Kleine Vogelkunde Ostafrikas - Nicholas Drayson - E-Book

Kleine Vogelkunde Ostafrikas E-Book

Nicholas Drayson

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Beschreibung

Ein bezaubernder Liebesroman, den man mit einem Lächeln zuklappt Mr. Malik ist ein warmherziger, schüchterner Mann mit einem großen Geheimnis: Er ist bis über beide Ohren verliebt in Rose, die Leiterin der örtlichen Gruppe von Vogelbeobachtern. Während er noch überlegt, wie er die Dame seines Herzens als Begleiterin zum jährlichen Nairobi Hunt Ball gewinnen kann, trifft der charmante Draufgänger Harry Khan in der Stadt ein. Auch er hat bald ein Auge auf Rose geworfen und möchte sie ebenfalls zum Ball einladen. Da schreiten die Gentlemen aus Mr. Maliks Club ein und schlagen den beiden Rivalen eine Wette vor ... «Selten war ein Buch auf so charmante Art witzig wie dieses.» Frankfurter Neue Presse

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Seitenzahl: 279

Veröffentlichungsjahr: 2011

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Nicholas Drayson

Kleine Vogelkunde Ostafrikas

Roman

 

 

 

Über dieses Buch

Ein bezaubernder Liebesroman, den man mit einem Lächeln zuklappt

 

Mr. Malik ist ein warmherziger, schüchterner Mann mit einem großen Geheimnis: Er ist bis über beide Ohren verliebt in Rose, die Leiterin der örtlichen Gruppe von Vogelbeobachtern. Während er noch überlegt, wie er die Dame seines Herzens als Begleiterin zum jährlichen Nairobi Hunt Ball gewinnen kann, trifft der charmante Draufgänger Harry Kahn in der Stadt ein. Auch er hat bald ein Auge auf Rose geworfen und möchte sie ebenfalls zum Ball einladen. Da schreiten die Gentlemen aus Mr. Maliks Club ein und schlagen den beiden Rivalen eine Wette vor …

 

«Ein liebenswertes Buch, amüsant und mit dem nötigen Quäntchen Spannung dazu; eine unterhaltende Lektüre im besten Sinne.» (SWR)

 

«Selten war ein Buch auf so charmante Art witzig wie dieses.» (Frankfurter Neue Presse)

 

«Eine federleichte Lektüre. Ideal, um die Zeit bis zum ersten Vogelzwitschern zu überbrücken.» (Die Rheinpfalz)

 

«Ein literarisches Schmuckstück!» (Aachener Nachrichten)

Vita

Nicholas Drayson wurde 1954 in England geboren. Er lebt seit vielen Jahren in Australien, wo er als Schriftsteller und Naturforscher arbeitet. Für seinen Essay «Strictly for the Birds» gewann er 2003 den WildCare Tasmania Nature Writing Prize. Das National Museum of Australia berät er in Sachen Schnabeltiere.

Impressum

Die Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel «A Guide to the Birds of East Africa» bei Penguin, London.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Dezember 2011

Copyright © 2008 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

«A Guide to the Birds of East Africa» Copyright © 2008 by Nicholas Drayson

Redaktion Nicole Seifert

Umschlaggestaltung any.way, Hamburg, nach dem Original von Penguin UK

Umschlagabbildung Christopher Neal

ISBN  978-3-644-30691-2

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

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www.rowohlt.de

Für Bernadette

1

«Ah, ja», sagte Rose Mbikwa, den Blick nach oben gerichtet, auf den großen, dunklen Vogel mit dem eleganten Schwanz, der hoch über dem Parkplatz des Nairobi-Museums dahinzog. «Ein Schwarzer Milan. Der in Wirklichkeit natürlich braun ist und nicht schwarz.»

Mr. Malik lächelte. Wie oft hatte er Rose Mbikwa diese Worte schon sagen hören? Beinahe so oft, wie er an den morgendlichen Vogelwanderungen teilgenommen hatte, die jeden Dienstag stattfanden.

Man weiß vorher nie genau, wie viele Vögel man auf der Dienstagvormittagswanderung der Ostafrikanischen Ornithologischen Gesellschaft zu sehen bekommt, aber ein Milan ist immer dabei. Als ausgewiesene Aasfresser laben Milane sich an den Abfällen der menschlichen Zivilisation in und um Nairobi.

Was sein erstes Schulsportfest anbelangte (war das wirklich schon fünfzig Jahre her?), konnte er sich zwar kaum noch an Rennen, Speerwerfen oder das Sackhüpfen der Väter erinnern, aber den Milan, der plötzlich aus dem Nichts angeschossen gekommen war und ihm ein scharf gewürztes Hühnerbein aus der Hand gerissen hatte, würde er nie vergessen. Er wusste noch genau, wie die Federn sein Gesicht gestreift hatten, wie sich die Vogelkrallen um die Beute geschlossen und das gelbe Auge ihn direkt angesehen hatte. Es war natürlich nicht ganz richtig zu behaupten, er könnte sich nicht an das Speerwerfen erinnern. Den Zwischenfall mit dem Corgi der Frau des Generalgouverneurs würde wohl kaum einer je vergessen.

