflage Februar 2020

Copyright © 2020, Ute Jäckle

c/o Barabara’s Autorenservice

Tüttendorfer Weg 3

24214 Gettorf

Email: [email protected]

Cover: NK Design (Nadine Kapp)

all rights reserved

Die Charaktere, Handlungen und Gegenstände dieser Geschichte sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Neuauflage! Dieser Roman erschien ursprünglich unter dem Titel: Verlorene Sehnsucht

Erstellt mit Vellum

Über die Autorin

Ute Jäckle wurde in Stuttgart geboren. Sie studierte BWL in Nürnberg und verbrachte einige Jahre in den USA. Nach dem Studium arbeitete sie für die Industrie. Schon immer war ihre ganz große Leidenschaft das Lesen, und mit dem Schreiben von Büchern erfüllte sie sich einen Lebenstraum. Seitdem kann sie nicht mehr davon lassen und widmet sich voll Hingabe dem Verfassen von Liebesromanen. Seit Jahren schreibt sie für verschiedene Verlage und auch im Selfpublishing.

Rico

Ein Glöckchen bimmelte, als ich das schäbige Strandcafé in der Nähe des Hafens betrat. Das einzige Lokal in einem weiten Umkreis. Immerhin lebte ich nicht ohne Grund so abgelegen. Einen Moment lang blieb ich im Türrahmen stehen und suchte mit einem raschen Blick den Raum ab. Ein diffuses Unbehagen streifte mich, denn ich ließ mich nicht gern in der Öffentlichkeit blicken. Auch wenn ich jetzt im Ausland lebte, war die Gefahr erkannt und verhaftet zu werden, doch allgegenwärtig.

Mein Kiefer spannte sich an, als ich den bleichen Mann mit den hohen Wangenknochen am hintersten Tisch beim Fenster entdeckte. Er musterte mich mit einem erwartungsvollen Grinsen, das ich ihm am liebsten auf der Stelle aus dem Gesicht geprügelt hätte. Ich straffte die Schultern und marschierte über den zerkratzten Dielenboden direkt auf ihn zu. Der Kerl sollte nicht glauben, er könnte mich allein mit seiner Präsenz einschüchtern.

Ich ignorierte die neugierigen Blicke, die mir von den paar Gästen zugeworfen wurden, welche verstreut an den Tischen herumsaßen. In diesem Lokal hatte ich mich noch nie blicken lassen. Auch nicht, als ich noch mit Elena zusammenlebte. Vielleicht hätten wir öfter unter Leute gehen sollen. Stattdessen hatten wir die meiste Zeit zurückgezogen in unserem Häuschen am Meer verbracht. Wir hätten ein bisschen Abwechslung in unserem Leben gut gebrauchen können, immerhin waren wir jung, hatten jedoch wie Einsiedler dahinvegetiert.

Ich wollte so wenig Aufsehen wie möglich verursachen. Die neuen Pässe und mit ihnen unsere neue Identität hatten mich eine gehörige Stange Geld gekostet. Geld, das uns zum Ausgeben gefehlt hatte. Aber ohne falsche Identitäten hätten wir nicht einmal ein Haus mieten können. Glücklicherweise hatte ich mich an einen alten Kontakt von Carlos erinnert. Eine Gruppe, die sich auf Fälschungen spezialisiert hatte, aber leider ebenso darauf, andere gegen noch mehr Geld zu verpfeifen. Wie sich vor ein paar Tagen herausgestellt hatte …

Am Tisch angekommen, ließ ich mich unaufgefordert auf einem Stuhl nieder. Der Kerl mir gegenüber lehnte sich zurück. »Rico, endlich sehen wir uns mal wieder. Nach deinem eiligen Aufbruch damals hatte ich gar keine Gelegenheit mehr, mich von dir zu verabschieden.«

»Hector.« Ich sprach seinen Namen so herablassend wie nur möglich aus. Ehrlich gesagt hatte ich Mühe, ihn mir nicht auf der Stelle zu krallen. Vor allem für das, was er damals mit Elena angestellt hatte. Meine rechte Hand umklammerte das Tischbein. Ich grub die Fingernägel so tief in das Holz, dass sie halbmondförmige Abdrücke hinterließen. Leider musste ich mir anhören, was der Scheißtyp von mir wollte, denn er hatte mich in der Hand. »Du bist noch genauso hässlich wie früher.«

Hector verzog keine Miene. »Dein gutes Aussehen hat dir auch nicht viel genützt, sonst hätte die Kleine wohl nicht vor dir das Weite gesucht. Was war denn los? Hast du sie gelangweilt, oder es einfach nicht mehr im Bett gebracht? Ich habe ihr damals schon angeboten, sie mal ordentlich flachzulegen, bei mir wäre sie voll auf ihre Kosten gekommen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.« Er grinste so provokant, dass ich aufsprang, ihn am Hemdkragen schnappte und auf die Füße zog. Alle Leute im Raum drehten die Köpfe in unsere Richtung, aber Hector lachte nur.

»Nimm deine Pfoten weg und setz dich wieder hin«, knurrte der Drecksack, worauf ich ihn wieder losließ. Allem Anschein nach kannte er Elenas derzeitigen Aufenthaltsort und ich sollte sie und Manuel mit meiner Unbeherrschtheit nicht in Gefahr bringen. Immerhin handelte es sich bei Hector um einen Lakaien von Señor Cordoba. Dem berüchtigtsten Mafiaboss ganz Kolumbiens, der obendrein noch eine Rechnung mit mir offenhatte.

»Pass auf«, warnte ich ihn leise, obwohl eine Scheißangst um die beiden in mir aufstieg. Sie waren weit weg und ich konnte sie nicht beschützen. »Ich habe heute extrem schlechte Laune. Und das liegt zu zweihundert Prozent an dir.«

Erst als die rundliche Bedienung an unseren Tisch kam, ließ ich mich zurück auf den Stuhl sinken. Ich musste mich zu einer ruhigen Atmung zwingen, um dem Kerl nicht zu verraten, wie es tatsächlich in mir aussah. Die Frau hatte ihre Bluse eine Spur zu weit aufgeknöpft und stellte die Hüfte aus. »Was darf ich euch bringen?«, hauchte sie und lächelte uns abwechselnd an. Mit Sicherheit hatte sie die vierzig schon weit überschritten.

»Kaffee«, bestellte ich knapp und bemerkte, wie Hector auffällig in ihr üppiges Dekolleté schielte. Ihr schien seine Spannerei nichts auszumachen.

»Für mich ein Aguila Bier.« Hector leckte sich über die Oberlippe. »Sag mal Kleine, ist das da in deiner Bluse alles echt?«

Als sie statt einer Antwort kicherte, wurde mir schlecht. Wenn ich eines in der ganzen Zeit meiner Flucht nicht vermisst hatte, dann diese Gestalten. Wenigstens beruhigte sich mein rasender Puls, denn wohl oder übel gab es einiges mit Hector zu klären, seit dem kurzen Telefonat, das wir vor ein paar Tagen miteinander geführt hatten.

»Señor Córdoba ist noch immer nicht gut auf dich zu sprechen. Er kann sehr nachtragend sein«, sagte Hector in einem Tonfall, als hätten wir uns auf ein gemütliches Gläschen getroffen.

»Córdoba.« Ich lachte spöttisch auf. »Dem hätte ich damals den Schädel einschlagen sollen, dann würdest du heute nicht hier sitzen und mir den Tag versauen …«

»Na, na, na«, unterbrach Hector mich mit erhobenem Zeigefinger. »Was sind denn das für Reden? Ich habe den weiten Weg nur auf mich genommen, um dir mitzuteilen, dass der edelmütige Señor Córdoba geneigt ist, dir zu verzeihen. Schließlich sind wir alle so etwas wie eine große Familie, und da lässt man sich nicht einfach gegenseitig im Stich.«

»Spar dir dein Gefasel. Was will Córdoba von mir?«

»Wir möchten dir ein Geschäft vorschlagen. Glaubst du allen Ernstes, der Boss hätte sich so viel Mühe mit dem Aufspüren eines kleinen Ganoven gemacht, wenn die Angelegenheit nicht extrem wichtig wäre? Ansonsten hätte ich dir schon längst eine Kugel in den Kopf gejagt. Aber leider hat der Señor Pläne.«

Ich schnaubte. »Ich habe andere Pläne, richte Córdoba das aus.«

Die Kellnerin kam mit den Getränken zurück, die sie auf den Tisch stellte. »Bitte schön. Salute.« Als sie sich schwungvoll umdrehte, gab Hector ihr einen festen Klaps auf ihr pralles Hinterteil. Mit einem belustigten Aufquieken suchte sie das Weite.

