Kratz - Skye MacKinnon - E-Book + Hörbuch

Kratz Hörbuch

Skye MacKinnon

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Beschreibung

Männer sind genau wie Katzen. Sie machen nicht, was man ihnen sagt und wollen ständig nur gestreichelt werden.Kat vermisst ihr einzelgängerisches Killerleben. Statt eine kaltblütige Tat nach der anderen zu begehen, muss sie jetzt mit zweieinhalb Männern klar kommen, die alle um ihre Aufmerksamkeit buhlen.Aber angesichts einer neuen Krise hat sie nicht mal Zeit für eine Beziehung, erst recht nicht für drei. Junge Kätzchen werden entführt, auch Rykers Sohn. Ist da ein Killer unterwegs oder versucht jemand, Kats Aufmerksamkeit zu erregen?Das zweite Buch in dieser schnurrig aufregenden Urban Fantasy Serie.

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Zeit:5 Std. 15 min

Sprecher:Mélanie Fouché

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Kratz

Killerkatzen Buch 2

Skye MacKinnon

Übersetzt vonAnnette Kurz

© 2020 Skye MacKinnon

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel “Scratch”.

Verlag: Peryton Press, Helensburgh, Großbritannien.

Autor: Skye MacKinnon

Übersetzung: Annette Kurz

Umschlaggestaltung: Ravenborn Covers

Satz: Peryton Press

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

perytonpress.com

Inhalt

Anmerkung der Autorin

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Die Autorin

Kratz

Männer sind wie Katzen. Sie machen nicht, was man ihnen sagt und wollen ständig nur gestreichelt werden.

Kat vermisst ihr einzelgängerisches Killerleben. Statt eine kaltblütige Tat nach der anderen zu begehen, muss sie jetzt mit zweieinhalb Männern klar kommen, die alle um ihre Aufmerksamkeit buhlen.

Aber angesichts einer neuen Krise hat sie nicht mal Zeit für eine Beziehung, erst recht nicht für drei. Junge Kätzchen werden entführt, auch Rykers Sohn. Ist da ein Killer unterwegs oder versucht jemand, Kats Aufmerksamkeit zu erregen?

Anmerkung der Autorin

Keinem Tier wurde bei der Arbeit an diesem Buch Schaden zugefügt. Im Gegenteil, zwei Hauskaninchen erhielten viele zusätzliche Streicheleinheiten (und haben sich dafür bedankt, indem sie Löcher in die Socken der Autorin genagt haben).

Es gibt in dem Buch allerdings Szenen, die bei Tierfreunden Unbehagen auslösen könnten.

Wie ihr schon durch das erste Buch in dieser Serie wisst, spielt auch diese Geschichte in einer Welt, die unserer sehr ähnlich ist, mit allerdings einigen entscheidenden Unterschieden. Die Technik hat sich anders entwickelt – es gibt zwar einige Geräte, die wir auch kennen, wie z. B. Fernseher, aber keine Mobiltelefone, Autos oder das Internet. Übrigens auch keine Waffen.

Zum Schluss noch der Hinweis auf Skyes Newsletter, wenn ihr über Nachrichten und Neuerscheinungen informiert bleiben wollt: skyemackinnon.com/deutsch

Zur Erinnerung an Mitza, auch bekannt als Muffin, Gurke oder unter anderen Namen, die mit Essen zu tun haben.

Dein Schnurren wird schmerzlich vermisst.

Kapitel 1

Jetzt ist es amtlich. Ich bin eine von diesen verrückten Katzentanten. Die Horde von Katzenkindern zu meinen Füßen ist der lebende Beweis. Sieben junge Kätzchen in allen Formen und Farben. Man hat mir gesagt, die stammten alle aus demselben Wurf; aber selbst wenn ich weiß, dass das theoretisch möglich ist, fällt es mir doch schwer zu glauben. Ein rotbraunes Kätzchen hat ein so flauschiges Fell, dass seine Augen fast unter den Haaren verschwinden. Eines der Geschwister – falls es denn zur Familie gehört – hat fast keine Haare und sieht regelrecht nackt aus. Wohl eine Laune der Natur und damit völlig in Ordnung, aber ich denke trotzdem, dem sollte jemand eine Decke stricken.

Ich natürlich nicht. Ich benutze Stricknadeln nur zum Augenausstechen. Dafür eignen sie sich übrigens gut.

