Königin Kniebeuge - Patrick Meinart - E-Book

Königin Kniebeuge E-Book

Patrick Meinart

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Beschreibung

Die Kniebeuge ist die "Mutter aller Übungen" und aus keinem Krafttrainingwegzudenken. Dieses Buch hilft dabei, die Kniebeuge strukturiert und beschwerdefrei aufzubauen und die eigene Leistung oder die Leistung der Klienten zu verbessern. Die Inhalte beschäftigen sich nicht nur mit der Ausführung der Kniebeuge, sondern auch mit biomechanischen Aspekten und der langfristigen Programmplanung im Kontext von zusätzlichen Assistenzübungen. So lernt man den Zugang zur Kniebeuge auch dann, wenn Einschränkungen in der Beweglichkeit und technische Defizite im Weg stehen. Patrick Meinart, Sportwissenschaftler und Trainingsexperte, erklärt detailliert mit einer Vielzahl von Beispielen die Welt der Squats. Er beschreibt, wie das Zusammenspiel von Biomechanik und individueller Anatomie die Kniebeuge in ihren vielfältigen Variationen beeinflussen kann. Dabei legt er nicht nur Wert auf die technischen Komponenten, sondern räumt auch mit Mythen auf, wonach tiefe Kniebeugen schlecht für die Knie wären und zu Rückenschmerzen führen können.

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Patrick Meinart

KÖNIGINKNIEBEUGE

Patrick Meinart

KÖNIGINKNIEBEUGE

KRAFTTRAINING MIT DER MUTTER ALLER ÜBUNGEN

MUSKELAUFBAU • MOBILITY • METHODIK

WICHTIGER HINWEIS

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

AUSSCHLIESSLICH ZUM ZWECK DER BESSEREN LESBARKEIT WURDE AUF EINE GENDERSPEZIFISCHE SCHREIBWEISE SOWIE EINE MEHRFACHBEZEICHNUNG VERZICHTET. ALLE PERSONENBEZOGENEN BEZEICHNUNGEN SIND SOMIT GESCHLECHTSNEUTRAL ZU VERSTEHEN.

Originalausgabe

1. Auflage 2021

© 2021 by TW/Trainingsworld.com, ein Imprint der bodyLIFE Medien GmbH,

Ludwig-Erhard-Straße 2, 76275 Ettlingen

Telefon: +49 7243 7278-133, E-Mail: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Redaktion: Rainer Weber

Umschlaggestaltung, Layout, Satz: Julia Jund

Umschlagabbildung: iStock, MilanMarkovic

Fotos: S. 19, 22, 23, 38, 52, 87, 91, 114, 122, 127, 132, 142: © David Leonhardt;

S. 8 © iStock: alvarez; S. 111 © iStock: takoburito;

S. 123 © iStock: bernardbodo; S. 163 © iStock: Belyjmishka;

auf allen anderen Seiten: © Patrick Meinart

eBook: ePuboo.com

ISBN Print 978-3-9822193-3-2

ISBN E-Book (PDF) 978-3-9822193-4-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-9822193-5-6

INHALT

VORWORT

KAPITEL 1 – GRUNDLAGEN DER KNIEBEUGE

DIE KÖNIGIN ALLER ÜBUNGEN

DIE KNIEBEUGE: EINE MENGE VORTEILE

EINWIRKENDE KRÄFTE UND BELASTUNG

EIN BLICK AUF DIE ANATOMISCHEN UNTERSCHIEDE

EINE NÄHERE BETRACHTUNG DES „BUTT WINK“

WAS SIND MÖGLICHE GRÜNDE FÜR EINEN BUTT WINK?

KAPITEL 2 – DIE AUSFÜHRUNG

DAS FUNDAMENT

DIE KÖRPERGEWICHTS-KNIEBEUGE

DIE KNIEBEUGE MIT LANGHANTEL

HOHE ABLAGE – HIGH BAR

TIEFE ABLAGE – LOW BAR

HIGH-BAR- VERSUS LOW-BAR-KNIEBEUGE

ABLAGE VORN – FRONT SQUAT

DER WALKOUT

DIE OPTIMALE FUSSPOSITION

DIE BEUGE

KAPITEL 3 – DETAILS UND TECHNIK

WIE HÄUFIG SOLLTE ICH BEUGEN?

BEISPIEL FÜR EINEN TRAININGSTAG MIT BIS ZU 12-MAL BEUGEN IN EINER WOCHE

IN DER KNIEBEUGE BETEILIGTE MUSKELN

GASTROCNEMIUS UND SOLEUS

Trainingsschema zur Unterstützung der Waden

GLUTEUS MAXIMUS

Trainingsschema mit Fokus auf M. gluteus maximus

ISCHIOCRURALE MUSKULATUR

ADDUKTOREN

QUADRIZEPS

OPTIMALES WARM-UP

OPTIMALES TEMPO BEIM BEUGEN

PAUSENZEIT ZWISCHEN DEN TRAININGSSÄTZEN

DAS LOMBARD’SCHE PARADOXON

DIE KNIEBEUGE IM VERGLEICH ZUM HIP THRUST

CORE-AKTIVITÄT

GANZKÖRPERSPANNUNG

DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN BEINSTRECKER UND BEINBEUGER