Um Zeit zu schinden, nippte ich an meinem heißen Kaffee. Erst als sich der bittere Geschmack in meinem Mund ausbreitete, richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Hector, der sein Bier in einem Zug leerte. »Was will Córdoba von mir? Spuck’s aus und dann verpiss dich.«

Geräuschvoll stellte er die Flasche zurück auf den fleckigen Holztisch. »Jetzt wirst du also doch neugierig.« Hector lachte. »Du sollst einen Auftrag erledigen. Wenn du den anstandslos über die Bühne bringst, ist der Chef bereit, dir zu vergeben. Außerdem erhältst du eine Aufwandsentschädigung für deine Mühe. Aber falls nicht …«

»Mir zittern schon die Knie«, erwiderte ich spöttisch und lehnte mich zurück. Seit Elena und Manuel nicht mehr bei mir lebten, interessierte mich nichts mehr. Am allerwenigsten mein eigenes beschissenes Leben. »Will er mich sonst foltern und umbringen? Mir die Finger einzeln brechen und mich zusammenschlagen lassen? Als ob mich das noch juckt. Ich bin schon längst tot, sag ihm das.«

»Nein, so etwas würden wir dir doch nie antun.« Hector machte eine bedeutungsvolle Pause. »Das bisschen Rache würde Córdoba nicht genügen. So einfach kommst du ihm nicht davon. Zuerst würden wir uns noch deine kleine Freundin und ihren Bengel vorknöpfen.« Als er eine Linie an seinem Hals entlangfuhr, sprang ich erneut von meinem Stuhl auf, jede Sehne in meinem Körper spannte sich an, während ich mich zum Kampf bereitmachte.

Hector wich mit dem Oberkörper zurück und hielt beschwichtigend eine Hand zwischen uns. »Wir wissen, wo die beiden sich aufhalten. Draußen bei ihrer Abuela auf dem Land. Also setz dich gefälligst wieder hin.« Er lachte dreckig auf. »Der alte Montanez hatte im Gefängnis einen Unfall, hast du davon gehört? Elenas Vater ist unglücklich unter der Dusche gestürzt - direkt in eine Klinge. War wohl kein schöner Anblick. Also überleg dir gut, ob es deiner kleinen Schlampe ähnlich ergehen soll. Einer unserer Leute bewacht Tag und Nacht das Haus.«

Mich durchfuhr es eiskalt, mit einem Gefühl, als greife eine frostige Klaue nach meinem Herzen. Eine Scheißangst machte sich in mir breit und nahm jeden Zentimeter meines Körpers in Besitz. Eine Angst, die ich in dieser Art noch nie zuvor verspürt hatte. Elena und mein Kind schwebten in höchster Gefahr und ich konnte nichts tun.

»Was verlangt ihr von mir?« Ich wollte zur Kaffeetasse greifen, ließ es dann aber sein, da meine Hand verräterisch zitterte.

»Du sollst zurück in den Dschungel kommen und eine Geiselnahme überwachen.«

Ich wich mit dem Kopf zurück. »Was? Nie im Leben kehre ich zurück nach Kolumbien. Warum ausgerechnet ich? Findet Córdoba keinen anderen Handlanger mehr, der sich um eine Geisel kümmern könnte?«

»Es handelt sich nicht um irgendeine Geisel, sondern um Milena Cruz-Mendez. Sagt dir der Name etwas?«

Ein schwacher Pfiff entglitt mir durch die Zähne. »Du meinst doch nicht etwa die Tochter dieses Kommunalpolitikers?«

Hector nickte. »Córdoba hat mit dem Hurensohn eine Rechnung offen. Außerdem möchte er dir mit diesem Job beweisen, dass er kein nachtragender Mensch ist. Córdoba vergibt durchaus zweite Chancen.«

Eine Politikertochter. Ich konnte es nicht fassen. Eine Entführung dieses Ausmaßes würde für Wirbel im ganzen Land sorgen. Die denkbar schlechteste Ausgangsposition für mich, einen gesuchten Verbrecher.

»Warum zum Teufel ausgerechnet ich? Ich soll für Córdoba also die Drecksarbeit erledigen.«

»Ach Rico, das machen wir doch alle.« Ungerührt zuckte Hector mit den Schultern. »Der Señor will von deiner jahrelangen Erfahrung mit Carlos profitieren. Schließlich war er lange Zeit sehr zufrieden mit der Arbeit deines Cousins. Und du erhältst nun die Möglichkeit, euren damaligen Verrat wieder gutzumachen.« Jedes einzelne Wort klang wie eine Drohung. »Der neue Kommandant im Camp braucht einen Stellvertreter an seiner Seite, einen der Ahnung hat und Erfahrung mitbringt. Diesen heiklen Auftrag können wir nicht irgendeinem Dummkopf anvertrauen.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf mich. »Und da kommst du ins Spiel. Keine der anderen Gruppen im Dschungel hat es bis jetzt geschafft, die Aufträge so sauber abzuwickeln wie Carlos. Von eurem miesen kleinen Drecksdeal mal abgesehen.«

»Ist das Kidnappen einer Politikertochter nicht eine Nummer zu groß für euch? Eine Entführung dieser Größenordnung wird für eine Menge Aufruhr sorgen und die Polizei und das Militär werden alle Hebel in Bewegung setzen, um euch zu erwischen.«

Hector hatte nur ein gelassenes Schulterzucken für mich übrig. »Die werden uns genauso wenig finden, wie vorher auch, solange keiner aus den eigenen Reihen uns verpfeift. Wo wollen sie denn suchen? Die können schließlich schlecht den ganzen Regenwald wegen uns abholzen.« Er lachte auf, während ich über Hectors Einfalt nur ungläubig den Kopf schüttelte. Eine Armee würde uns jagen, aber das schien dem Einfaltspinsel nicht bewusst zu sein.

»Freu dich doch«, sagte Hector hämisch. »Vielleicht kannst du dich mit der Kleinen auch anfreunden. Dann hast du wieder eine zum Vögeln im Dschungel, damit dir nicht langweilig wird.«

Abrupt stand ich auf. »Ich gehe.« Ich warf ein paar Münzen auf den Tisch. Keine Sekunde länger würde ich mir Hectors Gerede antun und mit Sicherheit ging ich auch nicht zurück in den Dschungel.

Hector schob einen zerknitterten Zettel über den Tisch. »Ruf an, sobald du eine Entscheidung getroffen hast. Aber lass dir nicht zu viel Zeit. Córdoba ist nicht der geduldigste Arbeitgeber. Und es sollen doch nicht noch weitere Unfälle folgen.«

Obwohl sich alles in mir sträubte, nahm ich den Zettel. Am liebsten hätte ich ihn zerknüllt und Hector an den Kopf geworfen, stattdessen steckte ich ihn ein. »Wenn du Elena oder meinen Sohn anrührst, finde ich dich, Hector«, warnte ich ihn. »Es gibt keinen Platz auf der Erde, wo du dich dann vor mir verstecken kannst.« Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte ich nach draußen.

Krachend flog die Haustür hinter mir ins Schloss, worauf die brüchigen Mauern sekundenlang erzitterten. Mit langen Schritten durchquerte ich das Wohnzimmer, machte kehrt und marschierte zur anderen Seite, wieder Drehung und zurück. Ich lief und lief, um mich endlich zu beruhigen, aber es gelang mir nicht. Diese Scheißangst ließ sich einfach nicht abschütteln, im Gegenteil: Sie schaukelte sich hoch, bis sich die schlimmsten Schreckensszenarien wie in einem Film vor meinem inneren Auge abspulten. Ich sah Elena und Manuel in ihrem eigenen Blut liegen und wusste, dass ich mir nicht einfach nur üble Dinge zusammenspann. Diese Gefahr war verdammt real. Còrdoba fackelte nie lange, wenn jemand nicht spurte. Aus einem Impuls heraus schnappte ich das halbleere Wasserglas, das auf dem Sofatisch stand und schmetterte es klirrend an die Wand. Es zersplitterte in tausend winzige Stückchen, die sich zusammen mit unzähligen Wasserspritzern im gesamten Zimmer verteilten. Ich verharrte und betrachtete die funkelnden Scherben. Direkt vor meinen Füßen war ein relativ großes Glasstück gelandet, mit drei Spitzen, geformt wie ein Dreizack. Einen Herzschlag später hob ich es auf und glitt vorsichtig mit dem Daumen die Kante entlang. Scharf wie ein Skalpell. Vielleicht wäre es am besten … nein! Ich ließ die Scherbe fallen. Auf eine derart feige Art würde ich mich nicht davonstehlen, nicht, solange Elena und Manuel hinterher alles ausbaden mussten.

»Nein!«, schrie ich in den Raum, in dem Versuch, den rasenden Schmerz in meiner Brust zu betäuben. Warum nur hatte ich Elena ziehen lassen? Ich hätte sie nicht gehenlassen dürfen, ich hätte sie zwingen sollen, bei mir zu bleiben. Doch dann wäre ich derselbe schlechte Kerl geblieben, der sie vor zwei Jahren gekidnappt hatte. Nur ich war schuld. Weil ich schlechte Entscheidungen traf, nie an die Folgen dachte. Eine rasende Wut überwältigte mich mit Macht, schaltete meinen klaren Verstand aus, sodass ich gegen den Esstisch trat, der krachend zusammenbrach. Als Nächstes schnappte ich mir einen Stuhl nach dem anderen und zertrümmerte sie an der Wand. Holzsplitter flogen mir um die Ohren. Danach nahm ich mir das Regal vor und fegte mit einem Arm und unter lautem Wutgebrüll Gläser, Teller und Tassen zu Boden, die klirrend auf dem Steinboden zersprangen.

