Kloster, Mord und Dolce Vita - Sammelband 3 - Valentina Morelli - E-Book

Kloster, Mord und Dolce Vita - Sammelband 3 E-Book

Valentina Morelli

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Beschreibung

Kloster, Mord und Dolce Vita: eine Krimi-Serie wie ein Urlaub in der Toskana. Drei Folgen in einem Band!

Folge 7 - Rezept für einen Mord

Buon appetito! Isabella reist zusammen mit Schwester Hildegard nach Pisa - zum großen Tomatensoßen-Kochwettbewerb. Carabiniere Matteo hat Urlaub und lässt es sich nicht nehmen, die Nonnen zu begleiten. Vor Ort passiert das Undenkbare: Einer der vier Finalisten bricht nach der Verköstigung seiner Soße zusammen - allergischer Schock oder Vergiftung? Isabella und Matteo nehmen die Ermittlungen auf ...

Folge 8 - Eine Stimme für den Tod

Carabiniere Matteo im Glück: Er ist nun ganz offiziell Ninas neuer Freund! Auch ihr Vater, Bürgermeister Lenzi, scheint das endlich zu akzeptieren. Oder hat er einfach nur ganz andere Sorgen? Denn in Santa Caterina steht die Wahl des Bürgermeisters an, und Lenzi hat einen starken Konkurrenten: Enno Bianchi. Bis dieser tot im Wald aufgefunden wird - erschossen! Geht Duccio Lenzi etwa über Leichen, um im Amt zu bleiben? Matteo steht vor einer äußerst unangenehmen Ermittlung. Nur gut, dass Schwester Isabella ihm Beistand leistet!

Folge 9 - Verrat im Vatikan!

Schwester Isabella wird in den Vatikan geladen. Eine Audienz beim Papst! Dort muss sie Schreckliches erfahren: Ihr Kloster soll geschlossen werden. Denn seit ein Informant die Presse mit Infos über Korruption im Vatikan versorgt, schaut der Heilige Stuhl genau hin. Und im sowieso schon unrentablen Convento von Santa Caterina wurden offenbar jahrelang Gelder veruntreut.

Bevor Isabella diese Nachricht verdauen kann, kommt schon der nächste Schock: Eine Haushälterin in Isabellas Gästehaus ist tödlich gestürzt. Und Isabella glaubt nicht an einen Unfall. Hat am Ende gar die schmutzige Wäsche des Heiligen Vaters etwas mit dem Todesfall zu tun?

Über die Serie:

Benvenuto a Santa Caterina! In dem malerischen Toskana-Dorf lebt, betet und ermittelt Schwester Isabella. Der junge Carabiniere Matteo ist froh über ihre Hilfe - meistens. Denn eines weiß der einzige Polizist von Santa Caterina: Schwester Isabella hat ihren eigenen Kopf!

Mit Witz, Charme und dem Blick fürs Menschliche ermitteln Isabella und Matteo in der Toskana. Klar, dass dabei auch die italienische Lebenskunst nicht zu kurz kommen darf!

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Valentina Morelli
Kloster, Mord und Dolce Vita - Sammelband 3

Digitale Erstausgabe

beTHRILLED in der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe von "Rezept für einen Mord":

Copyright © 2021 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 - 20, 51063 Köln

Für die Originalausgabe von "Eine Stimme für den Tod":

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Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Für die Originalausgabe von "Verrat im Vatikan!":

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Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Für diese Ausgabe:

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Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Lektorat/Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven © Misaoc NOYA; NorSob; Rolau Elena; Vilenia; Werner Rebel; Miroslav Hlavko/shutterstock

ISBN 978-3-7517-3789-0

be-thrilled.de

lesejury.de

Vita

Valentina Morelli schreibt seit vielen Jahren Romane. Mit "Kloster, Mord und Dolce Vita" setzt sie der Heimat ihres Herzens ein Denkmal und fängt das unvergleichliche Lebensgefühl unter der Sonne der Toskana ein. Krimis sind für sie ein Mittel, zutiefst menschliche Geschichten zu erzählen.

Über das Buch

Kloster, Mord und Dolce Vita: eine Krimi-Serie wie ein Urlaub in der Toskana. Drei Folgen in einem Band!

Folge 7 - Rezept für einen Mord

Buon appetito! Isabella reist zusammen mit Schwester Hildegard nach Pisa - zum großen Tomatensoßen-Kochwettbewerb. Carabiniere Matteo hat Urlaub und lässt es sich nicht nehmen, die Nonnen zu begleiten. Vor Ort passiert das Undenkbare: Einer der vier Finalisten bricht nach der Verköstigung seiner Soße zusammen - allergischer Schock oder Vergiftung? Isabella und Matteo nehmen die Ermittlungen auf ...

Folge 8 - Eine Stimme für den Tod

Carabiniere Matteo im Glück: Er ist nun ganz offiziell Ninas neuer Freund! Auch ihr Vater, Bürgermeister Lenzi, scheint das endlich zu akzeptieren. Oder hat er einfach nur ganz andere Sorgen? Denn in Santa Caterina steht die Wahl des Bürgermeisters an, und Lenzi hat einen starken Konkurrenten: Enno Bianchi. Bis dieser tot im Wald aufgefunden wird - erschossen!  Geht Duccio Lenzi etwa über Leichen, um im Amt zu bleiben? Matteo steht vor einer äußerst unangenehmen Ermittlung. Nur gut, dass Schwester Isabella ihm Beistand leistet!

Folge 9 - Verrat im Vatikan!

Schwester Isabella wird in den Vatikan geladen. Eine Audienz beim Papst! Dort muss sie Schreckliches erfahren: Ihr Kloster soll geschlossen werden. Denn seit ein Informant die Presse mit Infos über Korruption im Vatikan versorgt, schaut der Heilige Stuhl genau hin. Und im sowieso schon unrentablen Convento von Santa Caterina wurden offenbar jahrelang Gelder veruntreut.

Bevor Isabella diese Nachricht verdauen kann, kommt schon der nächste Schock: Eine Haushälterin in Isabellas Gästehaus ist tödlich gestürzt. Und Isabella glaubt nicht an einen Unfall. Hat am Ende gar die schmutzige Wäsche des Heiligen Vaters etwas mit dem Todesfall zu tun?

Über die Serie:

Benvenuto a Santa Caterina! In dem malerischen Toskana-Dorf lebt, betet und ermittelt Schwester Isabella. Der junge Carabiniere Matteo ist froh über ihre Hilfe - meistens. Denn eines weiß der einzige Polizist von Santa Caterina: Schwester Isabella hat ihren eigenen Kopf!

Mit Witz, Charme und dem Blick fürs Menschliche ermitteln Isabella und Matteo in der Toskana. Klar, dass dabei auch die italienische Lebenskunst nicht zu kurz kommen darf!

Kloster, Mord und Dolce Vita - Sammelband 3

Cover

Titel

Impressum

Vita

Über das Buch

Inhalt

Kloster, Mord und Dolce Vita – Rezept für einen Mord

Cover

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Kloster, Mord und Dolce Vita – Eine Stimme für den Tod

Cover

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kloster, Mord und Dolce Vita – Verrat im Vatikan!

Cover

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Guide

Start Reading

Contents

V A L E N T I N A M O R E L L I

Rezept für einen Mord

1

Isabella brütete über der Buchhaltung der vergangenen Monate und näherte sich der Verzweiflung.

Nein, im Grunde hatte sie diesen Punkt überschritten. Aus der Verzweiflung war längst Hilflosigkeit geworden. Wie hatte eine Person allein nur so unordentlich arbeiten können?

Sie suchte nach einem Muster im Ablagesystem der ehemaligen Äbtissin, doch sie fand keines. Zwar gab es eine ganze Reihe von beschrifteten Ordnern im wandhohen Aktenschrank, der in ihrem Rücken stand, doch schien die Pflege der Schnellhefter und Klemmmappen sträflich vernachlässigt worden zu sein. Alles war wild durcheinandergeheftet oder nur zwischen die Deckel gestopft worden.

Ein Anflug von Panik überkam Isabella. Wie sollte sie dieses Chaos jemals Herr werden? Dabei war es doch die Aufgabe der Äbtissin, sich um die Verwaltungsangelegenheiten zu kümmern, und somit ihre Pflicht.

Mit den verstreichenden Stunden, die sie sich in Filomenas ehemaligem Büro aufhielt, beschlich sie immer mehr das Gefühl, dass es niemals ein Muster im System gegeben hatte. Da war ein Stapel auf dem Schreibtisch, auf dem die dringlichsten Forderungen und behördliche Bescheide lagen. Alles andere war irgendwo hingestopft worden. Getreu dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn – zu Isabellas Leidwesen.

