Kiste voller Kapriolen - Karen Sell - E-Book

Kiste voller Kapriolen E-Book

Karen Sell

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Beschreibung

Wer in dieser Kiste herumstöbert, entdeckt eine Menge Spaß und Herzensfreude. Das Leben hat nämlich wieder muntere Kapriolen geschlagen und sich von seiner ulkigen Seite gezeigt. Mit Freude am Schreiben und viel Liebe zum Detail sind daraus kurze amüsante Geschichten voller Humor und Komik entstanden. Sie sorgen für heiteren Lesegenuss und verbreiten viel Fröhlichkeit.

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Seitenzahl: 87

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Inhalt

1 Wenn Gardinen den Blutdruck in die Höhe treiben

2 Das S-Wort

3 Origami

4 Was kann Mama eigentlich nicht?

5 Mehlschwitze und kalter Tee

6 Ein guter Mensch

7 Wippsteerts

8 Uwes

9 Küchenerotik

10 Geld für einen Porsche

11 Tante Martha und die Badezimmerschränke

12 Doswidanja, du Blödmann

13 Frida hängt nur rum und raucht

14 Wenn Spekulationen weit weg von der Wahrheit sind

15 Operation 007

16 Jetzt

17 Vom Blick in den Spiegel

18 Achtunddreißig

19 Die Macht des Watts

20 Weihnachten steht im Kalender

21 Waldmeisterwackelpudding und Winkeärmchen

22 Von Photosynthese und Harnröhren

23 Uropa und die Tafelrunde

24 Der Truchsess und das Handy

25 Die Sache mit dem Sprungturm

26 Erdbeerkaffee und die Folgen

27 Der DUAL P 53 und das Weihnachtswunder

1

Wenn Gardinen den Blutdruck in die Höhe treiben

Ich ziehe bald um. Näher an die Familie. Ich verspreche mir jede Menge Vorteile davon. So kann mir meine Mama mal schnell einen Teller Hühnersuppe bringen, wenn ich mit Schniefnase im Bett liege – oder umgekehrt. Ich werde nicht mehr so weite Wege haben, wenn ich Papa die Haare schneide – oder umgekehrt (äh, eher nicht umgekehrt). Ich kann meine drei Erdbeeren und vier Tomaten ernten, sobald sie reif sind, und nicht erst, wenn ich zufällig mal im Garten bin. Vielleicht werde ich abends spontan mit meinem Lieblingssohn eine Motorradtour machen oder mit meiner Lieblingsschwester ein Bier auf ihrer Bierbank trinken.

Doch, es ist schön, die Familie in der Nähe zu haben.

In unserer Familie gibt es jede Menge Allesimblickhaber*innen. Meine Mama führt diese Gruppe – zu der ich nicht gehöre – an. Ich gehöre zur Gruppe der Traumtänzer*innen, das ist die kreative Gruppe für die schöngeistigen Aktivitäten, Luftschlösser bauend und Wolken anguckend. Ich bin die einzige Teilnehmerin.

Während ich inmitten all meiner Aktivitäten noch ein wenig zögere, ob es wirklich eine gute Idee ist, umzuziehen, hat meine alles im Blick habende Mama meine Entscheidung mit einem einzigen lapidaren Satz zementiert. Ich berichte gleich davon.

Ich muss sagen, ich habe gern über den Dächern der Landeshauptstadt gewohnt, ein Stück weit auch die Anonymität genossen, an die ich mich anfangs erst gewöhnen musste. Sie ist längst gewichen. Inzwischen beobachtet Roberto von seinem Balkon aus, ob ich pünktlich nach Hause komme. Bibi schickt mir Whatsapp-Nachrichten, Sarah bringt mir Kuchen, der Paketbote duzt mich und ich kenne die Hunde aus der Nachbarschaft mit Namen. Also gar nicht anders als auf dem Dorf.

So ein Umzug bringt gemeinhin viel mehr Chaos und Arbeit mit sich, als ich angenommen hatte. Ich hatte es mir wie Kofferpacken vorgestellt. Aufräumen, dafür sorgen, dass alle Sachen sauber in den Schränken sind und dann nur noch Koffer auf, Koffer packen, Koffer zu, fertig. So sollte es mit dem Umzug auch sein. Aufräumen, Schränke auf, Kisten packen, Schränke zu und los. Vollkommen unterschätzt habe ich dabei die Menge der Kartons, die es zu packen galt, und ich habe dabei durchaus den Vorsatz beherzigt, schon mal auszusortieren. Nun muss man wissen, dass es bei mir nicht allzu viel auszusortieren gibt. Teller, Töpfe, Tassen habe ich nicht viel mehr als nötig, Hosen, Hemden und Hoodies auch nicht. Schönes Porzellan habe ich, okay, aber das hat ohnehin meine Freundin Kathrin eingepackt, damit es wenigstens eine Chance gibt, dass es heile ankommt.