Es waren bereits ziemlich viele Leute gekommen. Auf der niedrigen Mauer vor dem Museum saßen schnatternd und aufgeputzt ein paar Jungornithologen (JOs), die meisten von ihnen Studenten, die eine Ausbildung zum Touristenführer machten. Auch die alten Hasen waren gut vertreten. Joan Baker und Hilary Fotherington-Thomas unterhielten sich, gegen ein Auto gelehnt, mit ein paar rosagesichtigen Männern, einer von ihnen mit Bart, deren taschenüberladene Khakimontur sie als Touristen und deren Akzent sie als Australier entlarvte. Patsy King und Jonathan Evans standen verstohlen ein wenig abseits. Ihre Dienstagvormittagsaffäre ging jetzt seit beinahe zwei Jahren, und obwohl Mr. Malik selbst nie eine Affäre gehabt hatte, nahm er doch an, dass ein gewisses Maß an Verstohlenheit unabdingbar war, wollte man aus derlei Angelegenheiten volle Befriedigung schöpfen. Die beiden bildeten ein ungewöhnliches Paar. Stellen Sie sich eine Giraffe vor, die hoch über der weiten Savanne aufragt. Und jetzt dazu ein Warzenschwein. Doch Mr. Malik hatte sich schon lange an den Anblick gewöhnt: die schlaksige Patsy King, zielstrebig voraus auf Weg oder Trampelpfad, das 10×50-Fernglas fest in einer großen Hand, und Jonathan Evans, der neben ihr hertrottete. Für Mr. Malik waren die beiden nichts Außergewöhnliches mehr, beinahe so vertraut wie Familienmitglieder.

Thomas Nyambe blieb, wie immer, für sich. Er stand mit dem Rücken zur Gruppe, den verzückten Blick zum Himmel gerichtet. Mr. Nyambe liebte Vögel und war bereits noch länger Mitglied der Dienstagsrunde als Mr. Malik. Er arbeitete als Fahrer für die Regierung und hatte Dienstag seinen festen freien Vormittag. In Kenia verdient kaum ein Fahrer genug, um sich ein eigenes Auto zu leisten, und so war Mr. Nyambe wie immer zu Fuß von der Factory Road gleich hinter dem Bahnhof zum Museum gelaufen. Und wie immer würde Mr. Malik ihm anbieten, ihn mitzunehmen, wohin die Fahrt sie auch führen mochte.

Ein Schlag, ein Scheppern und ein lauter Fluch durch ein geöffnetes Autofenster verkündeten die Ankunft von Tom Turnbull, der in seinem gelben Morris Minor über die Stolperschwelle krachte (die Schwelle gab es jetzt seit über einem Jahr, aber sie überraschte ihn jedes Mal wieder). Er öffnete die Autotür, stieg aus und knallte sie zu. Er fluchte, öffnete die Tür nochmal und knallte sie wieder zu. In der Ferne schlug die Rathausuhr neun.

«Guten Morgen und willkommen», sagte Rose.

Die Gespräche verstummten, alle Köpfe wandten sich um.

«Ich sehe ein paar neue Gesichter–und viele altbekannte –, und ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserer dienstäglichen Vogelwanderung. Mein Name ist Rose Mbikwa.»

Mr. Malik hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass sich der normale Alt ihrer Sprechstimme in eine klare, deutliche, weittönende Vortragsstimme verwandelte. Rose sah sich um, lächelte hierhin und nickte dorthin und wandte sich dann wieder dem jungen Mann zu, der vorhin auf den Milan hingewiesen hatte.

«All jenen, die sie noch nicht kennen, möchte ich gerne Jennifer Halutu vorstellen. Bitte denken Sie daran, dass ich nächste Woche nicht da bin und Jennifer die Wanderung führt. Wie Sie sich vielleicht erinnern werden, wollten wir es letzte Woche eigentlich mit dem MEATI versuchen, aber wir hatten nicht genug Fahrzeuge. Sind es diese Woche genug?» Sie ließ den Blick über den Parkplatz schweifen. «Es könnte reichen. Wer kann noch jemanden mitnehmen?»

Hände gingen in die Luft, Berechnungen wurden angestellt.

«Gut. Sehr schön», sagte Rose. «Dann auf zum MEATI. Kennen alle den Weg?»

Es blieb Joan Baker und Hilary Fotherington-Thomas überlassen, den verwirrten Neulingen zu erklären, dass es sich beim Modern East African Tourist Inn um ein beliebtes Restaurant am südlichen Stadtrand handelte.

Thomas Nyambe hatte es sich bereits auf dem Beifahrersitz von Mr. Maliks altem, grünem Mercedes 450 SEL bequem gemacht. Die Rückbank war noch frei. Vielleicht, dachte Mr. Malik, wollten die beiden Touristen ja bei ihm mitfahren? Er wollte sich gerade anbieten, als noch ein Mercedes, ein glänzend roter SL 350, über die Stolperschwelle gehopst kam und auf den Parkplatz einbog. Ein getöntes Fenster senkte sich, und über einem mit Goldkettchen behängten Arm kam ein sonnenbebrilltes Gesicht zum Vorschein.

«Hi, Rose! Bin ich zu spät?» Der Mann sprang aus dem Auto. «Hey, David, George, da seid ihr ja! Die Kutsche steht bereit.»

Die Touristen – David und George, wie Mr. Malik vermutete–gingen hinüber zu dem roten Auto, wo man sich mit Händeschütteln, Grinsen und Schulterklopfen begrüßte.

«Die beiden wohnen auch im Hilton, Rose, also habe ich gesagt, sie sollen einfach mitkommen. Ist doch okay, oder?»

Nachdem die drei sich Roses Einverständnis geholt und die Gebühr für die Vogelwanderung entrichtet hatten, kletterten die beiden Touristen auf die Rückbank, während der Fahrer wieder hinters Lenkrad sprang, den Motor anließ, zur Einfahrt hinausfuhr und noch schnell zum Fenster hinausrief, ehe es sich wieder schloss:

«Wir sehen uns gleich!»