Abrupt stand ich still und rieb mir mit dem Handrücken über die Augen. Bis auf einen Sprung im Glas war der Bilderrahmen zu meinen Füßen heil geblieben. Ich hob ihn auf und presste ihn an meine Brust, bevor ich auf die Couch sank und die Decke anstarrte. Erst nach einiger Zeit brachte ich es über mich, das Bild in meiner Hand zu betrachten. Mein Herz schmerzte vor Sehnsucht. »Warum bist du gegangen?« Mit einem Finger fuhr ich die Konturen von Elenas Gesicht nach. Sie saß im Sand und hielt Manuel auf dem Schoß. Der Kleine hatte den Arm ein wenig gehoben, als würde er mir winken. Obwohl Elena lächelte, bemerkte ich den traurigen Schimmer in ihren Augen. Ich hatte alles versucht, sie glücklich zu machen, aber es war mir nie vollkommen gelungen. »Ich liebe euch beide unendlich.«

Scheiße, ich konnte nicht in Worte fassen, wie sehr ich die beiden vermisste.

Nach einer halben Ewigkeit fasste ich einen Entschluss. Für die beiden war ich zu jedem Opfer bereit, egal wie schmerzhaft, egal wie kriminell, egal wie tief ich sinken musste – ganz egal. Ich ließ der Reihe nach alles in mir absterben, jeden Funken Menschlichkeit, mein Gewissen, all meine guten Vorsätze, ein ehrlicher Mensch zu werden und spürte gleichzeitig, wie der Kidnapper in mir hochstieg, der eiskalte Kriminelle, den das Leid seiner Geiseln nicht interessierte.

Obwohl sich alles in mir sträubte, kramte ich den zerknüllten Zettel aus meiner Hosentasche und mein Smartphone aus der anderen.

Elena

Warum hatte ich mich von meiner Großmutter nur dazu überreden lassen, mein knielanges mohnrotes Kleid anzuziehen, um den heutigen Abend mit ihrer Freundin und deren Enkel zu verbringen, die zu Besuch kamen. Ich fühlte mich noch nicht so weit, um neue Leute kennenzulernen. Im Speziellen Männer!

»Vielleicht gehe ich heute einfach mal früher ins Bett.« Ich lehnte mich auf der Couch zurück und gähnte übertrieben hinter vorgehaltener Hand.

»Wieso denn?« Abuela klang energisch. »Carla will dich unbedingt kennenlernen. Und was soll der junge Mann den ganzen Abend mit uns zwei alten Frauen anfangen?«

»Abuela«, ich musterte sie durchdringend, »du willst mich doch nicht etwa verkuppeln?«

Sie fasste sich an ihr Herz, als hätte ich soeben die empörendste Anschuldigung von mir gegeben, die man sich nur vorstellen konnte. »Wie kommst du denn auf so einen Gedanken?«

Ihr unterdrücktes Schmunzeln ließ mich noch misstrauischer werden.

Sie tätschelte mein Knie. »Wir verbringen nur einen schönen Abend mit unseren Gästen, das ist alles.«

»Okay.« Ich nickte. Warum sollte ich ihr diesen Gefallen nicht tun, immerhin hatte sie mich und meinen Sohn aufgenommen, nachdem ich nach einem Riesenstreit mit Rico unser gemeinsames Zuhause verlassen hatte und nicht wusste, wo ich hingehen sollte. Es hatte einige Zeit gedauert, bis ich realisiert hatte, dass ich wahrhaftig am Ende meiner großen Liebe angekommen war.

Die Tür öffnete sich und Manuel tapste neben seinem Kindermädchen ins Zimmer. Er bewegte sich erstaunlich flink für seine nicht mal anderthalb Jahre. »Ich bringe ihn jetzt ins Bett«, sagte Alma, die ein wenig erschöpft aussah. »Er hat gut gegessen und ist endlich müde.«

Manuel kletterte zu mir aufs Sofa. Almas frommen Wünschen zum Trotz, hopste er zwischen mir und Abuela auf und ab, bis ich mein kleines Temperamentsbündel schnappte und auf meinen Schoß zog. »Gute Nacht, mein Kleiner.« Ich küsste ihn auf die Wange. »Schlaf gut.«

»Nacht«, krähte Manuel mit seiner hohen Kinderstimme, bevor ich ihn auf den Boden stellte. Abuela strich ihm über sein blondes Haar. »Jetzt aber marsch ins Bett.«

Er sah seinem Vater so frappierend ähnlich, dass ich bei seinem Anblick sofort Rico im Kopf hatte. Mein Herz pochte einen Schlag zu schmerzhaft, als er vor meinem inneren Auge aufstieg und wie eine Seifenblase zerplatzte.

Manuel floh vor Alma durchs Zimmer, die ihm hinterherjagte. Endlich erwischte sie ihn und trug das strampelnde Bündel hinaus in den Flur.

Zeitgleich hallte der Gong durchs Haus, kurz darauf vernahmen wir die schnellen Schritte des Hausmädchens, das öffnete.

Sie führte eine rundliche Dame herein, hinter ihr erschien ein hochgewachsener Mann, den ich ein paar Jahre älter als mich schätzte. Schon im Türrahmen zeigte er uns ein breites Lächeln, das ich allerdings nur schüchtern erwiderte. Er sah ohne Frage ausnehmend gut aus, was mich noch nervöser machte, als ich mich ohnehin schon fühlte. Warum hatte Abuela mich nicht vorgewarnt, dass der Enkel ihrer Bekannten so attraktiv aussah?

»Carla, wie schön dich zu sehen.« Abuela ging ihnen entgegen, die beiden Frauen umarmten sich mit Küsschen links und rechts auf die Wange.

»Vielen Dank für die Einladung, Paola.« Sie schob Abuela ein Stück von sich, um sie einer eingehenden Musterung zu unterziehen. »Du hast dich überhaupt nicht verändert in den letzten Jahren, meine Liebe.«

Abuelas Lachen klang geschmeichelt. »Erzähl das mal meinen alten Knochen.«

Carla ergriff ihren Enkel beim Ellbogen und zerrte ihn energisch neben sich. »Du kennst Lorenzo noch, oder? Erinnerst du dich an ihn?«

»Selbstverständlich, aber das letzte Mal reichte er mir kaum bis zur Schulter.«

Lächelnd reichte Lorenzo ihr die Hand und küsste sie auf die Wangen. »Das Alter ist leider auch an mir nicht spurlos vorbeigegangen.«

»Zu deinem Vorteil, mein Lieber.« Abuela lachte glockenhell.

»Elena komm zu uns und begrüße unsere Gäste.« Einen Tick zu hektisch winkte Abuela mich heran, da ich noch immer auf dem Sofa saß, und mich nicht rührte. Seufzend stand ich auf, denn die Gute machte schon wilde Zeichen mit den Augen. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit den beiden reden sollte. »Hallo.« Mehr fiel mir nicht ein.

»Das ist Lorenzo«, verkündete Abuela strahlend und legte einen Arm um meine Taille, nur um mich direkt vor ihn zu schieben. Der Duft seines Aftershaves stieg mir in die Nase, so dicht standen wir uns gegenüber. Er roch angenehm nach Sandelholz.

»Guten Abend«, sagte ich schüchtern. Obwohl es vollkommen schwachsinnig war, kam ich mir vor, als würde ich Rico hintergehen. Aber wir hatten uns offiziell getrennt, es gab also keinen Grund für Gewissensbisse. Schon gar nicht bei einem so harmlosen Anlass, wie einem Abendessen mit unseren Abuelas.

Überraschend kräftig schüttelte er mir die Hand und wollte auch mich auf die Wangen küssen, aber ich wich instinktiv einen Schritt zurück.

»Ich glaube, das wird ein unterhaltsamer Abend.« Er zwinkerte mir zu. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, ihm schon einmal begegnet zu sein, konnte mich jedoch beim besten Willen nicht mehr erinnern, wann und wo das gewesen sein sollte.

»Was für eine hübsche Enkelin du hast«, rief Carla, und schloss mich in die Arme. Sie drückte mich an ihren üppigen Busen, dass mir fast die Luft wegblieb, während ihr Enkel sich ein amüsiertes Grinsen verkniff.

Das Dienstmädchen kam mit einem Tablett Aguardiente herein und wir bedienten uns an dem mit Anis versetzten Zuckerrohrschnaps, dem Nationalgetränk Kolumbiens, das bei keiner Festlichkeit fehlen durfte. Obwohl ich nicht sonderlich viel für Alkohol übrig hatte, nahm ich mir ebenfalls ein Gläschen.

»Salute«, riefen wir und kippten den hochprozentigen Schnaps in einem Zug weg. Ein wohlig wärmendes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus, schmeckte gar nicht mal so übel.

»Das Essen ist angerichtet.« Mit einer einladenden Handbewegung deutete Abuela hinüber zum Speisezimmer, aus dem uns bereits ein würziger Geruch von gebratenem Fleisch entgegenwehte.

Als wir später beisammensaßen und uns das Comida Corriente aus Hühnchen und Gemüse schmecken ließen, war ich doch tatsächlich bereits in eine Unterhaltung mit Lorenzo vertieft, der sich als wirklich nett herausstellte, sodass ich meine Anfangsnervosität vollkommen vergaß. Es tat so gut, mal wieder mit jemandem zu reden, der nicht fünfzig Jahre älter war als ich – oder mich gekidnappt hatte.

