Kokosmakronenküsse - Karin Lindberg - E-Book + Hörbuch

Kokosmakronenküsse Hörbuch

Karin Lindberg

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Beschreibung

Wenn man den Traummann trifft und gerade kein Mistelzweig in der Nähe ist ... Kurz vor Weihnachten und alles geht schief, dabei müsste sich die Musiklehrerin Luisa Zimmermann eigentlich auf das große Konzert an ihrer Musikschule vorbereiten. Als in ihrer ohnehin schon prekären finanziellen Lage dann auch noch ihr geliebter Käfer den Geist aufgibt, verlässt sie vollends der Mut. Hilfe erhält sie von gänzlich unerwarteter Seite. Die Reparatur ihres Wagens ist jedoch an eine Bedingung geknüpft: Luisa soll Till heiraten – zum Schein. Dummerweise entpuppt sich der attraktive Mechaniker als gar nicht so gefühlskalt, wie zunächst angenommen. In einem Moment der Schwäche kommen sich die beiden näher und plötzlich wird es schrecklich kompliziert. Ihre Gefühle waren doch nur gespielt, oder etwa nicht? Der Roman ist in sich abgeschlossen und gehört nicht zu einer Serie. Ein wundervoller, romantischer und humorvoller Liebesroman von Bestsellerautorin Karin Lindberg.

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Zeit:7 Std. 10 min

Sprecher:Rebecca Madita Hundt

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KOKOSMAKRONENKÜSSE

LIEBESROMAN

KARIN LINDBERG

KARIN LINDBERG

INHALT

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Hol dir dein Geschenk

Luisas Kokos-Cupcakes und Kokosmakronen

Lektorat: Dorothea Kenneweg

Korrektorat: Dr. Andreas Fischer

Covergestaltung: Casandra Krammer – www.casandrakrammer.de

Covermotiv:  depositphotos.com,  antonvladimirov333, irinagutyryak, EdZbarzhyvetsky  – envato.com, PixelSquid360 Copyright © Karin Lindberg 2017

Schneeflocke: Pixabay

K. Baldvinsson

Am Petersberg 6a

21407 Deutsch Evern

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Alle Rechte vorbehalten.

Jede Verwertung oder Vervielfältigung dieses Buches – auch auszugsweise – sowie die Übersetzung dieses Werkes ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Handlungen und Personen im Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Erstellt mit Vellum

PROLOG

Mist, schoss es Luisa durch den Kopf. Sie hatte schon wieder ihren Schlüssel im Auto vergessen. Kopfschüttelnd ruckelte sie am vorderen Kippfenster, bis es aufging. Sie steckte ihre Hand hinein und zog den Knopf an der Fahrertür hoch. Nicht ganz leicht mit der Winterjacke, aber dank regelmäßiger Übung gelang es ihr binnen Sekunden, die Autotür zu öffnen.

Und täglich grüßt das Murmeltier, dachte sie, als sie in ihren hellblauen Käfer, den sie auf den Namen Wölkchen getauft hatte, einstieg. Ein Wunder, dass noch niemand auf die Idee gekommen war, das Auto zu klauen, wo sie doch den Schlüssel immer wieder stecken ließ. Aber so eine betagte Klapperkiste wollte offenbar keiner haben.

Fahrräder hingegen hatte man Luisa bereits drei gestohlen, nur ihren uralten VW ließ man stehen. Die Diebe wussten wahrscheinlich, dass man mit so einer antiken Karre nur Ärger hatte.

Nur gut, dass die Temperatur heute nicht unter null Grad gefallen war, sonst hätte sie die Scheiben nicht nur von außen, sondern, wie immer im Winter, zusätzlich von innen freikratzen müssen.

Beim zweiten Versuch sprang der Motor glücklicherweise an. Eilig fädelte sie sich in den Verkehr, weil sie nicht zu spät zu der Verabredung mit ihren Freunden Anne und Per kommen wollte und sie sich vorher noch umziehen musste. Dabei überfuhr sie beinahe zwei rote Ampeln. Erfreulicherweise fand sie kurz darauf eine Parklücke direkt vor ihrem Wohnhaus. Das sparte ihr in etwa drei Minuten.

Zu blöd, dass sie die im Treppenhaus sofort wieder einbüßte, als sie ihrem Vermieter Klaus Henkel begegnete, der sie leider an Ort und Stelle festnagelte. Verübeln konnte sie es ihm nicht, aber dummerweise war ihr Dispo auch schon am dritten Dezember ausgereizt …, aber das interessierte Herrn Henkel natürlich nicht die Bohne.

»Frau Zimmermann«, spulte er sichtlich genervt die gleiche Platte wie immer in den vorausgegangenen Wochen ab. »Wenn die Miete für die letzten drei Monate nicht bis zum fünfzehnten da ist, fliegen Sie raus.«

»Aber es ist kurz vor Weihnachten«, wandte Luisa kleinlaut ein und hoffte auf sein Mitleid.

Herr Henkel rieb sich über seinen voluminösen Bauch und hob eine Augenbraue. »Das ist mir scheißegal. Ich bin nicht die Wohlfahrt. Guten Abend.«

Dann verschwand er in seiner Wohnung und knallte die Tür so laut hinter sich zu, dass Luisa zusammenzuckte. Verdammt. Aber sie hatte sich schon gedacht, dass der Kerl ihr nicht die Miete erlassen würde, nur weil sie ihn mit großen Augen darum bat.

