Kleine Männer sind die Größten - Britta Blum - E-Book
SONDERANGEBOT

Kleine Männer sind die Größten E-Book

Britta Blum

2,1
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Karriere im Kinderzimmer? „Kleine Männer sind die Größten“ von Britta Blum jetzt als eBook bei dotbooks. Eva möchte endlich ihre eigenen Karriereträume erfüllen, nicht nur die ihres Freundes. Da kommt das Angebot des einflussreichen – und äußerst attraktiven – Vermögensberaters Manfred Bosse gerade recht, als dessen Assistentin zu arbeiten. Als Eva dann Manfreds frechem Sohnemann Pity begegnet, ist sie hin und weg. Gekonnt wickelt der Kleine Eva um seinen Finger. Das gefällt auch Manfred, denn noch dringender als eine Vorzimmerdame braucht der Single-Papa ein Kindermädchen, besonders wenn das so hübsch ist wie Eva ... Spielzeug statt Schreibtisch und Eis-Creme statt Business-Lunch? Vielleicht doch gar keine so schlechte Idee … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Kleine Männer sind die Größten“ von Britta Blum. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 500

Bewertungen
2,1 (16 Bewertungen)
0
2
3
6
5
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Eva möchte endlich ihre eigenen Karriereträume erfüllen, nicht nur die ihres Freundes. Da kommt das Angebot des einflussreichen – und äußerst attraktiven – Vermögensberaters Manfred Bosse gerade recht, als dessen Assistentin zu arbeiten. Als Eva dann Manfreds frechem Sohnemann Pity begegnet, ist sie hin und weg. Gekonnt wickelt der Kleine Eva um seinen Finger. Das gefällt auch Manfred, denn noch dringender als eine Vorzimmerdame braucht der Single-Papa ein Kindermädchen, besonders wenn das so hübsch ist wie Eva ... Spielzeug statt Schreibtisch und Eis-Creme statt Business-Lunch? Vielleicht doch gar keine so schlechte Idee …

Über den Autor:

Britta Blum arbeitete lange als Paartherapeutin, bevor sich die erprobte Vierfachmutter ganz dem Schreiben widmete. Ihre eigenen Söhne schickte Blum nicht nur zum Fußball oder Kampfsport, sondern obendrein zum Ballett und in die Tanzschule – wofür ihr die Damenwelt bis heute dankbar ist. Mit viel Herz und Augenzwinkern verarbeitet die Autorin, die im Rheinland lebt, in ihren Romanen Geschichten aus dem prallen Familienleben.

Britta Blum veröffentlicht bei dotbooks auch folgende Romane:

Familienleben auf Freiersfüßen

Mama geht baden

Babys fallen nicht vom Himmel

Schräge Töne

Honig und Stachel

***

Neuausgabe Juli 2015

Dieses Buch erschien bereits 1997 mit dem Titel Adam, rück den Apfel raus unter dem Pseudonym Lea Wilde bei Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG

Copyright © der Originalausgabe 2004 by Autorin und Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/karnoff

ISBN 978-3-95824-286-9

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weiteren Lesestoff aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort Kleine Männer sind die Größten an: [email protected]

Gerne informieren wir Sie über unsere aktuellen Neuerscheinungen und attraktive Preisaktionen – melden Sie sich einfach für unseren Newsletter an: http://www.dotbooks.de/newsletter.html

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.twitter.com/dotbooks_verlag

http://instagram.com/dotbooks

http://blog.dotbooks.de/

Britta Blum

Kleine Männer sind die Größten

Roman

dotbooks.

Kapitel 1 Die Apfel-Lüge

Der Ort Lieberhausen hat seit achthundert Jahren eine »bonte Kerke«, täglich frische Eierkuchen von der Größe eines Wagenrades, und er hat mich, Eva-Maria Besser. Angesichts der Tatsache, dass es mich erst seit achtunddreißig Jahren gibt und ich nicht den Vorzug genieße, hier geboren worden zu sein, ist es vermutlich nur fair, dass neunundneunzig Komma neun Prozent aller Besucher die Kirche dort schräg vor meinem Fenster und hinterher den Landgasthof ansteuern, den ich nicht sehen, dafür aber riechen kann.

Im Moment sticht allerdings der Geruch von sauren Gurken den Eierkuchen aus. Daran ist das offene Glas auf meinem Schreibtisch schuld, und während ich mit den Fingern ein besonders saftiges Exemplar herausfische und hineinbeiße, bin ich mir voll bewusst, gleich dreifach zu freveln:

Essen im Dienst! Kleckern im Dienst! Meinem Dienstherrn meine Arbeitskraft entziehen!

Mein Dienstherr ist seit dreizehn Jahren mein Liebhaber, seit acht Monaten Besitzer dieses typisch bergischen Schieferhauses und frisch gebackener Betreiber des Instituts »QuellKlar«. Dieser Name ist seine Erfindung, ebenso wie die Holzdielen zu meinen Füßen auf sein Geheiß hin kornblumenblau gestrichen, die Wände himmelblau gekalkt wurden und von den Türleisten bis zum Bilderrahmen alles eingebläut wurde. Lediglich die Fici Benjamini durften grün bleiben. Die wenigen Möbel sind weder blau noch grün. Ich sitze auf einem durchsichtigen Stuhl vor einem durchsichtigen Tisch, weil das dem Diplompsychologen Adam Wasser zufolge ein Sinnbild für geistige Transparenz darstellt und unsere Patienten in klare Gebirgsquellen verwandeln wird.

