König Lear - William Shakespeare - E-Book

König Lear E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

William Shakespeare verarbeitet in dieser bewegenden Tragödie die Legende des mythischen Königs Leir und verwebt darin die Geschichte zweier dysfunktionaler Familien mit dem Schicksal Englands. Der alternde König Lear beschließt, sich zur Ruhe zu setzen und das Reich unter seinen drei Töchtern aufzuteilen. Doch nur Cordelia, die Jüngste, hat Gutes im Sinn. Gleichzeitig hat der Graf von Gloucester Ärger mit der hochkochenden Rivalität seiner Söhne Edmund und Edgar. Können die beiden Familien dem Strudel aus Verrat, Krieg und Missgunst entkommen?-

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William Shakespeare

König Lear

Übersezt von Wolf Heinrich Graf von Baudissin

Saga

König Lear

 

Übersezt von Wolf Heinrich Graf von Baudissin

 

Titel der Originalausgabe: King Lear

 

Originalsprache: dem Englischen

 

Coverbid/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1832, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726885767

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

PERSONEN LEAR, König von Britannien König von FRANKREICH Herzog von BURGUND Herzog von CORNWALL Herzog von ALBANY Graf von GLOSTER Graf von KENT EDGAR, Glosters Sohn EDMUND, Glosters Bastard CURAN, ein Höfling Ein ARZT Der NARR Oswald, Gonerils HAUSHOFMEISTER [EDELLEUTE, HAUPTLEUTE ] Ein ALTER MANN, Glosters Pächter Ein Offizier in Edmunds Diensten Edelmann in Cordelias Gefolge Verschiedene DIENER Cornwalls GONERIL REGAN CORDELIA}Lears Töchter Ritter im Gefolge des Königs, ein Herold, Boten, Offiziere, Soldaten, GefolgeDie Szene ist in Britannien

ERSTER AKT

ERSTE SZENE

Ein Prunksaal in König Lears Palast Kent, Gloster und Edmund.

KENT

Ich dachte, der König sei dem Herzog von Albany gewogener als dem von Cornwall.

GLOSTER

So schien es uns immer; doch jetzt, bei der Teilung des Reichs, zeigt sichs nicht, welchen der beiden Herzoge er höher schätzt. Denn so gleichmäßig sind die Teile abgewogen, daß selbst die genaueste Forschung sich für keine der Hälften entscheiden könnte.

KENT

Ist das nicht Euer Sohn, Mylord?

GLOSTER

Seine Erziehung ist mir zur Last gefallen; ich mußte so oft erröten, ihn anzuerkennen, daß ich nun dagegen gestählt bin.

KENT

Ich kann Euch nicht verstehen.

GLOSTER

Dieses jungen Burschen Mutter konnte es, worauf sie einen runden Leib bekam und freilich früher einen Sohn für ihre Wiege als einen Mann für ihr Bett hatte. Merkt Ihr was von einem Fehltritt?

KENT

Ich kann den Fehltritt nicht ungeschehen wünschen, da der Erfolg davon so ansehnlich ist.

GLOSTER

Doch habe ich auch einen rechtmäßigen Sohn, einige Jahre älter als dieser, den ich aber darum nicht höher schätze. Obgleich dieser Schelm etwas vorwitzig in die Welt kam, eh er gerufen ward, so war doch seine Mutter schön, es ging lustig her bei seinem Entstehen, und der Bankert durfte nicht verleugnet werden. Kennst du diesen edeln Herrn, Edmund?

EDMUND

Nein, Mylord.

GLOSTER

Mylord von Kent; gedenke sein hinfort als meines geehrten Freundes.

EDMUND

Mein Dienst sei Euer Gnaden gewidmet.

KENT

Ich muß Euch lieben und bitte um Eure nähere Bekanntschaft.

EDMUND

Ich werde sie zu verdienen suchen.

GLOSTER

Er war neun Jahre im Auslande und soll wieder fort. Der König kommt!

Man hört Trompeten. König Lear, Cornwall, Albany, Goneril, Regan, Cordelia und Gefolge treten auf.

LEAR

Führt ein die Herrn von Frankreich und Burgund,

Gloster!

GLOSTER

Sehr wohl, mein König!

Gloster und Edmund ab.

LEAR

Derweil enthülln Wir den verschwiegnen Vorsatz.