Nur woher nehmen und nicht stehlen?, fragte sie sich zum tausendsten Mal, während sie sich mit pochendem Herzen nach oben schleppte. Diese unangenehmen Zusammentreffen setzten ihr immer zu. Dabei konnte sie ausnahmsweise nicht einmal was dafür, dass sie in Zahlungsverzug war.

Schließlich war nicht sie es gewesen, die tausende von Euro bei irgendwelchen Sex-Hotlines verpulvert hatte. Leider war es der Telefongesellschaft herzlich egal, wer am Hörer gewesen war, denn der Anschluss lautete auf ihren Namen, und somit hatte sie die Rechnung im Briefkasten gehabt und nicht Manuel.

Es war der letzte Tropfen gewesen, der ihr persönliches Fass an Erträglichem zum Überlaufen gebracht hatte. Sie hatte ihn daraufhin hochkant rausgeworfen, aber die Forderung musste dennoch beglichen werden. Manuel hatte, wie üblich, nicht einen Cent auf dem Konto gehabt, nur deshalb hatte er sich wahrscheinlich bei ihr eingenistet. Sicher, ihre Beziehung war anfangs ganz harmonisch gewesen, aber wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann war es für ihn vor allem bequem gewesen, er hatte sie ausgenutzt und nie wirklich geliebt.

Dass Luisa zu gutmütig und gutgläubig war, hatte ihr letztendlich das Genick gebrochen und sie in diese extreme finanzielle Misere gebracht.

Zu ihrer Verteidigung brachte sie immer wieder vor, dass Manuel sie um den Finger gewickelt hatte. Eine glückliche, respektvolle Beziehung sah jedoch anders aus. Noch einmal würde sie nicht auf so einen Scheißkerl reinfallen.

»Verflucht«, murmelte sie, als sie die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss und ihre Tasche auf den alten Dielenboden fallen ließ. Eigentlich hatte sie nach der unerfreulichen Begegnung mit Herrn Henkel überhaupt keine Lust mehr auf einen Kneipenabend mit ihren Freunden, aber sie wollte nicht absagen. Sie kannte ihre Pappenheimer viel zu gut, die würden sich garantiert schnurstracks auf den Weg zu ihr machen und sie dann zu Hause nerven. Das wollte Luisa unbedingt vermeiden. Das Lokal konnte sie nach einer Stunde verlassen, wenn die beiden erst mal in ihrem Wohnzimmer festsaßen, würde es die halbe Nacht dauern, bis sie ihre Ruhe hatte. Die zwei hatten Sitzfleisch …

Schnell tauschte sie ihren Wollpullover, den sie heute bei den Proben für das Weihnachtskonzert getragen hatte, gegen ein schwarzes Shirt, bevor sie die Treppen hinunterpolterte. Natürlich war sie nach dem unerfreulichen Gespräch nun doch viel zu spät dran. Das lief ja super …

Mit einem »Da bist du ja endlich« wurde sie kurz darauf von Anne und Per im »Mondmann«, ihrer Stammkneipe an der Ecke, begrüßt.

»Fragt nicht«, antwortete Luisa und winkte ab. »Die Story wollt ihr gar nicht hören.«

Anne drückte sie kurz und schob ihr anschließend einen »Kokoskuss«, ihren Lieblingscocktail, über den Tisch zu. »Den haben wir dir schon mal bestellt, war doch richtig, oder?«

Luisa verzog das Gesicht. »Nein, gerade heute wollte ich einen anderen«, scherzte sie ironisch.

Per rückte sich seine schwarze Brille höher auf die Nase. »Kinder, kein Gezicke heute Abend. Seid friedlich!«

»Sind wir doch«, erwiderte die blonde Anne und erhob ihr Glas. »Cheers, Ladys.«

Luisa sog am Strohhalm ihres Drinks und entspannte sich endlich ein wenig, als sie die Mischung aus Batida de Coco und Cachaca schmeckte. Den »Kokoskuss« bekam nur Marc, der Barkeeper im »Mondmann«, so perfekt hin.

Eine Cocktail-Runde später sah es in Luisas Welt nicht mehr ganz so düster aus. Dass sie chronisch pleite war, änderte sich dadurch zwar nicht, aber an diesem Abend würde ihr sowieso keine Lösung für ihre Geldsorgen ins Haus flattern, also machte Verdrängung aktuell am meisten Sinn.

Luisas Aufmerksamkeit wurde in diesem Moment auf den Eingang gelenkt, als drei Typen ihre Stammkneipe betraten. Sie hatte sie hier noch nie gesehen, vielleicht waren es Touristen. Der Größte von ihnen trug eine dunkle, offenstehende Lederjacke und sein dunkelbraunes, fast schwarzes Haar stand ihm in allen Richtungen vom Kopf ab. Der perfekte Out-of-bed-Look, dachte sie und konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Die zwei Nachzügler beachtete sie gar nicht. Unbewusst stieß sie einen leisen Seufzer aus und nahm einen Schluck von ihrem Cocktail, während sie den gutaussehenden Kerl weiter betrachtete.