Wer um alles in der Welt war das? Braune Haut, weiße Haare, teuer gekleidet und ein leicht amerikanischer Akzent; trotzdem sah er irgendwie vertraut aus. Mr. Malik hatte keine Zeit, weiter über die Frage nachzugrübeln, und auch nicht darüber, dass dieser Kerl Rose Mbikwa offensichtlich zu kennen schien, weil sich einige junge schwarze Afrikaner in den Fond seines alten Mercedes quetschten. Die restlichen JOs schoben und drängelten sich in Roses 504, Toms Morris Minor und die bunte Schar von Land Rovers, Toyotas und anderen Fahrzeugen, mit denen die alten Hasen gekommen waren. Motoren wurden angelassen, Handbremsen gelöst. Während er vorsichtig über die Stolperschwelle fuhr und seinen vollgepackten Wagen in den Vormittagsverkehr einfädelte, machte Mr. Malik ein besorgtes Gesicht. Dieser Mann. Nein, das konnte nicht sein. Nicht nach all den Jahren.

2

Ehe wir uns näher mit dem geheimnisvollen Fremden befassen, sollte ich Ihnen ein wenig mehr über Mr. Malik erzählen, und über Rose:

An beinahe jedem Dienstag seit nunmehr siebzehn Jahren, ob Regen oder Sonnenschein, fährt Rose Mbikwa pünktlich um halb acht mit ihrem Peugeot 504 Kombi vor dem Museum vor. Den Wagen hatte sie 1980 gekauft, dem Jahr, in dem das Modell zum dritten Mal in Folge die Internationale Ostafrika-Safari gewonnen hatte. Damals schien es ihr einfacher, ihren Sohn zur Schule zu fahren, als ihn auf den Schulbus warten zu lassen (Rose fuhr gerne und weigerte sich auch später noch, sich einen Fahrer zu nehmen, als sich die Lage verschlechterte). Außerdem konnte man frühmorgens mehr Vögel sehen, und sie hatte Vögel immer schon gemocht. Aber als Roses Ehemann zum ersten Mal verhaftet wurde, fand sie, es sei besser für ihren Sohn, woanders zu sein. Sie schickte ihn in ein Internat in der Nähe ihres Elternhauses gleich neben dem dreizehnten Loch des Golfplatzes in Morningside, Edinburgh, wo ihre Eltern auch heute noch lebten.

Haben Sie sich Rose als Schwarze vorgestellt? Nein, Rose ist weiß. Rose Macdonald (wie sie damals noch hieß), rothaarig und hellhäutig, war 1970 nach Kenia gekommen. Die Reise war als Urlaub geplant, ein Geschenk ihrer Eltern zum erfolgreichen Abschluss des Jurastudiums. Rose hatte eine glänzende Zukunft vor sich. Hatte sie sich nicht bereits eine gute Position in der Kanzlei Harrington, Harrington, McBrace und Harcourt gesichert? Wer weiß, meinte ihre Mutter, womöglich heiratete sie irgendwann einen der Partner? Als es an der Zeit war zurückzukehren, um das Diplom entgegenzunehmen und in der Kanzlei in unmittelbarer Nähe der Prince’s Street anzufangen, hatte Rose ihre Zweifel bekommen an einem Leben, das sich um Strafdelikte und Eigentumsübertragungen drehte, und sie hatte sich verliebt. In das Land Kenia im Allgemeinen–und in einen seiner Bewohner im Besonderen. Trotz aller Stürme, die zeitgleich in Morningside und dem Muthaiga Club ausbrachen, wurden Rose und Joshua Mbikwa, der gerade seinen Doktor in Somatologie gemacht hatte, dessen Herz aber für die Politik schlug, am 16. Juli 1971 in der Kathedrale zur Heiligen Familie in Nairobi getraut. Im darauffolgenden Oktober wurde Joshua ins Parlament gewählt, und einen Monat später kam ihr Sohn Angus zur Welt. 1977 wurde Joshua Mbikwa wiedergewählt, 1985 das erste Mal verhaftet (nur eine Warnung, wie es hieß), und 1988 wurde er parlamentarischer Oppositionsführer. Im Dezember des nächsten Jahres wurde er zum zweiten Mal verhaftet, wegen Volksverhetzung angeklagt, verurteilt und ins Gefängnis gesteckt. Und während Rose Tag und Nacht um die Freilassung ihres Mannes kämpfte, indem sie Briefe an jeden wichtigen Menschen schrieb, den sie kannte oder der ihr einfiel, fing sie außerdem an, die Pflanzen und Tiere in ihrer Umgebung zu beobachten. Sie hatte mit beidem Erfolg. Ihre Kampagne erzeugte in Kenia und über die Grenzen hinweg derartig großen Druck, dass Joshua Mbikwa freigelassen und freigesprochen wurde und seinen Sitz im Parlament zurückbekam, und Rose selbst war klargeworden, dass die afrikanischen Bülbüls und Weber sie genauso faszinierten wie früher schon die schottischen Amseln und Drosseln.

