Dem Piraten auf der Spur - Gloria von Felseneck - E-Book

Dem Piraten auf der Spur E-Book

Gloria von Felseneck

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Beschreibung

Die neue historisch verbrämte, romantische Abenteuerserie um das spannende, ruhelose Leben des großen Piraten Klaus Störtebeker gründet auf einem geschichtlichen Fundament. Er war der berüchtigtste Pirat am Wendepunkt des 14. zum 15. Jahrhundert. Leben, Lieben und Abenteuer des sagenumwobenen Piraten werden hautnah geschildert. Gleich der erste Roman liefert eine Erklärung, wie es den attraktiven Jungbauern aus Wismar auf die Meere verschlagen konnte, wie er seinen Kumpan Goedeke Michel kennenlernte und erste atemberaubende romantische Augenblicke erlebte. Sein Leben ist eine wahre Fundgrube zur Legende gewordener abenteuerlicher Geschichten. Es war in diesem Jahr zeitig Frühling geworden, was viele Leute im Dorf begrüßten, nahm er ihnen doch die Sorge, mit den Vorräten nicht auszukommen und zum Ende des Winters hungern zu müssen. Der Schnee begann zu schmelzen, das Eis zerbrach und die Wege wurden allmählich wieder passierbar, was so mancher der Männer nutzte, um im Wald ein Reh, ein Wildschwein oder ein paar Kaninchen zu erlegen. Der Wirt vom »Goldenen Anker«, der einzigen Schenke im Dorf, hatte die heimliche Jagd nicht nötig. Der erzählte nämlich lang und breit, daß er beim Kauf der Jagdhütte auch das Recht erworben hatte, im Wald von Ritter Kunibert jagen zu dürfen. Man sah den behäbigen Wirt allerdings nur äußerst selten bei der Ausübung des edlen Weidwerks und fragte sich, woher denn das Wildbret kam, das so oft am Spieß und in seinen Pfannen gebraten wurde. Die ganz Gewitzten fragten sich das nicht. Ihrer Meinung nach hatte Hannes Wichmann schon lange keinen Fuß mehr in Wald und Flur gesetzt. Wozu auch? Die Piraten, die hier irgendwo ihr Winterquartier haben mußten, versorgten ihn wahrscheinlich ständig mit frischem Fleisch, weil einer der Anführer hinter der Wirtstochter her war, wie der Teufel hinter der Seele. Ja, ja, eine Hand wusch eben die andere. Dem etwas törichten Grafen von Aldermann, den man im Dorf nur geringschätzig Ritter Kunibert nannte, fiel dieser Diebstahl anscheinend gar nicht auf, er merkte auch nicht, daß seine ehemalige Jagdhütte jetzt einem ganz anderen Zweck diente. Er wollte nur seine Ruhe, derbe Späße sowie Wein, Weib

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Klaus Störtebeker – 2–

Dem Piraten auf der Spur

Wer sein Feind war, hatte nichts zu lachen. Zu Lebzeiten berüchtigt, wurde er zur Legende unter den Piraten ...

Gloria von Felseneck

Es war in diesem Jahr zeitig Frühling geworden, was viele Leute im Dorf begrüßten, nahm er ihnen doch die Sorge, mit den Vorräten nicht auszukommen und zum Ende des Winters hungern zu müssen. Der Schnee begann zu schmelzen, das Eis zerbrach und die Wege wurden allmählich wieder passierbar, was so mancher der Männer nutzte, um im Wald ein Reh, ein Wildschwein oder ein paar Kaninchen zu erlegen.

Der Wirt vom »Goldenen Anker«, der einzigen Schenke im Dorf, hatte die heimliche Jagd nicht nötig. Der erzählte nämlich lang und breit, daß er beim Kauf der Jagdhütte auch das Recht erworben hatte, im Wald von Ritter Kunibert jagen zu dürfen. Man sah den behäbigen Wirt allerdings nur äußerst selten bei der Ausübung des edlen Weidwerks und fragte sich, woher denn das Wildbret kam, das so oft am Spieß und in seinen Pfannen gebraten wurde.