BEINSTRECKER

BEINBEUGER

JOINT SYNCHRONIZATION

KAPITEL 4 – SCHMERZEN UND DYSFUNKTIONEN

KNIEGESUNDHEIT

KNIEVALGUS WÄHREND DES BEUGENS

ISOLIERTES TRAINING DES VMO

DIE KNIEBEUGE BEI RÜCKENSCHMERZEN

BLICKRICHTUNG BEIM BEUGEN

RICHTIGES ATMEN BEIM BEUGEN

POWER BREATHING

ANGEPASSTES WIDERSTANDSTRAINING

EINSATZ VON KETTEN

EINSATZ VON ELASTISCHEN BÄNDERN

SPOTTING BEIM BEUGEN

EIN HELFER

ZWEI HELFER

DER GEWICHTHEBERGÜRTEL

STICKING POINTS UND ISOMETRISCHES HALTEN

DEAD STOPS

KAPITEL 5 – MOBILITÄT

KNIEBEUGE UND SPRUNGGELENKE

WIE VERBESSERE ICH MEINE MOBILITÄT?

1. Die Sprunggelenke

2. Die Knie

KAPITEL 6 – VARIATIONEN & PROGRAMMPLANUNG

DER GOBLET SQUAT

DER BOX SQUAT

BREATHING PAUSE SQUAT UND 20-REP SQUAT

DER SAFETY SQUAT

DIE ZERCHER-KNIEBEUGE

DIE HACKENSCHMIDT-KNIEBEUGE

PROGRAMMPLANUNG

ASCENDING STEP LOADING

WAVE LOADING

GERMAN VOLUME TRAINING

12-WOCHEN-KNIEBEUGEN-PROGRAMM

WIE HÄUFIG SOLLTE ICH MEINEN TRAININGSPLAN WECHSELN?

SCHLUSSWORT

ÜBER DEN AUTOR

QUELLEN

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Ergänzende Videos und Erklärungen zu den im Buch vorgestellten Übungen und Trainingsprogrammen findest du auf der Webseite www.release-fitness.com/improveyoursquat

Die über den Link zur Verfügung gestellten Informationen sind kostenlos und erleichtern dir das Verständnis einzelner Buchkapitel.

VORWORT

2015 wurde ein Video auf Youtube veröffentlicht, das bis heute über 650000 Aufrufe generieren konnte (Stand 01.03.2021). Das Video Improve Your Squat war eine Art Live-Workshop zur Kniebeuge (engl. squat), in der ich einer Gruppe von Kraftathleten Mobilisationsübungen zur Kniebeuge präsentieren konnte. Unter ihnen waren der ostdeutsche Meister im Bodybuilding Johannes Luckas und der Kraftdreikämpfer Dorian Berger. Für mich war dies der Startschuss dafür, mich bei der Kniebeuge verstärkt auf Kraftathleten zu konzentrieren und Technik, Mobilität und Kraft zusammenzuführen. Obwohl es zum damaligen Zeitpunkt bereits sehr viel Material über Kniebeugen-Training gab, wurden technische Besonderheiten, Beweglichkeitsdefizite und anatomische Gesichtspunkte bei der Kniebeuge in der einschlägigen Fachliteratur häufig vernachlässigt. Unter anderem haben in den letzten Jahren Kelly Starrett und Mark Rippetoe erheblich dazu beigetragen, die „Mutter aller Übungen“ technisch zu sezieren und aufzuzeigen, dass in dieser Übung weit mehr steckt, als nur ein Gewicht auf und ab zu bewegen. Kellys Becoming a Supple Leopard wurde 2013 veröffentlicht und Marks Starting Strength ist schon seit 2005 auf dem Buchmarkt.

Neben diesen Bestsellern gibt es viele weitere Bücher, die sich ausschließlich mit ihr beschäftigen. Dennoch gibt es immer noch viele Mythen und Fehlinformationen rund um die Kniebeuge, denen ich in meinem praktischen Alltag als Coach begegne. Dazu gehören hauptsächlich technische Fehler bei der Ausführung, fehlender Fokus auf anatomische Unterschiede und die Behauptung, jeder müsse tief beugen können. Ich möchte hier auf die Punkte eingehen, die mir in meinem Alltag am häufigsten begegnen und zu denen ich Fragen bekomme. Dabei soll dieses Buch nicht „allumfassend“ in Sachen Kniebeuge sein oder für jedes Problem eine Lösung anbieten. Es soll einen Einstieg in die weite Welt der Squats ermöglichen, aber gleichzeitig (und hauptsächlich!) auch Details für fortgeschrittene Athleten ansprechen und auf relevante Punkte eingehen, die vielleicht an anderen Stellen vernachlässigt werden.

Ich hoffe, dass ich dir mit diesem Buch einige deiner Fragen zur Kniebeuge beantworten kann, und wünsche dir viel Spaß beim Lesen.