„Was mache ich nur mit euch?“, murmele ich, während ich auf die Kätzchen starre. Die wurden anonym bei mir abgegeben, nur mit einer Tasche Katzenfutter und einer handgeschriebenen Notiz. Als „Spende“ wurden sie da bezeichnet. Ungläubig schüttele ich den Kopf. Eine Spende von sieben Katzenjungen. Ist nicht das, was ich im Moment gerade gebrauchen kann. Hab schon genug zu tun, auch ohne dass eine Horde knuffiger Pelzkugeln um die Wette miauen, damit ich ihnen meine Aufmerksamkeit schenke.

„Katzen!“

Benjamin kommt die Treffe heruntergerannt, mit vor Freude strahlendem Gesicht. Also, wenn ich die verrückte Katzentante bin, dann hat er aber schon eine viel höhere Ebene der Verrücktheit erreicht. Der total abgehobene Katzenonkel? Ich überlasse ihm mittlerweile alle Fütterungs- und Streichelpflichten, obwohl ich für gelegentliches Knuddeln schon zu haben bin. Aber nicht alle Katzen wollen das von mir. Das sind schließlich stolze Wesen, und da ich ihre Sprache verstehe, ist das von mir halt nicht so, als ob ein normaler Mensch sie streichelt. Bei Benjamin können sie einfach nur knuffige Pelzkugeln sein, bei mir aber müssen sie beweisen, wie intelligent und absolut genial sie sind. Zum Glück haben diese Kleinen den Unterschied noch nicht gelernt und reiben sich an meinen Beinen und wollen einfach nur gestreichelt werden.

„Die wurden vor einer Stunde abgegeben“, erkläre ich Benjamin. „Ich nehme an, du weißt da nichts Näheres?“

Andere würden vielleicht dieses leichte Zucken des rechten Augenlids nicht bemerkt haben, aber ich bin schließlich ein Profi.

„Benjamin!?“

Er zuckt mit den Schultern. „Ich hab einem Freund erzählt, dass ich mich um ein paar streunende Katzen kümmere. Vielleicht war er das.“

Ich starre ihn ärgerlich an. „Du hast einem Freund erzählt, wo wir wohnen?“

„Schau mich nicht so an. Er weiß es sowieso schon. Er hat uns schon ein paar Kunden gebracht.“

Eine der kleinen Katzen versucht gerade, mein Bein hochzuklettern, und ich nehme sie sanft auf den Arm. „Ihr Katzenbabies, was?“ Ich seufze. „Du hast dafür die Verantwortung. Wenn du dich nicht um sie kümmern kannst, werde ich eine der erwachsenen Katzen bitten, sie mit in ihre Familie aufzunehmen.“

Benjamin strahlt mich an. „Es wird ihnen an nichts fehlen.“

„Solange es M.I.A.U. auch an nichts fehlt“, warne ich ihn. „Nur zur Erinnerung – das ist immer noch ein geschäftliches Unternehmen hier, egal, wie viele Katzen in diesem Haus wohnen. Wir sind kein Tierheim.“

Ich überlasse ihn seinem Schicksal, das Kätzchen immer noch auf dem Arm haltend. Sie hat ein glänzend schwarzes Fell und strahlend blaue Augen, von einem silbernen Kranz gesäumt. Ungewöhnlich und absolut faszinierend.

„Hast du schon einen Namen?“, frage ich, aber sie ist noch zu jung, um mich zu verstehen. Sie kann kaum älter als zwei Wochen sein, und Katzen entwickeln die Fähigkeit, mich in meiner menschlichen Gestalt zu verstehen, erst nach ungefähr acht Wochen. Ich könnte mich wandeln, aber vielleicht muss ich das sowieso bald tun, und zweimal kurz hintereinander verbraucht zu viel Energie.

Vor dieser nächsten Gestaltwandlung graut mir. Nicht wegen dem Vorgang an sich, aber dem Gespräch, das ich dann führen muss. Mit Ryker. Der Katze, die nicht wirklich eine Katze ist. Der mich von Anfang an hintergangen hat. Zugegeben, er hat sich nie vor mich hingestellt, mir in die Augen geschaut und gesagt „Ich bin Ryker, ich bin eine Katze, ich bin kein Gestaltwandler“, aber es sollte doch zum Katzen-Anstand gehören, sich einem Wandler-Kollegen gegenüber zu offenbaren.