Als Joshua fünf Monate später bei einem ebenso tragischen wie mysteriösen Unfall mit dem Leichtflugzeug ums Leben kam, versicherte ihr der Präsident persönlich, dass er ebenso tief getroffen sei wie sie, und bestand darauf, sie möge sich direkt an ihn wenden, wenn er ihr bei der Rückkehr nach England in irgendeiner Weise behilflich sein könne. Rose Mbikwa, die Kenia inzwischen genauso glühend liebte, wie ihr Mann es geliebt hatte, und mehr über Pflanzen und Tiere und Politiker des Landes wusste als die meisten Menschen, die dort geboren waren, dankte ihm für seine Güte. Am nächsten Tag betrat sie das Büro der Ornithologischen Gesellschaft im Nairobi-Museum und wurde Mitglied. Sie bezahlte drei Jahresbeiträge im Voraus.

Als es Zeit wurde, die Mitgliedschaft zu verlängern, hatte Angus sein geliebtes Internat in Edinburgh verlassen, um an der Universität von St. Andrews Internationale Beziehungen (diese Vorstellung amüsierte sie beide) zu studieren, aber Rose lebte weiterhin im selben Haus in Serengeti Gardens, Hutton Rise, Nairobi. Und sie hatte einen Plan. Nur weil ihr geliebter Ehemann tot war, hieß das nicht, dass mit ihm auch seine Überzeugungen und sein Einsatz für ein besseres Kenia gestorben waren. Es wurde immer deutlicher, dass Kenia, von dem heftig wehenden Wind der globalen Veränderungen gebeutelt und in den verworrenen Netzen internationaler Korruption gefangen, Hilfe brauchte. Rose sah am Horizont ein einziges helles Licht aufscheinen, und das hatte nichts mit Recht und Gesetz zu tun. Es war der Tourismus. Was wollten die Menschen sehen, die nach Kenia kamen? Die Wildnis mit ihren Tieren und Pflanzen. Wer schulte die örtlichen Touristenführer darin, den Besuchern die Wildnis zu zeigen? Niemand. An diesem Punkt, fand Rose, könnte das Nairobi-Museum eingebunden werden. Mit dem Team von Kuratoren, den Sammlungen und Ausstellungen zu Pflanzen und Tieren, Land und Landschaft und den Bewohnern früher und heute böte das Museum den idealen Mittelpunkt für ein umfassendes, fundiertes Ausbildungsprogramm für Touristenführer.

Rose arbeitete hinter den Kulissen, sie recherchierte, beriet, überzeugte, plante. Natürlich gab es keinerlei Budget für ein derartiges Projekt, aber da ihr Sohn inzwischen mit der Ausbildung fertig war, investierte sie mit Freuden, was von ihrem bescheidenen Einkommen übrig blieb, um ihr Projekt voranzutreiben. Ihr Mann hätte das Gleiche getan, davon war sie überzeugt. Das Ausmaß ihres Erfolges trat zutage, als zu einem bestimmten Zeitpunkt der Tourismusminister und der Bildungsminister eine Pressekonferenz einberiefen, auf der sie das Ausbildungskonzept vorstellten, das Rose entwickelt hatte, wobei jeder der Minister davon überzeugt zu sein schien, dass die ganze Idee ihm allein zu verdanken war.

Rose übernahm die Stellung der Koordinatorin und Leiterin des Ausbildungsprogramms, eine Position, die sie heute noch innehat. Wenn Sie in Kenia auf Safari gehen, stehen die Chancen ziemlich gut, dass auch Ihr Führer dieses Ausbildungsprogramm durchlaufen hat–achten Sie am besten auf winzige Spuren eines schottischen Akzents. Roses Herz jedoch gehört immer noch den Vögeln, und als Honorardirektorin (Bereich Expeditionen) der Ornithologischen Gesellschaft nimmt sie sich auch heute noch jeden Dienstagvormittag frei, um die Vogelwanderung zu führen, so wie sie es die letzten sechzehn Jahre getan hat. Obwohl ihre roten Haare inzwischen fast weiß geworden sind, ist ihr Enthusiasmus noch immer ungebrochen, ihr Wissen unübertroffen und ihr Wagen ebenso alt und verbeult wie jeder andere Peugeot 504 in Afrika.

 

Mr. Malik ist, wie Sie vielleicht schon erraten haben, weder schwarz noch weiß. Er ist braun, einundsechzig Jahre alt, klein, rund und beinahe kahl. Die meisten Männer werden kahl. Man braucht nur ein X- und ein Y-Chromosom und muss außerdem lange genug leben, um irgendwann an den Punkt zu kommen, an dem die Haare dünn werden, zurückweichen oder einfach verschwinden, und die Tatsache, dass die Follikel, die den Schädel verlassen, offenbar früher oder später in Nase und Ohren zu neuer Kraft finden, ist gewöhnlich nur ein schwacher Trost. Deshalb steht jeder Mann irgendwann vor der Wahl: damit zu leben oder zurückzuschlagen.

Mr. Malik war gerade zweiunddreißig Jahre alt geworden, als ihm beim Besuch seines Friseurs in der Nkomo Avenue–den er regelmäßig alle vierzehn Tage zum Schneiden und Föhnen aufsuchte, und zwar schon seit den Zeiten, als die Nkomo Avenue noch King George Street hieß –, eröffnet wurde, dass «der Herr obenherum ein wenig schütter» würde. Für einen Mann, der stolz auf seine Lockenpracht war, waren dies wenig erbauliche Nachrichten. Sein Friseur erwähnte vorsichtig, es sei womöglich an der Zeit für einen neuen Schnitt.