Und so fand sie wichtige Rechnungen dort, wo unsinnige Werbebriefe, Spendenquittungen und Kondolenzkarten abgeheftet worden waren. Und die Mahnungen – von denen es viele gab – musste Isabella sich mühsam aus sämtlichen Schubladen und Schränken zusammenklauben.

Der Vatikan verlangte aufgrund des Äbtissinnenwechsels eine Darstellung der aktuellen Vermögens- und Finanzlage des Convento di Nostra Regina della Pace. Doch wie sollte sie in diesem Wirrwarr der Aufforderung Folge leisten?

Zumindest hatte sie ein paar Kontoauszüge gefunden, die aus dem letzten Monat stammten. Wenn sich seitdem nichts Gravierendes an den Eingängen getan hatte, sah die finanzielle Lage des Klosters alles andere als rosig aus. Mit schuld daran war, dass die Reisesaison vorbei war und der Wochenmarkt nicht mehr die Einnahmen wie im Sommer brachte.

Mit einem selbstmitleidigen Schnauben ließ sie sich auf den Bürostuhl fallen, warf einen kurzen Blick auf den neben dem Schreibtisch dösenden Bernhardiner und seufzte noch eine Spur leidvoller. Hund müsste man sein.

Sie schloss für eine Sekunde die Augen, um der verzweifelten Hilflosigkeit zu entfliehen. Als sie sie wieder öffnete, war sie für einen kurzen Moment enttäuscht. Sie befand sich noch immer in Filomenas Büro, das nun das ihre war.

Sie glaubte nicht an Feng-Shui, aber sie mochte den Raum nicht. Es kam ihr vor, als hätte er eine unheilvolle Aura. Als würde ihr Filomenas Geist im Nacken sitzen, was natürlich völliger Quatsch war.

Die ehemalige Äbtissin war schließlich nicht tot, sondern irgendwo in Ligurien unterwegs, um sich die Wunden zu lecken. Filomena hatte es eine spontane Pilgerreise genannt. Doch sie alle wussten es besser. Es war eine Flucht. Niemand konnte sagen, ob sie wiederkommen würde. Wenn doch, so würde der Convent sie mit offenen Armen empfangen. Trotz aller Fehltritte war Filomena schließlich noch immer eine von ihnen. Auch wenn Isabella sie genau in diesem Moment am liebsten auf den Mond geschossen hätte.

Wie sie es so oft in den letzten Tagen getan hatte, betrachtete sie ihr neues Refugium. Obwohl sie viel Arbeit hineingesteckt hatte, wirkte das Büro noch immer chaotisch und unaufgeräumt. Die Möbel waren dunkel, und die schweren Vorhänge ließen kaum Licht durchscheinen.

Die vermutlich sehr alten Ölgemälde, die die Wände zierten, waren bereits völlig verdunkelt und die darauf abgebildeten Heiligen lediglich dank der helleren Aureolen zu erahnen, die über ihren Köpfen schwebten. Einer von ihnen schien Franz von Assisi zu sein, da rings um ihn herum Vögel flogen und im Hintergrund ein Baum zu erkennen war, der wohl früher einmal in kräftigem Grün erstrahlt war. Nun war er matschig braun bis schwarz.

Isabella dachte nach. Im Grunde gefielen ihr die Gemälde. Womöglich ließe sich Matteos Freundin Nina darauf ansetzen. Als Kunsthändlerin hatte sie sicherlich einen guten Kontakt zu einem Fachmann, der diese Gemälde zu einem bezahlbaren Preis restaurieren würde.

Doch um zu wissen, ob sich das Kloster derartige Ausgaben leisten konnte, brauchte Isabella zunächst eine Buchführung, die sich auf dem neuesten Stand befand. Mit einem kraftvollen Ächzen hob sie einen Blätterstapel an, der die rechte Seite des massiven Schreibtisches einnahm – nur um ihn wenige Zentimeter weiter wieder abzusetzen.

Wie sehr sie diese Büroarbeit verabscheute. Worauf hatte sie sich bloß eingelassen, als ihre Mitschwestern sie einstimmig zur neuen Äbtissin ernannt hatten.

Ein Rumpeln und ein Poltern zerrten sie aus ihrem Bad in Selbstmitleid. Es schien aus der Küche zu kommen, und es klang, als wären mehrere Töpfe zu Boden gefallen. Unmittelbar danach schrie jemand auf.

Sie richtete sich auf. Ein Unfall?, schoss ihr als erster Gedanke durch den Kopf. Ob sich jemand verletzt hat? Doch dann hörte sie eine Stimme, die weniger erschrocken klang, sondern vielmehr … wütend!

Das Geschrei war so laut, dass es selbst den Bernhardiner aus seinem seligen Vormittagsschläfchen riss. Sie rückte mit dem Stuhl nach hinten und erhob sich vom Schreibtisch.

Isabella erkannte die wütende Stimme.

Als sie die Bürotür öffnete und mit dem Kopf herauslugte, hörte sie Schwester Hildegard lautstark brüllen: »Porca Vacca! Wie konntest du?!«

Gemeinsam mit Caesar eilte sie los. Sie musste wissen, was dort vor sich ging. Wieder schepperte es auf, und dann sah Isabella den Deckel eines Kochtopfs aus der Küche kullern. Sie beschleunigte ihre Schritte und fand mitten in der Klosterküche Schwester Hildegard und Schwester Agnieszka vor – umgeben von mehreren Messingtöpfen und gusseisernen Pfannen, die wild verteilt auf dem Boden lagen.

Die Köchin hielt einen Kochlöffel und einen aufgefalteten Brief in den Händen. Mit beiden fuchtelte sie wütend vor Agnieszkas Nase herum. »So etwas kannst du doch nicht hinter meinem Rücken tun!«

Agnieszka hob hilflos die Arme. »Aber ich habe es doch bloß gut gemeint!« Die junge Schwester schien den Tränen nah.

Schwester Hildegard stampfte wütend mit dem Fuß auf und drohte Agnieszka mit dem Kochlöffel. Die Köchin konnte eine aufbrausende Person sein, aber so wütend hatte Isabella sie noch nie erlebt. Selbst dann nicht, als sie sie einmal unter Mordverdacht gestellt hatte.

Schwester Agnieszka hob beschwichtigend die Hände. »Es sollte doch eine Überraschung sein. Ich dachte, du freust dich!«

»Freuen?« Schwester Hildegard schrie. »Von wegen!«

Isabella trat entschlossen auf die beiden zu. »Du meine Güte, was ist denn hier los?«

Hildegard richtete den Kochlöffel auf Agnieszka und sah Isabella an. »Sie hat mich verraten!«

Isabella schüttelte irritiert den Kopf. Sie verstand nur Bahnhof. Besänftigend fasste sie nach Schwester Hildegards Arm und drückte ihn herunter. Nicht dass sie mit dem Kochlöffel auf dumme Gedanken kam. »Worum geht es hier überhaupt?«

Schwester Hildegard riss sich von Isabella los und fuhr herum zur Kochnische, wo etwas in einem riesigen Topf vor sich hin köchelte. »Darum!«, sagte sie, als wäre damit alles geklärt.

Isabella starrte den Topf an, aus dem heller Dampf quoll. Sie schnupperte in die Luft und wusste sogleich, was sich im Topf befand.

»Ist es das, was ich denke?«, fragte sie hoffnungsvoll.

»Tomatensoße!«, sagten Schwester Agnieszka und Schwester Hildegard wie aus einem Mund.

Isabella strahlte. Das waren doch endlich mal gute Nachrichten. Nichts konnte die Erinnerung an den leidvollen Vormittag im staubigen, dunklen Büro besser verdrängen als Schwester Hildegards berühmte Pasta mit Tomatensoße.

Doch so recht verstand sie diesen Streit noch immer nicht. Mit gehobenen Brauen sah sie die Schwestern abwechselnd an und blickte dann auf die heruntergefallenen Töpfe. »Was hat das Mittagessen mit dem Chaos hier zu tun? Worum geht es denn nun überhaupt?«, fragte sie noch einmal.

»Na, darum halt!« Schwester Hildegard hielt Isabella den auseinandergefalteten Brief ganz dicht vors Gesicht.