Die ganz Gewitzten fragten sich das nicht. Ihrer Meinung nach hatte Hannes Wichmann schon lange keinen Fuß mehr in Wald und Flur gesetzt. Wozu auch? Die Piraten, die hier irgendwo ihr Winterquartier haben mußten, versorgten ihn wahrscheinlich ständig mit frischem Fleisch, weil einer der Anführer hinter der Wirtstochter her war, wie der Teufel hinter der Seele. Ja, ja, eine Hand wusch eben die andere.

Dem etwas törichten Grafen von Aldermann, den man im Dorf nur geringschätzig Ritter Kunibert nannte, fiel dieser Diebstahl anscheinend gar nicht auf, er merkte auch nicht, daß seine ehemalige Jagdhütte jetzt einem ganz anderen Zweck diente. Er wollte nur seine Ruhe, derbe Späße sowie Wein, Weib und Gesang. Wenn Gäste kamen – und es kamen oft welche –, trug er mitunter ein langes faltenreiches Gewand aus purpurrotem oder goldfarbenem Samt, zwängte seine Füße (einschließlich der Hühneraugen) in enge Schnabelschuhe und trug seine Geldbörse am Gürtel. So hoffte er, auf die Damen einen möglichst guten Eindruck zu machen.

Die Gäste, die vor vier Tagen angekommen waren, hatten zu seinem Ärger keine Frauenzimmer bei sich. Und sie waren auch keine Gäste im eigentlichen Sinne, sondern Kaufleute, die gemeinsam reisten. Einer von ihnen hatte sich ausgerechnet in der Nähe des Torhauses den Fuß verstaucht und lag nun in einer Kammer, um dort seine Verletzung auszukurieren.

Die anderen Männer kümmerten sich nur wenig um den Kranken. Sie marschierten trotz der immer noch sehr kühlen Witterung hinaus in die Natur, um die Tier- und Pflanzenwelt zu beobachten.

Ritter Kunibert hatte es nur einmal über sich gebracht, die eifrigen Wanderer zu begleiten. Nach einem Marsch von vielen Meilen, war er vollkommen erschöpft auf sein Lager gesunken und hatte seine Kemenate seitdem nicht mehr verlassen. Er überließ es seiner Gemahlin, für das Wohl der Gäste zu sorgen. Sie würde das schon machen, und wenn nicht, dann war ihm das auch egal. Diese langweiligen und wenig trinkfreudigen Kerle konnten ihm gestohlen bleiben. Am allerbesten würde es allerdings sein, wenn sie ihrem bettlägerigen Mitstreiter möglichst bald auf die Beine halfen und dann der Burg unverzüglich den Rücken kehrten. Dann hatte er endlich Ruhe vor ihren flinken Augen und ihren meist so unverständlichen Fragen.

Hätte er hören können, worüber die eifrigen Wanderer zu dieser Stunde sprachen, dann hätte er sich trotz seiner Einfalt doch sehr gewundert.

Tillmann Roth sagte nämlich: »Sie müssen hier in der Gegend sein, Herr Hauptmann. Es gibt eindeutige Spuren.« Und Alberich Langenhahn fügte mißmutig hinzu: »In den Dörfern scheint jedoch niemand etwas von den Piraten gehört und gesehen zu haben. Oder wir haben es nur mit Lügnern und Dummköpfen zu tun.«

»Der Dümmste von allen scheint der Graf zu sein«, erwiderte Dietwolf Hademar ärgerlich, während er unruhig im Raum hin und her ging. Er schien seine Verletzung nicht mehr zu spüren, denn er hinkte nicht mehr. »Der Graf ist ein Trottel ersten Ranges«, schimpfte er halblaut weiter. »Ich hatte gehofft, viel mehr von ihm zu erfahren, aber er weiß nichts, sieht nichts und hört nichts. Und ich kann nichts anderes tun, als hier herumzusitzen, weil ich angeblich ein steifes Bein habe und...«

»Inzwischen könntet Ihr durchaus genesen sein«, warf Tillmann Roth eifrig ein. »Ein kleiner Spaziergang in unserer Begleitung wird Euch nur gut tun. Vielleicht fällt Euch dann etwas auf, was wir noch nicht bemerkt haben.«

»Mag sein«, knurrte der Anführer der Truppe. »Ich würde gern bis zu der Jagdhütte gehen, die der Graf im letzten Herbst an den Wirt vom ›Goldenen Anker‹ verkauft hat. Wenn man dem Gesinde hier Glauben schenken darf, ist der Wirt überhaupt kein Jäger und hält sich nie in der Hütte auf. Aber sie wird benutzt. Die Frage ist nur, von wem?«