Ich muss mich um mein Papier kümmern. Und was habe ich alles an Papier! Das wusste ich gar nicht. Ehrlich. Da sind nicht nur Ordner und Akten, ich habe Notizbücher, Kladden, Schnipsel, beschriebene Zeitungsränder, Tagebücher, Alben, Post-Its, Collegeblöcke und lauter lose Zettel. Alles ist wichtig, megawichtig sogar. Jede Menge Ideen habe ich festgehalten und aufgeschrieben, wenn mein Brain gestormt hat, flugs notiert, was mir in den Sinn kam. Alles, aber auch alles werde ich noch brauchen, um eines Tages den Hammer-Bestseller des Jahrhunderts zu schreiben. Das kann nicht weg. Das füllt Kisten, Umzugskisten in hohen Stapeln. Was für ein Aufwand. Was das an Zeit und Energie kostet, und ich hab nicht einmal Urlaub genommen.

Da bleibt keine Zeit für Belanglosigkeiten, keine Sekunde ist übrig. Seit Wochen wetze ich wie ein aufgescheuchtes Huhn zwischen Arbeit, alter Wohnung und neuer Wohnung hin und her. Ich bin mega gestresst, meine Beinmuskeln sind vom Pesen verkatert, meine Arme vom Schleppen lahm, meine Augen dauermüde, mein Blutdruck hoch und meine Reizschwelle niedrig, sehr niedrig, mitunter extrem niedrig.

Und dann kam Mama.

Ich hatte nach einem anstrengenden Arbeitstag noch Regalbretter geschleppt, Schrauben geschraubt, Kisten treppab- und treppauf bugsiert und lehnte atemlos im dritten Stock an meiner Nochwohnungstür und wollte nur noch ungeduscht ins Bett plumpsen, als Mama anrief und lapidar diesen allen entscheidenden Satz fallenließ. Sie meinte, ich könnte doch schon mal Gardinen in der neuen Wohnung ans Fenster hängen, dann sähe es dort nicht so unbewohnt aus und die Leute würden sich nicht wundern. Sie meinte es gut, lieb und nett. Sie konnte ja nicht wissen, dass sie mich in einem Moment erwischt hatte, als meine Frustschwelle unterhalb des Teppichflors gesunken war, um nicht zu sagen extrem superkalifragilistischexpialigetisch niedrig war.

Gardinen! Na klar. Ich spürte, wie sich eine knallrote Zornesfalte auf meiner Stirn bildete.

»Ja, Mama«, giftete ich. »Dann kommen da jetzt Gardinen ran.«

Gleichzeitig erschöpft und wütend stieß ich mich von der Tür ab, hetzte ins fast leere Arbeitszimmer, stieß beinah den Wäscheständer voller Schlüpper, Hemden und Socken um. Grantig riss ich die Scheibengardinen mit Stange vom Fenster, rannte die Treppen runter, hechtete ins Auto und brauste los, nicht ohne meine Mutter von jedem Schritt meines Tuns zu unterrichten.

»Kind, so habe ich das doch gar nicht gemeint.«

Wusste ich eigentlich auch. Liegt allerdings die Frustschwelle unter Teppichniveau, trübt das die Sinne. Wer kennt das nicht? Ich also ab in die neue Wohnung. Gardinen auf die Stange, Klemmschiene an den Rahmen und basta. Der Stoff baumelte, die Wohnung sah nicht mehr unbewohnt aus und der Blutdruck war noch höher.

Ein Wunder, dass mich meine Beine an diesem Tag noch ein letztes Mal in den dritten Stock gehievt haben.

Die Nacht verbrachte ich im Delirium.

Am Morgen danach wusste ich nichts mehr. Ich räkelte mich wohlig, duschte ausgiebig, rubbelte mich trocken, putzte Zähne und fühlte mich wie neugeboren. Mit mir und der Welt im Reinen tänzelte ich im Eva-Kostüm ins Arbeitszimmer, um mir einen Schlüpper vom Trockner zu pflücken. Erst jetzt setzte mein Erinnerungsvermögen wieder ein.

Ach.

Die Gardinen.

Die waren ja weg.

Ich weiß nicht, wie lange ich zur Salzsäule erstarrt aus diesem Fenster glotzte, in das man nun auch problemlos hineinglotzen konnte. Ich weiß nur, dass die Häuser in der Stadt sehr nah beieinander stehen.

Nun gibt’s kein Zaudern mehr.

Die Entscheidung, umzuziehen, steht, fest und erdverwachsen wie eine sturmfeste, niedersächsische Eiche.

