Schwester Christina hat ein Geheimnis - Britta Frey - E-Book

Schwester Christina hat ein Geheimnis E-Book

Britta Frey

5,0

Beschreibung

Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Die Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Der Januar und mit ihm ein neues Jahr waren ins Land gezogen. Die vergangenen Monate mit sehr kalten und schneereichen Phasen hatten für Dr. Kay Martens und seine Schwester Hanna so einiges an Veränderungen gebracht. Seit gut zwei Monaten wohnten sie nun schon in ihrem neuen Heim, im Doktorhaus, das hinter dem Klinikpark gebaut worden war. Veränderungen hatte es insofern bedeutet, als die Geschwister nun zwar in einem neuen Heim, aber in getrennten Wohnungen lebten. Kay hatte sich für die fünfzigjährige Hella Sandberg entschieden, die ihn und seinen Haushalt versorgte. Die dunkelhaarige, schlanke Hella Sandberg war eine sehr tüchtige und resolute Person, und Kay, der sich sehr rasch an sie gewöhnt hatte, war vollauf mit ihr und ihren Leistungen zufrieden. Doch auch die inzwischen dreißigjährige Kinderärztin Hanna Martens fühlte sich in ihren eigenen Wänden sehr wohl. Sie und ihr Haushalt wurden umsorgt von Jolande Rilla, einer Hauswirtschafterin von zweiundvierzig Jahren. Jolande Rilla war eine vollschlanke, warmherzige Witwe mit fuchsrotem Haar. Hanna verstand sich ausgezeichnet mit ihr. Schon nach dem ersten Monat im Doktorhaus hatte Jolande Rilla Hanna gebeten, sie einfach nur Füchsin zu nennen, da sie immer so genannt worden sei, und so war es dann geblieben. Doch nicht nur im privaten Bereich der beiden Chefärzte der Kinderklinik Birkenhain hatte es Veränderungen gegeben, sondern auch im Bereich der Klinik. So hatten sich die Geschwister dazu entschlossen, einen klinikeigenen Krankenwagen anzuschaffen und außerdem zwei Pfleger einzustellen, um das Pflegepersonal der Kinderklinik zu vergrößern. Es waren Jan Sounders, vierundzwanzig, und Dieter Rösler, zweiundzwanzig Jahre alt. Beide kamen aus Celle und wechselten sich im Tag- und Nachtbereitschaftsdienst ab. Nun stand noch eine Veränderung bevor. Wegen eines Todesfalles in der Familie schied Dr. Hartmut Frerichs nun doch aus. Der bei allen sehr beliebte junge Assistenzarzt würde die Praxis seines verstorbenen Vaters, eine kleine Landarztpraxis in Westfalen, übernehmen.

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Kinderärztin Dr. Martens Classic – 7 –

Schwester Christina hat ein Geheimnis

Warum läuft sie vor dem neuen Arzt davon?

Britta Frey

Der Januar und mit ihm ein neues Jahr waren ins Land gezogen. Die vergangenen Monate mit sehr kalten und schneereichen Phasen hatten für Dr. Kay Martens und seine Schwester Hanna so einiges an Veränderungen gebracht. Seit gut zwei Monaten wohnten sie nun schon in ihrem neuen Heim, im Doktorhaus, das hinter dem Klinikpark gebaut worden war. Veränderungen hatte es insofern bedeutet, als die Geschwister nun zwar in einem neuen Heim, aber in getrennten Wohnungen lebten. Kay hatte sich für die fünfzigjährige Hella Sandberg entschieden, die ihn und seinen Haushalt versorgte.

Die dunkelhaarige, schlanke Hella Sandberg war eine sehr tüchtige und resolute Person, und Kay, der sich sehr rasch an sie gewöhnt hatte, war vollauf mit ihr und ihren Leistungen zufrieden. Doch auch die inzwischen dreißigjährige Kinderärztin Hanna Martens fühlte sich in ihren eigenen Wänden sehr wohl. Sie und ihr Haushalt wurden umsorgt von Jolande Rilla, einer Hauswirtschafterin von zweiundvierzig Jahren. Jolande Rilla war eine vollschlanke, warmherzige Witwe mit fuchsrotem Haar. Hanna verstand sich ausgezeichnet mit ihr. Schon nach dem ersten Monat im Doktorhaus hatte Jolande Rilla Hanna gebeten, sie einfach nur Füchsin zu nennen, da sie immer so genannt worden sei, und so war es dann geblieben.