1

GRUNDLAGENDERKNIEBEUGE

DIE KÖNIGIN ALLER ÜBUNGEN

“The growth of knowledge depends entirely upon disagreement.”

Karl Popper

1993 bestritten Tom Platz und Dr. Fred Hatfield auf der FIBO einen Wettstreit in der Kniebeuge. Tom Platz war Dritter bei Mr. Olympia 1981 und Hatfield beugte als Erster über 1000 Pfund in einem Wettkampf (1014 Pfund; gemeint ist ein britisches Pfund, lb, ca. 453 g). Beide trafen sich, um ihre Kraftleistung miteinander zu vergleichen. Zu der Zeit war Hatfield bereits 51 Jahre alt. Platz beugte 765 Pfund, während Hatfield 855 Pfund schaffte. Nach dem Maximalkrafttest ging es dann darum, mit 505 Pfund (verschiedene Quellen berichten Unterschiede im Gewicht) so viele Wiederholungen wie möglich zu beugen. Platz führte 23 Wiederholungen aus und Hatfield schaffte 12. Beide Athleten kann man als hochspezialisiert betrachten, was durch das Ergebnis bestätigt wird. Obwohl beide eine außerordentliche Kraftleistung auf die Bühne brachten, war Platz als Bodybuilder besser in der Kraftausdauer, während Hatfield eine höhere Maximalkraft besaß. Obwohl die Maximalkraft die „Mutter der Kraft“ ist, geht aufgrund der Spezialisierung dieser Effekt irgendwann verloren. Doch bis man diese außerordentliche Leistung vollbringen kann, ist es für viele Athleten ein sehr weiter Weg.

Die Kniebeuge wird zu Recht als Königin aller Übungen bezeichnet. Es gibt wohl kaum eine andere Übung, die den Unterkörper und den Oberkörper derart effektiv trainiert wie die Kniebeuge. Sie ist Bestandteil von Sportarten wie dem Olympischen Gewichtheben und dem Kraftdreikampf und in Strongman-Wettbewerben zugegen. Gleichzeitig gibt es wahrscheinlich keine andere Übung, die so ausführlich erforscht wurde. Es gibt unzählige Variationen und Trainingsmöglichkeiten der Kniebeuge. Trotz der Möglichkeiten und der Vorteile der Kniebeuge sieht man sie in regulären Fitnessstudios entweder selten oder schlecht ausgeführt. Das hier vorliegende Buch soll dies ändern und einen Einblick in eine der wichtigsten Kraftübungen geben. Unter anderem werden verschiedene Variationen, biomechanische Besonderheiten und mögliche Probleme beim Beugen näher beleuchtet. Ziel ist es, das theoretische Wissen um die Kniebeuge soweit zu vertiefen, dass der ordnungsgemäßen praktischen Anwendung nichts mehr im Wege steht. So interessant die Theorie sein mag, sie nützt nur etwas in Kombination mit der Praxis.

DIE KNIEBEUGE:EINE MENGE VORTEILE

“Dream more than others think practical. Expect more than others think possible.”

Frank Zane

Keine andere Übung kann in einem Bereich von bis zu 100 Wiederholungen so gute Ergebnisse liefern wie die Kniebeuge. Die Kniebeuge eignet sich hervorragend in allen möglichen Wiederholungsbereichen und kann das ganze Jahr über periodisch in die Trainingsplanung eingesetzt werden. Im Folgenden sind einige der wesentlichen Vorteile der Kniebeuge aufgelistet:

• Kraftsteigerung: Die Kniebeuge stärkt nicht nur fundamental die Kraft des Unterkörpers, sondern auch des Oberkörpers. Vor allem der Rücken und der „Core“ werden durch das Beugen gestärkt. Das macht die Kniebeuge zu einer ultimativen Ganzkörperübung.

• Muskelaufbau: Die Kniebeuge ist die beste Übung, um Muskelmasse im Unterkörper aufzubauen. Da es Athleten gibt, die aus anatomischen Gründen keine adäquate Kniebeuge ausführen können, gibt es immer sinnvolle Alternativen, die berücksichtigt werden können. Betrachtet man jedoch die Vorteile der Kniebeuge, fällt auf, dass sie sicherlich die sinnvollste Wahl beim Aufbau von Muskelmasse für den Unterkörper ist.

• Fettverbrennung: Aufgrund der starken muskulären Beteiligung eignet sich die Kniebeuge hervorragend, um Körperfett zu verbrennen. Übungen mit einer hohen muskulären Beteiligung sind dafür prädestiniert, weil sie vor allem in einem höheren Wiederholungsbereich zu einer starken Ausschüttung von Wachstumshormonen führen. Daher eignet sich die Kniebeuge sehr gut in „Fat-Loss-Programmen“, die meistens in einem höheren Wiederholungsbereich ausgeführt werden.

• Mobilität: Die Kniebeuge erfordert eine gute Mobilität, vor allem in den Sprunggelenken, Knien und in der Hüfte. Gleichzeitig trägt sie dazu bei, die Mobilität aufrechtzuerhalten. Das Beugen erhöht die Stabilität in den jeweiligen Gelenkwinkeln, was zu einer verbesserten motorischen Kontrolle in den jeweiligen Gelenkbereichen führt. Man kann sie als „Anti-Sitz-Übung“ schlechthin bezeichnen.