Sie überflog die ersten Zeilen. »Einladung«, murmelte sie leise, hatte aber Mühe mit dem Lesen, da Hildegards Hand zitterte und die Buchstaben vor ihren Augen verschwammen. »… zum Wettbewerb des …« Weiter kam sie nicht, da die Klosterköchin den Brief wieder wegzog und Agnieszka damit drohte. »Und das, ohne mich zu fragen!«

Agnieszka startete einen weiteren Verteidigungsversuch: »Es sollte doch eine Überraschung sein.«

»Ich hasse Überraschungen!«

»Schluss jetzt!« Isabella hatte genug von dem Gezänk. »Das hier ist ein Kloster. Also benehmt euch entsprechend!« Ihre Stimme war so laut, dass Caesar leise aufjaulte.

Die beiden streitenden Schwestern hielten augenblicklich inne und betrachteten Isabella wie ein Wesen von einem anderen Stern. Diese unterstrich ihre Worte mit eisernem Blick.

»Du kannst ja richtig laut werden«, sagte Schwester Hildegard erstaunt.

»Himmel«, sagte Agnieszka leise. »Du klangst gerade genauso wie die Äbtissin Filomena.« Die junge Schwester bekreuzigte sich, als wäre die ehemalige Vorstehende nicht aus dem Kloster, sondern aus dem Leben getreten.

»So?« Isabella verzog säuerlich die Lippen und schüttelte dann den Kopf. »Jetzt erklärt ihr mir in aller Ruhe, was hier los ist!«

Beide setzten zum Sprechen an.

»Stopp!« Isabellas Hand ruckte nach oben. »Einer nach dem anderen.« Sie wandte sich Schwester Agnieszka zu. Nicht weil sie ihre Freundin, sondern weil sie die Besonnene der beiden war. Von ihr würde sie am ehesten den Grund für diesen lautstarken Streit erfahren.

Sie sah Agnieszka tief Luft holen, während sie sich unsichtbare Falten aus dem Gewand strich. »Ich habe Schwester Hildegard zu einem Wettbewerb angemeldet«, erklärte sie. »Heimlich. Für die beste Tomatensoße der Toskana.« Sie riss der Köchin den Brief aus der Hand und zeigte ihn wieder Isabella. »Der Regionalsender Canale Toscano hat doch diese Kochsendung, die allwöchentlich ausgestrahlt wird: Molto Gusto.« Ein unbestimmtes Lächeln verirrte sich in ihr Gesicht. »Die mit dem charmanten Koch.«

Isabella nickte vage, hatte aber keinen Schimmer, wovon die Schwester da sprach. Das Fernsehen hatte keinen hohen Stellenwert in ihrem Leben. Aber sie wusste um die Klasse von Hildegards Tomatensoße. Sie war ein Gedicht. Sämtliche Schwestern leckten sich die Finger danach – was der Grund war, warum Hildegard sie mindestens einmal die Woche zubereitete. Und selbst Caesar war verrückt nach der Soße.

Doch Agnieszka gab ein leises gedankenversunkenes Seufzen von sich. »In einer der letzten Sendungen hat die Moderatorin einen Aufruf gestartet, in dem sie nach der besten Tomatensoße der ganzen Toskana sucht.« Sie senkte den Kopf. »Und da habe ich Schwester Hildegard vorgeschlagen und eine Kostprobe beim Sender vorbeigebracht.«

»Du!« Schwester Hildegard hob wieder den Kochlöffel, doch Isabella stellte sich resolut zwischen die beiden Streithühner.

Sie warf einen Blick auf den Brief, der immer zerknitterter wurde. Noch einmal las sie den fett gedruckten Betreff. Einladung … Und dann endlich verstand sie.

»Moment!«, sagte sie verdattert. »Heißt das, du nimmst an dem Wettbewerb teil?«

»Sie hat es in die Endrunde geschafft.« Agnieszka schlug die Hände zusammen und jauchzte auf. »Ins Finale.«

Isabella sah Hildegard intensiv an. Sie suchte nach einem Funken Freude. Doch in ihren Augen flackerte es geradezu vor Wut.

»Aber das ist doch fantastisch!« Isabella strahlte die Köchin an.

Agnieszka schloss sich begeistert an: »Und ob es das ist.«

Isabella neigte den Kopf. »Warum freust du dich nicht?«

»Weil … weil ich mich nicht traue.« Hildegards sonst so feste Stimme wirkte auf einmal so zaghaft wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. »Ich bin einfach kein Typ fürs Fernsehen«, fügte sie noch leiser hinzu.

»Unsinn!«, sagte Agnieszka entschieden, und Isabella nickte zustimmend.

Sie forderte den Brief ein und las endlich den gesamten Einladungstext. »Freuen wir uns, Sie im Finale unserer Kochshow Molto Gusto nach Pisa …«, murmelte sie. »Moment. Nach Pisa?!«

Agnieszka schlug wieder die Hände zusammen. »Ist das nicht aufregend? Hildegard wurde nach Pisa eingeladen. Sie wird nach Pisa fahren.«

Die Klosterköchin verschränkte die Arme vor der Brust und stieß lautstark ihren Atem aus, was Isabella entfernt an einen schnaubenden Drachen erinnerte. »Gar nichts werde ich, basta!«

Eine gut gelaunte Männerstimme schallte in die Küche: »Es gibt Pasta? Dann komme ich ja goldrichtig!«

Die Köpfe der Schwestern schwenkten zum Eingang herum.

Isabella erblickte einen vor sich hin grinsenden Matteo, dessen Mimik jedoch plötzlich wie eingefroren wirkte, als er das Chaos in der Küche sah. »Oh, komme ich ungelegen?«

»Nein«, sagten Isabella und Agnieszka sofort.

»Ja!«, erwiderte hingegen Schwester Hildegard.

Caesar bellte freudig auf und rannte auf Matteo zu.

Isabella musterte ihn kurz. Obwohl sie ihn schon längere Zeit kannte, war es für sie immer wieder aufs Neue ein ungewohnter Anblick, ihn in Zivil zu sehen. Nun stand er in Jeans und einem weiten Hemd in strahlendem Weiß, dessen Ärmel bis über die Ellbogen hochgekrempelt waren, im Türrahmen.

Sie konnte es sich nicht richtig erklären, doch sobald der Dorfcarabiniere ihr in Freizeitklamotten gegenüberstand, machte es auf sie stets den Eindruck, als wäre er nicht richtig angezogen. Bei dem Gedanken zuckte sie mit den Schultern. Wahrscheinlich ging es ihm genauso, wenn er sie mal ohne ihre Schwesterntracht zu Gesicht bekam.

Matteo trat auf sie zu und blickte drein, als würde er die Welt nicht mehr verstehen. »Eigentlich wollte ich an meinem ersten Urlaubstag nur mal nachschauen, wie sich die neue Äbtissin in ihrem Job so macht.« Er rieb sich den Nacken. »Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich in einen handfesten Streit hineinschlittere.«

»Es gibt keinen Streit«, entgegnete Isabella.

»Eine … Meinungsverschiedenheit«, sagte Agnieszka.

Schwester Hildegard schwieg eisern.

»Unsere Mitschwester hat eine Einladung zu einer Koch-Show erhalten«, erklärte Isabella.

»Zu Molto Gusto «, fügte Agnieszka strahlend hinzu.

Matteo grinste überrascht. »Ich liebe diese Sendung! Das ist ja eine großartige Neuigkeit.«

Schwester Agnieszkas Lächeln bröckelte in sich zusammen, als sie Hildegard einen leidvollen Blick zuwarf. »Das wäre es, wenn die Schwester nicht so verbohrt wäre und sich nicht mit Händen und Füßen dagegen wehren würde.«

Die Klosterköchin echauffierte sich lautstark: »Ich will nicht ins Fernsehen! Und außerdem …«

»Was außerdem?«, hakte Matteo nach.