Im Moment plagt mich eher dieses Senfkorn, das sich unter eine Zahnkrone verirrt hat. Meine Zungenspitze pult auf Teufel komm raus, erwischt endlich den Übeltäter und befördert ihn ans Tageslicht. Kaum zu glauben, wie solch ein Winzling einen quälen kann. Weg damit!

Während ich den Papierkorb füttere, der ebenfalls auf »quellklar« getrimmt und deshalb durchsichtig ist, muss ich zwangsläufig wieder an Adam denken. Ich sehe ihn schon vor mir, wie er dem senfgelben Sudelpunkt nachspürt, nach dem Schuldigen fragt, dabei mich ansieht und ein quellklares Geständnis von mir erwartet.

Dann warte mal schön, Junge!

Leider passt Adam Wasser nicht in diese Klarsichtabfallröhre und genau genommen auch nicht zu mir, obwohl er genau das behauptet. Seine Begründung liegt auf der Hand: Adam und Eva gehörten schon im Garten Eden zusammen, so einfach ist das. Er und ich knüpfen unmittelbar an das Paradies und die Erbsünde an.

»Erblüge!«, mosert es in mir.

Meine Vorgängerin hat damals einen besonders köstlichen Apfel erwischt, angeblich einen aus der verbotenen Abteilung. Dann hat sie den Apfel ihrem Adam hingehalten, damit der sich mit ihr zusammen daran delektierte. Das soll der Anfang vom Ende gewesen sein, woran mir seit geraumer Zeit Zweifel kommen.

Mein Kopf klärt sich, ich sehe einen Kerl vor mir, der meiner Geschlechtsgenossin weismachen wollte, die leckersten Früchte seien tabu für sie. Und warum? Vielleicht hatte jener Adam bloß schlechte Zähne oder Angst, seine Gespielin könnte ohne ihn mehr Spaß haben. Auch die Reaktion von dem Typen passte: Evas Naschsucht bekam die Schuld an der Vertreibung aus dem Paradies in eine Welt, wo ER malochen musste. Na und?

Ich lausche nach nebenan, wo derzeit mein Adam malocht. Ab dem zweikommaachtfachen Steigerungsfaktor für Privatpatienten wird er voll aktiv, wogegen all jene, die für quellklares Wohlbefinden nicht aus der eigenen Schatulle löhnen können oder wollen, bei mir landen. Daran bin ich laut der jüngsten Erkenntnisse von Adam ebenfalls selbst schuld. Rückblickend bezeichnet er meine besseren Examensergebnisse, mein Aufbaustudium und meine Kassenzulassung als Indiz für die »unreflektierte Anpassung des weiblichen Geschlechts an fremdgesteuerte Normerwartungen«.

Sinnend verfolge ich den Weg des abtropfenden Gurkensaftes über die Acrylplatte hinab in die Acrylröhre, wo nun mein Senfkorn zu schwimmen beginnt. Das gefällt mir ebenso wie der Müßiggang, den Adam nicht ahnden kann, einfach weil nebenan der Privatrubel rollt. Im Gegensatz zu mir stört es ihn auch kein bisschen, wenn einer ihm das Geld cash auf den Tisch packt. Ich habe Adam schon erwischt, wie er die Scheine glatt strich, geradezu liebevoll und auf eine Weise, die er sonst höchstens noch seinen reinseidenen Socken und gelegentlich mir zukommen lässt.

Was seine Fußbekleidung betrifft, ist mein Adam ein Snob. Ton in Ton muss sie sein, stets vom Feinsten und voll tiefer Symbolik. Ich versuche mich darauf zu besinnen, welche Farbe er heute zu seiner auf »Hemmschwellenabbau bei der Kundschaft« zielenden Jeanskluft trägt.

Etwa Rot? An roten Sockentagen hat er Lust auf mich oder Doppelkopf.

Gerade als ich in meine dritte Gurke beißen will – die sind grün, Grün ist okay –, bollert es gegen meine Tür. Frechheit! Laut Plan ist mein nächster Patient erst in vierzig Minuten fällig. Ich brülle »Moment!« und überlege, wohin mit der Gurke. Muss ja nicht sein, dass ein Neuzugang mich so erwischt. Weil der Schraubdeckel klemmt und die Tür trotz meines Protestes aufspringt, stopfe ich die Gurke kurzerhand in meine Hosentasche. Eine Unart von mir, meine Taschen gleichen Rumpelkammern, als kleines Mädchen habe ich dort sogar lebendiges Getier verstaut. Adam spricht von einer ernsthaften Neurose, konnte mich aber bislang nicht zu einer Therapie überreden, nicht einmal zu einer kostenlosen.

Den Mann da kenne ich nicht. Sehr nobel, jedenfalls was den Anzug, das Brillengestell und den ihn umwehenden Aftershave-Duft betrifft. Sein Auftritt ist eher ungehobelt.

»Ich möchte jetzt sofort ...« Er prescht auf mich zu.