Es muss gesagt werden, dass aus dem ästhetischen Blickwinkel einiges für diesen Vorschlag sprach. Die Brillantinetolle, die ein verwegener, junger Mr. Malik in den frühen Sechzigern einst aus London mit zurückgebracht hatte, mag ja damals den Kurzgeschorenen in seiner Heimatstadt Nairobi ein glückliches Seufzen entlockt haben, aber inzwischen schrieb man immerhin das Jahr 1976. Wollte man das Bild eines seriösen, erfolgreichen Geschäftsmannes vermitteln–und daran war Mr. Malik in der Tat gelegen –, so waren Brillantinetolle und zehn Zentimeter lange Koteletten inzwischen wahrscheinlich nicht mehr die beste Art und Weise, dies zu erreichen.

«Vielleicht etwas konventioneller, der Herr, konventionell, aber nicht altmodisch.»

Der Herr, der die Haarwäsche hinter sich hatte und soeben eine wohlige Kopfmassage genoss, war glücklich und freundlich gestimmt.

«Haben Sie etwas Bestimmtes im Sinn?»

Von einem Regal über dem Waschbecken zauberte der Friseur im Handumdrehen einen Prospekt hervor.

«An den Seiten vielleicht etwas weniger, hinten aber trotzdem kragenlang, könnte ich mir vorstellen», sagte er und blätterte in dem Prospekt. «Auch Koteletten, wenn der Herr darauf besteht, aber keinesfalls länger als zwei Zentimeter. So wie dies hier vielleicht?»

Er hielt seinem halb liegenden, in Tücher gehüllten Kunden das Heft unter die Nase. Bei dem Bild handelte es sich um die Werbeaufnahme des Hollywood-Schauspielers Rock Hudson für seinen neusten Film. Dem Halstuch und dem karierten Hemd nach zu urteilen, handelte es sich um einen Western. Mr. Malik hatte eine Schwäche für Rock Hudson–vor allem in den Filmen mit Doris Day (wenn er schon für Rock Hudson eine Schwäche hatte, so bekam er bei dem Gedanken an die himmlische Doris Day geradezu weiche Knie). Er musterte das Foto eingehend. Rock Hudson trug zwar einen ziemlich kräftigen Schnurrbart mitten im Gesicht, und falls sein Kopf nicht ungewöhnlich klein war, waren die Koteletten auch sehr viel länger als zwei Zentimeter, aber im Großen und Ganzen wirkte es doch modern. Und wenn Mr. Malik die Augen zusammenkniff, meinte er sogar den Anflug einer Tolle zu erkennen.

Unter Zuhilfenahme von Kämmen und Spiegeln demonstrierte der Friseur einen weiteren Vorteil des neuen Schnitts. Würde man den Scheitel des Herrn nur einen Hauch nach rechts verschieben, bliebe die dünn werdende Stelle so gut wie unauffindbar. Mr. Malik stimmte zu und verließ den Salon schließlich mit neuer Frisur und beschwingten Schrittes, nachdem er dem Friseur ein mehr als großzügiges Trinkgeld gegeben hatte. Nennen Sie es Zufall, wenn Sie möchten, aber nur ein paar Wochen später verkündete Mrs. Malik, dass sie sieben Jahre und einen Monat nach der Geburt ihres einzigen Sohnes wieder schwanger war.

Während seine kleine Tochter Petula wuchs und proper gedieh, wuchs und gedieh auch der kahle Fleck auf Mr. Maliks Kopf. Zunächst stellte das kein Problem dar. Mr. Malik entdeckte, dass er den Scheitel nur noch ein Stückchen weiter rechts zu ziehen brauchte, und schon standen genug Haare zur Verfügung, um den Schandfleck zu bedecken. Als die Haare noch dünner wurden, behalf er sich mit ein wenig Brillantine (von der aus den Tagen seiner Tolle noch ein großer Tiegel ganz hinten im Badezimmerschrank stand), um die Haare an Ort und Stelle zu halten. Langsam, beinahe unmerklich, rutschte der Scheitel immer tiefer, während die Brillantineschicht dick und dicker wurde. Es bestand kein Zweifel mehr: Was vor dreißig Jahren als astreiner Rock-Hudson-Schnitt begonnen hatte, war zum klassischen Glatzenüberkämmer geworden.

Mochte die inzwischen erwachsene Petula (mittlerweile ohne Babyspeck) ihren Vater ruhig damit aufziehen, und mochte der abscheulich haarige Patel im Club ruhig hinterhältige Bemerkungen über die Vorliebe gewisser britischer Fußballer für ebendiese Frisur machen. Mochte sein Friseur ruhig bemerken, es sei an der Zeit, dass der Herr über ein Toupet nachdenke (seine Frau war inzwischen leider gestorben und schwieg deswegen in dieser Angelegenheit). Aber im Leben eines Mannes war eine grundsätzliche Veränderung der Frisur mehr als genug. Die Zeit der Perücken war vorbei, und er würde einen bedeckten Schädel niemals gegen einen kahlen eintauschen, egal, wie lange er jeden Morgen dafür brauchte, um jedes einzelne Haar zu drapieren, und egal, wie vergeblich diese Mühe im Ergebnis auch wäre. Außerdem lautet eine ungeliebte Wahrheit doch, dass eine schlechte Frisur das Herz eines Menschen weder widerspiegelt noch tangiert. Die Leidenschaft in Mr. Maliks Brust lodert so heftig wie in der Brust eines jeden anderen Mannes.

Seit drei Jahren ist Mr. Malik–mag er auch noch so braun, klein, rund und kahlköpfig sein–aufs heftigste in Rose Mbikwa verliebt.