Die Karte dort! - Wißt, daß Wir Unser Reich

Geteilt in drei. 's ist Unser fester Schluß,

Von Unserm Alter Sorg und Müh zu schütteln,

Sie jüngrer Kraft vertrauend, während Wir

Zum Grab entbürdet wanken. Sohn von Cornwall,

Und Ihr gleich sehr geliebter Sohn von Albany,

Wir sind jetzund gewillt, bekanntzumachen

Der Töchter festbeschiedne Mitgift, daß

Wir künftgem Streite so begegnen. -

Die Fürsten Frankreich und Burgund, die hohen

Rivalen um der jüngsten Tochter Gunst,

Verweilten lange hier in Liebeswerbung

Und harrn auf Antwort. - Sagt mir, meine Töchter,

Da Wir Uns jetzt entäußern der Regierung,

Des Landbesitzes und der Staatsgeschäfte,

Welche von euch liebt Uns nun wohl am meisten?

Daß Wir die reichste Gabe spenden, wo

Verdienst sie und Natur heischt. Goneril,

Du Erstgeborne, sprich zuerst!

GONERIL

                Mein Vater,

Mehr lieb ich Euch, als Worte je umfassen,

Weit inniger als Licht und Luft und Freiheit,

Weit mehr, als was für reich und selten gilt,

Wie Schmuck des Lebens, Wohlsein, Schönheit, Ehre,

Wie je ein Kind geliebt, ein Vater Liebe fand.

Der Atem dünkt mich arm, die Sprache stumm,

Weit mehr als alles das, lieb ich Euch noch.

CORDELIA

beiseit.

Was sagt Cordelia nun? Sie liebt und schweigt.

LEAR

All dies Gebiet, von dem zu jenem Strich,

An schattigen Forsten und Gefilden reich,

An vollen Strömen, weitgedehnten Triften,

Beherrsche du; Albanys Stamm und deinem

Sei dies auf ewig! - Was sagt Unsre zweite Tochter,

Die teure Regan, Cornwalls Gattin? Sprich!

REGAN

Ich bin vom selben Stoff wie meine Schwester,

Und schätze mich ihr gleich. Mein treues Herz

Fühlt, all mein Lieben hat sie Euch genannt.

Nur bleibt sie noch zurück; denn ich erkläre

Mich als die Feindin jeder andern Lust,

Die in der Sinne reichstem Umkreis wohnt,

Und fühl in Eurer teuren Hoheit Liebe

Mein einzig Glück.

CORDELIA

beiseit.

          Arme Cordelia dann!

Und doch nicht arm; denn meine Lieb, ich weiß,

Wiegt schwerer als mein Wort.

LEAR

Dir und den Deinen bleib als Erb auf immer

Dies zweite Dritteil unsers schönen Reichs,

An Umfang, Wert und Anmut minder nicht,

Als was ich Goneril gab. Nun Unsre Freude,

Du jüngste, nicht geringste, deren Liebe

Die Weine Frankreichs und die Milch Burgunds

Nachstreben, was sagst du, dir zu gewinnen

Ein reichres Dritteil als die Schwestern? Sprich!

CORDELIA

Nichts, gnädger Herr!

LEAR

Nichts?

CORDELIA

Nichts.

LEAR

Aus nichts kann nichts entstehn; sprich noch einmal!

CORDELIA

Ich Unglückselge, ich kann nicht mein Herz

Auf meine Lippen heben; ich lieb Eur Hoheit,

Wie's meiner Pflicht geziemt, nicht mehr, nicht minder.

LEAR

Wie? Wie? Cordelia! Beßre deine Rede,

Sonst schädigst du dein Glück.

CORDELIA

                Mein teurer Herr,

Ihr zeugtet, pflegtet, liebtet mich; und ich

Erwidr Euch diese Wohltat, wie ich muß,

Gehorch Euch, lieb Euch und verehr Euch hoch.

Wozu den Schwestern Männer, wenn sie sagen,

Sie lieben Euch nur? Würd ich je vermählt,

So folgt dem Mann, der meinen Schwur empfing,

Halb meine Treu, halb meine Lieb und Pflicht.

Gewiß, nie werd ich frein wie meine Schwestern,

Den Vater nur allein zu lieben.

LEAR

Und kommt dir das von Herzen?

CORDELIA

                Ja, mein Vater!

LEAR

So jung und so unzärtlich?

CORDELIA

So jung, mein Vater, und so wahr.