• Übertrag: Nur wenige Übungen sollten standardmäßig in das athletische Training verschiedener Sportarten integriert werden. Die Kniebeuge gehört definitiv dazu. Es gibt wohl keine athletische Sportart, in der die Kniebeuge nicht hineinpasst. Die Kniebeuge ist in der Lage, Explosivität, Sprintleistung und die Sprungkraft zu verbessern. Dies macht sie zur Nummer eins der Kraftübungen mit dem besten Übertrag zu diversen sportlichen Disziplinen.

Präsentation der Tiefkniebeuge auf einem Workshop

EINWIRKENDE KRÄFTEUND BELASTUNG

“Winners do what they fear.”

Franco Columbu

Während der Kniebeuge entstehen Kompressions- und Scherkräfte. Die Kompressionskräfte wirken axial und die Scherkräfte wirken senkrecht zur axialen Belastung. Mit Blick auf die Wirbelsäule sollte es während der Kniebeuge zu keiner starken Flexion (Beugung) oder Extension (Streckung) kommen. Im Kapitel zum „Butt Wink“ findest du Details zur Flexion in der Lendengegend. Der Rumpf bleibt beim Beugen überwiegend stabil, während sich die distalen, also von der Körpermitte entfernten Strukturen, bewegen. Daraus resultiert ein optimaler Krafttransfer von der Wirbelsäule zur Hüfte und zu den Beinen beziehungsweise zur Langhantel, die auf den Schultern ruht. Eine instabile Wirbelsäule kann während der Beuge ein limitierender Faktor sein und das Auftreten von Verletzungen erhöhen. Daher ist es notwendig, Bewegungen in der Wirbelsäule während der Beuge zu reduzieren.

In der Tiefkniebeuge reduzieren sich die einwirkenden Kräfte auf das vordere und hintere Kreuzband deutlich. Eine Studie von Klein an der Universität Texas deutete darauf hin, dass eine Tiefkniebeuge zu einer Instabilität in den Gelenken führt. Diese Behauptung wurde häufiger von anderer Seite dementiert.1,2 Das Gegenteil ist der Fall, da sich die Tiefkniebeuge positiv auf die Stabilität des Knie auswirkt. Sogar Powerlifter, die oft keine vollständige Knieflexion während der Beuge erfahren, besitzen häufig eine höhere Kniestabilität als Kontrollgruppen.3

Die stärksten Kräfte wirken auf das vordere Kreuzband (VKB) zwischen 15 und 30° Flexion (Beugung) und nehmen ab 60° signifikant ab. Die einwirkenden Kräfte auf das hintere Kreuzband (HKB) steigen deutlich bis 90° an und nehmen dann wieder deutlich ab. Ab etwa 120° Knieflexion sind die auf das HKB einwirkenden Kräfte minimal.4 Gerade in der tiefen Position ist die Toleranz gegenüber der Last am größten, da die faszialen Strukturen das Kniegelenk passiv sichern. Zu den faszialen Strukturen gehören in diesem Fall primär die Bänder, wie die oben genannten Kreuzbänder und die Seitenbänder des Knies. Sogar während der höchsten Belastung auf das HKB im 90°-Winkel im Bereich von etwa 2700 N (entspricht der maximalen dorsalen Scherkraft in Newton, also der Scherkraft, die im Knie nach hinten Richtung Kniekehle wirkt), ist die Belastung noch deutlich unter der Toleranzgrenze bei gesunden Sportlern, die etwa 4000 N entspricht. 1 kg entspricht etwa 10 Newton und ist die Maßeinheit für Kraft. 4000 N sind daher mit 400 kg gleichzusetzen.

Theoretisch ruht die stärkste Belastung in der tiefen Position auf den Menisken, die als axiale Puffer im Knie wirken. Die tibiofemoralen Kompressionskräfte sind bei etwa 130° am größten. Dabei handelt es sich um die Kräfte, die zwischen dem Schienbein und dem Oberschenkel wirken. Während der starken Knieflexion ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass es zu einer patellofemoralen (Lage zwischen der Kniescheibe und dem Oberschenkelknochen) Degeneration kommt, da gerade hier die einwirkenden Kräfte am stärksten sind. Dennoch gibt es keine Studien, die einen Zusammenhang zwischen Tiefkniebeugen und einer möglichen Verletzung oder Degeneration dieser Strukturen aufzeigen.5

Es scheint auch keine Belege dafür zu geben, dass die Tiefkniebeuge bei gesunden Knien kontraindiziert ist. Durch die zunehmende Knieflexion wird die Co-Kontraktion mit dem Beinbeuger initiiert, was vor exzessiven Scherkräften schützt (synergistischer Effekt). Aufgrund der geringen biomechanischen Belastung und der synergistischen Zusammenarbeit zwischen dem Beinbeuger und dem Beinstrecker sind Kniebeugen unter 90° die sinnvolle Wahl für eine gesunde Ausführung.