»Was studierst du?« Ich nahm einen großen Schluck von meiner Cola, da ich auf ein Pfefferkorn gebissen hatte, das nun auf meiner Zunge brannte. Lorenzo ließ sich Abuelas Rotwein schmecken, der in seinem Kristallglas funkelte. »Betriebswirtschaft im Masterstudium. Ich werde einmal das Geschäft meines Vaters übernehmen. Er handelt mit Smaragden. Aber vorher muss ich mir noch ein paar Grundkenntnisse aneignen.« Lorenzo stellte sein Glas zurück auf den Tisch und dämpfte seine Stimme, bevor er sich zu mir lehnte. »In Wahrheit genieße ich mein lockeres Studentenleben, solange es noch geht. Aber erzähl das bloß nicht meiner Abuela, sie glaubt ich würde Tag und Nacht nur lernen.«

Nach einem Blick auf die beiden Frauen uns gegenüber, die in eine angeregte Unterhaltung verstrickt waren, kicherte ich. »Bei mir ist dein Geheimnis sicher«, sagte ich so ernst wie nur möglich.

Lorenzo lachte leise auf.

»Was studierst du?«, wollte er wissen.

»Noch gar nichts.« Ich zuckte mit den Achseln. »Ich muss erst meinen Schulabschluss nachholen. Aber mein Privatlehrer meinte heute, ich kann wahrscheinlich schon in ein paar Wochen meine Abschlussprüfung ablegen.«

»Wie alt bist du denn?«, wollte er wissen, während er ein Stück von seinem Hühnchen auf die Gabel spießte.

»Neunzehn.« Eigentlich zu alt, um noch die Schulbank zu drücken, genau das dachte er, ich sah es ihm an. »Wie alt bist du?«

Lorenzo schluckte sein Essen hinunter. »Vierundzwanzig. Aber solltest du nicht schon längst mit der Schule fertig sein?«

Als sich meine Wangen erhitzten, trank ich hastig einen großen Schluck Cola. Genau dieses Thema hätte ich so gern vermieden. »Mein Abschluss hat sich ein wenig verzögert.«

Sein Lächeln wirkte zerknirscht. »Bitte entschuldige meine Taktlosigkeit. Ich weiß, dass du …«

»Du weißt was?«, unterbrach ich ihn. Spielte er auf Rico an? Darauf, dass ich schwanger geworden war und Hals über Kopf mit meinem Kidnapper das Land verlassen hatte, ohne mir großartig Gedanken über die Folgen für mein Leben und das meines Kindes zu machen? Dass ich die totale Einsamkeit, ohne Perspektive, ohne Freunde, ohne die Möglichkeit mich jemals selbst zu verwirklichen, nicht ausgehalten hatte? Mit dem Schuldgefühl, Manuel niemals eine normale Kindheit bieten zu können. In erster Linie hatte ich an meinen Sohn gedacht. Irgendwann war mir das Leben an Ricos Seite vorgekommen, als wäre ich von einer Geiselhaft in die Nächste geraten. Obwohl ich Rico unrecht tat, er hatte alles versucht, um mich glücklich zu machen. Leider hatte mir das auf Dauer nicht gereicht.

»Jeder hier in der Gegend weiß, dass du entführt wurdest«, hörte ich Lorenzo sagen und schrak aus meinen Gedanken.

»Das ist lange her.« Meine Atmung wurde flach. Wann würden die Leute endlich aufhören, mich auf meine Zeit als Geisel zu reduzieren? »Bist du deswegen da? Um dir den Freak aus der Nähe zu betrachten.« Meine Worte waren schärfer herausgekommen als beabsichtigt. Auf dieses Thema reagierte ich viel zu empfindlich. Ich legte mein Besteck auf den zur Hälfte geleerten Teller. Mist, ich verhielt mich irrational, in der Tat wie ein Freak.

Er wirkte betroffen. »Es tut mir sehr leid, falls ich dich unabsichtlich beleidigt habe. Im Übrigen bilde ich mir meine Meinung über einen Menschen gerne selbst. Was andere reden, interessiert mich nicht.«

»Vergiss es«, sagte ich gedämpft und winkte ab, denn Abuela warf mir einen kritischen Blick zu. »Ich sollte nicht gleich überreagieren. Wahrscheinlich bin ich bei diesem Thema einfach noch ein bisschen empfindlich.«

»Das ist verständlich. Du hast eine harte Zeit durchgemacht, sowas steckt man nicht so schnell weg.« Lorenzo legte ebenfalls sein Besteck beiseite, worauf das Hausmädchen unsere Teller abräumte. Er trug sein schwarzes Haar zurückgekämmt, was sein gebräuntes Gesicht betonte, es wirkte wie modelliert. Sein athletischer Körper verriet mir, dass er bestimmt viel Zeit im Freien verbrachte.

Das Dienstmädchen servierte Cuajada con Melao. Eine Frischkäsecreme mit Karamellsoße und wir wandten uns schweigend unserem Nachtisch zu.

Später begleitete ich Lorenzo nach draußen auf die Terrasse und sank neben ihm in die Hollywoodschaukel, achtete allerdings auf Abstand zwischen uns. Er steckte sich eine Zigarette an und blies blaugrauen Rauch durch die Nase. Instinktiv hielt ich den Atem an. Ich hasste Zigarettenrauch, wollte aber nicht schon wieder kleinlich wirken. Eine Zeitlang redeten wir nichts. Mir fiel kein unverfängliches Gesprächsthema ein. Mittlerweile war es so dunkel geworden, dass ich den Teich ganz hinten am Ende der Rasenfläche nicht mehr erkennen konnte. Sterne glitzerten am schwarzen Firmament, die Luft hatte sich zwischenzeitlich zwar leicht abgekühlt, fühlte sich aber trotzdem noch angenehm warm auf meiner Haut an. Zwei Frösche quakten abwechselnd im Teich, als führten sie ein Gespräch miteinander.

»Du trägst ein sehr hübsches Kleid. Es steht dir wirklich gut«, durchbrach Lorenzo schließlich die Stille.

»Ach, das alte Ding«, winkte ich ab, denn es stammte noch aus der Zeit vor meiner Entführung. Ein Haufen wehmütiger Erinnerungen hingen daran, deshalb brachte ich es nicht fertig, es zu entsorgen. Dieses Kleid hatte ich noch zusammen mit meiner besten Freundin Adriana gekauft, die während unserer Geiselnahme gestorben war. Noch immer fehlte sie mir so unglaublich, dass mein Herz schmerzte, wann immer sie mir in den Sinn kam. Dieses Kleid zu behalten, war meine Art, die Erinnerung an sie wachzuhalten.

»Lässt du auch mal ein Kompliment zu?«

Ich zuckte zusammen. »Das sollte ein Kompliment sein?« Es war Ewigkeiten her, seit ich das letzte Mal eins bekommen hatte.

Sein Schmunzeln ließ seine dunklen Augen funkeln. »Du bist wirklich süß. Ganz anders, als die Frauen, die ich sonst treffe.« Lorenzo zog an seiner Zigarette.

»Ich hoffe schwer für dich, dass du das jetzt als Kompliment gemeint hast.« Ich zwinkerte ihm zu.

»Ja«, stimmte er mir mit feierlicher Stimme zu. »Du bist irgendwie geheimnisvoll, als hättest du einiges zu verbergen und ehrlich gesagt, finde ich es sehr reizvoll, mehr von dir zu erfahren.«

»Mein Leben könnte stinklangweiliger nicht ablaufen, glaub mir.«

Er stupste mich mit dem Ellenbogen an. »Vielleicht brauchst du nur jemanden, der für ein wenig Abwechslung in deinem dunklen, tristen Leben sorgt«, formulierte er so spöttisch, dass ich mir ein leises Lachen nicht verbeißen konnte.

»Denkst du dabei zufällig an jemand bestimmten?«

»An meine Abuela …«, er machte eine Pause und inhalierte Rauch, »… mit Sicherheit nicht«, vollendete er den Satz schließlich. Lorenzo strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr, die mir ins Gesicht hing und ich ließ es zu, dass seine Fingerspitzen die empfindliche Stelle unter meinem Ohr berührten. Alles in mir kribbelte. Intim. Viel zu intim. Aber gleichzeitig das Aufregendste, das ich seit Langem erlebt hatte.

»Ist deine Abuela denn nicht unterhaltsam?«, fragte ich, während wir uns tief in die Augen sahen. Die Luft begann plötzlich zu flirren, mein Herzschlag pochte mir bis hoch in den Hals. Ich hatte das Gefühl, mich auf gefährliches Terrain zu begeben, obwohl wir nur nebeneinander im Garten meiner Abuela saßen.

»Mit mir hättest du viel mehr Spaß«, raunte er, bevor er seine Zigarette ins Gras schnippte.

»Und diese Masche zieht tatsächlich bei diesen ganzen anderen Frauen?« Instinktiv wich ich mit dem Oberkörper zurück. Er kam mir viel zu nahe.