»Heiß, oder?«, raunte Anne ihr zu und knuffte Luisa ihren Ellenbogen in die Seite.

»Wer?« Luisa blinzelte und ließ ihren Blick wandern.

»Na, alle!« Anne kicherte.

»Ich nehm’ den Blonden«, verkündete Per gut gelaunt. »Ich fürchte bloß, keiner von denen ist schwul. Ein Jammer.«

Anne wedelte mit ihrer Hand vor Pers Gesicht. »Du wieder, sei doch nicht gleich so pessimistisch.«

Per seufzte theatralisch und widmete sich seinem Drink.

Luisa hörte gar nicht richtig hin, weil sie schon wieder den Dunkelhaarigen anstarrte. Er sah im gleichen Moment auf und Luisa blickte in ein Paar strahlend blaue Augen, deren Farbtönung sie an die Tiefe des Ozeans erinnerte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, um dann im doppelten Tempo weiterzuhämmern. Sie befeuchtete sich ihre Lippen und wollte gerade ein Lächeln aufsetzen, als er sich mit dem Rücken zu ihr am Nachbartisch niederließ.

Luisa atmete hörbar aus. »War ja klar«, murmelte sie verdrossen und schob sich eine Haarsträhne zurück. Er hatte sie nicht einmal bewusst wahrgenommen. Leider nahmen Typen wie er niemals auch nur Notiz von ihr. Vermutlich stand er mehr auf dünne Blondinen statt auf kurvige Brünette, wie sie eine war. Ernüchtert zog sie den Reißverschluss ihrer Handtasche auf und fuhr sich mit dem Kokosöl-Pflegestift über ihren trockenen Mund.

»Noch einen ‚Kokoskuss‘?«, hörte sie Anne neben sich fragen, während Luisa nach wie vor den breiten Rücken anglotzte und sich über sich selbst ärgerte.

Woher hatte sie bloß ihre dämliche romantische Ader? Zu gerne würde sie aufhören, von der großen Liebe zu träumen. Ihr Kopf wusste, dass es Geschichten, in denen ein Wahnsinnskerl wie er auf Frauen wie sie abfuhr, nur in Hollywood gab und nicht im wahren Leben.

»Unbedingt«, antwortete sie deshalb nach einigen Sekunden resigniert. Vielleicht konnte sie sich ihre Realität ja schöntrinken, wenn schon nichts anderes half.

KAPITEL1

Till warf einen sehnsüchtigen Blick auf den Kalender. In weniger als zwei Wochen würde seine einzige Chance verstreichen, die Oldtimerwerkstatt »Klassikschrauber« auf das nächste Level zu bringen. Wochenlang hatte er mit seinem Kumpel und Partner Olli sinniert und davon geträumt, wie sie den leer stehenden Nachbarladen dazumieten würden, um daraus einen echten Verkaufsraum für die Kisten zu machen, die sie aufgemöbelt hatten, um sie dann gewinnbringend zu veräußern. Momentan hielten sie sich mit Reparaturen und Restaurationen mühsam über Wasser. Große Sprünge waren damit nicht drin. Leider sahen das auch die Banken so und stuften sie als nicht kreditwürdig ein. Da half es Till auch nicht, dass er schon eine sehr erfolgreiche Karriere hinter sich hatte. Allerdings in einer völlig anderen Branche, zudem war das viele Geld von damals längst verjubelt.

»Verfluchter Mist«, stöhnte er und warf seinen Kaffeepott in Richtung des Pirelli-Kalenders an die Wand. Das Krachen, das das Zerbrechen seiner Tasse verursachte, vermischte sich mit dem quietschenden Geräusch der Werkstatttür.

»Guten Tag«, grüßte die eintretende Kundin vorsichtig.

»Sorry.« Till fuhr sich durch die Haare. »Ein Missgeschick«, ergänzte er und zuckte mit den Schultern. Er grinste die Frau in Anorak und Wollmütze schuldbewusst an.

»Ähm. Sind Sie hier zuständig?«, erkundigte sie sich und musterte ihn zweifelnd, trat dennoch einen Schritt vor. Sie ließ ihren Blick über die Scherben seiner Kaffeetasse wandern, reagierte mit einem Stirnrunzeln, sagte aber nichts dazu.

Till schätzte sie auf Ende zwanzig, vielleicht Anfang dreißig. Ihrem Kleidungsstil nach zu urteilen, handelte es sich bei ihr nicht, wie sonst oft bei seinen Kunden, um eine Tussi, die das Geld ihres Ehemannes für historische Spielzeuge aus dem Fenster warf, die sie nicht zu schätzen wusste. Er wurde augenblicklich neugierig, was die süße Schüchternheit in seine Werkstatt verschlagen hatte.