Doch nicht nur im privaten Bereich der beiden Chefärzte der Kinderklinik Birkenhain hatte es Veränderungen gegeben, sondern auch im Bereich der Klinik. So hatten sich die Geschwister dazu entschlossen, einen klinikeigenen Krankenwagen anzuschaffen und außerdem zwei Pfleger einzustellen, um das Pflegepersonal der Kinderklinik zu vergrößern. Es waren Jan Sounders, vierundzwanzig, und Dieter Rösler, zweiundzwanzig Jahre alt. Beide kamen aus Celle und wechselten sich im Tag- und Nachtbereitschaftsdienst ab.

Nun stand noch eine Veränderung bevor. Wegen eines Todesfalles in der Familie schied Dr. Hartmut Frerichs nun doch aus. Der bei allen sehr beliebte junge Assistenzarzt würde die Praxis seines verstorbenen Vaters, eine kleine Landarztpraxis in Westfalen, übernehmen. Die Stelle für den neuen Mitarbeiter hatte Dr. Kay Martens inzwischen schon ausgeschrieben.

*

Es war ein trüber Januartag. Tief hingen dunkle Wolken am Himmel, und wenn die Temperatur erneut absinken würde, würde es wohl wieder zu Schneefällen kommen.

Kay und Hanna Martens hatten gerade mit der Oberschwester Elli und Schwester Laurie die Visite beendet. Hanna war noch bei Kay im Sprechzimmer, als Martin Schriewers die Tagespost brachte.

Hanna, die sich von Kay die Unterlagen eines kleinen Patienten hatte geben lassen, wollte gerade aus dem Zimmer gehen, als Kay sie zurückhielt.

»Einen Augenblick, Hanna, ich sehe gerade, daß heute Bewerbungen für den Ersatz von Dr. Frerichs dabei sind. Es wäre mir schon lieb, wenn du sie dir auch anschaust.«

»Gern, Kay, wie viele sind es denn?«

»Es sind vier Bewerbungen. Nimm du zwei, und ich die beiden anderen. Vielleicht ist etwas dabei, was für unsere Klinik in Frage kommt.«

Kay reichte seiner Schwester zwei der vier großen braunen Umschläge, und für Minuten beschäftigten sich beide mit dem Inhalt.

»Nun, was sagst du?« fragte Kay danach.

»Einer würde mir schon zusagen. Aber laß uns erst die Unterlagen tauschen, damit ich mir auch von den anderen Bewerbern ein Bild machen kann. Dir geht es doch umgekehrt sicher genauso, oder?«

»Genau, so machen wir es. Die beiden, die ich hier habe, sind zwar den Unterlagen nach ausgezeichnete Ärzte, aber für unser Team eigentlich nicht die richtigen. Du wirst bestimmt meiner Meinung sein.«

Als Hanna nach wenigen Augenblicken die Bewerbungen aus der Hand legte und Kay sie fragend ansah, schüttelte sie den Kopf und bestätigte damit das, was er vorher schon ausgedrückt hatte.

»Wenn du meine ehrliche Meinung wissen willst, Kay, so würde ich mich für diesen Dr. Küsters entscheiden. Er hat in Erlangen studiert, hat ausgezeichnet abgeschlossen und paßt mit seinen sechsundzwanzig Jahren gut in unser Team. Auch der optische Eindruck ist ausgezeichnet. Er scheint sehr warmherzig und kinderlieb zu sein. Bei ihm stimmt in der Bewerbung eigentlich alles. Und er ist zum kommenden Ersten frei.«

»Es ist genau derjenige Bewerber, der auch mir am meisten zusagt. Da er eine Telefonnummer beigefügt hat, werde ich mich umgehend darum kümmern und mit dem jungen Mann einen Vorstellungstermin vereinbaren. Wenn unser Eindruck bei diesem persönlichen Kennenlernen noch der gleiche ist, könnte man sagen, daß wir einen neuen Mitarbeiter und guten Ersatz für Dr. Frerichs haben. Es tut mir sowieso sehr leid, daß er ausscheidet und nicht mehr an unserer Klinik zurückkommt.«