»Na, was, wenn meine Tomatensoße nicht gut genug ist?«

»Unsinn!«, sagte Agnieszka sofort. »Es ist die beste Soße, die ich jemals gekostet habe. Und das sagt dir eine Frau, die die halbe Zeit ihres Lebens in Sizilien verbracht hat. Darauf kannst du dir was einbilden. Nirgendwo in Italien gibt es besseres Essen.«

»Das kann man doch nicht verallgemeinern«, stellte Isabella klar, die mit einem Mal die Kochkunst ihrer Heimat kleingeredet sah. »Jede Region hat ihre kulinarischen Vorzüge.«

Schwester Agnieszka schob trotzig die Unterlippe nach vorn. »Aber Sizilien eben die kulinarischsten. Basta!«

»Apropos.« Matteo rieb sich die Hände. »Hier riecht es köstlich. Ist das Essen schon fertig?«

Isabella ging über Matteos Frage hinweg und sah Schwester Hildegard eindringlich an. »Agnieszka hat recht. Deine Tomatensoße ist konkurrenzlos. Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen, dass sie nicht gut genug sein könnte. Im Gegenteil. Es würde nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn du diesen Wettbewerb nicht gewinnst.«

Schwester Hildegard hob langsam den Kopf und sah Isabella nachdenklich an. »Meinst du das wirklich?«

Isabella nickte entschlossen. Dann zwinkerte sie ihr zu. »So wahr ich die Äbtissin dieses Klosters bin.«

Schwester Agnieszka strahlte wieder. »Das Finale findet in einer riesigen Villa statt, und der TV -Sender kommt komplett für Kost und Logis auf. Du darfst sogar deine Familie mitbringen.«

»Aber ihr seid meine Familie!«, erwiderte Schwester Hildegard, was Isabella warm ums Herz werden ließ.

»Außerdem wird das Siegerrezept in das neue Kochbuch von Massimo Coverni kommen«, fuhr Agnieszka weiter fort. »Und es gibt ein Preisgeld.«

»Wer?«, fragte Schwester Hildegard.

»Der Promikoch?«, fragte Matteo.

»Wie hoch ist das Preisgeld?«, fragte Isabella.

»Dreitausend Euro für den Gewinner.«

Matteo blies die Backen auf. »Wow, das ist eine Stange Geld.«

Schwester Hildegard winkte ab. »Was will ich denn damit?«

»Du könntest es dem Kloster spenden«, schlug Agnieszka vor, was Schwester Isabella eifrig nicken ließ.

Das Kloster hätte eine mittelgroße Geldspende wirklich nötig.

Schwester Hildegard reckte nachdenklich das Kinn. »Von dem Geld könnten wir uns einen neuen Backofen kaufen.«

»Und wenn noch was übrig bleibt, könnten wir sogar ein paar Mahnungen begleichen«, sagte Isabella hoffnungsvoll.

Jeden Cent, der auf der Habenseite der Klosterfinanzen landete, nahm sie dankend an. Schließlich musste sie alsbald die Finanzlage des Conventes dem Vatikan darlegen. Und ein dumpfes Gefühl sagte ihr, dass es mit dieser alles andere als gut stand.

»Ihr möchtet also wirklich, dass ich an dem Wettbewerb teilnehme?« Schwester Hildegard sah ihre Mitschwestern forschend an, die vereint nickten. Sie schwieg noch eine ganze Weile, bis auch sie entschieden nickte und sagte: »Schön. Dann werde ich eben nach Pisa fahren.« Sie zeigte mit dem Finger erst auf Agnieszka, dann auf Isabella. »Aber ihr kommt mit mir. Alle beide!«

»Auf jeden Fall komme ich mit«, rief Agnieszka begeistert und strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

»Auf keinen Fall komme ich mit!« Isabella schüttelte heftig den Kopf. »Ich kann hier nicht weg. Ich habe noch so viel Arbeit zu erledigen, und …«

Immacolata fiel ihr ins Wort, die gerade die Küche betrat: »Aber deiner Laune würde eine Auszeit guttun.«

»Welche Laune?«, blaffte Isabella und warf den Kopf zurück.

Schwester Agnieszka sog lautstark die Luft ein und hob die Schultern, als wollte sie ihren Kopf verstecken. »Vielleicht hat Immacolata nicht ganz unrecht«, sagte sie leise. »Seit du Äbtissin bist, bist du völlig angespannt und, nun ja, ein wenig miesepetrig unterwegs.«

Isabella öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie schloss ihn wieder. Hatten die beiden etwa recht? Verwandelte sie sich womöglich wirklich in ein Abziehbild von Filomena?

»Aber …«, stammelte sie. »Ich muss doch für die anderen Schwestern da sein. Immerhin habe ich die Leitung.«

Immacolata zwinkerte ihr spitzbübisch zu. »Oh, wir kommen auch mal ein paar Tage ganz gut alleine klar. Wir werden das Kloster ja nicht gleich abfackeln, wenn die Chefin aus dem Haus ist.«

Isabella warf der alten Schwester einen langen Blick zu. In ihren Ohren klang es beinahe so, als könnten die anderen Schwestern froh darüber sein, wenn sie für ein paar Tage vom Kloster fort wäre.

»Du musst dich eben erst noch in deine Rolle einfinden.« Schwester Hildegard fuhr ihr besänftigend über den Rücken. »Wir alle müssen uns erst an diese … Situation gewöhnen.«

Isabella zögerte. War sie wirklich so angespannt? Natürlich war es eine große Herausforderung, und die katastrophale Buchhaltung belastete sie sehr. Aber …

Matteo mischte sich ein: »Ein bisschen Urlaub würde dir bestimmt mal guttun. Und Pisa ist eine traumhafte Stadt.«

»Gut, dann wäre das geklärt.« Schwester Agnieszka legte in Sachen Grinsen noch eine Schippe drauf. »Stellt sich bloß die Frage, wie wir nach Pisa kommen.«

»Ein Taxi?«, schlug die Köchin vor.

»Zu teuer!«, befand Isabella sogleich.

»Dann bleibt wohl nur der Bus«, sagte Schwester Agnieszka.

»Oder ich fahre euch.« Matteo grinste. »Ich habe Urlaub und eh nichts vor. Ich könnte euch also dort hinbringen.« Er zögerte kurz und fügte dann hinzu: »Das heißt, wenn ihr mich überhaupt dabeihaben möchtet.«

2

»Meine Oma pflegte immer zu sagen: Besser schlecht gefahren als gut gelaufen!« Matteo gab diese Anekdote so herzlich und charmant von sich, dass alle Schwestern loslachten. Dabei fuhren sie wahrlich alles andere als bequem.

Sie saßen eine geschlagene Stunde in Matteos Lancia Delta. Und das obwohl Pisa gerade mal dreißig Kilometer vom Kloster entfernt lag. Der Grund für ihr langsames Vorankommen war Schwester Hildegard, die das Autofahren nicht vertrug und Schnappatmung bekam, sobald der Tacho die achtzig Stundenkilometer ankratzte. Damit fiel die Autobahn weg, und Matteo musste seinen Lancia über die Landstraßen quälen, die sich teils in erbärmlichem Zustand befanden.

Obendrein war die Klosterköchin schwer bepackt. Sie hatte darauf bestanden, ihre eigenen Kochutensilien zum Wettbewerb mitzubringen. Das schloss sogar den riesigen Messingkochtopf mit ein, der nun zwischen ihr und Isabella stand und den meisten Platz einnahm.

Den restlichen Platz füllte Schwester Hildegard beinahe aus. Entsprechend wenig Raum wurde Isabella auf dem Rücksitz zuteil. Zusätzlich unangenehm war es für Isabella, dass ihr der Kochtopf in jeder Kurve in die Rippen stieß.

Selbst die Beinfreiheit war dahin, da zwischen ihren Füßen ihr Reisekoffer stand, der im zu kleinen Kofferraum des Deltas keinen Platz mehr gefunden hatte, weil Schwester Hildegard darauf bestanden hatte, den halben Inhalt des Klosterkühlschranks einzuladen.

Isabella warf ihr einen vorwurfsvollen Seitenblick zu. »Und du musstest wirklich den größten Kochtopf mitnehmen, den wir im Kloster haben?«

Schwester Hildegard nickte entschieden. »Si! Ich kann doch nichts dem Zufall überlassen. Wer weiß, was mir dort in diesem Fernsehkochstudio für Werkzeug untergejubelt wird. Und außerdem, wer kann schon wissen, wie sich der Topf auf den typischen Geschmack meiner Tomatensoße auswirkt. Da kann ich doch kein Risiko eingehen. Seitdem ich im Convento di Nostra Regina della Pace den Kochlöffel schwinge, habe ich meine Tomatensoße stets in diesem Topf zubereitet. Und daran wird sich bis zu meinem letzten Tag auf dieser Erde auch nichts ändern. Basta!«

Isabella seufzte ergeben und rieb sich den Rippenbogen.

»Und das geht wirklich in Ordnung, dass wir alle mitkommen?« Matteo warf der neben ihm sitzenden Agnieszka einen kurzen Blick zu, den die Schwester aber nicht sah, da ihr Gesicht hinter einer großen ausgefalteten Landkarte verborgen lag.