Wo sind wir denn hier? Sicherheitshalber bringe ich den Schreibtisch zwischen uns beide und zeige auf den Besucherstuhl: »Am besten nehmen Sie erst mal Platz, und dann sehen wir weiter, okay?«

»Nichts ist okay.« Er schnaubt und schnieft einmal kurz durchs linke Nasenloch hoch, was die Aura des Gentlemans ebenfalls mindert.

Es dauert, bis ich ihn dann endlich doch ordentlich platziert habe. Psychologisch betrachtet ist es einfach nicht gut, von unten nach oben zu therapieren, weil die meisten dann glauben, sie könnten einem auf dem Kopf herumtanzen.

»So«, sage ich, »und jetzt verraten Sie mir bitte einmal hübsch der Reihe nach, weshalb Sie überhaupt hier sind.«

»Wegen Pity. Wenn Sie nicht augenblicklich Pity herausrücken, stürme ich diesen Laden.«

Pity gleich Mitleid, übersetze ich stumm und überlege, dass niemals zuvor einer so unverblümt menschliche Anteilnahme von mir gefordert hat. Und obendrein auf Englisch.

»Natürlich tut es mir Leid, dass Sie ein Problem haben«, sage ich besänftigend und will schon meine Hand als Verstärker einsetzen, weil die meisten Menschen an ihren Körper gerichtete Botschaften einfach williger aufnehmen – als mir penetranter Gurkengeruch in die Nase steigt. Besser nicht! Lieber spende ich noch einen verbalen Nachschlag: »Aber das bekommen wir schon wieder hin, okay?«

»Ich will Pity! Sofort!«

Ich schweige irritiert. Was muss passiert sein, dass ein solch stattliches Mannsbild sein Bedürfnis nach menschlichem Mitgefühl auf dem Niveau eines Dreijährigen artikuliert? Der Mensch ist eindeutig auf die Wiederherstellung seiner heilen Kinderwelt fixiert. Das wird eine harte Nuss, allerdings eine, die möglicherweise gar nicht von mir geknackt werden darf, weil sein Outfit nach zweikommaachtfachem Steigerungsfaktor riecht. Plus Gefahrenzulage. What a pity!

»Rücken Sie sofort meinen Sohn heraus!« Diesmal lehnt er sich mit dem ganzen Oberkörper über die Tischplatte und funkelt mich zum Greifen nah über den filigranen Metallrahmen einer Brille an, in welche dezent der Name DER Marke eingraviert ist. Was auch nichts nützt, denn nicht einmal Herr Armani vermag so viel Verrücktheit zu kaschieren.

Ich zucke zurück. Vielleicht sollte ich doch froh sein, ihn an Adam abtreten zu dürfen. »Mit einem Sohn kann ich Ihnen nicht dienen, ehrlich nicht.«

Er zuckt ebenfalls zurück, nimmt die Designerbrille ab, zückt ein Taschentuch, poliert seine Gläser, atmet tief durch und mustert mich erneut: »Sind Sie hier eigentlich alle verrückt?«

Ich? Wir? Ich verwahre mich entschieden dagegen und steuere die Verbindungstür an, die ich nur im äußersten Notfall öffnen darf. Das hier ist einer. Hundertprozentig.

»Mir reicht's«, sage ich über die Schulter, »ich hole jetzt den Boss aus seiner Sitzung.«

»Na endlich!« Feinstes Kammgarn, umweht von einem Duft, den ich kenne – allerdings nicht in Kombination mit einem Herrensakko –, schiebt sich an mir vorbei. Der Mann umrundet Adam und stürmt auf einen kleinen Jungen zu, der soeben mit einer Spielzeugpistole auf den Boden zielt, wo acht Papptafeln ausgebreitet liegen.

Dreikommafünffacher Steigerungsfaktor, schießt es mir durch den Kopf. Diese Spezialtherapie für angestaute Aggressionen setzt Adam stets bei besonders zahlungskräftigen Patienten ein. Ich nehme mir vor, ihm einfach keine Verordnung mehr zu unterschreiben, wenn er jetzt schon kleine Kinder für seine lukrativen Psychospielchen missbraucht. Über meiner Empörung vergesse ich glatt, dass ich ihn um Hilfe bei meinem eigenen Patienten bitten wollte, der soeben seinem Patienten die Pistole aus der Hand windet: »Hör sofort damit auf!«

Ich nicke zustimmend. Auch Irre haben Lichtblicke.

Adam greift nun seinerseits nach dem Ballermann aus rotem Kunststoff. Rot wie seine Socken und Leinenschuhe: »Ich habe Ihnen schon eben darzulegen versucht, Herr Bosse, dass es höchst schädlich ist, wenn Sie sich in die Behandlung Ihres Sohnes einmischen.«

Warum nennt Adam meinen Neuzugang, der laut Anmeldung »Müller« heißt, »Bosse«? Was zugegebenermaßen eher zu dessen »Hier-komme-ich-die-Welt-gehört-mir«-Aura und dem kategorischen »Rücken Sie sofort meinen Sohn heraus!« von vorhin passt.