»Ja, mit mir kannst du reden.« Er zog einen Lappen aus der Tasche seines Blaumanns und wischte seine Hände ab, bevor er ihr die Rechte hinhielt. »Ich bin Till. Worum geht es?«

»Hi«, erwiderte sie und drückte seine Hand. Ihm entging dabei nicht, dass sich ihre Wangen röteten und sie seinem Blick nach ein paar Sekunden auswich. »Ich bin Luisa.«

Dann zog sie ihre Finger zurück und rieb sich die Gliedmaßen. Er hoffte, dass er nicht zu fest zugedrückt hatte. Vermutlich aber lag es eher daran, dass sie ihn attraktiv fand. Es war nicht das erste Mal, dass eine Frau so auf ihn reagierte. Till betrachtete sie noch einmal genauer und ihm fielen einige Sommersprossen in ihrem ungeschminkten Gesicht auf. Sie hatte eine hübsche, gerade Nase, die absolut symmetrisch zum Abstand der Augen war. Er war kein Fotograf, aber wahrscheinlich würde man wohlproportionierte Züge wie ihre als natürliche Anmut bezeichnen.

»Was kann ich für dich tun, Luisa?«, fragte er schließlich.

Sie zog ihre Mütze vom Kopf und zum Vorschein kamen glänzende, dunkelbraune Haare, die ihr bis auf die Schultern reichten.

»Ich habe ein Problem mit meinem Wagen«, erklärte sie und sah zu ihm auf. Er verlor sich eine Sekunde zu lange in ihren rehbraunen Augen und etwas machte Klick in ihm. Er hatte sie schon einmal gesehen …, er konnte sich nur nicht erinnern, wo.

»Schätze, dann bist du hier richtig, Luisa.«

Er mochte den Klang ihres Namens, er fand, er passte ganz hervorragend zur ihr und ihren niedlichen Sommersprossen.

»Mein Käfer steht um die Ecke, er springt nicht mehr an. Hat auf einmal den Geist aufgegeben, dabei bin ich nur einen Block gefahren. Kaum zu glauben, dass ich die Werkstatt hier noch nie gesehen habe«, plapperte sie und ihre Wangen röteten sich zunehmend.

»Steht er etwa mitten auf der Straße?«

»Ja, auch noch zweite Reihe. Kannst du mir vielleicht helfen?« Sie sah mit ihren unschuldigen Augen zu ihm auf und erreichte damit etwas in ihm, das er lange für verloren geglaubt hatte.

»Hm«, machte er, rührte sich jedoch nicht von der Stelle, bis ihm eine Idee kam.

Eventuell konnte Luisa der Schlüssel zu seiner Misere sein …

»Hast du einen Freund?«, sprudelte es aus ihm hervor.

Luisas schockierte Reaktion auf seine, zugegeben, sehr direkte Frage war zum Niederknien. Dass sie nicht röchelte, war alles. Sie hatte ihre hübschen braunen Augen weit aufgerissen und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Ihre Gesichtsfarbe hatte sich dunkelrot gefärbt. Beinahe hätte er gelacht, aber es war keine gute Idee, sich über sie lustig zu machen. Sie dachte vermutlich sowieso schon, dass er ein schrulliger Kauz war, nachdem er eben seine Kaffeetasse an der Wand zerdeppert hatte.

»Was hat das mit meinem Wagen zu tun?« Ihre Augen waren zusammengekniffen, die Lippen leicht geöffnet.

Till hob eine Augenbraue. »Also hast du keinen Freund«, stellte er zufrieden fest.

»Nein. Hab’ ich nicht. Was soll die Frage eigentlich? Kannst du mir nun helfen oder nicht? Das ist doch hier eine Werkstatt und keine Singlebörse.«

Luisa folgerte vermutlich gerade, dass er als Kind einmal zu viel auf den Kopf gefallen sein musste, aber das war ihm egal. Da Till keine einzige Frau im Freundeskreis hatte, die für seinen Plan infrage kam, war seine Auswahl an potenziellen Kandidatinnen bisher auf sage und schreibe null zu beziffern gewesen …, bis die süße Luisa in seinen Laden geschneit war. Ihre natürliche Reaktion amüsierte ihn, er lachte laut. Sie war perfekt!

»Auch wieder wahr. Eigentlich hab’ ich echt viel zu tun, schau dich mal um, hier steht alles voll«, meinte er dann gelassen.

Luisa runzelte die Stirn und ließ ihren Blick durch die Werkstatt schweifen. Schließlich hob sie eine Hand. »Hier ist doch noch Platz. Mein Käfer ist nicht groß.«

Till gefiel ihre Hartnäckigkeit. Obwohl er und sein Partner Olli wirklich alle Hände voll zu tun hatten, konnte er sicher ein bisschen Zeit abzwacken, um sich ihren Wagen anzusehen. Vielleicht konnte er sich im Gegenzug ja tatsächlich auf einen Deal mit Luisa einigen, denn für ihn stand viel auf dem Spiel. Er würde es daher zumindest versuchen.

Aber eins nach dem anderen, fürs Erste hatte er sie genug geschockt. »Gut. Dann lass uns mal nach deinem Wagen schauen«, verkündete er knapp, nahm seine Mütze vom Tisch und bedeutete ihr, ihm zu folgen.

Luisa stand neben ihrem Auto, Till saß auf dem Fahrersitz ihres blauen Käfers und drehte den Zündschlüssel. Außer einem müden Gurgeln tat sich nichts.