3

Als seine Frau Aruna vor acht Jahren an Krebs gestorben war, hatte Mr. Malik sich, wie so viele Männer in einer ähnlichen Situation, Hals über Kopf in die Arbeit gestürzt. Er hatte seine Frau geliebt. Nicht sofort, als ihm das schüchterne Mädchen vorgestellt worden war, das ihre Familien ihm zur Frau auserkoren hatten. Sie war ziemlich groß, dachte er damals, und wirklich nur ein bisschen hübsch. Bald jedoch lernte er dieses tiefgründige, ruhige Mädchen besser kennen, und als sie sich zur Frau wandelte, beeindruckten ihn ihre Stärken, von denen sie viele hatte. Und ihre Schwächen, von denen sie kaum welche hatte, rührten ihn. Und die Schönheit, die in ihr zu wachsen schien, strahlte manchmal so hell aus ihr heraus, dass er sie kaum ansehen konnte. Ihr Tod saß ihm wie ein tiefer Stachel in der Seele, ein Schmerz, der nur durch unablässige Arbeit in Schach zu halten war. Als er seinen ersten Herzinfarkt erlitt–er war haargenau so alt wie sein Vater damals, der daran gestorben war –, bestand Petula darauf, dass er einen Spezialisten aufsuchte.

«Und ich meine einen aus der Harley Street, Daddy, nicht aus der Limuru Road.»

Mr. Malik war kein armer Mann. Die Jolly Man Manufacturing Company war 1932 von seinem Vater gegründet worden, zu einer Zeit, als alle Welt rauchte. Rauchen galt als lässig. Männer rauchten Pfeife, reiche Männer Zigarren, und die Frauen vom Zimmermädchen bis zur Marquise rauchten Zigaretten. Im Film rauchte jeder–sogar Rock Hudson (mit Ausnahme, vielleicht, von Doris Day). Im damaligen Kenia war an importierte Zigaretten und Zigarren manchmal schwer heranzukommen. Wieso also nicht einfach etwas Tabak kaufen, dachte Mr. Malik senior, sich die nötigen Apparaturen besorgen und die Dinger selbst herstellen? Der Jolly Man Manufacturing Company mit dem Markenzeichen eines grinsenden Schwarzen mit Melone und Frack, der an einer fetten Zigarre zog, war von Anfang an Erfolg beschieden.

Dann kam der Zweite Weltkrieg. Deutsche U-Boote patrouillierten auf dem Atlantik, und die Tabaklieferungen von Amerika und den Inseln Mittelamerikas nach England versiegten. Kenia gehörte zum Britischen Empire, und der kenianische Tabak wurde für britische Fabrikanten beschlagnahmt. Die Produktion der Jolly Man Manufacturing Company glich einem Rinnsal. Sobald der Krieg zu Ende war, drängten die großen internationalen Konzerne mit ihren Navy Cuts, Pall Malls und Lucky Strikes auf den Markt. Die Jolly Man Manufacturing Company mit den veralteten, unwirtschaftlichen Maschinen konnte da nicht mithalten. Es sah nicht gut aus. Während des Krieges hatten sich die Jolly-Man-Zigarren jedoch bei Mikael Oncratoff, dem russischen Konsul (jeder wusste, dass er in Wirklichkeit ein Spion war, aber seine Partys waren trotzdem legendär), großer Beliebtheit erfreut. Als der Krieg zu Ende war, verschickte er die kenianischen Zigarren kistenweise nach Hause an seine Familie und an seine Freunde in Osteuropa. Den heimischen Produkten qualitativ überlegen und dabei billiger als kubanische Zigarren, waren sie schnell sehr begehrt. Sie wurden hinter dem neu errichteten Eisernen Vorhang derart populär, dass der Konsul sich direkt an Mr. Malik senior wandte–vielleicht brauchte er ja einen Exportagenten? 1960 hatte Mikael Oncratoff es zu einem hübschen Haus am Comer See gebracht, und anspruchsvolle Kameraden verlangten von Gdansk und Stalingrad bis nach Sofia und ans Schwarze Meer immer weiter nach Jolly-Man-Zigarren. Mr. Maliks Vater beschäftigte in seiner Fabrik in Nairobi dreihundert Angestellte, um mit der Herstellung nachzukommen. 1964 erlitt er seinen Herzinfarkt.

Zu jener Zeit hatte Mr. Malik die Schule bereits hinter sich und war nach London geschickt worden, um an der London School of Economics zu studieren. Auch wenn Wirtschaft ihn nicht im Geringsten interessierte (die LSE war die Idee seines Vaters gewesen), liebte er London. Er fand in Clerkenwell eine Studentenbude und blühte unter dem grauen Nordhimmel auf, wie er es im äquatorialen Sonnenschein nie getan hatte. Er liebte die Pubs, die Straßen, die Frauen, die Freiheit, das ganze Studentendasein. Er fing an, ab und zu einen Artikel über Studentenpolitik für die Studentenzeitung der Londoner Universität (damals noch The Ferret) zu verfassen, und das Talent zum Journalisten, das er in sich entdeckte, elektrisierte ihn so sehr, dass er nach den Vorlesungen oft einen Umweg über die Fleet Street machte, nur um die Nase in eine echte Zeitungsredaktion zu stecken und den Duft der Druckerschwärze einzuatmen. Vielleicht würde er nach dem Studium Journalist werden. Dann kam das Telegramm. Ganz der pflichtschuldige älteste Sohn, der er war, gab er all das auf, kam zur Beerdigung nach Hause und übernahm, wenn auch widerwillig, seinen Posten als Eigentümer und Geschäftsleiter der Jolly Man Manufacturing Company.