»Die ist für einen Piratenunterschlupf viel zu klein«, versicherte ihm Alberich Langenhahn. »Wir haben sie schon gesehen. Es ist nichts Auffälliges dran. Männer haben wir noch nie bemerkt, nur einmal eine alte Frau und die kam aus dem nächsten Dorf.«

»Und was ist mit den Höhlen in den Kreidefelsen?«

Die scharfe Frage ihres Hauptmanns brachte die beiden Soldaten in sichtliche Verlegenheit. Sie blickten sich verzweifelt an und stammelten dann fast gleichzeitig: »Da... liegt noch so viel... Schnee.«

Alberich Langenhahn meinte, er hätte nun genug erklärt und sank entnervt auf einen Stuhl. Sein Kamerad, der etwas mutiger war, sprach weiter, eifrig bemüht, seinem Vorgesetzen eine glaubwürdige Erklärung für die bisherigen Mißerfolge zu geben.

»Wir haben es nicht gewagt, bis dorthin zu gehen, Herr Hauptmann. Man würde unsere Spuren im Schnee... sehen. Und Piraten sind keine... Lämmer und keine Schwachköpfe. Die würden uns auflauern und dann sofort merken, daß wir keine Kaufleute sind.«

»Wahrscheinlich.« Der Hauptmann gab ihnen recht, nahm sich aber vor, selbst Erkundigungen einzuziehen, schließlich lautete sein Auftrag, Goedecke Micheel und seine Helfershelfer ausfindig zu machen, alle zu verhaften und dann nach Stralsund zu bringen, wo sie ihre gerechte Strafe bekommen würden.

»Ab morgen bin ich wieder gesund«, ordnete er nun barsch an. »Wir ziehen weiter und versuchen, so nahe wie möglich an die Höhlen heranzukommen. Sollten wir Erfolg haben, reitet Ihr, Tillmann Roth, umgehend zu den anderen, damit wir das freche Pack gemeinsam überwältigen können.«

»Jawohl, Herr Hauptmann.« Der Angesprochene stand stramm, sein Kamerad, der sich wieder erhoben hatte, ebenfalls. Und allen war klar, daß die nächsten Tage sehr anstrengend werden würden. Bertram Wulflam erwartete nämlich von ihnen, daß sie die gesamte Freibeuterbande um Goedecke Micheel ausfindig machten und gefangen nahmen.

*

Clara Wichmann hatte eben den eisernen Topf über das Feuer gehängt, in dem sie einen herzhaften Eintopf aus Kohl, Rüben und Kaninchenfleisch zubereiten wollte. Nachdem sie die Zutaten hineingetan hatte, goß sie Wasser dazu und würzte das ganze mit Salz und getrockneten Salbeiblättern. Nun würde es eine Weile dauern, bis alles gargekocht war. Nun hatte sie Zeit für denjenigen, der ihre Kochkunst zu würdigen wußte – für den Piraten Klaus.

Er schlief noch, lag auf der Seite und war nur bis zu den Hüften bedeckt. Sein dichtes blondes Haar war etwas verwirrt und fiel ihm bis auf die Schultern. Er hatte das Gesicht im Kissen vergraben und schlief so seelenruhig, als wüßte er nichts von den ständigen Gefahren, denen er ausgesetzt war und die unweigerlich noch auf ihn und seine Leute zukommen würden.

Die junge Frau unterdrückte einen Seufzer, während sie sich auf die Bettkante setzte und den Mann zu betrachten begann, der seit Monaten ihr Freund und Geliebter war. Sie wußte nicht viel von ihm und ahnte, daß sie ihn irgendwann für immer verlieren würde. Das Meer war weit, tief und tückisch. Aber noch viel tückischer als das Meer waren die Menschen, besonders jene, die den Reichtum in ihre Kisten scheffelten und nie genug davon bekommen konnten. Sie preßten aus den Armen oftmals den letzten Pfennig heraus und sahen ohne jedes Mitleid zu, wenn viele krank wurden und der Tod reiche Ernte hielt.