Schade, indessen hatte sie so auf den Vorführeffekt gehofft. Dabei hatte Wölkchen vielleicht schon in den letzten Tagen versucht ihr anzukündigen, dass da was im Busch war. Immer häufiger hatte der Motor in das so geliebte Knattern ein Blubbern von sich gegeben, das sie nicht hatte zuordnen können. Dumm, wie sie war, hatte sie es ignoriert.

Tja, und nun stand sie mitten auf der Straße, wie bestellt und nicht abgeholt. Nie im Leben hätte sie vermutet, ausgerechnet Mr. Sexy aus der Bar in einer Oldtimerwerkstatt wiederzutreffen, und schon gar nicht, dass er sich nun persönlich um ihren Käfer kümmern würde.

»Dann müssen wir wohl schieben«, stellte Till nüchtern fest.

»Ist gut, hab’ ich mir schon gedacht.« Luisa ging ans Heck des Wagens. »Sag Bescheid, wenn du den Gang raushast.«

Till stieg aus, ein spöttischer Zug lag um seinen sinnlichen Mund: »So weit kommt es noch, dass ich eine Frau alleine schieben lasse. Und ich setze mich faul auf den Fahrersitz, oder wie? Vergiss es, wir schieben zusammen. Vorsichtshalber übernehme ich die Lenkung.«

Er zwinkerte ihr zu und Luisa blieb die Spucke weg. Er sah vielleicht gut aus, aber der Kerl war mehr als nur frech.

»Du denkst, ich bin nicht in der Lage zu schieben und gleichzeitig zu lenken?«

»Das hab’ ich nicht gesagt …«

»Aber gedacht«, vervollständigte sie seinen Satz, biss sich aber sofort auf die Lippe. Sie hatte nicht vergessen, dass sie dankbar sein sollte, dass er an einem Freitagnachmittag seine Arbeit liegen ließ, um ihr behilflich zu sein. Sie wollte nicht riskieren, ihn zu verärgern. Deshalb schluckte sie einen gepfefferten Kommentar herunter, auch wenn sie sich so was sonst nicht gefallen lassen würde.

»Nun mach schon, Luisa. Sonst frieren wir hier fest.«

Eine Gänsehaut überzog ihren Körper – und das lag nicht an den Außentemperaturen. Sie fand es leider ganz hinreißend, wie er ihren Namen aussprach.

»Schon gut«, brummte sie und folgte seinen Anweisungen.

Luisa war es durchaus gewohnt, dass andere Autofahrer freundlich winkten, wenn sie ihren Käfer sahen, oder dass Passanten stehen blieben und den hellblauen Inbegriff des Wirtschaftswunders der Sechziger lächelnd bestaunten. Aber die Aufmerksamkeit, die sie nun erregten, während sie Wölkchen schoben, war beinahe schon lächerlich.

Zum Glück hatten sie ihren geliebten Schrotthaufen im Nullkommanichts eine Straße weiter zur Werkstatt der »Klassikschrauber« befördert. Da Sport in der Schule nicht unbedingt Luisas Lieblingsfach gewesen war, schwitzte sie unter ihrem dunkelblauen Anorak mittlerweile heftig. Ihr keuchender Atem hinterließ kleine weiße Wölkchen in der kalten Luft. Till hingegen sah überhaupt nicht angestrengt aus, sicher war er es gewohnt, mal anzupacken.

Hitze schoss in ihr Gesicht, als sie sich den letzten gedachten Satz noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Sie musste sich dringend zusammenreißen, denn die Diskussion über die mögliche Stundung der Reparaturkosten hatte sie noch vor sich. Dafür brauchte sie ihren Verstand, egal ob sie ihn attraktiv fand oder nicht.

»Hast du kurz Zeit?«, wandte sich Till an sie, als sie den Käfer über der Grube geparkt hatten. »Dann schau ich gleich mal, ob es eventuell nur ’ne kleine Sache ist.«

Luisa verzog den Mund. »Im Prinzip haben sich meine Pläne fürs Wochenende gerade erledigt.«

Till neigte seinen Kopf, dann nickte er. »Gut, dann guck ich direkt mal nach.«

Gesagt, getan. Er verschwand über eine Leiter in der Grube unter dem Auto. Rein monetär betrachtet war es absolut hirnrissig, den alten Luftverpester weiter zu fahren, aber das sollte mal jemand ihrem Herzen sagen. Wölkchen hatte einst ihrer Großmutter gehört und nach ihrem Ableben hatte sie ihr den Wagen vermacht. Seitdem hatte sie mit dem himmelblauen Käfer so einige herrliche Reisen zu verschiedenen Musikfestivals und gerne mal an die Ostsee erlebt. Der Wagen hatte Luisa Unabhängigkeit gegeben, die sie als Studentin sonst nicht gehabt hätte. Aber irgendwann war das Polster, das ihr Oma mitgegeben hatte, um die Unterhaltungskosten für den Wagen stemmen zu können, aufgebraucht … Und dann war da auch noch Manuel gewesen, der sie über Monate hinweg nach Strich und Faden ausgenutzt und belogen hatte. Natürlich verdiente sie jetzt, seit sie als Musiklehrerin arbeitete, ihr eigenes Geld, aber das reichte bei Weitem nicht, um die aktuellen Schulden zu begleichen.