EIN BLICK AUF DIE ANATOMISCHENUNTERSCHIEDE

“In order to lead the orchestra, you must first turn your back to the crowd.”

Mike Mentzer

Der Wirbelsäulenspezialist Stuart McGill hat es während eines Symposiums 2016 in München treffend formuliert: „Entweder du kannst schnell rennen oder tief beugen. Beides zusammen geht nicht.“ Ein guter Athlet ist Spezialist und kein Generalist und hat gegenüber der Mehrheit immer auch anatomische Vorteile. Ein professioneller Pitcher beim Baseball besitzt häufig eine verstärkte Außenrotation im Schultergelenk des Wurfarms, was teilweise auf eine Verschiebung des Glenohumeralgelenks nach posterior zurückzuführen ist, sprich: eine Verschiebung des Schultergelenks nach hinten. Die Anatomie des Wurfarms passt sich spezifisch den Anforderungen an. Aufgrund dieser Verschiebung leidet oft die Innenrotation, die im Vergleich zu der Außenrotation häufig stark eingeschränkt ist. In diesem Zusammenhang sprechen Experten vom GIRD (Glenohumeral Internal Rotation Deficit). Dabei handelt es sich um ein Defizit im Bereich der Innenrotation, was als pathologisch angesehen wird, also als krankhafte Abweichung von der Norm. Obwohl diese reduzierte Innenrotation von der Norm abweicht, ist gerade diese Abweichung zum Teil auch für die Leistungsfähigkeit des Pitchers verantwortlich. Denn die Beschleunigung beim Wurf hängt zu einem hohen Maß mit der Fähigkeit der Außenrotation zusammen. Somit würde eine verminderte Außenrotation auch zu einer geringeren Beschleunigung des Balls führen. Der Versuch, die Innenrotation des Athleten zu verbessern, könnte ihm seine Fähigkeit rauben, genau diese individuelle Gegebenheit optimal zu nutzen. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass das Stretching der Adduktoren bei Eishockeyspielern zu einer erhöhten Verletzungsgefahr im Bereich der Leisten führt. Jede an die Zielbewegung angepasste Struktur adaptiert im Laufe der Zeit und sollte nicht mit Standardfunktionstests verglichen werden. Ein solcher Vergleich mit dem Ziel, eine muskuläre Balance herzustellen, kann den Athleten seine individuellen Fähigkeiten kosten.

Ist man tendenziell besser für das Sprinten oder das Beugen geboren? Dies ist unter anderem abhängig von der Position des Oberschenkelhalses in der Hüftpfanne. Ist die Hüftpfanne sehr tief, bewirkt dies in der Beuge einen schnelleren Anschlag, sodass eine tiefe Kniebeuge ohne Kontakt von Knochen auf Knochen kaum möglich ist. Die Folge ist eine mögliche Verletzung des Labrums in der Hüfte (siehe Infokasten). Ist dagegen die Hüftpfanne relativ flach, liegt der Oberschenkelkopf verstärkt an der Oberfläche und kann sich in einem größeren Radius um die Hüfte herumbewegen, ohne in Anschlag zu geraten. In diesem Fall ist eine Tiefkniebeuge problemlos möglich. Viele slawische Völker wie Polen, Rumänen oder Russen neigen zu einer eher flachen Hüftpfanne, was eine Tiefkniebeuge begünstigt. Skandinavier und Schotten geben weniger gute Athleten in der Tiefkniebeuge ab, sind dafür aber bekanntlich besser als Kraftathleten wie Strongmen geeignet oder für das Tragen von schweren Lasten.

LABRUMVERLETZUNG IN DER HÜFTE

Verletzungen der Hüftgelenkslippe (Labrum der Hüfte), einer dämpfenden Auskleidung der Hüftpfanne mit Fasergewebe, entstehen häufig durch Rotationsbewegungen im Sport, die die strukturelle Kapazität überschreiten. Dies ist meist als Kompressionsschmerz oder als „klemmender“ Schmerz in der Hüfte wahrnehmbar und wird häufig von einem Impingement in der Hüfte begleitet. Auch bei einer Fehlstellung der Hüfte kann es nach Jahren zu einem Riss der Gelenklippe kommen. Die Labrumläsion kann im Regelfall konservativ behandelt werden. Bei einer vorliegenden Labrumläsion ist ein tiefes Beugen aber meist nicht möglich.

Neben der Tiefe des Hüftpfanne ist auch die genaue Position des Acetabulums (Beckenpfanne) zur Rotationsachse der Hüfte entscheidend. Befindet sich der Sockel recht weit hinten, kommt es früher zu einem Anschlag, was eine starke Hüftflexion mit neutraler Wirbelsäule beinahe unmöglich macht. Liegt aber der Sockel weiter vorn, ist der Athlet problemlos in der Lage, eine starke Hüftflexion ohne Stabilitätsverlust in der Lendenwirbelsäule zu generieren. Weltklasse-Sprinter weisen daher ein eher posterior gelagertes Acetabulum auf, also eine nach hinten gelagerte Beckenpfanne, was ihnen hervorragend ermöglicht, Kraft in der Hüftextension zu generieren. Vor allem Sprinter benötigen eine deutliche Hüft-Hyperextension, um maximale Kraft aus der Gesäßmuskulatur zu entfalten. Sie müssen nicht nur in der Lage sein, die Hüfte ausreichend zu strecken, sondern auch zu überstrecken (Hyperextension).