»Die vom Sender haben mir gesagt, dass das überhaupt kein Problem ist.« Isabella sah Agnieszkas Hinterkopf auf und ab gehen. »Die angemietete Villa sei groß genug, und jeder Teilnehmer darf seine Familie mitbringen.« Sie zwinkerte Matteo zu. »Und im Falle von Hildegard eben ihre Mitschwestern. Sie haben sich richtiggehend gefreut, weil sie denken, dass das den Zuschauern sehr gefallen wird, wenn eine Teilnehmerin mit einem geistlichen Aufgebot anreist.«

»Und mit einem Carabiniere«, fügte Isabella an.

»In Zivil«, stellte Matteo klar. »Für mich ist das hier nichts weiter als ein Kurztrip in bezaubernder Begleitung.« Er grinste und blickte mit ruckartigen Bewegungen durch das Wageninnere.

»Gleich sind wir da!«, rief Agnieszka hinter der ausgebreiteten Karte, was Matteo auflachen ließ.

»Das sagt auch mein Navigationssystem. Wir haben unser Ziel in drei Minuten erreicht.« Er griff nach der Karte, um Schwester Agnieszkas Gesicht dahinter zum Vorschein zu bringen.

Diese lächelte unsicher. »Ich trau den neuen Sachen nicht. Aber eine Landkarte hat einen schon immer sicher ans Ziel gebracht.«

Doch Landkarte und Navigationssystem waren sich einig: Ihr Weg führte sie an Pisa vorbei durch das sanfte Hügelland der Toskana, das mit jedem Kilometer ursprünglicher und grüner wurde. Schon bald bogen sie von der Landstraße auf einen schmalen Privatweg ein – eine Zypressen-Allee wie im Bilderbuch.

»Schätze, wir sind da.« Matteo sah sich ausführlich um. Er hatte sich weit nach vorn gebeugt. Beide Hände lagen auf dem Lenkrad, und sein Gesicht klebte geradezu an der Fensterscheibe.

Auch Isabella starrte durch das Seitenfenster und verlor sich in der Schönheit der Landschaft.

Nach einer serpentinenartigen Auffahrt führte sie der Weg durch eine prachtvolle Gartenlandschaft mit einem künstlich angelegten Teich, der so groß wie ein Freizeitbad war.

Isabella staunte. Der Springbrunnen wirkte wie die perfekte Nachbildung des römischen Trevi-Brunnens. Sie ließ das Fenster herunter und atmete tief den frischen Duft von Zitronen und Zypressen ein, den der kühle Wind an sie herantrug.

»Ich muss Pipi«, bemerkte Schwester Agnieszka, die gerade dabei war, umständlich die Landkarte zusammenzufalten.

»Wir sind ja gleich da«, sagte Matteo.

Und nur einen Augenblick später zeigte sich hinter der imposanten Teichanlage eine prachtvolle historische Villa. Das aus mehreren Gebäuden bestehende Anwesen verursachte bei allen ein ehrfürchtiges Raunen. Es wirkte modern, ohne dabei den typisch toskanischen Charme verloren zu haben. Riesige Säulen zierten den weitläufigen Treppenaufgang, der hinauf zu dem mehrstöckigen Gebäude führte.

Schwester Agnieszka vergaß das Falten der Landkarte und starrte ehrfürchtig nach vorn. »Schaut euch nur die Rundbogenfenster an. Das sieht ja aus wie die Fassade der San-Giuseppe-Kirche.«

Matteo stieß einen schrillen Pfiff aus.

»Das nenn ich mal imposant.« Schwester Hildegard nestelte ehrfürchtig an dem großen Holzkreuz herum, das an einer Kette um ihren Hals baumelte. »Da steigt meine Aufregung ja gleich auf das Doppelte an.«

Matteo verlangsamte die Geschwindigkeit und parkte den Wagen schließlich auf dem hellen Schotterplatz vor der Eingangstreppe. Dort stand bereits ein halbes Dutzend weiterer Autos. Er nahm den Parkplatz zwischen einem feuerroten Sportwagen und einem kastenförmigen Übertragungswagen des Canale Toscano.

»Sieh an«, sagte er mit dem Ersterben des Motors. »Die Leute vom Fernsehen sind auch schon da.«

Schwester Hildegard fasste sich an die Brust und stöhnte auf. »Allmählich werde ich wirklich nervös.«

Isabella legte ihre Hand auf die von Hildegard und lächelte sie zuversichtlich an. »Du packst das schon. Wir sind doch bei dir.«

»Danke, Isabella, das bedeutet mir viel. Ich bin so froh, dass ihr mitgekommen seid.«

»Ehrensache«, sagte Agnieszka vom Beifahrersitz aus.

Als sie aus dem Wagen stiegen, kamen bereits drei Personen die Treppe herunter und hielten auf sie zu.

Ehe sie sichs versahen, waren zwei vornehm gekleidete Männer am Kofferraum von Matteos Wagen zugange und luden das Gepäck aus. Isabellas Blick fiel auf eine Frau, die so atemberaubend gut aussah, dass es ihr die Sprache verschlug.

»Buongiorno, die Damen und der Herr.« Mit einem einnehmenden Lächeln breitete sie die Arme aus. »Herzlich willkommen in unserem kleinen, bescheidenen Heim! Ich bin Stefania Montagno, Ihre Gastgeberin.«

Isabella musterte die Frau interessiert, die sie auf Anfang dreißig schätzte. Für ihr Empfinden sahen einige Dinge in Stefanias Gesicht und an ihrem Körper nicht unbedingt von Gott gemacht aus. Ob chirurgisch nachgeholfen wurde oder nicht: Sie war eine bildhübsche Frau und wirkte in ihrem mit Perlen verzierten Empirekleid wie eine Baronin. Ihre langen, glatten Haare waren so blond, dass manche Strähnen im Sonnenlicht förmlich zu leuchten schienen.

Schwester Agnieszka streckte der Hausherrin die Hand entgegen. »Wir freuen uns sehr, hier sein zu dürfen, Signora Montagno«, sagte sie. »Ich bin Schwester Agnieszka. Wir beide haben miteinander telefoniert.« Sie grinste die gut aussehende Frau an, die daraufhin strahlend lächelte. »Wir sind die Begleitung von Schwester Hildegard, der Finalteilnehmerin.«

»Treten Sie doch ein in unser Reich. Ich werde Ihnen alles zeigen und Ihnen meinen Mann vorstellen.« Ihr Blick huschte in Richtung des Übertragungswagens. »Die Leute vom Fernsehen sind auch schon da. Und um Ihr Gepäck kümmern sich meine Leute. Sie bringen alles auf die Zimmer.« In einer fließenden Bewegung richtete sich ihr Blick auf die Schwestern. Dann jauchzte sie begeistert auf. »Drei Schwestern Gottes in meinem Heim.« Sie schlug ein Kreuz. »Das ist mir solch eine große Ehre.«

Isabella senkte verlegen den Kopf. Sie mochte es nicht, wenn zu viel Aufhebens um ihre Person gemacht wurde.

»Wirklich traumhaft haben Sie es hier«, rief Schwester Agnieszka begeistert, die sich neben Stefania gesellte.

Isabella sah dabei zu, wie Matteo seine Reisetasche aus dem Kofferraum hob, sie umständlich schulterte und dabei dem Sportwagen bedrohlich nahe kam.

»Vorsichtig!« Stefanias perfekte Gesichtszüge entglitten ihr für den Bruchteil einer Sekunde. »Mein Mann liebt seinen Ferrari mehr als alles andere. Er würde jeden umbringen, der einen Kratzer in den Lack macht.« Sie warf Matteo einen eindringlichen Blick zu. »Und das meine ich absolut ernst. Erst neulich hat es eine Ratte gewagt, sich auf die Motorhaube zu setzen und dabei mit ihren kleinen Krallen einen tiefen Kratzer zu verursachen. Mein Mann ist vollkommen ausgeflippt.« Stefania lachte. »Er kann äußerst impulsiv sein, müssen Sie wissen. Und seitdem hat er diesen Viechern den Krieg erklärt und überall Köder ausgelegt.«

»Ist ja nichts passiert.« Matteo hob beschwichtigend die Arme, woraufhin Stefania dankbar nickte.

Dann drehte sie sich um und führte die drei Nonnen die Treppe hinauf.

»Wow, ein Ferrari Portofino«, hörte Isabella Matteo achtungsvoll vor sich hin murmeln. »Was würde ich dafür geben, ebenfalls solch einen Wagen zu besitzen.«

Isabella warf ihren Kopf zurück und sah ihn mit einem milden Lächeln an. »Bei deinem Polizistengehalt wird es wohl bei diesem Traum bleiben.«

»Und wenn schon.« Seine Schultern zuckten unbekümmert auf. »Meine Mutter hat mir beigebracht, mit dem zufrieden zu sein, was einem das Leben gibt.«

Er tätschelte den Kotflügel seines Lancia Deltas und folgte Isabella die schneeweiße Treppe hinauf.