Betrachtete man seine Fürsorge für die Angestellten und die Zahlen, die sein Unternehmen schrieb, so war Mr. Malik ein guter Geschäftsmann. Betrachtete man jedoch seine ständige Sorge ums Geschäft und sein Unvermögen, irgendwann einmal abzuschalten, so war er ein schlechter. Sorgte er sich nicht ums Geschäft, sorgte er sich um Petula. Seine Tochter hatte ebenfalls im Ausland studiert und war 2001 mit einem MBA, aber ohne Ehemann aus New York nach Hause zurückgekehrt. Sie war inzwischen neunundzwanzig, immer noch ledig und lebte zu Hause. Das bot Grund genug zur Sorge für einen Vater–wenn sie wenigstens die Haare nicht immer so kurz tragen und ab und zu einen hübschen Sari statt dieser ausgebeulten Jeans tragen würde. «Nicht Jeans, Daddy – Denims!», sagte sie, aber in seinen Augen sahen sie trotzdem aus wie Jeans. Allerdings musste er zugeben, dass Petula ihm, was das Geschäft betraf, eine große Hilfe geworden war.

«Ich habe bei Sir Horatio Redmond in London einen Termin für dich gemacht», sagte sie zu ihm. «Keine Angst, Daddy. Ich kümmere mich schon darum, dass die Dinge weiterlaufen, während du weg bist.»

 

Was Sir Horatio, den Blick über die Dächer unter dem grauen Marylebone-Himmel gerichtet, seinem Patienten zu sagen hatte, war dies:

«Sie brauchen ein Hobby. Etwas, das Sie von der Arbeit ablenkt–wissen Sie, der Stress ist schuld.»

Der berühmte Kardiologe kostete das Wort geradezu aus. Noch letztes Jahr hätte er sich anders ausgedrückt, «es übertreiben» genannt, und er war sich immer noch nicht ganz sicher, ob dieser Ausdruck wirklich in die Harley Street passte, aber heutzutage schien jeder «Stress» zu sagen, und er betrachtete die Verwendung des Wortes als gute Übung, um hinsichtlich der modernen Entwicklung auf dem Laufenden zu bleiben. Das erwarteten die Patienten von ihm.

Ein großer, grauer Vogel flog behäbig durch die Düsternis in Richtung Park. Verfluchter Reiher–was hatte der hier zu suchen? Forellenmordendes Geschmeiß! Mit einem Stirnrunzeln wandte er sich vom Fenster ab. Ob es in Indien–nein, Afrika, oder?–wohl auch Forellen gab, fragte er sich, während er seinem dunkelhäutigen Patienten dabei zusah, wie er sich das Hemd zuknöpfte und nach der Krawatte griff. Er erinnerte sich flüchtig an ein paar Schlaglichter aus den Vorlesungen über Tropenkrankheiten. Moskitos und Malaria, Kriebelmücken und Flusskrankheit, Tsetsefliegen und Schlafkrankheit–in Afrika gab es wirklich sehr viele Fliegen. Aber gab es auch Angelfliegen und Drohnen, Schmetterlinge und Riedgras? Gab es, wo auch immer dieser Bursche herkam, Hochlandbäche, die sich über afrikanische Hügel talwärts ergossen, und breite, langsame Kalkflüsse, die sich gemächlich durch sanfte Wiesen schlängelten?

«Ich für meinen Teil angele», sagte er und schlüpfte wieder in die Pose, die ihm durch Amt und Würden zustand. «Aber was Sie betrifft, so sollten Sie es vielleicht eher mit Vögeln versuchen.»

Mr. Malik, dessen Aufenthalt im London der sechziger Jahre ihn mit dem Ausdruck vögeln in etwas anderem Zusammenhang bekannt gemacht hatte, war verwirrt. Machte dieser Mann ihm etwa den Vorschlag, er solle sich eine neue Frau suchen? Oder sich vielleicht mittels prophylaktischen Aufsuchens Prostituierter zu neuem Schwung verhelfen?

«Also, Spatzen zum Beispiel», sagte Sir Horatio. «Wieso auch nicht? Ich kannte mal einen Burschen, der saß stundenlang da und beobachtete Spatzen. Sehr beruhigend, wie er mir versicherte. Fliegende Spatzen, hopsende Spatzen, fressende Spatzen, nistende Spatzen. Haben Sie Spatzen? Bei sich in, äh …?»

«Kenia.»

«Richtig.»

«Ja.»

«Gut. Das hätten wir. Ach ja, und nehmen Sie dreimal täglich vor den Mahlzeiten eine dieser grünen Pillen hier.»

Mr. Malik stieß innerlich einen Seufzer der Erleichterung aus. Ornithologie würde einfacher sein–und weniger anstrengend–als Frauen. Auf der Heimreise nach Nairobi kaufte er sich im Dutyfree-Shop von London-Heathrow ein 8×50-Fernglas von Bausch & Lomb. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass die Geschäfte während seiner Abwesenheit offensichtlich auch ohne ihn ganz prächtig weitergelaufen waren.

Am darauffolgenden Dienstag schloss er Bekanntschaft mit den Vögeln Ostafrikas, und mit Rose Mbikwa.