Lorenzo lachte auf. »So viele sind es auch wieder nicht. Aber du bist sehr reizend.«

»Reizend?«, gluckste ich. »Außer meiner Abuela hat mich glaube ich noch keiner so genannt.«

»Mir fällt kein passenderes Wort für dich ein. Sexy, hübsch, das alles trifft zweifellos auch zu, aber du hast auch eine ganz zuckersüße Art an dir, obwohl du so zurückhaltend bist. Oder vielleicht gerade deshalb.«

»Sitzen sie sonst normalerweise nach dem Abendessen schon auf deinem Schoß?« Schlagartig wurde ich wieder ernst, als mir auffiel, was ich hier tat. Das war wohl die unbeholfenste Art des Flirtens, die es gab.

»Es schlummern auch andere Seiten in dir, wie ich feststelle.« Er verschränkte die Finger locker im Schoß.

»Warum gehst du nicht zur Schule?«, fragte er plötzlich.

»Ich bin noch nicht so weit. Außerdem kann ich meinen Sohn nicht so lange allein lassen.« Insgeheim hatte ich den ganzen Abend auf eine Gelegenheit gewartet, um Manuels Existenz endlich zu erwähnen. Vielleicht wollte ich Lorenzo auf diese Weise auf Abstand bringen - oder ihm einfach nichts vormachen? Ich wusste es nicht. In mir summten Millionen Schuldgefühle gleichzeitig, denn es war falsch, hinter Ricos Rücken mit anderen Männern zu flirten. Warum musste ich mich auch ausgerechnet in einen der meistgesuchten Männer Kolumbiens verlieben?

Lorenzo zog eine Augenbraue in die Höhe. »Du bist Mutter?« Es klang wie eine Feststellung, völlig emotionslos.

Ich nickte. »Ja, Manuel ist fast anderthalb Jahre alt.«

»Und was ist mit dem Vater? Ich meine …« Er holte tief Luft. »Seid ihr noch zusammen?«

»Der Vater ist mein Kidnapper.« Unwillkürlich senkte ich den Blick, denn Lorenzo starrte nicht einfach nur, ich sah ihm das blanke Entsetzen an.

»Du wurdest also …« Er beendete den Satz nicht.

»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich wurde nicht vergewaltigt, falls du darauf anspielst.«

»Aber …« Erneut verstummte er, bevor sich seine Augen weiteten. »Ihr habt … du hast … freiwillig …« Lorenzo klang viel zu bestürzt für meinen Geschmack, obwohl ich genau diese Reaktion erwartet hatte. Kein Mensch würde jemals nachvollziehen können, was mich und meinen Kidnapper verbunden hatte. Nämlich echte, tiefe Liebe. Eine Liebe, die leider nicht für die Ewigkeit bestimmt gewesen war.

»Hast du ein Sprachproblem?«, hakte ich nach, weil es mich langsam nervös machte, dass er sich gar nicht mehr einkriegte.

»Ähm … nein. Tut … tut mir leid«, stammelte er herum, bevor er sich aufrecht hinsetzte. »Dein Leben geht mich im Prinzip überhaupt nichts an. Wieso wechseln wir nicht einfach das Thema?«

»Die Sache zwischen ihm und mir ist endgültig vorbei.« Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, der meine Stimme krächzen ließ. »Wir haben uns verliebt, aber jetzt ist es aus. Es ist damals einfach passiert, verstehst du?« Ein Blick in seine Augen verriet mir, dass er genau das nicht tat.

Als Lorenzos Abuela zu uns auf die Terrasse kam, dankte ich dem Himmel für ihr Erscheinen. »Wir sollten gehen, Lorenzo. Es ist schon spät. Ich bin müde und Paola möchte sich ebenfalls hinlegen.«

»Selbstverständlich.« Er stand auf, und ich erhob mich ebenfalls. Mit einer höflichen Geste ließ er mir und seiner Großmutter den Vortritt. Ich brachte die beiden zur Haustür, wo meine Abuela uns schon erwartete.

»Darf ich dich anrufen?«, flüsterte Lorenzo mir ins Ohr, als er sich mit zwei Küssen auf die Wangen von mir verabschiedete. Wow. Also damit hätte ich nach unserem verkorksten Gespräch vorhin nicht gerechnet. Ich musste mir eingestehen, dass ich Lorenzo sympathisch fand, außerdem war es schön gewesen, mal wieder mit jemandem in meinem Alter zu reden. Langsam sollte ich wieder unter Leute gehen.

»Sehr gern«, wisperte ich zurück und schenkte ihm ein verhaltenes Lächeln, das er erwiderte. Er betrachtete mein Gesicht, meine Augen, meine Wangen bis hinunter zu meinen Lippen, wo sein Blick verharrte, bis eine kribbelnde Nervosität durch mich wuselte. Am liebsten würde ich ihn küssen. Richtig. Auf die Lippen. Einfach nur um zu testen, ob sie sich anders anfühlten, als die von Rico. Oder was ich dabei empfinden würde, einen anderen Mann zu küssen. Wäre es eine ähnlich berauschende Erfahrung wie bei Rico? Verdammt! Ich hing immer noch viel zu sehr an meinem Ex. Das musste aufhören. Ich musste meinen Kidnapper endgültig aus meinem System spülen. Ob ich irgendwann tatsächlich über Rico hinwegkam?

Schließlich unterbrach Lorenzo als erstes unseren Augenkontakt. »Gute Nacht.« Nach seiner Großmutter verließ er das Haus. Während ich ihm nachsah, wünschte ich mir sehnlichst, dass er sich bei mir melden würde.

»So schlimm war der Besuch anscheinend doch nicht«, sagte Abuela laut genug, um von mir gehört zu werden, als ich mich bereits in Bewegung gesetzt hatte. Leichtfüßig stieg ich die Treppen zu meinem Schlafzimmer hoch.

»Es war ganz unterhaltsam«, rief ich über die Schulter und hörte Abuela glockenhell lachen.

Rico

Seltsam ergriffen blieb ich stehen und betrachtete die einfachen Hütten, die im Halbkreis angeordnet vor mir standen, als wäre ich nie weg gewesen. Zwei verlottert aussehende Kerle kamen auf mich zu. Ich massierte mir den Nacken, denn ich wollte überall sein, nur nicht hier. Ohne nachzudenken zählte ich die Behausungen durch. Es waren nur fünf Wächterhütten, verteilt um das Holzhaus des Anführers, auf dessen Dach eine Satellitenschüssel thronte. Dieses Camp war kleiner als unseres damals. »Ihr seid nur zu viert?«, wandte ich mich an die beiden, als sie mich erreicht hatten.

»Fünf, wenn du Torres, den Chef, dazuzählst und mit dir jetzt sechs«, sagte der ältere von beiden. »Ich bin Fernando, und das ist Nevio.« Mit dem Daumen deutete er auf seinen Nebenmann. »Du musst Rico sein. Der Boss erwartet dich schon.«

»Früher wurden doch sechs Wächter abgestellt, um sich besser ablösen zu können.«

Fernando zuckte mit den Schultern. »Ist ja sowieso nur eine Geisel da und bald noch das Mädchen.«

Obwohl sich alles in mir sträubte, durchquerte ich das Lager. Zwei Männer hockten auf den Stämmen, die rings um das Lagerfeuer lagen. Auch sie musterten mich neugierig. Wie in alten Zeiten, durchzuckte es mich und es war kein schöner Gedanke.

Gemächlich spazierte ich weiter und ignorierte den Kerl, der vor einer Hütte am Rand saß und mich ebenfalls beobachtete. Ich schätzte ihn auf nicht älter als neunzehn. Die Sonne brannte heiß auf ihn herunter, aber er saß einfach nur reglos in der brütenden Hitze. Selbst aus dieser Entfernung erkannte ich die schweren Misshandlungen in seinem Gesicht und brauchte einen Moment, um die hochsteigende Wut in mir zu besänftigen. Diese Geisel ging mich nichts an, ich war hier um das Leben von Elena und Manuel zu retten. Nichts anderes zählte.

Ein hagerer Mann stand mit einem schwarz-weiß gestreiften Seidenhemd und dunklen Shorts bekleidet, und mit überkreuzten Armen vor der Hütte des Anführers und schien mich bereits zu erwarten.

»Ich bin Rico.«

»Du bist spät«, erwiderte der Kerl, der zweifellos hier das Sagen hatte, ohne sich vorzustellen. Sein schwarzes Haar trug er dicht über der Kopfhaut abrasiert, was seltsam aussah, es passte nicht zu seinem rundlichen Gesicht. Obendrein legte seine Frisur eine lange Narbe quer über dem Kopf frei. Sein glänzender Hemdstoff zeigte trotz der Hitze und des Schmutzes keinerlei Schweißspuren oder Flecke. Erstaunlich. Für den schwül-heißen Dschungel war er penibel gepflegt.