Nein, sie wollte nicht mehr an das Arschloch denken, sondern positiv bleiben. Till würde ihren Wagen sicher in Nullkommanichts wieder flottbekommen. Vielleicht war es ja wirklich nur eine Leitung, die sich irgendwo gelockert hatte.

Während der Wartezeit schickte sie eine Nachricht an ihre ehemalige Studienfreundin Simone, die sie in Hannover hatte besuchen wollen. Sie schrieb ihr, dass sie wegen einer Autopanne nicht kommen könne und sich nachher melden würde.

Nachdem Luisa ihr Handy wieder in die Jackentasche geschoben hatte, sah sie sich um. Die Werkstatt war aufgeräumt, der Boden – bis auf die Scherben der Tasse – gefegt, aber mit Ölflecken übersät. An der einen Wand hingen eine ganze Reihe Werkzeuge. Neben einem silbernen Mercedes SL stand ein Wägelchen, auf dem sich Schraubenzieher und alle möglichen Utensilien befanden, die Luisa nicht mal benennen konnte. In der Ecke thronte ein riesiger, uralter Schreibtisch. Er sah aus, als wäre er noch vor dem Zweiten Weltkrieg zusammengeschreinert worden. So groß, wie er war, so überhäuft mit Papieren war er gleichermaßen.

Wahnsinn, und sie hatte gedacht, sie wäre unordentlich. Dagegen sah es in ihrer Arbeitsecke zu Hause wie in einem sterilen Operationssaal aus. Sie musste grinsen.

Neben dem Papierchaos hing ein Kalender an der Wand, den Fotos mit nackten Frauen zierten, am Boden lagen die Überbleibsel der Tasse. Der Henkel war das Einzige, was heile geblieben war. Warum Till sich vorhin wohl so aufgeregt hatte, als sie reingekommen war?

Luisa rief sich in Erinnerung, dass sie das gar nichts anging, und vergrub die Hände in den Taschen ihres Anoraks.

Sie ging ein paar Schritte in Richtung Fenster, dort hatte sie einen guten Blick auf den Innenhof, in dem sich einige Wracks aneinanderreihten. Vermutlich das Ersatzteillager der »Klassikschrauber«, schlussfolgerte sie. Ihre Mundwinkel bogen sich nach oben, als sie einen weißen Käfer entdeckte, dem zwar eine Tür und zwei Sitze fehlten, der aber sonst noch ganz okay aussah. Vielleicht gab es ja ein paar Ersatzteile für Wölkchen direkt vor der Tür.

»Sieht nicht gut aus«, hörte sie in der gleichen Sekunde Tills Stimme, der gerade aus der Grube kletterte und noch einmal in den Motorraum schaute, der bei allen Käfern im Heck saß. Für einige Minuten herrschte Stille, er griff hier und ruckelte dort, dann richtete er sich auf und knallte die Klappe zu. Er zog erneut den Lappen aus dem Blaumann und säuberte sich seine Finger.

»Was meinst du? Wie schlimm ist es?« Luisas Herz klopfte bis zum Hals.

Er sah sie einen Augenblick sehr intensiv an. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, dann sprach er weiter. »Es sind ein paar Leitungen defekt, die kann man ganz einfach austauschen. Aber der Motor hat was abbekommen, das muss ich mir genauer angucken. Wenn du Glück hast, sind es nur ein paar Teile, wenn du Pech hast, ist der Motor im Eimer. Wärst du mal gekommen, als das Blubbern anfing. Ich vermute, mit der Nockenwelle stimmt auch was nicht.«

Luisa atmete hörbar aus. »Scheiße.«

Eine teure Reparatur hatte ihr zu allem Übel noch gefehlt. Nein, sie würde jetzt nicht an die rückständige Miete und das Geld denken, das ihr fehlte, um nicht in zwei Wochen auf der Straße zu landen. Wenn sie nun auch noch Wölkchen aufgeben musste …

»So schlimm?« Mit gerunzelter Stirn und mitfühlendem Blick kam er auf sie zu.

Jetzt bloß nicht anfangen zu heulen, nahm sich Luisa vor und schluckte den Kloß im Hals herunter.

»Hab gerade ’ne Pechsträhne«, die bereits Monate andauert, ergänzte sie im Stillen.

»Ich mach dir ’nen Vorschlag, Luisa.«

Sie hob ihren Kopf und war vom intensiven Blau seiner Augen fasziniert, sodass sie für eine Sekunde sogar vergaß, warum sie überhaupt hier war. Vielleicht sollte sie ihn einfach bitten, eine Sonnenbrille aufzusetzen, damit sie sich wieder konzentrieren konnte.

»Du heiratest mich, und ich mach deinen Käfer wieder flott.«

Luisa verschluckte sich und prustete los. »Was?« Sie musste sich verhört haben.

Er hatte ihr eben nicht wirklich einen Heiratsantrag gemacht.

Oder doch?

Ja, hatte er.

Der Kerl musste verrückt sein, dabei hatte er bis eben halbwegs normal auf sie gewirkt.

»Nur auf dem Papier. Nicht in echt. Ich brauche eine Frau, ganz dringend«, fügte er hastig hinzu.