Mir geht ein Kronleuchter auf. Bosse & Bosse. Vater & Sohn. Lediglich die Rolle der acht englischen Ladys, deren Namen auf den acht Papptafeln zu meinen Füßen stehen, ist mir noch nicht klar. Eine gewisse »Jenny Eagle« hat sich schon drei Schüsse eingehandelt.

»Wetten, dass dein Spitzname ›Pity‹ ist?«

Keine Antwort. Ich fühle mich hilflos. Leicht aggressiv. Dabei will ich nur zwei ausgewachsenen Kerlen zeigen, wie es sich friedlich therapieren lässt.

»Und deine kleine Freundin Jenny Eagle hat dich geärgert?«

»Quatsch, die ist doch 'ne alte Hexe! Die sind alle Hexen.« Der Junge zieht den Spielzeugpistolenlauf einmal quer über alle acht Karten.

»Nurses«, sagt die fremde Männerstimme hinter mir, »insgesamt hat Pity acht englische Kinderfrauen verschlissen, sie haben ihn ›Pity‹ getauft, korrekt heißt er übrigens Peter, Sie verstehen?«

Trotz des sich verstärkenden Duftes eines Rasierwassers, das ich zu kennen glaube, und der leicht konfus gesetzten Worte verstehe ich immerhin so viel, dass besagte Nurses unabhängig voneinander mit dem Jammerruf »What a pity!« auf den Sohn des Hauses reagierten, an dem dieser Ausruf dann als Spitzname hängen blieb.

Sehr begeistert scheint Peter-Pity davon nicht zu sein. Er knurrt: »Scheiße!«

»Wir haben eben vereinbart, dass du deine Wut nur noch an unseren Feindsymbolen auslässt«, erinnert Adam und zeigt auf die acht in Vergessenheit geratenen Papptafeln am Boden. Es ist eine Spezialität von ihm, solche Regeln aufzustellen, mit denen er verhindern will, dass Patienten sich an ihm selbst abreagieren.

»Deine Socken sind auch Scheiße!« Der Junge zielt nun genau auf die roten Socken, woraufhin Adam ihm kurzerhand den knallroten Schießprügel entwindet.

»Nicht mit mir, Bursche!«

Gegen die Titulierung »Bursche« scheint Peter-Pity ebenfalls etwas zu haben. »Du hast gesagt, ich soll alles aus mir rauslassen, jedes Fitzchen Wut, mir fehlen noch die Anny und die Helen und die letzte Tussi mit den Pferdezähnen und dem ›Darling‹. Gib!« Der blitzschnelle Haken des Jungen und der Treffer auf hemmschwellenreduzierendes Jeansblau verraten den geübten Kicker, der nun triumphierend seine Beute hochhält.

»Gib, bitte!«, mahnt es hinter meinem Rücken.

»Du kleines Rattenaas«, keucht es vor mir, »ich fordere Schmerzensgeld.«

Zwei Konkurrenzdüfte bedrängen mich nun hautnah. Für meinen Geschmack einen Touch zu liebliches Aftershave von hinten und Veilchenpastillenaroma, das aus mir unerfindlichen Gründen mit Adams roten Sockentagen gekoppelt ist, von vorn. (Zu blauen Socken kaut er ausschließlich Pfefferminziges und zu gelben Socken saure Drops.) Dazu das PENG auf drei noch unversehrte Kinderfrauen im Pappkartenformat. Mir reicht es. Nicht umsonst bin ich die ersten fünfzehn Jahre meines Lebens wie ein Junge aufgewachsen. Ein knappes Ausweichmanöver nach links, dann halbschräg vor, kurzes Abtauchen und Vorschnellen, schon bin ich Besitzerin dieses roten Ballermanns. Das Fenster steht offen. Also ab mit dem Ding!

PLOP. Ein satter Sound, dem etliche abgeschwächte metallische Plops folgen. Das war garantiert kein Blumenbeet. Ich scheine einen Volltreffer gelandet zu haben.

Der Junge krakeelt lautstark, doch das ist nichts gegen die Aufführung eines Psychologen, der mir seine Diplomarbeit und jede einzelne Kassenabrechnung in einem Haus verdankt, das er nur besitzt, weil sein Onkel beizeiten abgehimmelt ist. Jetzt blafft er mich an und kriegt sich nicht mehr ein vor lauter Sorge um seinen neuen Kombi, der unter dem Fenster parkt und ebenfalls aus dem Erbe von Onkel Heinrich finanziert wurde. Ich verstehe »Körperverletzung« und »Schadenersatz«, während diese abartigen Rotfüße ballerinagleich abzuheben und das Jeansblau kopfüber ins Freie zu katapultieren drohen.

Der zweite Volltreffer bleibt jedoch aus. Adam lässt von seiner Schadensbegutachtung ab und wendet sich mir zu: »Und was hast du dazu zu sagen, Eva-Maria?«

»Deine roten Füße passten prima zu deinem Auto und dem Ballermann da unten«, sage ich und umkreise die knallrote Trilogie mit meinem Zeigefinger. Wir haben eine Grundregel, der zufolge wir uns nie vor Patienten fetzen. Das hat er nun davon.