Diese konnte sich an dem verschwenderischen Baustil des Anwesens nicht sattsehen. Sie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Schwere Säulen stützten das elegante Portal, das in die Villa führte. Der Marmorboden der lichtdurchfluteten Empfangshalle glänzte so intensiv, dass man sich darin spiegelte.

Drinnen war alles luxuriös und sah nach hochwertiger Ausstattung aus. Isabella kam sich tatsächlich vor wie in einem richtigen Palast.

»Es ist uns eine große Ehre, dass das Finale der Show in unserem Zuhause gedreht wird«, rief Stefania mit überdrehter Stimme. »Ich kann bloß hoffen, dass wir unserem Anspruch als Gastgeber gerecht werden. Kommen Sie mit ins Wohnzimmer. Dort warten bereits die anderen.«

Sie führte sie durch einen Raum, der dreimal größer war als das Refektorium des Klosters. Der hallenartige Salon hatte eine breite Fensterfront mit Blick auf einen imposanten Palmengarten mit Nierenpool. Unmittelbar dahinter erstreckte sich ein botanischer Garten mit exotischen Bäumen und Pflanzen, die Isabella noch nie in der Toskana gesehen hatte. In der Ferne zeichneten sich die roten Dächer Pisas ab.

Am hinteren Ende des Salons stand eine beigefarbene Couchlandschaft, die zwar hübsch aussah, aber nicht sonderlich bequem wirkte. In direkter Nähe war eine Kaffeebar aufgebaut, auf deren Tresen eine riesige chromglänzende Siebträgermaschine stand.

»Hier wird die Aufzeichnung stattfinden.« Stefania führte sie zu vier mitten im Raum aufgebauten Kochstationen, die wie für diese Region so typische Landhausküchen wirkten.

Im vorderen Bereich gab es jeweils eine großzügige Arbeitsplatte mitsamt Kochplatten. Im Hintergrund standen geflieste Regalwände, und jede Küchenzeile hatte ihren eigenen Kühlschrank.

Für Isabella ließ sich nur erahnen, welch Aufwand es gewesen sein musste, diese vier Kochzeilen inmitten des Wohnzimmers zu errichten. Anscheinend hatte der Sender weder Kosten noch Mühen gescheut.

Und auf einmal verspürte auch Isabella eine gewisse Anspannung in der Brust. Sie machte sich nicht sonderlich viel aus Fernsehen. Doch hautnah bei der Produktion einer TV -Sendung dabei zu sein, war spannend.

Stefania lachte gekünstelt. »Das hat man davon, wenn man mit einem Medienmenschen verheiratet ist. Da verwandelt sich das eigene Wohnzimmer mal schnell in ein Kochstudio.« Ihr Kopf ruckte zur Seite. »Ach, wenn man vom Teufel spricht.«

Just in diesem Moment traten einige Leute von der Terrasse in den Raum.

»Darf ich vorstellen«, begann sie mit einer einladenden Geste. »Das ist das Filmteam, die anderen Teilnehmer, und mein Göttergatte: Salvatore Montagno. Er gehört der Geschäftsführungsriege des Senders an, und deshalb ist es Ehrensache, dass wir unsere Villa für die Aufnahmen zur Verfügung stellen. Nicht wahr, Darling?«

»Ach«, erwiderte Isabella überrascht und sah dabei zu, wie der Mann mit großen Schritten buchstäblich auf sie zuhechtete.

»Ah, die letzte Teilnehmerin im Bunde«, rief er begeistert und bremste seinen forschen Schritt ganz dicht vor ihnen ab. »Eine von Ihnen muss Schwester Hildegard sein.«

Während Schwester Hildegard dem Mann schüchtern zunickte, musterte Isabella ihn eingehend.

Er war groß und hatte ein scharf geschnittenes Gesicht mit kantigem Kinn. Sein mit dicken grauen Strähnen durchzogenes Haar war aufwendig geföhnt und erinnerte Isabella an das Fell eines Stinktiers. Ganz bestimmt war er Jahrzehnte älter als Stefania. Doch die sonnengebräunte Haut und der schlanke Körper ließen ihn jung geblieben erscheinen.

»Das bin ich«, erwiderte Schwester Hildegard zaghaft.

Der Mann grinste – weniger freundlich, mehr haifischartig –, als er ihre Hand ergriff. »Dann sind wir beide Kontrahenten«, erklärte er. »Meine Tomatensoße hat es nämlich auch in die Endrunde geschafft.« Er lachte laut und ruppig, und mit einem Mal schlug das Lachen in ein schwerfälliges Husten um.

Isabella war schon drauf und dran, auf ihn zuzustürmen und ihm auf den Rücken zu klopfen, doch da griff Salvatore in die Hosentasche und zog einen Inhalator hervor, den er fest schüttelte und sich geradezu gierig in den Mund steckte.

»Mein Mann leidet an Asthma«, erklärte Stefania mit sorgenvollem Gesicht.

In Isabellas Ohren klang es wie eine Entschuldigung.

»Geht schon wieder«, erwiderte Salvatore mit dünner Stimme. »Ich habe mich heute Morgen ein wenig zu sehr beim Sport verausgabt.«

Stefania sah ihn derart scharf an, dass sich ihre perfekt gezupften Brauen beinahe in der Mitte trafen. »Seit wann ist Zigarrenrauchen ein Sport?«

Salvatore krächzte ein heiseres Lachen hervor. »Es kann ja nicht jeder so sportverrückt sein wie du.« Er wandte sich den anderen zu. »Stefania verbringt mehr Zeit mit Yoga als mit der Hausarbeit.« Er hob die Hand und ließ sie kapitulierend fallen. »Was wir uns an Personal einsparen könnten, wenn du mal selbst den Putzlappen in die Hand nehmen würdest.« Er lachte noch einmal ruppig auf, verstummte aber sogleich, als niemand einstimmte und er sich von Stefania einen vernichtenden Blick einfing.

»Etwas Yoga würde dir auch guttun, Darling«, spöttelte sie leise. Noch immer erkannte Isabella die funkelnde Wut in ihren Augen.

Salvatore lachte wieder, diesmal verhaltener. »Keine zehn Pferde bekommen mich in deinen Yogaraum.« Er erschauerte künstlich. »Außerdem habe ich mich heute bereits viel zu sehr über mein Team aufregen müssen.« Er kam ein Stück auf die Schwestern zu und sagte mit verschwörerischer Stimme: »Sie glauben ja gar nicht, wie schwer es ist, gutes Personal zu finden.«

Isabella fiel auf, dass er zwar flüsterte, aber dennoch laut genug sprach, dass das herumstehende Team ihn klar und deutlich hören musste. Mit purer Absicht, wie sie vermutete.

Dann räusperte er sich angestrengt den Belag von den kratzigen Stimmbändern und stopfte den Inhalator zurück in die Hose. »Meine Frau ist stets besorgt um meine Gesundheit.« Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

Stefanias Miene blieb eisig.

»Sie nehmen also auch an dem Wettbewerb teil«, sagte Matteo langsam.

»Si!« Salvatore nickte entschieden.

»Aber … Moment.« Isabella war verwirrt. »Ich dachte, Sie seien der Chef des Senders.«

Salvatore schüttelte belustigt den Kopf. »Ja und nein. Ich bin einer der stillen Teilhaber.«

»Still«, echote eine Frau hinter ihm mit einem Lachen in der Stimme. »Von wegen!«

Salvatores Blick ging zur Seite, und er lächelte ebenfalls. Auf Isabella wirkte es jedoch ein wenig verkrampft.

»Tja, und das ist Anastasia Bellucci. Sie ist die …«

»Moderatorin von Molto Gusto !« Schwester Agnieszka schrie begeistert auf. »Ich kenne Sie! Ich bin ein echter Fan Ihrer Sendung!«

»Nicht nur Moderatorin, ich bin auch die Programmchefin.« Die Frau lächelte freudig, und wenigstens das wirkte auf Isabella aufrichtig.

Sie war schon etwas älter, vielleicht an die fünfzig, und sie hatte ein überaus sympathisches Gesicht. Sie stand so dicht neben Salvatore, dass sich ihre Schultern berührten.