»Komm rein, und setz dich.«

Ich tat ihm den Gefallen und ließ mich auf dem erstbesten freien Stuhl nieder, während mein neuer Boss mir gegenüber Platz nahm. Er nestelte ein Plastiktütchen aus seiner Hemdtasche und streute etwas von dem weißen pudrigen Inhalt auf die Tischplatte. Mit einer Plastikkarte schob er das Häufchen zu einer dünnen Linie, fingerte aus seiner Hosentasche einen 100-Dollarschein und rollte ihn zusammen, ehe er das Koks inhalierte. Grinsend hob er den Kopf und offenbarte zwei goldene Schneidezähne. Sämtliche Hoffnungen auf einen vernünftigen Typen gestoßen zu sein, zerstreuten sich augenblicklich.

»Auch mal?«, bot er mir an, aber ich lehnte kopfschüttelnd ab.

»Ich bin übrigens Torres«, stellte er sich nun doch vor, er schien im Handumdrehen deutlich besser gelaunt zu sein. Mit einem breiten Grinsen und glasigen Augen.

»Erzähl mir mehr über den Auftrag. Wie ich gehört habe, braucht ihr Hilfe dabei, ein Mädchen unter Kontrolle zu halten.« Ich wollte endlich die gesamte Geschichte hören, nicht nur die paar Brocken, die Hector mir damals hingeworfen hatte. Worum ging es im Detail?

Torres grinste breit. »Córdoba hat dich als Babysitter engagiert, wusstest du das nicht? Anscheinend hast du einen guten Draht zu entführten jungen Frauen.«

»Eins zu null für dich, Torres«, erwiderte ich betont gelangweilt, denn nun wusste ich, dass der Scheißkerl bestens über Elena informiert war.

Der Anführer winkte ab. »So klein ist sie auch wieder nicht. Sie ist neunzehn Jahre alt und wird von dir nicht gefickt. Kapiert? Es geht um eine Menge Kohle, einen riesigen Haufen Geld sogar. Aber was fast noch wichtiger ist, ebenso um eine Rechnung, die Señor Córdoba noch mit Cruz-Mendez offen hat. Der arrogante Drecksack hat sich von Córdoba den Weg in sein politisches Amt ebnen lassen und will nun nichts mehr vom Boss wissen. Außerdem sind wohl irgendwelche Geldgeschäfte am Laufen, in die Cruz-Mendez verwickelt ist und Córdoba möchte nun herauskriegen, was der Wichser im Schilde führt.«

Torres klopfte mir lachend auf die Schulter. »Aber wem erzähle ich, dass man sich mit dem Chef besser nicht anlegen sollte. Das weißt du immerhin am besten.«

Ein abfälliges Schnauben entglitt mir. »Córdoba ist empfindlich, außerdem für meinen Geschmack viel zu nachtragend.«

»Er ist nur eine Nummer zu groß für dich, das ist alles«, erwiderte Torres und strich sich das Hemd glatt. Die obersten Knöpfe waren geöffnet, ein dunkler Haarflaum kräuselte sich auf seinem Brustkorb. »Zurück zum Geschäft. Die Kleine wurde vor vier Tagen aus einem Café entführt. Sie müsste jeden Moment hier eintreffen, du kommst also gerade rechtzeitig zur Begrüßung.« Torres lachte dreckig.

»Das ist alles? Für den Scheiß benötigt ihr mich? Um ein Mädchen festzuhalten, bis Córdoba sich an ihrem Alten gerächt hat? Was für ein Schwachsinn.«

»Wegen mir hätte Córdoba dich nicht schicken müssen.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf mich. »Du sollst vor allem ein Auge auf die Wächter haben, wenn ich beschäftigt bin, damit die sich nicht an dem Mädchen vergreifen und – die Kleine bei ihrer Arbeit beaufsichtigen. Die wird sich hier nämlich nicht auf die faule Haut legen.«

Die fast greifbare bösartige Energie, die plötzlich von Torres auf mich übersprang, gefiel mir ganz und gar nicht. Eine dunkle Erinnerung stieg in mir hoch, ich sah die schwer verletzte Adriana vor mir und die traumatisierte Luisa. Auch Elena erschien in meinen Gedanken, wie sie mich immer mit großen, traurigen Augen angesehen hatte, so wehrlos, so verzweifelt. Also begann jetzt alles wieder von vorn. »Soll sie den Abwasch für euch erledigen, solange sie hier ist oder das Bett für dich machen?«

»Nein, das kleine Miststück soll sich für Córdoba in ein Computersystem hacken.«

»Sie soll was?« Ich verscheuchte eine Fliege, die vor meinem Gesicht herumsummte.

»Milena Cruz-Mendez wird in das Computersystem einer Bank eindringen und anschließend einige Transaktionen für uns durchführen. Obwohl sie erst neunzehn ist, hat sie es wohl ganz gut drauf. Sie ist so etwas wie ein Computergenie.« Torres redete weiter wie ein Wasserfall, während ich ihm gar nicht mehr zuhörte. Meine Aufgabe bestand also in der Bewachung der Geisel. Einzig aus diesem Grund hatten die Herren mich herbeordert. Okay. Der Job klang nicht sonderlich schwierig. Ich würde diesen Auftrag erfüllen und danach abhauen.

»Rico?«

Ich schrak zusammen. »Was?«

»Ob du Ahnung von Computern hast? … Scheiß Fliegen.«

Fasziniert beobachtete ich, wie der Irre wild mit beiden Händen in der Luft herumfuchtelte, obwohl weit und breit nichts um ihn summte.

»Ich habe schon mal einen gesehen«, erwiderte ich herablassend, obwohl ich in der Tat nicht sonderlich viel Ahnung davon hatte. Ich konnte eine E-Mail schreiben und im Internet surfen. Das war es auch schon. »Ihr gebt also der Kleinen einen Computer in die Hand und lasst sie einfach mal machen?« Wie naiv waren die eigentlich?

Torres‘ linkes Augenlid zuckte. »Du wirst die Schlampe dabei natürlich überwachen, wir beide wechseln uns ab. Aus diesem Grund bist du doch hier. Und versau diesen Deal nicht schon wieder, sonst brechen wir dir jeden Knochen einzeln.«

Ich gab mich unbeeindruckt, obwohl mir Torres‘ Drohung die Kehle zuschnürte. Nicht wegen mir, sondern weil Córdoba genau wusste, wie er mich richtig leiden lassen konnte. Indem er Elena und Manuel etwas antat. Um keinen Preis der Welt wollte ich Schwäche vor Torres zeigen, also zwang ich mich zu einem gleichmütigen Tonfall. »Nichts wird schiefgehen. Córdoba bekommt, was er verlangt und dann bin ich weg.«

»Lasst mich sofort los, aua! Nimm deine dreckigen Pfoten weg!«, kreischte es von draußen bis zu uns herein und wir horchten auf.

»Das Paket ist eingetroffen.« Torres lachte, während wir beide aufstanden und die Hütte verließen.

Draußen griffen die Wächter bereits zu ihren Gewehren, aber mit einer kurzen Handbewegung beschwichtigte Torres seine Leute. »Die werden schon allein mit der Schlampe fertig.«

Zwei Männer zerrten eine wild um sich schlagende und schreiende junge Frau durchs Camp.

»Loslassen! Nehmt eure dreckigen Pfoten von mir!«

»Verflucht«, brüllte einer, dem sie in die Hand gebissen hatte. »Du kriegst gleich eine Tracht Prügel, du Luder!« Er verdrehte ihr den Arm auf dem Rücken und schob sie vor sich her, aber sie wehrte sich wie eine Wildkatze. Fast schon fasziniert beobachtete ich den ungleichen Kampf und lachte leise, als sie ihn mit der Ferse am Schienbein traf, worauf er fluchend weiterhumpelte. »Fass mich bloß nicht an, du Mistkerl!«

»Ich habe endgültig die Schnauze voll von dir!« Der andere schnappte sich ihre Beine und gemeinsam trugen sie das sich heftig wehrende Bündel weiter.

»Sag Córdoba, ich will eine Gefahrenzulage«, flüsterte ich Torres zu. Zäh war sie, das musste man ihr lassen. Verdammt mutig obendrein. Der Kerl, den sie getreten hatte, sah aus, als würde er ihr am liebsten die Kehle aufschlitzen.

Torres prustete, seine Augen waren noch glasiger als vorhin. »Für das Biest braucht man ja ein Betäubungsgewehr.« Er deutete mit dem Daumen auf mich. »Du kümmerst dich um sie.«

»Das kann ja heiter werden.« All meine Hoffnungen auf einen einfachen Auftrag verflogen in diesen Sekunden. Bei der war ein Raubtierbändiger nötig.

Als die beiden uns erreichten, ließen sie die Furie gleichzeitig los, worauf sie hart auf dem Boden landete. Sie rieb ihren Ellbogen, blickte aber währenddessen hasserfüllt zu uns hoch. Nicht die geringste Spur von Angst zeigte sich auf ihrem doch recht hübschen Gesicht.

Einer ihrer Begleiter wischte sich über einen langen Kratzer am Unterarm, mit einer Miene, als wollte er sie am liebsten grün und blau prügeln. »Da habt ihr sie: Milena Cruz-Mendez. Wir haben ihr nichts getan, wie befohlen. Auch wenn ich dem Miststück am liebsten den Arsch versohlt hätte. Viel Spaß mit dem Biest.«

»Sie ist nicht ganz richtig im Kopf.« Der andere tippte sich an die Stirn.