4

Als Mr. Malik das MEATI erreichte, waren die anderen fast alle schon da und musterten die umstehenden Büsche auf der Suche nach Vögeln. Der Mann mit der Sonnenbrille und den goldenen Armkettchen (und, wie Mr. Malik jetzt feststellte, einer Goldkette um den Hals) stand neben den Touristen. Er deutete auf einen Baum, unterbrach jedoch die Unterhaltung, als Mr. Malik aus dem Wagen stieg.

«Hey, Malik! Bist du das?»

Und damit bestätigten sich Mr. Maliks schlimmste Befürchtungen. Harry Khan.

So wie ein Genesender die schwere Krankheit, die er überwunden hat, fast vergessen kann, bis er auf einmal einen Rückschlag erleidet, so erging es Mr. Malik mit Harry Khan. Mr. Malik war elf gewesen, als er ihm zum ersten Mal begegnet war. Er war neu auf der Eastlands High School, ein Pensionsschüler. Genau wie Harry Khan. Sie kamen in dieselbe Klasse, und es wurde erwartet, dass die beiden Neuen («neue Käfer» wurden sie genannt, leises Echo des englischen Privatschuljargons) miteinander auskamen. Dem war jedoch nicht so. Mr. Malik, oder einfach nur Malik, wie er jetzt bei Lehrern und Schülern hieß, war ein schüchterner und eifriger Junge. Harry Khan war–na ja, wie soll ich sagen? Er war laut, aber nicht schrill. Er war frech, aber nicht unverschämt. Er war humorvoll, aber nicht verletzend. Er war klug, ohne als Streber zu gelten, er fand leicht Freunde, war im Rugby flink und wendig und besaß zweifellos großes Talent im Umgang mit Kricketball und Schläger. Harry Khan war derjenige, der den elektrischen Toaster in den Schlafsaal schmuggelte, er war es, der das Radio unter seiner Matratze versteckte, damit sie samstagabends heimlich BBC World Service einschalten und die Goon Show hören konnten, und er war es auch, der die jüngeren (und auch einige der älteren) Schüler mit nächtlichen Freuden ganz anderer Natur bekannt machte. Er konnte sogar Rock ’n’ Roll tanzen. All das machte ihn bei den Jungen sehr beliebt. Für Mr. Malik jedoch wurde er die nächsten sieben Jahre lang zum Fluch seines Lebens. Denn Harry Khan war ein Tausendsassa, ein Witzbold, ein Spaßvogel–und jeder Spaßvogel braucht ein Opfer. Er hatte seines gleich am allerersten Morgen gefunden.

 

Der Gerechtigkeit halber muss gesagt werden, dass Harry Khan, fragte man ihn, auch heute noch darauf bestehen würde, dass es nicht seine Schuld gewesen war. Folgendes war geschehen: Die beiden Neuen hatten gerade die erste Nacht im mittleren Schlafsaal überlebt und standen im Waschraum, um sich vor dem Frühstück zu waschen und die Zähne zu putzen. Mr. Maliks Mutter hatte den Koffer ihres Sohnes gewissenhaft mit all den Gegenständen gepackt, die auf der Liste der Hausmutter verzeichnet waren, darunter auch ein schöner neuer Plastikwaschbeutel mit Reißverschluss–ebenfalls bestückt mit allem, was die Liste erforderte. Der Beutel enthielt den vorschriftsmäßigen Waschlappen («deutlich lesbar beschriftet mit dem Nachnamen des Jungen»), Kamm, Zahnbürste und Zahnpasta. Nur dass seine Mutter die Zahnpasta vergessen hatte. Mr. Malik war dies bereits am Vorabend aufgefallen, er war aber viel zu schüchtern gewesen, um die Hausmutter oder einen seiner Mitschüler zu fragen. Er hatte einfach so getan, als wäre auf seiner Zahnbürste Zahnpasta, in der Hoffnung, dass niemand etwas merkte. An diesem Morgen fühlte er sich etwas mutiger. Er würde den anderen Neuen – Khan–fragen, ob er seine Zahnpasta benutzen dürfe.

«Klar, Kumpel, bedien dich. Sie ist in meinem Beutel.»

Also hatte Malik die Tube aus Khans Waschbeutel genommen–einem ziemlich schicken, seidigen von Pan Am, wie ihm auffiel –, etwas Paste auf seine Zahnbürste gedrückt und sich die Zähne geputzt. Hm, komische Zahnpasta–gar nicht minzig. Er putzte weiter. Fühlte sich auch komisch an–schmierig statt schaumig. Im nächsten Augenblick stand Mr. Malik nach vorne gekrümmt, mit lichterloh brennendem Mund, und spuckte verzweifelt ins Becken. Harry Khan, der die Tube inzwischen zur Hand genommen und sie nicht als Zahnpasta, sondern als jene Salbe identifiziert hatte, mit der er dreimal täglich den Fußpilz zwischen seinen Zehen behandelte, stand ebenfalls über sein Waschbecken gekrümmt, aber nicht vor Schmerzen, sondern vor Lachen. Was die Aufmerksamkeit der anderen Jungen erregte und für allgemeine Heiterkeit sorgte. Das wiederum rief die Hausmutter auf den Plan, und der arme Malik wurde ins Krankenzimmer befördert, wo ihm eine Mundspülung mit Desinfektionsmittel sowie vorsorglich noch eine kräftige Dosis Ipecacuanha verabreicht wurde.

Tja, hatte Harry Khan es vorher gesehen oder nicht? Der Hausmutter schwor er, nichts gesehen zu haben, und dem Vorstand ebenso. Aber das spielte im Grunde keine Rolle, weil die Jungen alle dachten, er hätte es gesehen, und die Sache für einen großartigen Streich hielten.