Er war ein paar Tage nicht in der Stadt, genug Zeit für mich, unser bevorstehendes Gespräch wieder und wieder zu üben. Wir haben ihre Labore und Forschungen zerstört, die vergifteten Kinder ausfindig gemacht und ihnen das Gegenmittel gegeben und einige Leute dabei umgebracht. Lennox, Griffon und ich sind dabei zu einem recht guten Team zusammengewachsen. Zum Glück hatten wir so viel zu tun, dass ich nicht dazu gekommen bin, über Gefühle nachzudenken. Emotionen. Anziehung.

Ich werde dem so lange wie möglich weiter aus dem Weg gehen. Das Leben ist schwer genug, auch ohne irgendwelche Bindungen einzugehen.

Jetzt, wo die Heiler ausgemerzt worden sind, geht das Leben hoffentlich wieder normal weiter. Ich habe einige Aufträge abzuarbeiten. Gute alte Auftragsmorde, nichts Besonderes. Ich bin froh darüber. So bald werde ich nicht wieder irgendwelche Nachforschungen anstellen. Nicht nach diesem Erlebnis. Natürlich freue ich mich, dass wir all diesen Kindern helfen konnten, aber ich will nicht wieder in solche Dinge verwickelt werden. Seit ich M.I.A.U. gestartet habe, habe ich immer versucht, so wenig wie möglich Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, der Meute nicht aufzufallen, fürchte aber, dass dieser Fall Wellen geschlagen hat, die unübersehbar waren.

Lennox macht Druck, wir sollten Pläne machen, wie wir die Meute angreifen könnten, weil die Kinder zu Experimentierzwecken verkauft haben, aber ich kann mich dazu nicht durchringen. Wir sind nicht stark genug, denen entgegen zu treten, selbst mit Griffon auf unserer Seite. Drei gegen mindestens hundert ist nicht wirklich realistisch.

Ich ziehe mich in mein Büro zurück, das schnurrende Kätzchen auf dem Arm. Ich setze sie in meinen Schoß und gehe die Post durch. Das ist der langweilige Teil des Geschäftslebens. Rechnungen, Rechnungen und noch mehr Rechnungen. Kindlers Bruder hat mich noch nicht bezahlt. Ich habe während meiner Ermittlungen einiges an Geld eingespielt, weil die Bösewichte immer irgendwo Bargeld rumliegen hatten, aber ansonsten bin ich darauf angewiesen, dass die Kunden meine Honorare bezahlen. Also werde ich dem noch eine Mahnung schicken, und wenn er dann seine Schulden nicht bezahlt, muss ich ihm wohl mit meinen Messern einen Besuch abstatten. Ich bezweifle, dass er an den Giftanschlägen beteiligt war, sonst hätte er wohl niemanden beauftragt, den Tod seines Bruders zu untersuchen, aber wenn er nicht zahlt, werde ich gnadenlos sein.

Ein Brief mit einem bekannten Prägezeichen auf dickem Papier ist dabei. Eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt. Mein geheimnisvoller Gönner. Ich habe nichts von ihm gehört, seit er mir erzählt hat, seine Enkelin sei gestorben. Ehrlich gesagt, bin ich darüber ganz froh. Ich wüsste nicht, was ich jetzt zu ihm sagen sollte. „Herzliches Beileid“ wäre wohl bei weitem nicht ausreichend.

Ich öffne den Umschlag mit einem meiner Messer – dieses hier war in einer Scheide, die an meiner Wade befestigt ist – und nehme den Brief heraus. An den Rändern sind überall Tintenflecke. Hätte nicht gedacht, dass der geheimnisvolle Unbekannte solch einen schmuddeligen Brief schicken würde. Seine Kleidung war immer tadellos sauber, von oben bis zu den blitzblank geputzten Schuhen.

Für wen es angeht

Mein Vater starb vor zwei Tagen. Bei Durchsicht seiner geschäftlichen Unterlagen fand ich heraus, dass er Ihnen eines seiner Häuser zum alleinigen Gebrauch überlassen hatte. Da ich mit dieser Seite seiner Geschäfte nichts zu tun haben will, werde ich Ihnen die Eigentumsurkunden für dieses Haus zukommen lassen und verlange im Gegenzug eine Geheimhaltungserklärung wie auch eine Verzichtserklärung bezüglich jedweder künftiger Forderung nach Geld oder Hilfsleistungen.

Anbei die entsprechenden Dokumente.

Ich lese ihn wieder. Und wieder.

Das Haus gehört mir. Auch wenn der geheimnisvolle Unbekannte es bei unserer ersten Begegnung schon so dargestellt hatte, war bei mir im Hinterkopf doch nie der Gedanke gewichen, er könne es eines Tages zurückfordern. Jetzt war ich diese Sorge los.