Fast schon imponierte es mir, dass dieses zierliche Ding es geschafft hatte, ihre eigenen Kidnapper an deren Grenzen zu bringen.

»Ihr habt mir nichts getan?« Mit einem Satz war sie auf den Beinen. »Und was ist das?« Sie präsentierte uns ihren linken Ellenbogen, eine winzige Hautabschürfung hatte die Stelle dort gerötet. Ihre eisblauen Augen sprühten Funken.

Übertrieben ernst betrachtete ich die harmlose Wunde. »Das sieht nicht gut aus. Wenn sich das entzündet, können solche Verletzungen im Regenwald böse enden.«

»Du meinst, ich könnte meinen Arm verlieren?« Milenas Mund stand offen. Ihre rotblonden Locken fielen in wirren Strähnen über ihre Schultern. Ein seltener Anblick bei einer Kolumbianerin. Ein paar Sommersprossen prangten auf ihrer kleinen Nase.

»Du solltest nur deinen Arm ein bisschen schonen, dann wird das schon wieder«, sagte ich so ernst wie möglich.

Verhaltenes Prusten aus der Runde ließ Milena innehalten, bevor sich ihre Augen verengten. »Verarsch jemand anderen«, fuhr sie mich mit hasserfüllter Stimme an.

Die Männer wieherten vor Lachen.

»Arschloch«, legte sie nach. Und dann, so schnell, dass keiner von uns reagieren konnte, riss Milena Nevios Dolch aus dessen Gürtel. Der wollte sie noch davon abhalten, war aber nicht schnell genug. Stattdessen griff er in die Klinge, die sie im selben Moment herauszog. Blut tropfte aus einem tiefen Schnitt, der sich quer über seine Handfläche zog. »Verdammtes Dreckstück!« Er hielt sein Handgelenk fest und betrachtete die blutende Wunde.

»Selber Dreckstück. Schau dich doch mal an.« Sie fuchtelte wild mit der Klinge durch die Gegend. »Den Ersten, der mir zu nahe kommt, steche ich ab.«

Nevio ging auf sie zu. »Messer weg, sonst schlitze ich dir die Kehle …« Weiter kam er nicht mehr, denn Milena fuhr mit dem Dolch dicht vor seinem Gesicht durch die Luft, worauf er hastig wieder einen Satz zurücksprang.

»Komm her.« Sie winkte ihn mit einem Finger zu sich. »Ich habe keine Angst vor dir!« Ihre Unterlippe bebte, während sie sich hektisch im Kreis drehte. Inzwischen umringten wir das Biest, jeder lauerte auf eine Gelegenheit, sie zu überwältigen.

»Nimm das Messer runter«, fuhr ich sie an. »Du hast sowieso keine Chance gegen uns«, legte ich nach, obwohl mir Milenas Mut imponierte. Für einen Moment wünschte ich mir, sie hätte tatsächlich eine Chance zur Flucht. Sie war süß, auf eine hitzige anstrengende Weise, mit funkelnden Augen und verkniffenen Lippen, ihr hübscher Busen hob und senkte sich unter ihren hektischen Atemzügen.

»Halt die Klappe, Klugscheißer.« Sie zielte mit der Klinge auf mich. »Von euch lasse ich mir überhaupt nichts sagen.« Erneut machte sie eine Drehung und stach blindlings in alle Richtungen. Die Männer gingen auf Sicherheitsabstand.

Torres hingegen schien die Sache gar nicht ernst zu nehmen, er drehte sich um und marschierte in seine Hütte. »Sorg endlich für Ruhe, Rico. Binde sie dann bis morgen früh an den Pfahl, wenn sie weiter tobt, kriegt sie meinen Gürtel zu spüren«, rief er über die Schulter und überließ somit mir die Angelegenheit. Ich seufzte tief und gequält.

»Ich schlitz euch alle auf«, blaffte Milena in die Runde, was mich zum Lachen brachte. Die Süße hatte mehr Mumm in den Knochen, als die meisten Männer, die ich kannte. Aber langsam reichte es mir mit ihrem Theater.

»Fernando nicht!«, rief ich über ihren Kopf hinweg und wie erwartet drehte sich Milena sofort um. Ich stürzte mich auf sie und packte ihren Unterarm, während ich Milena grob an der Schulter zu Boden warf. Gesicht voraus landete sie im Gras, während ich ihr den Arm verdrehte, bis sie den Dolch fallenließ. Als sie aufschrie, ließ ich wieder locker. Nevio kickte die Waffe beiseite, da die Furie mit der anderen Hand nach dem Messer fasste, das dann bestimmt zwischen meinen Rippen stecken würde.

»Denk nicht mal daran«, knurrte ich. Die Wächter um uns herum lachten und feuerten mich an. Für diese Typen war das eine Riesenshow.

Indessen hatte ich Mühe, die sich windende Milena unter Kontrolle zu bekommen, ohne ihr wehzutun. Mit dem Handballen drückte ich ihren Kopf an der Stirn zurück, weil sie mit den Zähnen nach mir schnappte, wehrte gleichzeitig mit dem Knie ihre Tritte ab und setzte mich mit meinem ganzen Gewicht auf sie.

»Lass mich los«, fauchte sie und schlug mit geballten Fäusten auf meinen Brustkorb ein. Also spielte ich auf Zeit, und wehrte ihre nicht besonders heftigen Schläge, so gut es ging ab, versuchte lediglich sie bei den Handgelenken zu packen, aber sie war flink. Früher oder später musste sie müde werden. Länger als gedacht hielt das kleine Miststück durch, bis sie dann doch unter dem lauten Gejohle der Männer aufgab. Ich zerrte sie auf die Beine, noch immer atmete Milena hektisch. »Handschellen«, sagte ich zu Fernando und sofort geriet sie wieder außer Kontrolle, schlug wild um sich. Langsam bekam ich ihr Theater echt satt.

»Wag es ja nicht!«, fuhr sie mich an und riss an ihren Armen, da ich sie bei den Handgelenken hielt.

Fernando half mir, der sich sträubenden Milena die Handfesseln anzulegen. »Was für ein Satansbraten«, raunte er mir zu und ich musste ihm tatsächlich recht geben.

Ich packte sie am Oberarm. »Vorwärts.« Grober als gewollt, stieß ich sie vor mir her. Als sie stolperte, fing ich sie jedoch ab und hielt Milena, bis sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. »Weiter«, herrschte ich sie an, da sie sich immer noch sträubte, und schob sie schließlich am Nacken vor mir her wie einen ungehorsamen Hund.

Ein Stück neben der Feuerstelle wuchs eine Palme, in deren dickem Stamm auf etwa ein Meter Höhe ein massiver Metallring steckte. Ich löste eines der Schließteile und befestigte es am Ring. Meine Arme und die Brust brannten von den Kratzspuren, die Milena auf meiner Haut hinterlassen hatte.

»Binde mich los! Sofort!« Panik mischte sich unter ihren Befehlston, während sie wie verrückt an ihrer Fessel zerrte. Mit einem Finger fuhr ich unter das Schließteil, um zu prüfen, wie eng es verschlossen war, nicht dass ich ihr am Ende noch das Blut abschnürte. Aber sie hatte genügend Spielraum.

»Fass mich nicht an«, fauchte Milena und sank an der rauen Rinde zu Boden. Jetzt musste sie den gefesselten Arm in die Höhe halten, wenn sie sitzen wollte. Eine unangenehme Position, aber sie hatte es ja nicht anders gewollt.

»Satansbraten«, knurrte ich im Weggehen.

»Mieser Erpresser! Verbrecher«, rief sie mir nach. Ich reagierte nicht, aber ihre Worte trafen mich wie Messerspitzen im Rücken.

Elena

Ich blätterte mit Manuel durch ein Bilderbuch und zeigte ihm die Bagger und Lastwagen. Wie üblich interessierte mein Kleiner sich lediglich eine Minute für die bunten Abbildungen, ehe er das Umblättern übernahm und in Windeseile das Buch durchhatte. Im nächsten Moment sprang er von meinem Schoß und holte seinen Spielzeugbagger unter dem Couchtisch hervor, den er, begleitet von lauten Brummgeräuschen, über den Parkettboden rollte.

»Mamá, komm«, drängte er mich. Seufzend setzte ich mich neben ihn und bekam sofort ein rotes Auto in die Hand gedrückt.

Als mein Smartphone auf dem Wohnzimmertisch klingelte, rappelte ich mich wieder hoch. Lorenzo blinkte mir entgegen und sorgte für ein freudiges Blubbern in meinem Magen. Seit unserer ersten Begegnung vor über einer Woche, hatte er mich noch zweimal zu Hause besucht. Er war ein verdammt netter Kerl, musste ich widerwillig zugeben und ich fand ihn obendrein sehr sexy. Was ich niemals laut aussprechen würde. Ob es tatsächlich ein Leben nach Rico für mich gab? Ein Teil von mir wünschte sich so sehr, endlich den nächsten Schritt zu gehen, doch irgendwas tief in mir drinnen hielt mich immer noch zurück.

»Hallo, hier spricht die Stimme der Verzweiflung«, meldete ich mich.