Klaus und seine Leute versuchten, dieses Elend zu mildern, in dem sie den reichen Pfeffersäcken ihre Waren abjagten und diese zu einem großen Teil den Bedürftigen zukommen ließen. Bis jetzt war dabei das Glück auf ihrer Seite gewesen. Aber wie lange noch?

Clara seufzte nun doch und weckte damit Klaus auf. Er gähnte, reckte und streckte sich und murmelte verschlafen: »Es riecht hier so gut. Kochst du etwa schon das Mittagessen?«

Sie lächelte. »So ist es, mein lieber Herr. Du hast sehr lange geschlafen… weit über das Morgenmahl hinaus.«

Er richtete sich halb auf, griff nach ihr und preßte sie an sich. »Es wundert dich doch wohl nicht, daß ich… äh… Erholung bitter nötig hatte. Schließlich hast du mich beinahe die ganze Nacht wachgehalten und meiner Manneskraft nur wenig Ruhe gegönnt.«

»So kann man die Scherze natürlich auch nennen, die du mit mir getrieben hast.« Sie kicherte, legte ihre Hände auf seine Schultern und drückte ihn auf das Lager zurück. Sie bettete ihren Kopf auf seine Brust und flüsterte ihm zu: »Ich hatte allerdings den Eindruck, als wenn du selbst wenig Wert auf Pausen legtest. Du warst so gierig und unersättlich, daß ich mich eigentlich auch… ausruhen müßte. Doch was mache ich? Ich koche dir einen schmackhaften Eintopf.«

Klaus grinste. »Dann haben wir uns wohl gegenseitig wach gehalten. Jedenfalls werde ich noch oft an unsere wilden Tage und Nächte denken, wenn ich wieder auf See bin. Die Erinnerung an dich wird mir mein Handwerk erleichtern und mich die Einsamkeit besser ertragen lassen.«

»Du mußt bald fort, nicht wahr?« Clara sah ihn traurig an, und als er bestätigend nickte, stand sie auf, ging wieder zur Feuerstelle und rührte die Suppe mit einem großen Holzlöffel um.

»Es muß sein«, erwiderte er nachdrücklich. »Wir stehen im Dienst der Königin und haben ihre Aufträge zu erfüllen.« Klaus hatte sich ebenfalls erhoben und stand nun dicht hinter Clara. Er legte seine Arme um sie und zog sie an seine nackte Brust. »Aber ich komme wieder. Das verspreche ich dir. Der Sommer wird sehr schnell vorbei sein und dann werden wir...«

Sie drehte sich zu ihm herum und sah nachdenklich zu ihm auf, bevor sie sagte: »Vielleicht täuschen meine Eltern und ich uns, vielleicht sehen wir alle im Dorf Gespenster, aber wir trauen diesen Kaufleuten nicht, die seit ein paar Tagen beim Ritter Kunibert zu Gast sind. Sie streifen viel zu oft durch das Dorf, horchen die Leute aus und waren auch schon bei meinem Vater in der Schenke...«

»Das machen viele Kaufleute«, warf er sorglos ein, während er seine Hände über ihre Brüste gleiten ließ.

»Ja, sicher. Aber diese Männer sehen nicht aus wie Händler und Krämer, sondern viel eher wie… Soldaten oder irgendwelche Krieger.«

Er runzelte die Stirn, wandte sich von ihr ab und erwiderte spröde: »Du hast recht. Wir werden aufpassen müssen, daß uns niemand beim Hissen der Segel stört.«

»Ich sag’s doch. Sei nur vorsichtig. Es ist gefährlich, Gottes Freund und aller Welt Feind zu sein.«

»Sei unbesorgt, ich werde schon nicht...« In diesem Augenblick ertönte ganz in der Nähe der heisere Schrei einer Eule. Klaus zuckte zusammen, dann straffte er seine Gestalt und sagte kurz: »Ich muß gehen. Wenn hier jemand vorbei kommen sollte, dann hast du mich nie gesehen.«

»Ist… das der… Abschied?« hauchte sie entsetzt und wurde sehr blaß.

»Ja, Mädchen«, murmelte er und nahm sie fest in die Arme. »Der Schrei der Eule ist das Signal zum unverzüglichen Aufbruch. Aber ich komme wieder… im Herbst, wenn die Tage kürzer werden. Bewahre mir deine Liebe und bleib gesund.« Er küßte sie leidenschaftlich, dann schob er sie von sich, schlüpfte in Kleidung und Stiefel, warf sich zum Schluß einen alten fadenscheinigen Mantel über und zog dann nach einem allerletzten Blick auf Clara die Tür hinter sich zu.