2

Das S-Wort

Meine Lieblingskollegin Andrea hatte Post bekommen von der Landeshauptstadt. Sie machte ein ziemlich betrübliches Gesicht, als sie mir den Brief mit spitzen Fingern reichte. Ich befürchtete sofort, dass er schlechte Nachrichten enthielt oder womöglich kontaminiert war, mit mieser Laune vielleicht, wenn ich so in Andreas Gesicht blickte.

»Was soll ich damit?«, fragte sie mich angewidert, als sei ich der Absender des Briefes. Sensationslustig zog ich das Schreiben aus dem Umschlag und faltete es auseinander und dann konnte ich mich nicht mehr halten. Ein Lachanfall schüttelte meinen ganzen Körper durch. Andrea wurde formvollendet aufgefordert, an der Wahl zum Seniorenbeirat der Stadt Hannover teilzunehmen. Ich hatte keine Ahnung, was meine zwei Jahre jüngere Kollegin prädestinierte, die Zusammensetzung dieses wichtigen Gremiums zu beeinflussen. Wonach werden eigentlich die Wahlfrauen und Wahlmänner ausgesucht? Hat es etwas mit Lebensstil, physischer und psychischer Verfassung zu tun? Wie auch immer, irgendetwas musste meine Kollegin auszeichnen, dass die Senioren unserer Stadt ihr den Schneid zutrauen, energisch die Interessen der Alten zu vertreten. Auf irgendeine Art und Weise musste Andrea also eine sehr nahe Nähe zu dieser Bevölkerungsgruppe haben.

Senioren. Wie definiert man dieses S-Wort überhaupt. Ich kam den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kichern heraus, stellte mir vor, wie Andrea mit dem Krückstock beim Oberbürgermeister auf den Schreibtisch haute, um endlich die ... das ... den ... ja, was eigentlich einzufordern. Ich selbst bin so weit von den Alten entfernt, dass ich überhaupt keinen Schimmer habe, was die so wollen oder brauchen.

Dann geschah es aber im Laufe des Vormittags, dass meine Kollegin missmutig vor dem Computer hockte und wild fluchend versuchte, ihm wichtige Informationen zu entlocken.

»Karen!«, rief sie verzweifelt. »Hilf mir mal!«

Souverän trat ich hinter sie, sah ihr über die Schulter, griff zur Maus und zauberte mit wenigen Klicks die gewünschte Info auf den Bildschirm. Man muss halt mit der Zeit gehen, sich mit neuen Technologien beschäftigen, den Jugendlichen auf die Finger schauen, sich für die Welt interessieren, fit bleiben im Kopf. So läuft das. Dann muss man sich auch nicht mit Einladungen zur Wahl von Räten beschäftigen, die weiter von einem weg sind als der Regiomontanus, mein Lieblingsmondkrater, nach dem deutschen Astronomen Johannes Müller benannt. Ja, so etwas weiß man, wenn man geistig rege und rüstig durchs Leben geht.

»Computerkurse für Senioren«, feixte ich hämisch und stieß Andrea übermütig in die Rippen. »Gibt’s viel zu wenig ... solltest du dich für einsetzen in deinem neuen Gremium!«

Dann suchte ich schleunigst das Weite. Man weiß ja nie, wozu Seniorinnen so fähig sind, wenn sie provoziert werden.

Den Rest des Arbeitstages verbrachte ich sehr beschwingt und mein Grinsen wuchs mit jedem Blick in Andreas vor Unbill zerknittertem Gesicht.

Zwei Tage später zog ich einen Brief der Landeshauptstadt aus meinem Briefkasten. Grau, DIN A lang, mit Fenster.

Ich kann angemessen damit umgehen, wenn mich das Schicksal ereilt. Also auch an diesem Tag. Offensichtlich ist das S-Wort sowieso nur an das Geburtsjahr gekoppelt. Wenn das so ist, ist das so. Ich beschloss, vorbereitet zu sein, wenn ich Andrea gestehen musste, dass auch ich eine Wahlaufforderung bekommen hatte. Sehr sorgfältig überlegte ich mir, was ich für die Alten der Stadt, also die junggebliebenen Alten, wie mich zum Beispiel, einfordern könnte. Eine makellose und ebene Babypopo-Asphaltdecke rund um den Maschsee zum Beispiel, zum eleganten, butterweichen Skaten. Genau!

»Das ist doch nichts für Senioren«, widersprach Andrea.

»Woll!«, konterte ich. »Ich bin ja nicht mehr zwölf, kann nicht mit Inlinern über jede Baumwurzel hüpfen, aber rasant rasen kann man ja wohl auch als Seniorin noch.« Ich betonte das S-Wort mit Genuss. Andrea verdrehte die Augen und verschwand.

Tja, dachte ich hochmütig, es gibt so ’ne und so ’ne.

Aber dann kamen wir nicht mehr dazu, uns noch intensiver der S-Problematik zu widmen. Die Arbeit rief, die Menschen standen Schlange.