Ein kurzes Lachen ertönte, es klang tief und sexy, prickelte mir wie Kohlesäurebläschen den Rücken hinunter. Unwillkürlich schlug mein Herz ein paar Takte schneller.

»So schlimm?«, fragte Lorenzo.

»Warum hat Gott kleinen Jungs Bagger und Autos geschickt? Warum nicht Blumen oder Kätzchen?«

»Damit ihre Mütter auch mal die wichtigen Dinge im Leben kennenlernen. Nichts ist schöner als ein großer Haufen Stahl, der Lärm macht und stinkt.«

»Autsch!« Ich rieb meinen Knöchel, gegen den Manuel seinen Spielzeugbagger gedonnert hatte. »Von wegen Stahl, das Ding ist aus Plastik und tut trotzdem ganz schön weh.«

»Was hast du heute vor?«, fragte Lorenzo gut gelaunt.

»Mauro, mein Privatlehrer, kommt jede Minute für den Unterricht vorbei. Dann kann ich also dieser Hölle entfliehen und muss sofort in die nächste – Sie heißt: Integralrechnung.«

»Du Ärmste. Wie sieht es heute Nachmittag aus? Gehen wir auf ein Eis in die Stadt?«

Ich schluckte ein reflexartiges nein hinunter, denn ich ging nie irgendwohin aus. Schon die Vorstellung allein in ein Auto steigen zu müssen, trieb mir Angstschweiß auf die Stirn. Vor allem heute. Aus den Nachrichten hatte ich erfahren, dass vor ein paar Tagen Milena Cruz-Mendez, die Tochter eines bekannten Lokalpolitikers am helllichten Tag aus einem gut besuchten Café gekidnappt und verschleppt worden war. Seither fehlte von der Ärmsten jede Spur. Sofort waren die schrecklichen Erinnerungen meiner eigenen Entführung wie Hagelschauer auf mich eingeprasselt. Ich spürte Carlos‘ Messer am Hals und diese furchtbare Todesangst wieder aufs Neue. Was Milena gerade durchlitt, konnte ich nur zu gut nachvollziehen. Sofern sie überhaupt noch lebte. Mein Mitleid für Milena ging tief, rührte mich bis in die Seele, riss alte Wunden auf und setzte verschüttete Erinnerungen frei, die ich nicht mehr durchleben wollte. »Wir haben Eis in der Tiefkühltruhe, komm doch vorbei«, erwiderte ich mit gesenkter Stimme.

»Es ist so schönes Wetter heute, lass uns spazieren gehen.«

»Ich weiß nicht.«

»Du klingst, als wollte ich dich zu deiner eigenen Hinrichtung führen. Komm schon, ich hole dich um zwei Uhr ab, okay?« Er klang so fröhlich, dass ich ihm nicht absagen konnte, obwohl meine Hände zitterten. Immerhin war Lorenzo der einzige Mann in meinem Alter, der sich überhaupt für mich interessierte, ich sollte ihn nicht mit einer Abfuhr nach der anderen vergraulen.

Ein lautes Klirren ließ mich aufschrecken. Hastig drehte ich mich um.

Scheiße.

Manuel war auf die Mahagonikommode geklettert und hatte eine wertvolle Vase zu Boden befördert, was ihn nicht sonderlich interessierte. Er saß oben und lachte mich an.

»Manuel.« Ich seufzte, bevor ich zu ihm eilte.

»Was ist los?«, hörte ich Lorenzo fragen.

»Manuel stellt mal wieder Blödsinn an.«

»Also bleibt es bei heute Nachmittag?«

»Okay«, stimmte ich zu und legte auf, denn mein Sohn stellte sich wankend hin und stand kurz vor einem Absturz. Hastig schnappte ich den kleinen Bengel und beförderte ihn zurück auf den Boden.

»Was machst du schon wieder?« Ich hob die Scherben auf, um sie rasch verschwinden zu lassen, als prompt Abuela, gemeinsam mit Mauro, meinem Privatlehrer, ins Zimmer kam.

»Die schöne Vase«, seufzte sie und legte eine Hand an ihre Wange. »Ein Geschenk von deinem Abuelo.«

»Es tut mir so leid.« Entschuldigend zuckte ich mit den Achseln. »Ich war kurz abgelenkt und habe nicht aufgepasst.« Wehmütig betrachtete ich die Scherben in meiner Hand. Diese Vase war nicht nur irgendein Geschenk gewesen, sondern das letzte, das mein Großvater Abulea vor seinem plötzlichen Tod vor Jahren gemacht hatte. Meißner Porzellan aus Deutschland. Genauso sah meine Beziehung zu Rico aus, lauter gebrochene Teile, die sich nicht mehr zusammenfügen ließen.

Als endlich das Kindermädchen erschien, tapste mein kleiner Wirbelwind ihr entgegen. »Spielen«, jauchzte er, worauf Alma ihn schnappte und nach draußen trug.

Am Nachmittag schlenderte ich tatsächlich mit einem Eisbecher in der Hand neben Lorenzo durch das Marktviertel unserer Stadt, das eigentlich aus vielen eng aneinandergereihten kleinen Geschäften, Cafés und einfachen Restaurants bestand.

Als Lorenzo mich völlig unvorbereitet am Ellenbogen fasste, um eine Frau mit Kinderwagen an uns vorbei zu lassen, durchfuhr mich ein wahrer Stromstoß, sodass ich fast mein Eis hätte fallenlassen. Ich bebte innerlich und hoffte, dass er nichts von meiner Überreaktion bemerkte.

Hupend bahnten sich Unmengen von Taxis und Autos ihren Weg durch die enge Straße. Wie immer nahm keiner der Fahrer Rücksicht auf Fußgänger. Ich sah mich reflexartig immer wieder um.

Als wäre es das Normalste auf der Welt, nahm Lorenzo meine Hand, bevor wir die vielbefahrene Straße überquerten. Auch auf der anderen Seite ließ er mich nicht los, wir hatten unsere Finger locker ineinander verschränkt, eine vertraute Berührung, fast schon zu intim für meinen Geschmack, wie ein Liebespärchen. Instinktiv entzog ich mich ihm.

»Habe ich etwas falsch gemacht?« Er musterte mich durchdringend.

»Nein.« Ich versenkte den leeren Eisbecher in einem Papierkorb. »Es ist nur … Ich bin nicht gut darin, jemanden an mich heranzulassen.« Entschuldigend lächelte ich ihn an. »Ich meine, außer meinen Kidnappern hat mich seit Jahren niemand mehr gehalten, und das waren nicht immer positive Erlebnisse. Außer bei …« Ich stockte, bevor ich mich noch um Kopf und Kragen redete.

»Ihm«, beendete er den Satz, klang aber völlig neutral. »Außer diesem ganz speziellen Kidnapper. Das wolltest du doch sagen.«

Ich nickte. »Ich habe ihn geliebt, auch wenn das ziemlich schräg klingt und du mich jetzt bestimmt für einen Psycho hältst.«

»Er hat dich wahrscheinlich gut behandelt, hat dich beschützt.«

Wow, Lorenzo war tatsächlich verständnisvoller, als ich vermutet hatte.

»Er war mein Fels in der Brandung. Ohne ihn hätte ich die Zeit damals wahrscheinlich nicht überstanden. Aber das ist vorbei. Ich habe mich verändert, mich weiterentwickelt - doch er leider nicht. Langsam glaube ich, das einzige, was uns tatsächlich jemals verbunden hat, war unsere gemeinsame Zeit im Dschungel.«

»Er wird eben ewig ein gesuchter Krimineller bleiben, der sich verstecken muss.« Lorenzos Lächeln wärmte mich bis in mein Herz, obwohl seine Worte wehtaten. Um ehrlich zu sein, hatte er recht. Rico war für den Rest seines Lebens auf der Flucht.

»Ja, die Polizei wird ihn immer suchen. Aber Manuel hat eine normale Kindheit verdient.«

»Manuel ist ein großartiger Junge.«

Als ich sein Gesicht im Profil betrachtete, wurde ich erneut das Gefühl nicht los, Lorenzo schon einmal begegnet zu sein. Dieses markante Kinn, seine dunkelbraunen Augen, die Art, wie er sein Haar trug. Irgendwo. Bloß wo?

»Ich habe das Gefühl, dich von irgendwoher zu kennen«, sagte ich, um mir endlich Gewissheit zu verschaffen.

»Vielleicht in einem früheren Leben?« Er wackelte mit den Augenbrauen.

Ich kicherte. »So lange liegt das nicht zurück.«

»Na gut.« Lorenzo blieb stehen. »Wenn ich dir jetzt etwas beichte, schwörst du mir, dass du nicht sauer wirst?«

»Okay«, erwiderte ich gedehnt, mein Herz schlug unruhiger.

»Wir sind uns vor knapp zwei Jahren in der Mall begegnet. Du hast in diesem Klamottenladen gesessen und auf deine Abuela gewartet, die Blusen anprobiert hat.«

Blitzartig kam die Erinnerung zurück. »Ja! … Zuerst hast du mich zu einem Kaffee eingeladen, aber dann bist du ohne ein Wort abgehauen. Du warst das.«

Lorenzo spielte mit seinem Autoschlüssel.

---ENDE DER LESEPROBE---