Der letzte wesentliche Punkt ist der Winkel des Oberschenkelhalses in Relation zum Acetabulum. Je kleiner der Winkel, desto eher kommt es zu einem Kontakt der Knochen aufeinander während der Beuge. Ein großer Oberschenkelhalswinkel ermöglicht eine tiefere Beuge mit weit weniger struktureller Restriktion. Liegt eine anatomische Limitation vor, ist verstärktes Mobilitäts- oder Krafttraining selten die beste Lösung. In diesem Fall sollte man seine individuelle Anatomie akzeptieren und das Training beziehungsweise die Ausführung der Kniebeuge anpassen – sonst steigt die Verletzungsgefahr deutlich an.

Wie tief die Kniebeuge ausgeführt werden kann, hängt auch von weiteren Faktoren ab. Neben möglicher Geweberestriktionen und neurophysiologischer Ursachen sind die häufigsten Gründe die individuelle Anthropometrie, also die jeweilige Abmessung des menschlichen Körpers. Hierbei sollte der Fokus vor allem auf das Verhältnis von Oberschenkel zu Unterschenkel und von Oberschenkel zum restlichen Körper betrachtet werden. Die Länge des Oberschenkels im Verhältnis zum restlichen Körper liegt bei durchschnittlich 23 Prozent. Ist der Oberschenkel länger, kann das tiefe Beugen problematisch werden. Athleten, die deutlich über 23 Prozent liegen, berichten häufig von Problemen in der Tiefkniebeuge. Dies lässt sich zwar zum Teil durch eine verstärkte Dorsalflexion (Bewegung des Fußes in Richtung Schienbein) in den Sprunggelenken kompensieren, dennoch wird der Oberkörper in eine stärkere Vorlage gezwungen, was ein tiefes Absinken ohne das Gleichgewicht zu verlieren unmöglich macht. Umgekehrt verhält es sich bei einem relativ kurzen Oberschenkel – das tiefe Beugen fällt leichter. In der Regel ist in diesem Zusammenhang der Unterschenkel relativ lang, was die Tiefe der Kniebeuge begünstigt. Es gilt daher, bei der Tiefe viele verschiedene individuelle Faktoren zu berücksichtigen. Probleme, in die Tiefkniebeuge zu kommen, können sich aus einem langen Femur (Oberschenkelknochen), schlechter Dorsalflexion im Sprunggelenk, fehlender Fersenerhöhung, engem Stand und einer geringeren Hüftabduktion ergeben.

Aufgrund vieler individueller Faktoren sollte man nicht annehmen, dass man tief beugen muss. Nicht nur die individuelle Anatomie, sondern auch Verletzungen, die wir uns in unserem Leben zuziehen, spielen eine wichtige Rolle bei der Erreichung einer gewissen Tiefe. Wichtig ist, seine individuellen Möglichkeiten zu erkennen und sein Beugemuster dementsprechend anzupassen. Ich erlebe immer wieder Athleten, die schwere Gewichte nutzen, um die Tiefe zu verbessern. Das ist nicht nur unnötig, sondern auch gefährlich, da in dieser Position die Verletzungsanfälligkeit deutlich ansteigt. Vor allem Anfänger sollten Gewichte niemals nutzen, um ein Unvermögen zu kompensieren. Dies führt nur zu verstärkten Kompensationsmustern oder zu einer stärkeren Abnutzung der passiven Gelenkstrukturen.

Die individuelle Hüftanatomie kann mit einem „Hip Socket Assessment“ nach McGill bestimmt werden. Dafür eignet sich ein guter Coach, der Erfahrung mit der Analyse von Kniebeugen hat. Ein Indikator für eine unzureichende Hüftanatomie ist meist auch das Gefühl eines „Pinch“ in der Hüfte beim Beugen – ein Kompressionsgefühl aufgrund eines Engpasses in der Hüfte. Die Athleten erleben diesen Pinch als eine Form der unangenehmen oder starken Kompression am Ursprung vom M. rectus femoris oder im Hüftbeuger.

DER RECTUS FEMORIS

Der M. rectus femoris ist der zweigelenkige Muskelkopf des Beinstreckers und beugt mit dem Hüftbeuger die Hüfte. Probleme beim Beugen lassen sich muskulär daher häufig nicht nur mit dem Hüftbeuger, sondern auch mit dem M. rectus femoris in Verbindung bringen. Dies liegt unter anderem daran, dass der Hüftbeuger und der Beinstrecker, zu dem der Rectus gehört, vom selben Nerv angesteuert werden, dem Nervus femoralis. Kompressionen in der Leiste können sich daher auf die Funktion des Hüftbeugers und des Rectus femoris auswirken, was häufig als Hüftschmerz oder als Probleme beim Beugen der Hüfte wahrgenommen wird.