»Mir auch, aber wir könnten ihn ja nach Lage der Dinge nicht zurückhalten. Jeder geht den Weg, den er gehen muß. Jetzt muß ich mich aber um den kleinen Peter kümmern. Du entschuldigst mich.«

Lächelnd sah Kay hinter seiner Schwester her, die mit leichten Schritten das Zimmer verließ. Er war erleichtert, denn sie hatte ein so gutes Gespür für Menschen, daß er sich eigentlich blind darauf verlassen konnte. Er war schon in diesem Augenblick sicher, daß dieser Dr. Küsters am kommenden Ersten seinen Dienst in der Klinik antreten würde.

Schon eine knappe Viertelstunde später hatte er besagten jungen Arzt am Telefon. Der Mann hatte eine angenehme, warme Stimme, und er würde schon in drei Tagen zu einem persönlichen Gespräch in die Kinderklinik Birkenhain kommen.

Diese drei Tage wollte Kay noch warten, bevor er den anderen drei Bewerbern absagte.

Während Kay das Telefongespräch führte, war Hanna wieder hinauf auf die Krankenabteilung gegangen. Schwester Laurie wartete schon mit dem Verbandswagen.

»Dann wollen wir uns jetzt mal um den Peter kümmern, Schwester Laurie.«

»Ich bin bereit, Frau Dr. Martens. Ein armer Kerl, dieser Peter. Es ist nicht einfach, in einem Kinderheim aufzuwachsen. Wenn es auch gut geführt wird, so kann es doch niemals die Liebe von Mutter und Vater ersetzen.«

»Mir tut auch jedes Kind leid, das im Heim aufwachsen muß, aber wir können nur dazu beitragen, daß den Kindern geholfen wird, wenn sie krank sind. Es gibt nun mal zu viele Heimkinder. Doch genug geredet, kümmern wir uns um den Peter, wechseln wir erst einmal die Verbände bei ihm.«

Während Hanna nun mit Schwester Laurie in das Krankenzimmer ging, in dem man den neunjährigen Peter König untergebracht hatte, ging ihr dieser Fall, für den sie sich von Kay die Unterlagen geholt hatte, durch den Kopf. Es war alles ziemlich seltsam mit dem neunjährigen Jungen. Er hatte sich bei einem Brand, der beim Spielen entstanden sein sollte, schwere Verbrennungen an den Beinen und Armen zugezogen und lag nun schon über eine Woche bei ihnen in der Klinik. Er war ein tapferer und geduldiger kleiner Patient. Nur der Ausdruck seiner Augen, die unendlich traurig blickten, gab Hanna von Tag zu Tag mehr zu denken. Noch nicht ein einziges Mal hatte sie den Jungen lächeln sehen. Aus diesem Grund hatte sie sich auch von Kay die Unterlagen geholt, um sich noch einmal sehr gründlich damit zu beschäftigen.

Sie hatten das Zimmer erreicht und traten ein.

»Hallo, Peter, heute wollen wir wieder deine Verbände wechseln und uns anschauen, wie gut die Wunden inzwischen verheilt sind. Wir wollen doch, daß du recht bald wieder gesund wirst und mit deinen Freunden spielen kannst, nicht wahr?«

Ein weiches Lächeln lag auf Hannas Gesicht, als sie nun mit Hilfe von Schwester Laurie sehr behutsam begann, die Verbände an den Armen abzurollen.

»Wenn ich dir weh tu, mußt du es mir sagen, hörst du?«

»Es tut nicht weh, nicht sehr«, beteuerte der Neunjährige.

Aber Hanna sah auf einmal in seinen Augen einen Ausdruck, der nackte Angst widerspiegelte.

»Wovor fürchtest du dich, mein Junge? Willst du es mir nicht sagen?« Aufmunternd lächelte Hanna den Jungen an.