Luisa kniff die Augen zusammen und legte ihren Kopf schräg. »Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«

»Ich brauche eine Ehefrau. Du einen Mechaniker. Comprende?«

Luisa schnappte nach Luft. »Du meinst das ernst, oder?«

Till grinste schief und vergrub seine Hände in den Taschen seines Blaumanns. Leider sah er in dieser Haltung äußerst sexy aus. Super sexy.

»Natürlich wäre es keine echte Hochzeit. Wir knipsen ein paar Fotos und das war’s.«

Sie kratzte sich am Kopf und ließ ihn dabei nicht aus den Augen.

»Und aus welchem Grund brauchst du eine Ehefrau? Das klingt alles ein bisschen merkwürdig für mich. Willst du mich verarschen?«

Er musterte sie einen Moment schweigend, bevor er antwortete. »Keineswegs, Luisa. Ich würde über so etwas Wichtiges nicht scherzen. Über meine Beweggründe brauchen wir eigentlich nicht sprechen, das ist völlig nebensächlich. Oder doch, vielleicht sollten wir über die Gründe, warum du mir helfen solltest, reden.«

Er ließ seinen Blick durch die Werkstatt wandern und blieb an Wölkchen hängen.

Dieser Mistkerl.

Till kramte nun seelenruhig eine Schachtel blaue Gauloises und ein Zippo aus der Hosentasche, dann steckte er sich eine Fluppe zwischen die Lippen, ließ das Feuerzeug aufschnappen und zündete sich den Glimmstängel an. Er zog daran und schaute Luisa abwartend an.

Endlich blies er den Rauch aus. »Bis wann brauchst du dein Auto wieder?«

Dass das eine rhetorische Frage war, lag auf der Hand. Luisa gefiel es nicht, wie selbstherrlich Till plötzlich mit ihr umging. Natürlich war dem Kerl bewusst, was für eine Wirkung er auf Frauen – und damit auch auf sie – hatte. Aber irgendwie kam ihr dieser Vorschlag doch äußerst durchgeknallt vor, und sie fragte sich immer noch, was dieser Quatsch von wegen Hochzeit sollte.

»Ich weiß nicht«, gab sie daher kühl zurück. Nach der Misere mit Manuel war sie vorsichtiger geworden. »Machen wir es doch so: Du schreibst mir einen Kostenvoranschlag und ich lasse mir die Sache in der Zwischenzeit durch den Kopf gehen.«

Till sah aus, als ob er dem Messias höchstpersönlich begegnet wäre. Vermutlich hatte er eine andere Antwort erwartet. Beinahe hätte Luisa gelächelt, aber ihr war klar, dass sie nicht in der Position war, Till zu verärgern. Irgendwie hoffte sie immer noch auf seine Hilfe.

Bevor er etwas erwiderte, zog er noch einmal an seiner Zigarette und wirkte nachdenklich.

Der sexy Monteur bekam garantiert äußerst selten eine Abfuhr, – auch wenn sie noch nicht wirklich Nein gesagt hatte. Eigentlich hätte sie nach einigen Hintergrundinformationen fragen können, denn es war ja nicht unbedingt alltäglich, dass jemand eine Hochzeit vortäuschte, aber momentan hatte sie selbst zu viel im Kopf, als dass sie sich näher mit Tills Kram befassen konnte oder wollte. Die Vorweihnachtszeit und damit einhergehend die vielen Veranstaltungen, die sich in der Musikschule häuften, ihre persönlichen Probleme ... Selbst wenn sie mitmachen wollte, sie hatte überhaupt keine Zeit …

»Wie du willst. Bis Montag brauche ich eine Antwort. Den Kostenvoranschlag kannst du dir früh um neun abholen.«

»Da muss ich arbeiten.«

»Du kannst den Käfer auch direkt wieder mitnehmen, äh, mitschieben«, bot er ihr mit einem spöttischen Zug um den Mund an und verschränkte die Arme vor der Brust.

Luisa schnaubte leise. So ein Arsch. »Na schön. Dann bis Montag.«

»Willst du mir nicht deine Telefonnummer dalassen? Für Rückfragen …«

Luisa presste die Lippen kurz aufeinander, dann antwortete sie: »Klar, wo soll ich sie notieren?«

Till ging zum Schreibtisch, zog einen Zettel aus einem Stapel, schnippte Asche in einen übervollen Aschenbecher und wandte sich ihr wieder zu. »Schieß los!«

Luisa teilte ihm ihre Handynummer mit und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Seine schlanken Hände weckten schon wieder Vorstellungen in ihr, die nicht nur etwas mit der Reparatur von Automotoren zu tun hatten. Der ganze Kerl machte einen trainierten Eindruck auf sie. Wer zur Hölle sollte ihnen abnehmen, dass sie ein Paar waren, das den Bund der Ehe eingehen wollte? Sie schaute sich noch einmal um, ob sie vielleicht irgendwo eine versteckte Kamera entdecken konnte und sie nach diesem albernen Quatsch gleich von dem blonden Kerl aus »Verstehen Sie Spaß« begrüßt wurde. Aber nein, da war keine …

Till fixierte sie und inhalierte währenddessen seelenruhig den blauen Dunst seiner Kippe.