Ursächlich dafür kann die individuelle Hüftanatomie oder aber auch das Labrum im Bereich der Hüfte sein. Führt hohes Volumen zu diesem Kompressionsgefühl, liegt es tendenziell an einer Überforderung beziehungsweise Entzündung im Gewebe, einer Bewegungseinschränkung im Kreuzdarmbeingelenk oder einer Einschränkung in der hinteren Hüftkapsel. Dieses Problem kann durch einen Fachmann eventuell behoben werden. Rührt die Kompression aus der individuellen Hüftanatomie her, ist das Problem nicht direkt behebbar. Stattdessen sollte der Athlet seine Beugetechnik anpassen und tendenziell breiter stehen und die Außenrotation in den Füßen vergrößern. Außerdem eignen sich neben den breiten Squats grundsätzlich tendenziell eher Power Squats oder Box Squats mit einer größeren Oberkörpervorlage, was die Kompression in der Hüfte reduziert.

Als Selbsttest zur Bestimmung der Hüftbeweglichkeit eignet sich der „Standing Knee Lift“. Hierbei stellt sich der Athlet aufrecht hin und hebt ein Knie maximal in die Höhe, ohne dabei das Standbein zu beugen oder den Oberkörper nach vorn zu lehnen. Die maximale Höhe des Knies ohne Einbruch der Technik kann auch als maximale aktive Hüftflexion angesehen werden. Natürlich ist in der Kniebeuge auch eine stärkere Hüftflexion möglich. Hierbei ist jedoch davon auszugehen, dass die aktive Stabilisation während der Beuge verloren geht und der Athlet mit einer schlechten Technik zu sehr in einem passiven Gelenkbereich ruht. Daher sollte darauf geachtet werden, den aktiven Bewegungsbereich in der Hüfte nicht zu verlassen.

Screening der Hüfte nach McGill

EINE NÄHERE BETRACHTUNGDES „BUTT WINK“

“You shall gain but you shall pay with sweat, blood, and vomit, comrade.”

Pavel Tsatsouline

Ich werde immer wieder gefragt, ob ein „Butt Wink“ (das ungewollte Aufrichten des Beckens während der Kniebeuge) problematisch ist oder nicht. Beim Butt Wink entsteht ein Aufrichten des Beckens in Verbindung mit einer Flexion der Wirbelsäule. Eine Flexion in der Wirbelsäule während der Kniebeuge führt unweigerlich zu erhöhten zentralen Scherkräften im Bereich der Bandscheiben, was langfristig zu einer Schädigung führen kann. Doch wie kann ein „Butt Wink“ problematisch sein, wenn eine Flexion in der Lendenwirbelsäule nicht zu vermeiden ist?

Nach Charles Poliquin stellt der Butt Wink kein Problem dar, er kann sogar Vorteile aufweisen, da bei der Entlordosierung in der tiefsten Position der Lastarm kürzer wird, was zu geringeren Kräften führen kann.

Viele Coaches und Physios sind immer noch der Ansicht, dass eine Flexion im unteren Rücken während des Hebens oder während der Kniebeuge zu Schmerzen oder Schädigungen führen kann. Doch häufig wird hierbei außer Acht gelassen, dass eine Kniebeuge mit einer neutralen Wirbelsäule nicht möglich ist. Daher gehört eine Flexion der lumbalen Wirbelsäule zu jeder Kniebeuge dazu und ist in der Regel auch im akzeptablen Toleranzbereich.

Viele Bewegungen, bei denen man davon ausgeht, sie würden in einer neutralen Wirbelsäulenposition passieren, werden von einer Flexion im lumbalen Rücken begleitet. Dazu gehören unter anderem der Kettlebell Swing (ca. 26° Flexion), Good Morning (ca. 26° Flexion) und die Kniebeuge (ca. 38° Flexion). Dabei bezieht sich die Winkelangabe auf die Flexion zwischen dem Kreuzbein und dem ersten Lendenwirbel.

Auch wenn viele Verletzungen in einer lumbalen Flexion geschehen (ab ca. 15°), scheinen diese Bewegungen im Alltag überhaupt nicht vermeidbar zu sein. Überspitzt formuliert kann daraus geschlussfolgert werden, dass das Potenzial, sich zu verletzen, bereits während einer regulären Kniebeuge besteht, auch wenn sie technisch sauber und korrekt ausgeführt wird. Eine lumbale Flexion lässt sich auch bei optimaler Technik nicht verhindern und gehört daher zu einer regulären Bewegung der Wirbelsäule dazu.

Im besten Fall sollte daher individuell auf die Flexionstoleranz geachtet werden. Manche Athleten werden beim Heben mehr Flexion tolerieren als andere. Das individuelle Maß kann eine gute Ausgangsposition mit Blick auf die Verletzungswahrscheinlichkeit sein. Grundsätzlich stellt eine Flexion während der Kniebeuge kein Problem dar, da es sich bei einer solchen Flexion wie gesagt um eine reguläre Bewegung der Wirbelsäule handelt.