LEAR

Sei's so! Nimm deine Wahrheit denn zur Mitgift,

Denn bei der Sonne heilgem Strahlenkreis,

Bei Hekates Mysterien und der Nacht,

Bei allen Kräften der Planetenbahnen,

Durch die wir leben und dem Tod verfallen,

Sag ich mich los hier aller Vaterpflicht,

Aller Gemeinsamkeit und Blutsverwandtschaft,

Und wie ein Fremdling meiner Brust und mir

Sei du von jetzt auf ewig! Der rohe Skythe,

Ja der die eignen Kinder macht zum Fraß,

Zu sättigen seine Gier, soll meinem Herzen

So nah stehn, gleichen Trost und Mitleid finden,

Als du, mein weiland Kind.

KENT

              Mein guter König -

LEAR

Schweig, Kent!

Tritt nicht dazwischen, wenn der Drache wütet!

Sie war mein Liebling, und ich setzte alles

Auf ihre sanfte Pflege.

Zu Cordelia.

            Fort! Mir aus den Augen!

Sei Friede so mein Grab, als ich von ihr

Mein Vaterherz losreiße. - Ruft mir Frankreich!

Wer rührt sich? Ruft Burgund! - Ihr, Albany und Cornwall,

Zu meiner Töchter Mitgift schlagt dies Dritteil! -

Stolz, den sie Gradheit nennt, vermähle sie! -

Euch beide kleid ich hier in meine Macht,

Vorrang der Würd und allerhöchsten Glanz,

Der Majestät umgibt. Wir, nach der Monde Lauf,

Mit Vorbehalt allein von hundert Rittern,

Die Ihr erhaltet, wohnen dann bei Euch,

Nach Ordnung wechselnd. Wir bewahren nur

Den Namen und des Königs Ehrenrecht;

Die Macht, Verwaltung, Rent und Staatsgewalt,

Geliebte Söhn, ist Euer. Des zum Zeugnis

Teilt diesen goldnen Reif!

Übergibt die Krone.

KENT

              Erhabner Lear,

Den ich als meinen König stets geehrt,

Geliebt als Vater und als Herrn begleitet,

Als höchsten Hort einschloß in mein Gebet -

LEAR

Der Bogen ist gespannt, entflieh dem Pfeil!

KENT

Laß ihn nur fliegen, ob die Spitze auch

Mein Herz durchbohrt. Kent sei nur ohne Sitte,

Wenn Lear so toll. Was tust du, alter Mann?

Meinst du, daß Pflicht die Rede scheut, weil Macht

Sich Schmeicheln fügt? Die Ehre fordert Gradheit,

Wenn Könige wie Narren sind. Bleib Herrscher,

Und mit der besten Überlegung hemme

Die frevle Eil. Mit meinem Leben bürg ich,

Die jüngste Tochter liebt dich minder nicht,

Noch ist der ohne Herz, des schwacher Klang

Nicht Hohlheit widertönt.

LEAR

Schweig, Kent, bei deinem Leben!

KENT

Mein Leben galt mir stets nur als ein Pfand,

Zu wagen gegen deinen Feind; gern laß ichs

Für deine Wohlfahrt.

LEAR

           Aus den Augen mir!

KENT

Sieh besser, Lear, und laß mich immer bleiben

Der Zielpunkt deines Auges.

LEAR

Nun beim Apoll!

KENT

        Nun beim Apollo, König,

Du rufst vergeblich deine Götter an.

LEAR

O Knecht! Aufrührer!

Legt die Hand ans Schwert.

ALBANY und CORNWALL

           Teurer Herr, laß ab!

KENT

Tu's, töte deinen Arzt, und gib den Lohn

Der schnöden Krankheit! Nimm zurück die Schenkung,

Sonst, bis der Kehle Kraft versagt zu schrein,

Sag ich dir, du tust Unrecht!

LEAR

               Höre mich,

Rebell, bei deiner Lehnspflicht, höre mich!

Weil du zum Wortbruch Uns verleiten wolltest,

Den Wir noch nie gewagt, und stolz verwegen

Dich drängtest zwischen Unsern Spruch und Thron,

Was Unser Blut und Rang nicht dulden darf,

Wenn Unsre Macht bewährt, nimm deinen Lohn:

Fünf Tage gönnen Wir, dich zu versehn

Mit Schirmung vor des Lebens Ungemach;

Am sechsten kehrst du den verhaßten Rücken

Dem Königreich, und weilt am zehnten Tag

In Unserm Lande dein verbannter Leib,

So ists dein Tod. Fort nun! Bei Jupiter,

Dies widerruf ich nicht!

KENT

So leb denn wohl, Fürst! Zeigst du so dich, Lear,

Lebt Freiheit auswärts und Verbannung hier. -

Zu Cordelia.

Dir, Jungfrau, sein die Götter mächtiger Hort,

Die richtig denkt und sprach das rechte Wort. -

Zu Goneril und Regan.