Doch er schüttelte nur wild den Kopf. Hanna nahm sich vor, später noch einmal darauf zurückzukommen. Zuerst mußte sie sich nun um die Brandwunden kümmern. Die Wunden begannen gut zu verheilen, an den Armen genauso wie an den Beinen. Damit konnten sie also mehr als zufrieden sein. Was ihr nur größere Sorgen bereitete, war der seelische Zustand des Jungen, seit sie die Angst in seinen Augen gelesen hatte. Sie mußte sich erst mit den Unterlagen befassen und danach noch einmal mit Kay reden, bevor sie dem Jungen weitere Fragen stellen würde.

So mit ihren Gedanken beschäftigt, legte sie mit Schwester Laurie behutsam die frischen Verbände an.

»So, mein Junge, jetzt lassen wir dich wieder allein. Vielleicht kannst du noch ein wenig schlafen. Ich komme heute mittag noch einmal zu dir, dann unterhalten wir uns ein wenig.«

Sanft strich sie Peter über das dunkle Haar, danach verließ sie mit Schwester Laurie, die dem Jungen noch einen mitleidigen Blick zuwarf, das Krankenzimmer.

*

Nachdem Hanna sich noch einmal gründlich mit den Unterlagen von Peter König beschäftigt hatte, suchte sie Kay auf, der sich in der chirurgischen Ambulanz aufhielt.

»Was gibt es, Hanna?«

»Ich möchte mit dir über Peter König sprechen. Hast du einen Augenblick Zeit?«

»Natürlich, ich bin hier fertig. Gehen wir hinüber in mein Sprechzimmer.«

»Hast du diesen Dr. Küsters schon erreichen können?« wollte Hanna wissen, während sie über den Gang gingen.

»Hab ich. Er wird am Donnerstag zu einem persönlichen Gespräch zu uns in die Klinik kommen.«

»Das ist prima, daß es so rasch klappen kann.«

»Das ist auch meine Meinung«, erwiderte Kay.

Sie betraten Kays Sprechzimmer, und er fragte interessiert: »Was ist mit dem kleinen Peter? Ist mit ihm etwas nicht in Ordnung? Hast du nicht persönlich die Verbände gewechselt?«

»Natürlich habe ich das, und ich bin auch sehr zufrieden. Natürlich wird der Junge noch ein paar Wochen bei uns bleiben müssen. Aber die Verbrennungen sind es nicht, über die ich mir im Augenblick Sorgen mache. Ich habe mir die Unterlagen noch einmal durchgelesen, und mir sind da einige Unklarheiten aufgefallen. Aber erst zu dem Jungen. Er scheint sich vor irgend etwas sehr zu fürchten. In seinen Augen lag ein Ausdruck panischer Angst, als ich zu ihm sagte: Wir wollen doch, daß du recht bald gesund wirst und du mit deinen Freunden spielen kannst.«

»Das ist in der Tat recht eigenartig. Doch was für Unklarheiten sind dir in den Krankenunterlagen aufgefallen?«

»Nun, es wurde doch angegeben, daß der Brand, bei dem sich Peter verletzt hatte, beim Spielen entstanden sei. An sich mag das so gewesen sein. Ich versteh dabei nur nicht ganz, warum ausschließlich Peter so schlimme Brandwunden davongetragen hat und sonst niemand von den anderen Kindern auch nur die kleinste Verletzung aufwies. Ehrlich, Kay, diese Frage möchte ich ja unbedingt geklärt haben. Ich möchte in Erfahrung bringen, vor wem oder was sich dieser neunjährige Bub so fürchtet. Ich werde natürlich vorsichtig forschen und den Jungen zunächst nicht befragen. So lange nicht, bis es ihm bessergeht. Du kennst mich ja. Was ich mir vornehme, das führe ich auch bis zum Ende durch.«

»Eben weil ich dich genau kenne, werde ich dir auch nicht widersprechen. Wenn da wirklich etwas nicht in Ordnung ist, wirst du es schon herausfinden. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, sage mir Bescheid.«

»Ich werde es nicht vergessen, Kay. Jetzt jedoch will ich dich nicht länger aufhalten. Ich muß noch hinunter in die Küche und einiges mit Marike Schriewers besprechen.«