»Es ist ein kleiner Sender«, erklärte sie. »Da haben alle Mitarbeiter mehrere Rollen auszufüllen.« Sie nickte Salvatore doppeldeutig zu. »Ich als Moderatorin und Programmchefin. Signore Montagno als Teilhaber und Teilnehmer.« Sie zeigte ein Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte.

Isabella wurde den Eindruck nicht los, dass sie und Salvatore nicht das beste Verhältnis zueinander hatten.

Doch ehe sie länger darüber nachdenken konnte, wandte Anastasia Bellucci sich Schwester Hildegard zu. »Es freut mich sehr, Sie und Ihre Freunde kennenzulernen. Wir sind wirklich äußerst gespannt auf Sie. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass unsere Sendung kirchlichen Beistand erfährt.«

»Ähm, danke.« Schwester Hildegard räusperte sich angestrengt und warf Isabella einen unsicheren Blick zu.

Salvatore mischte sich in das Gespräch: »Wenn Sie möchten, stelle ich Ihnen die anderen Teilnehmer der Endrunde vor. Es ist ja immer gut, die Konkurrenz kennenzulernen, nicht wahr?«

Isabella musterte ihn. Da war es wieder. Dieses Haifischgrinsen. Sie kannte es nur zu gut vom Bürgermeister.

Der Mann hielt Schwester Hildegard den Arm hin, und sie hakte sich lächelnd bei ihm ein und ließ sich fortführen.

Isabella tauschte mit Matteo einen langen Blick. Doch dann neigte sie den Kopf und sah die Programmchefin aufmerksam an. »Aber wirkt das nicht ein wenig wie …«

»Wettbewerbsverzerrung?«, beendete Anastasia Bellucci den Satz. Sie sprach das Wort leise aus. Als hätte es Zähne und könnte beißen. »Hm, was soll ich sagen?« Sie hob die Schultern. »Er kann eben wahnsinnig gut kochen, und seine Tomatensoße ist wirklich gut. Die Jury hat eben so entschieden.« Sie wandte sich ab, um Salvatore und Schwester Hildegard zu folgen, warf aber noch einmal einen Blick zurück zu Schwester Isabella. »Außerdem ist er mein Boss. Ich dürfte also gar nichts anderes behaupten.« Sie zwinkerte ihr verschwörerisch zu und drehte sich wieder um.

Isabella sah Matteo noch einmal ratlos an. Da der Carabiniere aber nichts dazu sagte, schwieg auch sie.

Die Gruppe versammelte sich um einen der vier Küchentische, und Isabella bekam gerade noch mit, wie Schwester Hildegard den anderen Teilnehmern vorgestellt wurde.

Gerade schüttelte die Schwester die Hand einer jungen Frau mit langen dunklen Haaren und rehbraunen Augen, die ein wenig verunsichert wirkte und angestrengt vor sich hin grinste. Die Schwester stellte ihr ein paar Fragen, erntete als Antwort aber nur ein Lächeln.

Salvatore äußerte sich: »Liebes. Bei den späteren Aufnahmen musst du aber ein wenig aus dir rauskommen. So wortkarg wird das vor der Kamera nichts.«

Die Frau wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, doch der neben ihr stehende Mann kam ihr zuvor: »Marina wird aus sich herauskommen, wenn erst einmal die Kamera auf sie gerichtet ist. Nicht wahr, Schatz?«

Die Frau nickte vorsichtig.

Auf Isabellas fragenden Blick hin sagte er: »Ich bin Marco, ihr Ehemann. Ich habe sie hierhergefahren. Marina hat nämlich keinen Führerschein, was auch besser so für alle ist.« Ohne Vorwarnung lachte er rau auf. »Sie ist nämlich dreimal durch die Führerscheinprüfung gerasselt.«

Isabella sah, wie sich die Wangen der Frau vor Scham rot färbten.

»Das ist doch nichts, wofür man sich schämen muss«, sagte eine, nun ja, wirklich alte Frau. »Ich habe auch keinen Führerschein gemacht und bin damit wunderbar im Leben zurechtgekommen.« Irgendwie schaffte sie es, Marina wohlwollend anzulächeln und gleichzeitig einen bösen Blick auf ihren danebenstehenden Mann zu werfen.

Das brachte Isabella zum Grinsen, denn die Frau erinnerte sie spontan an ihre eigene Oma.

»Das ist Sofia«, sagte die Moderatorin in die Runde.

Isabella schätzte die alte Frau auf jenseits der achtzig. Sie war klein von Statur, etwas knubbelig und hatte weiße Haare, deren Spitzen so dünn waren, dass sie wie Spinnwebfäden wirkten. Auf ihrer breiten Nase thronte ein riesiges Brillengestell mit Gläsern so dick wie die einer Lupe.

»Sofia hat die weiteste Anreise von uns«, fuhr die Moderatorin fort. »Sie stammt aus Cortona.«

»Etwa dieses urige Bergdörfchen in Arezzo?«, fragte Schwester Isabella begeistert.

Als Kind hatte sie einmal mit ihrem Vater einen Ausflug dorthin gemacht, um sich das mittelalterliche Fest anzuschauen, das alljährlich dort gefeiert wurde: das Giostra dell’Archidado. Sie erinnerte sich noch genau an den Höhepunkt dieser Veranstaltung: das Armbrustschießen, bei dem die Stadtviertel gegeneinander antraten.

Sie war von der Treffsicherheit der Schützen mit ihren martialischen Waffen, mit denen sie auf großen Abständen ins Schwarze trafen, begeistert gewesen. Das Fest war ihr deshalb so klar in Erinnerung geblieben, weil ihr Vater vor seinem Eintritt in die Rente ein vielbeschäftigter Mann gewesen war und sie selten Familienausflüge gemacht hatten.

Die alte Frau nickte eifrig und umklammerte die riesige Handtasche, die sich in ihren Händen befand, als würde sie ihr Halt geben. »Genau von dort stamme ich.« Isabella hörte den Stolz in ihrer Stimme. »Und dorthin werde ich auch den Siegerpokal bringen.« Sie warf einen ernsten Blick in die Runde. »Damit sich da niemand von euch Illusionen hingibt.«

Isabella grinste genüsslich vor sich hin. Ein Medienmogul, ein Mauerblümchen, eine alte Frau und eine Ordensschwester, dachte sie amüsiert. Wenn das keine illustre Teilnehmerrunde ist.

3

Schwester Isabella mochte die alte Sofia auf Anhieb. Sie hatte etwas Gerissenes in ihren Augen, das zeigte, dass sie mit allen Wassern gewaschen war. Sie kannte ihr Soßenrezept nicht. Aber wenn es jemanden gab, der Schwester Hildegard gefährlich werden konnte, dann war es zweifellos die alte Frau aus dem Bergdorf.

»Jetzt, da wir uns alle eingefunden haben, würde ich euch gerne mit dem Ablaufplan vertraut machen.« Anastasia ließ sich von einem Mann mit Vollbart und schwarzem T-Shirt ein Klemmbrett aushändigen, durch dessen Seiten sie routiniert blätterte. »Den Rest des Tages wird die Crew damit beschäftigt sein, jedes einzelne Kochstudio auszuleuchten und alles für die Aufnahmen fertig zu machen.« Sie hob den Blick und sah sie alle der Reihe nach an. »Für die Teilnehmer bedeutet das, dass ihr voll und ganz die Annehmlichkeiten der Villa Montagno genießen könnt, und –«

Salvatore fiel ihr breit grinsend ins Wort: »Mi casa es su casa. Fühlt euch bitte wie zu Hause.«

» UND «, sagte die Moderatorin einen Tick lauter, »euch auf die morgigen Aufnahmen vorbereiten könnt.« Sie warf Salvatore einen zornigen Blick zu. Anscheinend mochte sie es nicht, von ihm unterbrochen zu werden. »Unser Team wird von jedem einen Einspieler drehen und mit ihm ein kleines Interview führen.« Der Zorn war aus ihrem Gesicht verschwunden, und sie grinste jeden der Teilnehmer an. Isabella aber bemerkte, dass sie Salvatore ausließ. »Unser Publikum will euch schließlich kennenlernen – und das doch bitte so authentisch wie möglich.«

Die neben ihr stehende Hildegard schluckte nervös, woraufhin Isabella ihre Hand nahm und sie fest drückte.