Eur breites Reden mög die Tat bewähren,

Und Liebeswort willkommne Frucht gebären! -

[Zu den Herzogen. ]

Fahrt wohl, Kent muß zum Abschied nun sich wenden,

Im neuen Land den alten Lauf vollenden.

Er geht ab. Trompetenstoß. Gloster kommt zurück mit Frankreich, Burgund und Gefolge.

GLOSTER

Hier sind Burgund und Frankreich, hoher Herr!

LEAR

Fürst von Burgund,

Zu Euch erst sprech ich, der mit diesem König

Um meine Tochter warb. Was als das mindste

Erwartet Ihr als Mitgift, oder steht

Von Euerm Antrag ab?

BURGUND

           Erhabner König,

Mir genügt, was Ihr freiwillig habt geboten,

Und minder gebt Ihr nicht.

LEAR

              Mein würdiger Herzog,

Als sie Uns wert war, schätzten Wir sie so;

Nun ist ihr Preis gesunken. Seht, da steht sie:

Wenn etwas an der kleinen, schmucken Larve

Oder sie ganz mit Unserm Zorn dazu,

Und weiter nichts, Eur Hoheit noch gefällt,

So nehmt sie, sie ist Eur.

BURGUND

              Mir fehlt die Antwort.

LEAR

Wollt Ihr mit allen Mängeln, die ihr eigen,

Freundlos und neuverschwistert Unserm Haß,

Zur Mitgift Fluch, durch Schwur von Uns entfremdet,

Sie nehmen oder lassen?

BURGUND

            Herr, verzeiht,

Mit der Bedingung endigt jede Wahl.

LEAR

So laßt sie; bei der Macht, die mich erschuf,

Ich nannt Euch all ihr Gut.

Zu Frankreich.

              Ihr, großer König -

So möcht ich Eure Freundschaft nicht verraten,

Euch zu vermählen, wo ich hasse. Lenkt

Zu besserm Ziel, ich bitt Euch, Eure Wünsche,

Als auf dies Wesen, das Natur errötet

Anzuerkennen.

FRANKREICH

       Wahrlich, dies ist seltsam,

Daß sie, die eben noch Eur Kleinod war,

Der Inhalt Eures Lobs, Balsam des Alters,

Eur Bestes, Teuerstes, in diesem Nu

So Unerhörtes tat, ganz zu zerreißen

Solch reichgewebte Gunst. Ja, ihr Vergehn

Muß unnatürlich, ungeheuer sein,

Oder die Liebe, deren Ihr Euch rühmtet,

Ist tadelnswert. So schlimm von ihr zu denken,

Heischt Glauben, wie Vernunft ihn ohne Wunder

Mir nimmer einimpft.

CORDELIA

           Herr, ich bitte doch,

Mangelt mir auch die schlüpfrig glatte Kunst,

Zu reden nur zum Schein - denn was ich ernstlich will,

Vollbring ich, eh ichs sage -, daß Ihr zeugt,

Es sei kein schnöder Makel, Mord noch Schmach,

Kein zuchtlos Tun noch ehrvergeßner Schritt,

Der mir geraubt hat Eure Gnad und Huld.

Nur, weil mir fehlt, wodurch ich reicher bin,

Ein stets begehrend Aug und eine Zunge,

Die ich mit Stolz entbehr, obgleich ihr Mangel

Mir Euern Beifall raubte.

LEAR

             Besser wärs,

Du lebtest nicht, als mir zur Kränkung leben!

FRANKREICH

Ist es nur das? Ein Zaudern der Natur,

Das oft die Tat unausgesprochen läßt,

Die es zu tun denkt? - Herzog von Burgund,

Was sagt Ihr zu der Braut? Lieb ist nicht Liebe,

Wenn sie vermengt mit Rücksicht, die seitab

Vom wahren Ziel sich wendet. Wollt Ihr sie?

Sie selbst ist ihre Mitgift.

BURGUND

               Hoher Lear,

Gebt mir den Anteil, den Ihr selbst bestimmt,

Und hier nehm ich Cordelia bei der Hand

Als Herzogin Burgunds.

LEAR

Nichts! Ich beschwors, ich bleibe fest.

BURGUND

Dann tut mirs leid, daß Ihr zugleich den Vater

Verliert und den Gemahl.

CORDELIA

             Fahr hin, Burgund! -

Da Wunsch nur nach Besitz sein Lieben ist,

Werd ich nie seine Gattin.