Dennoch ist es wichtig, die individuellen anatomischen Voraussetzungen, die Technik und die jeweilige Belastung genau zu betrachten. Das Zusammenspiel aus diesen Faktoren ergibt das mögliche Risiko einer Verletzung durch den Butt Wink. Ein solcher kann dann als problematisch angesehen werden, wenn er erst bei maximalen oder submaximalen Lasten entsteht. In diesem Fall kann das hohe Gewicht zu einer mangelnden motorischen Kontrolle führen, was die Scherkräfte über das individuell tolerierbare Maß hinaus erhöht. Dabei ist ein hohes Gewicht nicht grundsätzlich problematisch, solange die notwendige Technik aufrechterhalten werden kann. Ein hohes Gewicht ist niemals per se problematisch, da hohes Gewicht immer abhängig von den motorischen Fähigkeiten des Athleten ist. Problematisch ist jedoch eine zu starke lumbale Flexion, die über den Toleranzbereich des Athleten hinausgeht.

WAS SIND DIE MÖGLICHEN GRÜNDEFÜR EINEN BUTT WINK?

Häufig wird dem Beinbeuger die Schuld für den Butt Wink in die Schuhe geschoben. Da der Beinbeuger jedoch keine Längenveränderung während der Kniebeuge erfährt, kann dies nicht der limitierende Faktor sein. Der häufigste Grund ist eine limitierte Hüftflexion, die meist anatomische Ursachen hat. Das Maß der Hüftflexion liegt im Durchschnitt zwischen 110 und 140°. Eine geringere Hüftflexion führt zwangsläufig zu einem Butt Wink in der Kniebeuge. Wenn über die Bewegungsamplitude der Hüfte nicht mehr Spielraum erzeugt werden kann, richtet sich das Becken zwangsläufig bei zunehmender Tiefe auf, um mehr Weg nach unten generieren zu können. Das Maß der Hüftflexion hängt von der Tiefe des Acetabulums und vom Winkel des Oberschenkelhalses ab. Die normale Variationsbreite des Oberschenkelhalses liegt zwischen 120 und 140°. Darunter spricht man von einer Coxa vara und darüber von einer Coxa valga.

Bei beiden handelt es sich meist um angeborene Fehlstellungen. Je tiefer der Oberschenkelhals in der Hüftpfanne steckt, desto geringer die Hüftbeweglichkeit, da der Kontakt Knochen an Knochen schnell während der Bewegung erreicht wird. Daraus resultiert jedoch eine hohe Stabilität bei gestreckter Hüfte, was vor allem optimal für das Tragen von schweren Lasten, nicht jedoch für das tiefe Beugen ist. Eine flache Hüftpfanne ermöglicht wiederum eine hohe Beweglichkeit, besitzt jedoch eine reduzierte Stabilität.

Befindet sich das Acetabulum in einer vorderen Position (Anteversion) begünstigt dies eine tiefe Kniebeugeposition mit maximaler Hüftflexion. Dies führt gleichzeitig zu einer reduzierten Extension in der aufrechten Position. Ein Acetabulum in Retroversion (eine Zurückbewegung der Hüftpfanne) führt zu einer Einschränkung in der Hüftflexion, ermöglicht jedoch eine Extension über die neutrale Position hinaus. Doch woher weiß ich, ob der Butt Wink für mich persönlich nun ein Problem darstellt oder nicht?

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem Butt Wink aufgrund eines Mangels einer technisch sauberen Kniebeuge und einem Butt Wink aus anatomischen Gründen, da jede Hüfte etwas anders gebaut ist. Daher können einige Menschen quasi von Natur aus besser beugen als andere. Um den Unterschied zu erkennen, hilft die Übung „4-Feet Rocking“.

4-Feet Rocking, Start und Endposition

1. Du setzt dich in den Vierfüßler, wobei deine Füße dieselbe Breite aufweisen wie bei deiner Kniebeuge. Auch die Knie entsprechen deiner regulären Kniebeugeposition. Die Füße werden aufgestellt.

2. Nun schiebst du dein Becken mit aktivem Hohlkreuz (Spannung in der Lendenwirbelsäule halten) so weit wie möglich nach hinten, ohne im unteren Rücken zu runden. Wenn du es schaffst, ohne Rundrücken bis zu deinen Füßen zu kommen, und dennoch bei der Kniebeuge die Spannung im unteren Rücken verlierst, hast du wahrscheinlich eher ein technisches Problem beim Beugen als ein strukturelles. Eine leichte Flexion ist jedoch natürlich und kann während des Beugens kaum vermieden werden.

Eine Möglichkeit ist, dass du früh einrundest und den geraden Rücken nicht halten kannst (Entlordosierung). Ändere in diesem Fall deine Fußposition in der Ausgangslage und lege den Fußspann flach auf den Boden. Dadurch nimmst du eine eventuell mangelnde Dorsalflexion aus der Gleichung. Solltest du nun in einer neutralen Rückenposition zu deinen Füßen kommen, scheinen deine Füße der limitierende Faktor zu sein. Arbeite an deiner Fußmobilität.