*

Sie hatte in aller Eile sämtliche Spuren beseitigt, die auf die Anwesenheit eines Mannes hinwiesen, hatte das Bett gemacht und schließlich das Feuer gelöscht. Danach vertauschte sie das edle Gewand aus blaugefärbtem Leinen gegen das schlichte Kleid einer Bäuerin, bedeckte ihre Haare mit einem Kopftuch und ihren Körper mit einem dunklen Umhang. Zum Schluß bestrich sie sich Stirn und Wangen mit ein wenig Ruß und griff anschließend nach einem Rohrkorb, so einen wie ihn die Bettelweiber trugen, die im Wald nach Reisig suchten. Es war ihre übliche Verkleidung, denn sie wollte nicht, daß man sie erkannte. Ihre Verbindung zu einem Freibeuter konnte sie, ihre Eltern und möglicherweise sogar das ganze Dorf, in Schwierigkeiten bringen.

Nachdem sie die Hütte verlassen hatte, schlug sie den Weg zum Strand ein. Von dort aus konnte sie ein letztes Mal das Schiff sehen, mit dem Klaus und seine Mannschaft zu fernen Ufern und neuen Abenteuern aufbrechen würden.

Der Pfad zum Wasser war vom Schneematsch aufgeweicht, so daß sie nur mühsam vorwärts kam, zumal ihr ein herber Wind ins Gesicht blies. Aber sie ging immer weiter, bis sie in die Nähe des Strandes kam, wo der Weg durch Geröll etwas besser befestigt war, und sie zügiger ausschreiten konnte. Die letzten Meter bis zum Ufer lief sie und sah dann tatsächlich noch das Schiff in der Ferne. Sie winkte mehrmals, obwohl sie wußte, daß Klaus sie gar nicht sehen konnte. Und sie weinte, weinte um ihr Glück und ihre Liebe zu einem Mann, den es immer wieder auf das Meer ziehen würde. Tief in ihren Schmerz versunken stand sie da und bemerkte die mit Schwertern und Lanzen bewaffneten Männer nicht mehr rechtzeitig, die sich dicht an sie herangeschlichen hatten. Es waren sechs und es wurden immer mehr. Sie setzten der vor Angst weglaufenden und laut schreienden Frau nach, erreichten sie und warfen sie zu Boden.

»Wer bist du, und was tust du hier?« Der Anführer der Truppe, ein großer kräftiger Kerl mit dunklem Vollbart zog sie auf die Füße und schüttelte sie derb.

»Ich… ich sammle… Reisig«, stotterte sie und zeigte mit zitternder Hand auf den Korb, der ihr aus den Händen gefallen war und nun im Sand lag.

»Am Strand suchst du nach Reisig? Was soll diese Lüge? Wir haben alle gesehen, daß du dem Schiff nachgewinkt hast. Und du weißt mit Sicherheit auch, um was für ein Schiff es sich handelt.«

»Ich winke oft den Schiffen nach, Herr.« Clara versuchte die Ruhe zu bewahren. »Das ist doch nicht verboten. Und ich sammle hier auch Holz. Seht doch, was das Meer hier alles angeschwemmt hat, Treibholz und...«

»Laß deine Ablenkungsmanöver«, unterbrach sie der Hauptmann Dietwolf Hademar mit klirrender Stimme. »Ich weiß doch, daß du lügst, sobald du den Mund aufmachst. Aber das wird dir nichts nützen. Sag uns, was du weißt, dann lassen wir dich wieder laufen.«

»Was soll ich denn wissen? Ich bin nur ein armes Weib, das nichts sieht und nichts hört. Wie kann ich...«

»Rede nicht so dumm daher, sag lieber die Wahrheit!« schrie einer der anderen Soldaten sie an und hob drohend sein Schwert.

Eine unmißverständliche Handbewegung des Anführers ließ ihn verstummen und innehalten. Er wich zurück und stellte sich zu den anderen Schergen, während der Hauptmann Clara eingehend musterte und dann einen der Söldner barsch fragte: »Ist das hier das Frauenzimmer, das Ihr bei der Jagdhütte gesehen habt?«