»Gurke!« Adam schnappt nach Luft, lehnt sich zurück und entgeht erneut nur knapp dem Fenstersturz. »Du hast während der Arbeitszeit Gurke gegessen.«

Blitzschnell fährt meine Hand in die Hosentasche, zieht die angebissene und saftlose Gurke hervor und steckt sie ihm zwischen die Lippen: »Der Rest ist für dich!«

»Cool!« Peter alias Pity ist kaum noch zu halten. Er besteht darauf, seine Behandlung bei mir fortzusetzen, weil ich »für 'ne Frau« echt bemerkenswert sei und er sowieso »'nem Doc in Mädchenschuhen« nichts abgewinnen könne.

Ich könnte dem Jungen verraten, dass nicht einmal der »Doc« stimmt. Was ich natürlich unterlasse. Noch bin ich hier angestellt, gegenüber den Kassen bin ich sogar die Chefin, das verpflichtet. Obwohl dieses Vater-Sohn-Pärchen mit acht Nurses im Handgepäck eine echte Bereicherung des Lieberhausener Einerleis sein könnte, lehne ich die erbetene Therapie ab.

Doch Adam Wasser ist weit entfernt von Dankbarkeit. Kaum hat er sich von meinem Gurkenknebel befreit, startet er zum Rundumschlag: »Raus! Alle miteinander!« Mit dem Gemüse in der Hand scheucht er uns Richtung Tür und scheint nicht einmal zu bemerken, dass er soeben auf den dreikommafünffachen Steigerungsfaktor verzichtet und gleichzeitig seine roten Seidensocken beträufelt. Unten Gurkengeruch und oben Veilchenpastillen. Na ja!

***

Weil mein nächster Patient sich noch nicht sehen lässt, lasse ich mich auf ein kurzes Gespräch mit diesem Mann ein, der natürlich kein Lieberhausener, sondern durch und durch Großstädter ist. Außerdem scheint er sich mit der Anlage von fremdem Kapital eine goldene Nase zu verdienen. Lediglich privat ist das Glück ihm weniger treu. Zuerst ging ihm die Ehefrau durch, dann vergraulte Peter-Pity sämtliche Kinderfrauen. Mister Nobel scheint ernsthaft in Schwulitäten zu sein.

»Meine Nerven liegen blank, dieser Boy gönnt mir noch nicht einmal den ungestörten Genuss einer romanischen Pfeilerbasilika.« Er zeigt aus meinem Fenster. »Eigentlich wollten wir nur die Kirche dort besichtigen, aber dann stach mir diese für ein Fachwerkhaus absolut untypische kornblumenblaue Haustür mit dem Praxisschild ins Auge. ›Therapie QuellKlar.‹ Ich hielt es für einen Wink des Himmels.«

»Jetzt muss ich wenigstens nicht mehr die doofen Heiligenbildchen da drüben angucken.« Der Junge wirft mir einen pfiffigen Blick zu. Einäugig, weil das rechte Auge unter dem Pony verschwindet. Dann vergnügt er sich erneut damit, aus den ausliegenden Visitenkarten von Adam – der bekäme die Krise – Miniaturstarfighter zu basteln und auf die ersten vorbeiziehenden Besucher der Abendandacht abzuschießen.

Ich lasse ihn gewähren. Die meisten Lieberhausener tragen sowieso Hut, das dämpft. Dafür erfahre ich nun von dem großen Bosse, dass der Ruhm unserer »bonten Kerke« eng mit seinem Heiligen Köln verknüpft ist, wo wir bereits anno 1174 in der Chronik des Severinsklosters erwähnt wurden.

»Ich bin ein Liebhaber von romanischen Kirchen.« Manfred Bosse sieht mich an, als ob ich mich umgehend seiner Passion anschließen sollte.

Sein Filius erspart mir die Antwort: »Und von englischen Weibern.«

»Frauen«, verbessere ich.

»Wenn die anfangen, den Boss ›Darling‹ zu nennen, nenn ich sie Weiber«, kontert Peter-Pity.

Interessant, denke ich. Das ändert die Sachlage entschieden und mildert auch die Kulturbesessenheit des großen Bosse. Nicht etwa, dass ich es gut fände, wenn einer mit der Kinderfrau rummacht, doch es wirft immerhin ein menschliches Licht auf diesen Mann.

»Kinder«, sagt Manfred Bosse und wirft mir einen Hilfe suchenden Blick aus Augen zu, deren Farbe ich leider wegen der getönten Brillengläser nicht erkennen kann. »Dabei habe ich Pity jetzt sogar einen eigenen Hund geschenkt. Amante e Principessa ist ein wunderschönes Rassetier, ein Königspudel, Sie sollten sie kennen lernen. Vielleicht könnten Sie die Gespräche mit meinem Sohn ja sozusagen privatissime fortsetzen?«

»Smilie würde dir gefallen, glaube ich.« Ganz kurz riskiert Peter-Pity zwei Augen. »Bei mir heißt sie Smilie.«

Ich sehe auf das rote Blinken der Telefonanlage, die lediglich lautlos bleibt, weil ich den Lautsprecher ausgeschaltet habe. Es braucht nicht viel Fantasie, um mir vorzustellen, wer mich dort nonstop anblinkt. Eben hat auch der Türgong angeschlagen, mein nächster Patient wartet, und Adam zündelt vermutlich nicht nur sockenfarbenmäßig ...