»Ist es nicht bald soweit, daß Marike ihr Baby bekommt?«

»In vier Wochen. Aus diesem Grund muß ich auch noch etwas mit ihr besprechen. Sie weist ja schon seit vierzehn Tagen ihre Vertretung ein, und ich interessiere mich natürlich dafür, ob während Marikes Abwesenheit auch alles reibungslos weiterläuft. Immerhin wird sie eine Weile aussetzen.«

»Und ist es schon sicher, daß sie danach ihre Arbeit bei uns wieder aufnehmen wird?«

»Ja, denn ihre Mutter wird das Kleine versorgen.«

»Dann ist ja alles bestens. Du, ich muß mich jetzt aber entschuldigen, ich muß ins Labor hinunter und ein paar Ergebnisse holen. Wir sehen uns dann später.«

Marike Schriewers, mit der Kay und Hanna genau wie mit ihrem Ehemann Martin ein fast freundschaftliches Verhältnis verband, kam sofort auf Hanna zu, als diese die große, geräumige Küche betrat, in der es schon recht hektisch zuging.

»Nun, wie läuft es, Marike?«

»Prima, Hanna. Frau Blomfeld ist eine ausgezeichnete Köchin. Sie wird auch hervorragend mit den Küchenhilfen fertig. Ich habe es nicht anders erwartet, sonst hätte ich sie nicht empfohlen. Ich muß auch zugeben, daß mir die Arbeit nun doch mit jedem Tag schwerer fällt und ich wohl ab nächsten Montag aussetze. Ich muß jetzt an mein Kind denken.«

»Ist doch schon seit vierzehn Tagen mein Reden, Marike. Wenn es nach mir geht, sollten Sie noch nicht einmal mehr diese Woche durcharbeiten. Zuviel des Guten ist auch nicht das Wahre. Wenn man es hier in der Klinik schon ohne Sie schafft, bleiben Sie ruhig gleich morgen daheim. Ihre Mutter hat sich ja bestimmt schon hier bei uns in der Gegend eingelebt, nicht wahr?«

»Das hat sie, Hanna. Sie sagte es mir erst gestern abend, daß sie sich schon riesig auf die Zeit freut, in der die Heide wieder zu blühen beginnt. Es wurde auch Zeit, daß sie endlich aus der Enge der Stadt herauskam. Martin hat sich mit ihr schon immer sehr gut verstanden und er ist sehr froh, daß sie in Zukunft mit uns zusammenleben wird. Ich hatte doch sehr häufig große Sehnsucht nach ihr.«

»So geht es mir auch, Marike. Zum Glück ist meine Mutter nicht allein. Wenn auch mein Vater in den vergangenen Monaten immer etwas kränkelt, weil sein Herz nicht mehr so recht mitmachen will, so hat meine Mutter doch wenigstens jemanden, den sie umsorgen kann. Ihre Mutter dagegen lebte ja völlig auf sich gestellt in der Stadt.«

Bevor Marike etwas darauf entgegnen konnte, trat Irma Blomfeld, eine zur Fülle neigende Frau von gut vierzig Jahren, zu ihnen und wollte mit einem freundlichen Lächeln wissen: »Haben Sie einen Wunsch, Frau Dr. Martens?«

»Nein, Frau Blomfeld, ich wollte nur nach Frau Schriewers sehen und mich einen Augenblick mit ihr unterhalten. Aber da Sie gerade hier sind… Sind Sie mit den Arbeitsbedingungen bei uns zufrieden? Kommen Sie schon mit allen klar?«

»Selbstverständlich, Frau Dr. Martens. Es läßt sich hier auch ausgezeichnet arbeiten. Ich bin vollauf zufrieden, und ich komme auch schon mit allem allein klar. Frau Schriewers sollte sich langsam mehr schonen und an das Baby denken, das sie in Kürze erwartet.«

»Das habe ich ihr auch gerade geraten. Ich will auch jetzt wieder gehen und Sie nicht von der Arbeit abhalten. Ich weiß ja, daß es um diese Zeit jede Menge Arbeit gibt, wenn das Essen zubereitet wird. Es bleibt auch dabei, daß ich es mit Ihnen genauso halte wie mit Frau Schriewers. Immer am Sonnabend nach der Mittagszeit werde ich mit Ihnen den Speiseplan für die kommende Woche besprechen. Also dann, ich muß wieder auf die Krankenstation hinauf.«

Hanna reichte Marike lächelnd die Hand und nickte Irma Blomfeld freundlich zu, danach verließ sie die Küche und ging zur Krankenabteilung hinauf.