»Du weißt schon, dass Rauchen krebserregend ist?« Den Kommentar konnte sie sich nicht verkneifen. Sie hasste Zigarettenqualm in geschlossenen Räumen und fand den Geruch von kaltem Rauch absolut ekelhaft. Sie war zwar kein militanter Nichtraucher, aber sie würde nie mit einem Mann zusammen sein, der wie ein Aschenbecher schmeckte. Gott sei Dank, war das in Bezug auf Till nicht ihr Problem.

Till zog derweil noch einmal absichtlich lange, hob eine Augenbraue und pustete seinen Lungeninhalt anschließend in kleinen weißen Kringeln aus. »Und?«

Provokation bekam einen neuen Namen: Till wie-auch-immer.

Luisa spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Der Kerl hatte etwas an sich, das sie zutiefst irritierte.

»Na schön, dann geh ich jetzt«, beeilte sie sich zu sagen. Sie verkniff sich ein ‚Ruf mich an, wenn du Näheres weißt‘, da sie befürchtete, einen weiteren irritierenden Spruch von ihm zu kassieren. Stattdessen brannte ihr eine ganz andere Frage auf der Zunge. »Warum hast du denn ausgerechnet mich gefragt, ob ich deine Ehefrau spielen will?«

Till drückte die Zigarette aus und hob seinen Kopf an. »Weil ich keine weiblichen Freunde habe. Und wenn ich dir im Gegenzug einen Gefallen tue, bin ich dir nachher nichts schuldig. Ich würde eventuell sogar noch eine Schippe drauflegen, wir wären danach absolut quitt und damit hätte sich die Sache. Keine Verpflichtungen oder sonst was.«

Luisa verstand, was er meinte, und versuchte ihre Kränkung zu verbergen.

Natürlich, er brauchte sie wahrscheinlich, um irgendeine super hartnäckige Stalkerin loszuwerden. Er war jedenfalls nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Warum er keine Frauen in seinem Freundeskreis hatte, konnte sie sich ebenfalls vorstellen. Offensichtlich war Till ein Weiberheld – und wollte es auch bleiben.

In diesem Moment hörte sie, wie ein Wagen mit quietschenden Reifen vor der Werkstatt abgestellt wurde. Eine Autotür knallte und kurze klappernde Schritte ertönten. Nach wenigen Sekunden ging die Tür auf. Herein kam eine wasserstoffperoxidgefärbte Blondine mit blutrot geschminkten Lippen und knallroten Lackpumps. Die ganze Frau schien nur aus Beinen zu bestehen. Besucherinnen wie diese könnten gut und gerne der Grund dafür sein, warum er eine Fake-Ehefrau brauchte, wenn es davon mehrere gab. Sie verschlang ihn förmlich mit Blicken und hatte Luisa noch nicht einmal bemerkt. Sie konnte die neue Besucherin auf Anhieb nicht ausstehen.

»Till, Schätzchen«, flötete die Storchenfrau und stakste auf ihn zu. Vielleicht war das ja tatsächlich die Stalkerin … Vorstellbar wäre es, denn Till verspannte sich merklich, je näher die Frau auf ihn zukam.

»Janine«, brachte er gerade noch rechtzeitig hervor, ehe sie ihm rechts und links ein Küsschen auf die Wange drückte. Luisa stieg eine Duftnote ihres Parfums in die Nase und sofort begannen ihre Schleimhäute unangenehm zu kribbeln.

»Bin dann weg«, murmelte Luisa und trollte sich.

Till war voll und ganz mit Frau Storch beschäftigt, falls er noch etwas erwiderte, so hörte sie es nicht, bevor die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.

So viel dazu.

KAPITEL2

Zwei Tage und vier Bleche Vanille-Cupcakes mit Kokosfrosting später hatte Luisa nicht nur Bauchschmerzen, sondern auch einen Entschluss gefasst.

Ihr Problem mit der Miete war zwar nach wie vor ungelöst, aber in ihrer jetzigen Lage konnte sie nicht auch noch ihren heißgeliebten Käfer aufgeben. Schlimm genug, dass sie möglicherweise ihre Wohnung verlor.

Auf dem Küchentisch flackerte die erste von vier Kerzen auf ihrem Adventskranz. Vielleicht hätte sie lieber Kokosmakronen backen sollen, aber dafür war bis Weihnachten noch ausreichend Zeit.

Sie verpackte ihre Bäckereien in kleine durchsichtige Tütchen, die sie mit einer rosafarbenen Schleife verschloss. Die würde sie morgen bei den Proben und ihren Unterrichtsstunden verteilen. Ihre Schüler kannten das schon von ihr und ihre Freunde Anne und Per aus dem Friseurladen »Hairspray« gegenüber würden auch nicht Nein sagen, wenn sie ihnen ein paar Cupcakes anbot.

Gestern Abend hatte sie noch lange mit Anne telefoniert und ihr von der seltsamen Begegnung in der Werkstatt erzählt. Ihre Freundin war viel durchgeknallter als sie, daher hatte es Luisa nicht überrascht, dass sie ihr gut zugeredet hatte, die Ehefrau zu spielen, dafür, dass Till ihr mit Wölkchen behilflich sein würde.

»Süße, du musst das machen. Vielleicht springt dabei sogar noch guter Sex für dich raus«, hatte Anne ins Telefon gekichert.

---ENDE DER LESEPROBE---