»Sorry«, sage ich, »geht wirklich nicht, aber ich kenne da eine Kollegin in Köln, ich gebe Ihnen die Nummer.«

Manfred Bosse gibt mir im Gegenzug seine Visitenkarte: »Falls Sie es sich doch noch anders überlegen.« Dann gehen die beiden.

»Dr. Manfred Bosse, Vermögensverwalter«, lese ich auf der doppelten Karte aus pastellgrauem Papier, das sich wie Rohseide anfühlt. Wenn sein Büro nur halb so nobel aussieht, geht's ihm wahrlich nicht schlecht. Nur Pity scheint ihn am ungestörten Genuss seines Wohlstandes und anderer Liebhabereien zu hindern. Reichlich verzogen, das Bürschchen hat's faustdick hinter den Ohren. Ich bin mir sicher, dass er mit seiner Haartolle mehr als nur das rechte Auge abdeckt. Wie es sich anhört, mag er einen Hund namens »Smilie« – den sein Vater »Amante« nennt – lieber als die meisten Zweibeiner. Es muss etwas zu bedeuten haben, wenn ein erwachsener Mann für seinen Sohn einen nicht sehr netten Kosenamen benutzt und bei einem Königspudel dessen Stammbaum zitiert: »Amante e Principessa – Geliebte und Prinzessin.« Ein verdammt komischer Name für den Spielgefährten eines Elfjährigen.

Während mein nächster Patient sich auf dem unbequemen Stuhl aus durchsichtigem Plexiglas zurechtrückt, sehe ich von meinem Fenster aus den beiden Bosses nach. Sie bewegen sich gegen den Strom der Kirchgänger. Es sind immer dieselben, allen vornweg die Honoratioren. Die roten Socken fehlen. Adam muss es schwer erwischt haben, wenn er darauf verzichtet, sich seinen Platz als Nachfolger von Onkel Heinrich in der Gemeinde zu sichern. Adam wollte sogar schon heimlich wieder in die Kirche eintreten, aus der er zu Studentenzeiten als überzeugter Atheist ausgetreten ist.

Vater und Sohn sind nun nicht mehr zu sehen. Ich wende mich meinem Patienten zu. Hans Müller, diesmal der echte, sicherheitshalber habe ich nachgefragt. Die Mühe hätte ich mir allerdings sparen können, denn die Leidensgeschichte von einem, der seine Frau lieblos findet, weil sie seinen Rennmäusen den freien Auslauf in der Wohnung missgönnt, passt zu dieser Kleinstadt wie das Eierlegen zur Henne.

»Etwas muss der Mensch doch haben, oder?« Der Mäusefan sieht mich Beifall heischend an.

Ich nicke, was aber keinesfalls dem Notstand vor mir gilt.

»Na eben, Sie verstehen das auf Anhieb, versteht ja jeder vernünftige Mensch, aber die Frau meckert nur rum und fegt nicht mal die paar Köttel zusammen.« Offensichtlich ermutigt, beginnt Hans Müller, die Konsistenz des Mäusekots zu beschreiben. Geradezu liebevoll, so wie junge Mütter gelegentlich den Inhalt einer Babywindel analysieren. Mein Thema ist das nicht, was endlich auch der Mann vor mir begreift und aufsteht, noch bevor seine fünfzig Minuten verstrichen sind: »Nächstes Mal will ich zu Ihrem Kollegen, der ist wenigstens ein Mann.«

Gleich und gleich ..., denke ich und verfolge mit der noblen Visitenkarte die Zickzacklinie, welche der Handballen des nicht weniger noblen Kartenbesitzers auf meiner Schreibtischplatte zurückgelassen hat.

Etwas muss der Mensch doch haben? Fragt sich bloß, was!

Alles, was sich mir momentan bietet, sind reichlich Schmierage und ein Stück Pappe. Letzteres stecke ich ein. Dafür habe ich eine Telefonnummer hergegeben. Nicht meine eigene, auch nicht die der Institution »QuellKlar«. Ich habe mir eingebildet, diese Empfehlung meiner Freundin sei ein fairer Mittelweg. Sie und ich sind in Meckenheim aufgewachsen und haben zusammen in Bonn studiert. Sie ist sehr hübsch und seit ihrer zweiten Scheidung Großstädterin und Single aus Überzeugung.

Ich bin laut Personalausweis ledig, seit vierzehn Jahren mit demselben Mann und fast genauso lange mit dem Unnenberg liiert. Das ist der Hausberg von Lieberhausen. Bei klarem Wetter kann ich nun bis zum Kölner Dom sehen. Bei Regen, Hagel, Schnee bleiben mir immerhin die »bonte Kerke« und der Eierkuchen, so groß wie ein Wagenrad. Letzterer macht dick, erstere einfältig.

So wie's aussieht, bin ich die personifizierte Einfalt. Zwei Bosses haben die Himmelspforte vis-à-vis verschmäht und sind bei mir gelandet, und was tue ich? Ich schicke sie wieder weg.

Die Kirchenglocke arbeitet heute Abend mit Nachschlag. DING-DONG. Wahrscheinlich hat der Küster die fehlenden Schäfchen registriert. Schon höre ich unten die Haustür gehen und sehe Adam über die Straße hasten. DINGDONG. Meinetwegen können sie bimmeln, bis sie schwarz werden.