FRANKREICH

Schönste Cordelia, du bist arm höchst reich,

Verbannt höchst wert, verachtet höchst geliebt!

Dich nehm ich in Besitz und deinen Wert.

Gesetzlich sei's: ich nehme, was man wegwarf.

Wie seltsam, Götter, meiner Liebe Glühn

Und Achtung muß aus kaltem Hohn erblühn.

Sie mußte Erb und Glück bei dir verlieren,

Um über uns und Frankreich zu regieren.

Kein Herzog von Burgunds stromreichen Auen

Erkauft von mir die teuerste der Frauen!

Den Harten gib ein mildes Abschiedswort,

Das Hier verlierst du für ein beßres Dort.

LEAR

Du hast sie, Frankreich, sie sei dein; denn nie

Hatt ich solch Kind, und nimmer grüße sie

Mein altes Auge mehr. - Folg deinen Wegen

Ohn Unsre Lieb und Gunst, ohn Unsren Segen! -

Kommt, edler Fürst Burgund!

Trompetengetön. Lear, Burgund, Cornwall, Albany, Gloster und Gefolge gehen ab.

FRANKREICH

Sag deinen Schwestern Lebewohl.

CORDELIA

[beiseit. ]

Des Vaters Edelsteinen! -

[Laut. ]

              Nassen Blicks

Verläßt Cordelia euch.

[Beiseit. ]

            Ich kenn euch wohl,

Und nenn als Schwester eure Fehler nicht

Beim wahren Namen.

[Laut. ]

          Liebt denn unsern Vater,

Ich leg ihn euch ans vielberedte Herz.

[Beiseit. ]

Doch ach, wär ich ihm lieb noch wie vorzeiten,

Wollt ich ihm einen bessern Platz bereiten.

[Laut. ]

So lebt denn beide wohl!

REGAN

Lehr uns nicht unsre Pflichten.

GONERIL

                 Dem Gemahl

Such zu genügen, der als Glücksalmosen

Dich aufnahm. Da du Pflichtverletzung wagtest,

Versagt sich dir nur, was du selbst versagtest.

CORDELIA

Was List verborgen, wird ans Licht gebracht,

Wer Fehler schminkt, wird einst mit Spott verlacht.

Es geh euch wohl!

FRANKREICH

          Komm, liebliche Cordelia!

Frankreich und Cordelia gehen ab.

GONERIL

Schwester, ich habe nicht wenig zu sagen, was uns beide sehr nahe angeht. Ich denke, unser Vater will heut abend fort.

REGAN

Ja, gewiß, und zu dir; nächsten Monat zu uns.

GONERIL

Du siehst, wie launisch sein Alter ist; was wir darüber beobachten konnten, war nicht wenig. Er hat immer unsere Schwester am meisten geliebt, und mit wie armseligem Urteil er sie jetzt verstieß, ist zu auffallend.

REGAN

's ist die Schwäche seines Alters; doch hat er sich von jeher nur obenhin gekannt.

GONERIL

Schon in seiner besten und kräftigsten Zeit war er zu hastig. Wir müssen also von seinen Jahren nicht nur die Fehler längst eingewurzelter Gewohnheiten erwarten, sondern außerdem noch den störrischen Eigensinn, den gebrechliches und reizbares Alter mit sich bringt.

REGAN

Solch haltloses Auffahren kann uns nun auch bevorstehen, wie diese Verbannung Kents.

GONERIL

Solche Abschiedskomplimente wirds noch mehr geben, wie zwischen Frankreich und ihm. Bitte, laßt uns zusammenhalten. Behauptet unser Vater sein Ansehn mit solchen Gesinnungen, so wird diese letzte Übertragung seiner Macht uns nur zur Kränkung.

REGAN

Wir wollen es weiter überlegen.

GONERIL

Es muß etwas geschehen, und in der ersten Hitze.

Sie gehen ab.

ZWEITE SZENE

Ein Saal im Schloß des Grafen Gloster Edmund mit einem Briefe.

EDMUND

Natur, du meine Göttin! Deiner Satzung

Gehorch ich einzig. Weshalb sollt ich dulden

Feindseliger Sitte Ungunst und gestatten,

Daß mich der Völker enger Sinn enterbt,

Weil ich ein zwölf, ein vierzehn Mond erschien

Nach einem Bruder? - Was Bastard, weshalb unecht,

Wenn meiner Glieder Maß so stark gefügt,

Mein Sinn so kühn, so adlig meine Züge,

Als einer ehrbarn Gattin Frucht? Warum

Mit unecht uns brandmarken? Bastard? Unecht?