*

Das persönliche Vorgespräch zwischen Kay und Michael Küsters, bei dem auch Hanna anwesend war, verlief für alle drei sehr erfreulich. Schon als der sympathische junge Arzt das Sprechzimmer Kay Martens’ betrat, waren beide angenehm überrascht. Im Verlauf des Gespräches stellte sich vor allen Dingen für Hanna sofort heraus, daß sie und Kay sich für den Richtigen entschieden hatten. Nicht das angenehme Äußere allein, sondern auch, wie er sich gab: höflich, zurückhaltend, und dabei doch mit einem verschmitzten Ausdruck in den Augen. Die für Kay und Hanna sehr wichtige Aussage über seine Fähigkeiten als Arzt ließen die Geschwister und den zukünftigen Mitarbeiter schnell einig werden. Dr. Michael Küsters würde also in gut einer Woche, zum ersten Februar, seinen Dienst in der Kinderklinik Birkenhain antreten. Es blieb ihm die Zeit, sich nach einer vorläufigen Unterbringung umzusehen.

Hanna empfahl ihm, sich erst einmal in der Pension »Haus Daheim« ein Zimmer zu nehmen.

»Also, Dr. Küsters, dann auf die kommende Woche und auf gute Zusammenarbeit«, sagte Kay, als sich der neue Mitarbeiter von Hanna und ihm verabschiedete, und reichte ihm mit einem herzlichen Lächeln seine Rechte.

Als Hanna und Kay wieder allein waren, fragte Hanna: »Zufrieden, Bruderherz?«

»Und ob, Hanna. Du hast mal wieder das richtige Händchen gehabt. Ich bin sicher, daß wir in Dr. Küsters einen Arzt gefunden haben, der hervorragend in unser Team paßt. Die Sache ist also bestens gelaufen.«

»Nun, wir werden sehen. Ich werde dann dafür sorgen, daß unsere Mitarbeiter und auch die Schwestern, die abkömmlich sind, am nächsten Freitag in der Kantine zusammenkommen, damit du unseren neuen Mitarbeiter einführen kannst, nicht wahr?«

»Einverstanden, so können wir es halten, dann wissen alle sofort Bescheid«, erwiderte Kay, und für diesen Tag war das Thema Michael Küsters für Hanna und Kay abgehakt.

Am Freitag der nächsten Woche, früh um acht Uhr, waren dann alle Mitarbeiter der Geschwister und auch der größte Teil der Schwestern in der Kantine versammelt, als Hanna und Kay Martens mit Michael Küsters eintraten.

Lächelnd sagte Kay: »Hiermit möchte ich Ihnen allen unseren neuen Assistenzarzt Michael Küsters vorstellen. Er nimmt ab heute den Platz von Dr. Frerichs ein.«

Halb verdeckt von Oberschwester Elli und Schwester Tina standen die beiden Operationsschwestern Barbara und Christina. Schon als der Chefarzt und seine Schwester mit dem jungen Arzt eintraten, weiteten sich Schwester Christinas Augen entsetzt. Sie starrte auf den jungen Arzt, als wäre dieser ein Geist, und ihre Gestalt wankte.

Barbara, die als einzige die Fassungslosigkeit der Kollegin und Freundin bemerkte, flüsterte ihr, für die vor ihnen Stehenden nicht verständlich, zu: »Haltung, Christina! Haltung…, und immer lächeln!«

Schon lag auf Christinas Gesicht wieder ein Lächeln, wenn auch ein sehr gezwungenes.

Schwester Christina war die zweite Operationsschwester. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt, hatte eine schlanke Figur. Dunkle, große Augen, die immer sehr ernst blickten, verliehen dem schmalen, ebenmäßigem Gesicht einen besonderen Reiz. Während der Dienststunden trug sie ihr dunkelbraunes, halblanges Haar meistens zusammengebunden oder hochgesteckt unter ihrem Schwesternhäubchen verborgen.