Selbst ein Elfjähriger macht schon einen Bogen um bunte Heiligenbildchen, die ich mir jahrelang angetan habe. Adam zuliebe. Dem lieben Gott zuliebe. Weil meine Mutter mich so erzogen hat. Ein Löffelchen für Papi-Mami-Adam-Eva.

Es ist kein Zufall, dass in unserer »bonten Kerke« die Seelenwaage und das Jüngste Gericht unmittelbar auf die Darstellung von »Adam und Eva« folgen. Die beiden präsentieren sich garniert mit rotbackigen Äpfeln, die eine Lust fürs Auge sind. Mehr ist nicht erlaubt. Aber wer wird schon al fresco und bloß vom Anschauen satt?

Dreizehn Jahre lang habe ich die brav in ihrem Wandbild ausharrende Eva bewundert.

Dreizehn Jahre lang habe ich Adam Wasser in die »bonte Kerke« begleitet und ihm vorgemacht, wann er knien, stehen oder sitzen darf. Dem Erbonkel zuliebe.

Nach dreizehn Jahren habe ich das Zeug zur Lieberhausener Eva. Fast.

Im Obergeschoss riecht es nach Ei. Intensiv. Dieser Geruch bestätigt meine Einschätzung seiner Gemütslage. Adam ist sehr down und will mich heftig bestrafen.

Nicht, dass ich gegen Hühnereier allergisch wäre. Es ist die Art, wie er zehn, elf, zwölf Stück davon zehn Minuten lang kocht, abschreckt, abpiddelt, halbiert, das Eigelb herauspult, nochmals mit Küchenkrepp nachwischt und schließlich in rasantem Tempo eine jungfräulich weiße Hälfte nach der anderen in seinem Mund verschwinden lässt. Manchmal frage ich mich, ob er überhaupt noch kaut. Und dann sein Atem ... Vor allem begleitet mich dieser Eierdunst seit neuestem in ein gemeinsames Bett. Darauf besteht Adam, weil wir viel »nachzuholen« hätten und außerdem auch für die Nachbarn als »völlig normales Paar« gelten sollten.

Welcher normale Mensch verschlingt schon auf einen Schlag ein Dutzend Eier? Ohne Eigelb, weil das seine Blutfettwerte und seine schlanke Linie nicht vertragen.

»Wohl bekomm's!« Ich ziehe die Küchentür rasch wieder zu und beschließe zu baden.

Viel Schaum, viel Duft. Seit kurzem bin ich von Apfelblüten aus dem Hause Avon zu einem Badezusatz übergewechselt, den eine umwerfend schicke Parfümerieverkäuferin mir bei meinem letzten Ausflug in die Großstadt für meinen Mann empfohlen hat. Eigentlich wollte ich nämlich Adams Duftmarke entgegenwirken, die er von seinem Onkel übernommen hat. Es ist ätzend, Tag für Tag ein Badezimmer benutzen zu müssen, das antiseptisch und obendrein hustenstillend riecht. Auf mich übt es genau die entgegengesetzte Wirkung aus, denn ich huste los, sobald Adam sein Vollbad startet. Trotzdem habe ich das Nobelzeug aus der Herrenserie für mich selbst behalten.

Auf dem Flakon ist eine Wildkatze im Sprung abgebildet, der Name ist eher simpel. Ein englischer Männername mit dem Zusatz »II«, was nahe legt, dass es bereits einen ersten wohlduftenden »Mark pour homme« gegeben hat.

Die Wanne von Onkel Heinrich ist bauchig, wie er selbst es war, und bietet mir und »Mark II« jede Menge Platz. Die fröhlichen weißen Zipfelkrönchen rücken meiner Nase immer näher und bringen mein Kurzzeitgedächtnis in Schwung. Kenne ich doch. Da war doch was. »Hier-komme-ich-die-Welt-gehört-mir«, mein Schaumbad ist sein Duftwasser, ist ja ein Witz!

»Dass du dich nicht schämst!« Mit einem Suppenteller voll jungfräulicher Eihälften platziert Adam sich dicht neben mir und redet. Er redet in einem fort. Er hört gar nicht mehr auf: Ich verschwende teures Wasser, weil ich fast täglich bade, ruiniere solcherart ihn und die Umwelt, von meiner Haut ganz zu schweigen, und erst mein Unterbewusstsein: »Was verrät uns das, wenn eine Frau um die vierzig anfängt, sich in überteuerten Herrendüften zu suhlen?«

»Du wirst es mir sagen!« Leider. Ich könnte abhauen, aber weil ich mich im Gegensatz zu der Eva in der »bonten Kerke« sehr wohl auch ohne Apfel von Adam unterscheide, lasse ich es bleiben. Er hat noch immer seine roten Socken an. Ich will nichts provozieren. »Ist heute kein Doppelkopf?«

»Heute ist die Stunde der Wahrheit.« Es gluckst. Wieder eine Eihälfte weniger.

Ich könnte auch tauchen. Seit dem Tod von Onkel Heinrich zelebriert Adam mindestens einmal pro Woche eine »Stunde der Wahrheit«. Oder seit meinem Einzug hier, das lässt sich schwer auseinander halten, weil zwischen diesen beiden Ereignissen nur die von Adam anberaumte Anstandsfrist von sechs Wochen lag. Warum habe ich nicht darauf bestanden, auch noch das Jahrgedächtnis abzuwarten?