»Übermorgen geht es dann ans Eingemachte«, sprach Anastasia weiter. »Dann werden wir euch dabei filmen, wie ihr eure Tomatensoße zubereitet. Direkt im Anschluss wird eine ausgewählte Jury den Sieger küren. Gibt es Fragen so weit?«

Niemand meldete sich. Doch dann reckte sich ganz langsam der Zeigefinger von Marina empor. »Ein richtiges Interview?«, fragte sie leise. »So mit Fragen und Antworten?«

Anastasia nickte. »Genau so.«

»Darf ich die Fragen denn vorher sehen?«, wollte Marinas Mann wissen.

»Nein«, sagte die Moderatorin sofort. »Es ist schließlich nicht so, dass wir einen Fragebogen angefertigt haben und den abarbeiten.« Sie schüttelte den Kopf. »So gehe ich nicht vor. Es ergibt sich eben aus der Situation heraus. Ich mag es spontan.«

Marinas Mann grummelte etwas vor sich hin, und seine Frau lächelte verlegen. »Kein Problem«, sagte sie leise.

Der Blick der Moderatorin streifte erneut durch die Runde. »Sonst noch irgendwelche Fragen? Nein? Schön. Dann kommen wir nun zur Küchenausstattung.« Sie schlenderte um die Arbeitsplatte herum und zog die Kühlschranktür auf. »Jede Arbeitsstation ist exakt identisch ausgestattet. Ihr findet alles an Kräutern und Gemüse, was es für eine gute Tomatensoße braucht. Selbstverständlich dürft ihr aber auch eure eigenen mitgebrachten Zutaten verwenden.«

»Und unsere Töpfe?«, fragte Schwester Hildegard vorsichtig.

»Eure Töpfe natürlich auch.« Anastasia lächelte. »Fühlt euch wie in eurer eigenen Küche. Zudem gibt es hinter dem Haus einen großen Kräutergarten und ein ziemlich gut ausgestattetes Gewächshaus, in dem ihr sogar frische Tomaten ernten könnt.«

»Meine Tomaten für die Soße kommen aus der Dose«, sagte Marina zaghaft. Ihre Züge versteinerten sich jedoch, als sie den Blick ihres Mannes einfing. »Habe ich zu viel gesagt?«, fragte sie unsicher.

Er lächelte verkrampft. »Du darfst der Konkurrenz doch nicht dein Rezept verraten.«

Die Moderatorin mischte sich ein: »Nun, es ist ja nicht so, dass wir hier Atomphysik betreiben und eine neue Wasserstoffbombe zusammenbrodeln wollen.«

»Mein Rezept erfährt niemand«, stellte Sofia klar. Zur Untermauerung verschränkte sie die Arme unter der üppigen Brust.

»Aber ich dachte, dass das Gewinnerrezept in das neue Kochbuch von Massimo Caverni kommt?« Schwester Agnieszka wirkte verdutzt.

»Tut es auch«, erwiderte die Moderatorin.

»Meins aber nicht«, entgegnete Sofia noch eine Spur lauter.

Die Moderatorin schnaubte angestrengt und rollte mit den Augen, was Isabella aufgrinsen ließ. Das können amüsante zwei Tage werden, dachte sie belustigt.

»Alle dürfen sich in meiner Küche, im Kräutergarten und im Gewächshaus nach Herzenslust bedienen«, sagte Salvatore. »Ich bin zwar euer direkter Konkurrent, aber auch euer Gastgeber und somit dafür verantwortlich, dass ihr euch rundherum wohlfühlt.«

»Danke, Salvatore. Das ist wirklich sehr nett von dir.« Immerhin brachte Anastasia nun ein schmallippiges Lächeln zustande.

»Keine Ursache, Anastasia. Bloß von meinen Zigarren lasst ihr die Finger. Und von meiner Frau!« Er grinste breit in die Runde, doch die Aufmerksamkeit galt dem Mann, der gerade das Wohnzimmer betrat.

Neben sich hörte Isabella Agnieszka nach Luft schnappen. Und auch Marina und die Frau des Medienmoguls rissen ihre Augen interessiert auf. Selbst Sofia streckte die Brust heraus und hob das Kinn.

Ehe Isabella begriff, was um sie herum geschah, begrüßte der gut aussehende Mann alle Anwesenden mit überschäumender Lebensfreude.

Sie schenkte ihm einen längeren Blick. Der Mann, dem Aussehen nach in den Dreißigern, trug ein weißes Kochhemd, dessen obere Knöpfe offen standen. Er fuhr sich scheinbar beiläufig durch das volle halblange Haar, während er in die Runde strahlte. Mit seinem lockeren Auftreten machte er auf Isabella einen charmant-arroganten Eindruck.

»Massimo Caverni!«, schrie Agnieszka beherzt auf. » DAS IST MASSIMO CAVERNI !«

Isabella hörte sowohl Salvatore als auch Marinas Mann leise aufstöhnen. Die anderen Frauen gaben sich hingegen einem synchronen Schmachten hin. Bloß Schwester Hildegard, Matteo und sie verstanden die Aufregung nicht.

»Und da kommt auch schon der Stargast unserer Kochsendung.« Anastasia vollführte eine Präsentationsgeste, als wollte sie einen Neuwagen an den Mann bringen.

»Komme ich zu spät?«, fragte Massimo gut gelaunt und zeigte ein Lächeln, das so ansteckend war, dass Isabella spontan grinste.

Ohne ihm eine Antwort zu geben, erklärte die Moderatorin: »Massimo ist seit Jahren das Gesicht unserer Kochsendung, und wir sind mächtig stolz, ihn mit an Bord zu haben. Er zählt zu Italiens kreativsten Köchen.«

Der Koch winkte ab. »Ach was, Anastasia. Jetzt übertreibst du.«

Salvatore kam auf ihn zu und legte freundschaftlich seinen Arm um dessen Schulter. »Von wegen! Sein Ristorante Caverni hat zwei Michelin-Sterne und zählt zu den besten Adressen der Toskana. Stefania und ich sind dort Stammgäste.«

Massimos charmantes Lächeln verwandelte sich in ein verlegenes. Er befreite sich nicht minder charmant aus der Umklammerung und rieb sich die Hände, während er die Runde betrachtete. »Ihr müsst die anderen Teilnehmer der Final-Show sein«, sagte er. »Freut mich sehr, euch dabeizuhaben. Ich war übrigens mit im Gremium, das eure Soßen für das Finale ausgewählt hat, und ich kann es kaum erwarten, eure Rezepte zu stehlen und sie als meine auszugeben.« Sein Tonfall machte klar, dass es als Scherz gemeint war.

Doch Sofia erwiderte barsch: »Mein Rezept bekommt dieser Gockel ganz bestimmt nicht!«

»Dieser Gockel ist zufällig einer der besten Köche Italiens«, raunte Agnieszka ihr wütend zu.

Ehe jemand einen Streit vom Zaun brechen konnte, wandte sich Massimo der alten Frau zu und drückte ihre Hände. »Du bist Sofia, richtig? An deine Soße kann ich mich noch sehr gut erinnern. Sie schmeckte hervorragend.« Er hob seine Hand, formte einen Kreis mit Daumen und Zeigefinger und küsste die Luft. Mit zusammengeschobenen Brauen zwinkerte er ihr verschwörerisch zu. »Wenn du diese Show hier gewinnst, stelle ich dich in meinem Restaurant als Souschefin ein. Ist das ein Deal?«

Sofias Züge waren noch immer hart, doch in ihren Augen blitzte es freundlich auf. »Ach«, stieß sie aus. »Jemanden wie mich könntest du dir doch gar nicht leisten.«

Einen kurzen Augenblick wurde es still, doch dann brachen Sofia und Massimo gleichzeitig in schallendes Gelächter aus.

Isabella war beeindruckt. Dieser Mann verstand es, das Eis zu brechen. Während auch sie in das einnehmende Lachen der beiden einstimmte, hörte sie Agnieszka neben sich noch einmal lautstark ihrem Schmachten Ausdruck verleihen.

4

So ließ sich das Leben wahrlich aushalten. Für einen Moment vergaß Isabella all die Sorgen, die sie in Santa Caterina in ihrem kleinen, angestaubten Klosterbüro geplagt hatten.

Ihr schlechtes Gewissen hielt sich in Grenzen. Unter Filomenas Führung war die Buchhaltung lange Zeit derart sträflich vernachlässigt worden, dass ein paar Tage mehr nicht weiter ins Gewicht fielen.

Sie nippte an ihrem Virgin-Island-Ice-Tea, den ihr Giulio, der Poolboy, zubereitet hatte, und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen des traumhaft schönen Winternachmittags.

Und dennoch blieb ein klitzekleines ungutes Gefühl zurück. Sie hoffte, dass die anderen Schwestern ohne sie im Kloster zurechtkamen.