Mit der Präzision eines Roboters geht mein Chef-Liebhaber sein Eiweiß und mein Frausein an. »Du willst dich der simplen Tatsache verschließen, dass du kein Teeny mehr bist und dich der Menopause näherst«, schließt er pünktlich zum Einwurf der letzten Eihälfte.

»Menopause? Das wüsste ich aber.« Mir reicht's. Ich ziehe den Stöpsel, lasse »Mark II« abgurgeln und entsteige der Wanne am Kopfende, weil Adam mir den bequemen Ausstieg unten blockiert und starrt. Er starrt, als ob er soeben erst begriffe, dass ich mich erheblich von der Lieberhausener Eva-mit-Apfel-und-sonst-nichts unterscheide.

»Ach sooo!« Seine Augen heften sich an meinen Busen, werden schmal, listig. »Sooo ist das also.«

»Das ›so‹ ist ein Busen. In der genetischen Anlage führe ich ihn seit achtunddreißig Jahren«, ich betone die soeben von ihm gefälschte Zahl, »der Ausbau ist circa sechzehn Jahre jünger und in C-Körbchen der Größe fünfundsiebzig zu Hause. Reicht dir das?« Das Handtuch ist zu klein, es reicht nicht rumdum, woran aber nicht meine Maße schuld sind. Adam hält Badetücher für Verschwendung.

»Mich führst du nicht hinters Licht.« Sein Finger steuert den klaffenden Stoff an.

»Pfoten weg!«

»Siehst du!« Er nimmt meinen Protest gegen die prophezeite Menopause und mein Ausweichmanöver vor seinen Grapschfingern als Beweis für etwas, das ich erst nach und nach begreife. Anfangs denke ich, er will nur haben, was zu seinen roten Socken passt. Dann halte ich es für die Neugier von einem, der sich als Experte in BH-Größen großtun will. Oder ob es um eine neue Verhütungsmethode geht, auf die er anspielt?

»Seit dreizehn Jahren passe ich auf wie der Teufel, dass du deine Pille nicht vergisst.«

»Ist ja ein Ding!« Seit dreizehn Jahren, der Grund liegt auf der Hand und jetzt unter der Erde. Onkelchen hätte ihn enterbt, klarer Fall.

»Und kaum hat Onkel Heinrich die Augen zugemacht, und ich passe einmal nicht auf, trickst du mich aus. Ich hab's geahnt.« Seine Fingerspitze zeigt auf meinen Nabel. »Wann?«

»Du denkst, ich wäre ...?«

»Ich weiß!« Er addiert die sauren Gurken, meinen Widerspruchsgeist, mein Sympathisieren mit diesem »widerlichen Kind« und meine »schwellenden Formen«: »Du bist schwanger.«

Es ist herrlich, schwanger ohne Kind im Bauch zu sein.

Vor ein paar Jahren habe ich noch davon geträumt, an einem Klein-Adam all das zurechtrücken zu können, was mich beim Großformat stört. Heute nicht mehr. Meine Träume sind realistischer geworden. Ich gehe schwanger mit Hetzgedanken und »Mark II« und neuen künstlerischen Motiven. Meine Eva ist weder blond noch sein Rippenstück, äußerlich könnte sie glatt mein Zwilling sein, innerlich ist sie mir noch eine Nasenlänge voraus. Der Einfachheit halber taufe ich sie »Eva die Zweite«. Pour femme, versteht sich.

Kapitel 2 Duett der Bosse

Der Gurkentopf, den mir die Mutter eines meiner Patienten mitgebracht hatte, ist leer. Die Kekspackung, die ich mir selbst gekauft habe, ist ebenfalls leer. Mein Magen knurrt, weil ich heute sowohl Frühstück wie Mittagessen habe ausfallen lassen.

Ersteres, um möglichst rasch Adam zu entkommen, der sich mir zwischen Malzkaffee und Weizenkeimbrot als »ausgetrickster Vater in spe« präsentierte. Laut seiner Lesart heißt das Verzicht auf meine »beste Bohne«, ohne die ich mich morgens wie tot fühle, gekoppelt mit Keimlingen zwischen den Zähnen und schlechter Laune, und davon viel.

Der Gipfel ist jedoch dieses »Ich muss weg! Übernimm du bitte!« vor einer halben Stunde, als ich gerade an einen Gang zum Metzger dachte.

Solange Lieberhausen noch auf Touristen hofft, was bis Mitte Oktober der Fall ist, verkauft Metzger Meyer auf Papptellern und an Stehtischen Jäger-, Wiener und Lieberhausener Schnitzel. Die regionale Schnitzelvariante steht für ein längliches Hacksteak, wahlweise mit Ketchup oder Mayonnaise, das ich grundsätzlich nicht nehme, weil ja irgendwo die Reste von Snack eins und zwei Wiederverwendung finden müssen. Adam als gebürtiger Lieberhausener macht mir nicht umsonst tagtäglich vor, was Sparsamkeit heißt: Nur nichts wegwerfen! Notfalls alles durch den Fleischwolf jagen!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!