Oh. Und gestorben ist er also. Wie schade. Ob ich Blumen schicken soll? Macht man das so, wenn man einen Toten nicht selber umgebracht hat?

Eigentlich sollte ich wohl traurig sein. Bin ich aber nicht. Ich hab ihn nicht wirklich gekannt. Er blieb in allem geheimnisvoll. Ich bin ihm dankbar, sehr sogar, aber das reicht für ein Gefühl der Trauer nicht aus. Zumal das Haus jetzt auch offiziell mir gehört.

Ich werfe einen schnellen Blick auf den Vertrag und die Papiere, die mir die Tochter geschickt hat und unterschreibe sie sofort. Ich werde wohl kaum ein besseres Angebot bekommen. Ich lege den Brief in mein Ausgangskörbchen – ja, so was habe ich tatsächlich, kann’s selber kaum glauben – und beschließe, dass dies genug Büroarbeit für einen Tag war. Irgendwann muss ich mich um die Finanzen kümmern, aber nicht heute. Ich bin in Trauer. Das ist meine Entschuldigung.

Das Katzenjunge miaut.

„Ja, ich hab dich ganz vergessen“, murmele ich und kraule es am Kopf. Die Kleine fängt sofort an zu schnurren. So ein süßes Ding.

Ich höre Lily lange bevor sie das Büro betritt. Ohne zu klopfen natürlich.

„Was seid ihr beiden süß“, sagt sie mit Blick auf das Junge auf meinem Schoß. „Willst du ein bisschen Katzenminze?“ Das Kleine schaut sie unbeeindruckt an und leckt dann weiter meinen Arm. Die kennt die unwiderstehliche Versuchung von Katzenminze noch nicht. Damit muss ich sie noch bekannt machen. Oder, nein. Dann muss ich ja teilen. Und das geht mir gegen den Strich, besonders bei Katzenminze. Das Zeug ist Manna vom Katzenhimmel. Lily ist die einzige, die meine heimliche Sucht danach kennt.

„Katzenminze?“ frage ich und tue so, als ob mich das nicht besonders interessiert. „Wo?“

Sie lacht böse. „Hab nur Spaß gemacht. Die musst du dir schon selber besorgen. Ich unterstütze deine Sucht nicht, nicht seit dem letzten Mal.“

Dieser Vorfall ist mir beinahe peinlich. Beinahe. Schließlich kann es den anderen ja egal sein, wenn ich mit einem Wollknäuel auf dem Boden rum rolle. In meiner menschlichen Gestalt. Das kommt doch mal vor, oder?

Lily lehnt an der Wand, wobei einer ihrer schmutzigen Stiefel Spuren an der Tapete hinterlässt. Vorher hätte mir das nichts ausgemacht, aber jetzt ist das mein Haus. Mein Eigentum.

„Füße von der Wand“, knurre ich und ziehe die Augenbrauen zusammen.

„Wassn nu los?“

Ich zucke mit den Schultern. „Unser mysteriöser Unbekannter ist gestorben, das Haus gehört jetzt mir. Kein Dreck an der Wand, kein Dreck auf dem Boden, nirgends Blut außer im Keller. Verstanden?“

Sie grinst. „Du bist jetzt Hauseigentümer? Wie so’n ganz normaler Mensch? Wie jemand, der einen Job hat und zur Arbeit geht und Fernsehen schaut und niemanden umbringt?“

„Sieht so aus. Ich hoffe nur, das bedeutet nicht, dass ich jetzt Steuern zahlen muss und eine Versicherung brauche und so’n Zeug.“

Lily lacht. „Ich kann mir kaum vorstellen, wie du dasitzt und Versicherungsprämien vergleichst. Aber vielleicht macht das Benjamin ja Spaß. Ich hab erst begriffen, wie gern der mit Zahlen arbeitet, als er die ganzen Unterlagen von Kindler durchgegangen ist.“

„Nur zu, soll er machen. Vielleicht gibt’s ja auch eine Versicherung gegen einen Angriff von Horden versklavter Gestaltwandler. Die könnten wir gebrauchen.“

Ihr Lächeln verschwindet. „Glaubst du, die Meute wird uns angreifen?“

„Das war immer nur eine Frage der Zeit“, seufze ich. „Ich glaube, die wussten, dass ich einen mächtigen Unterstützer hatte, also haben sie gewartet, bis sie Genaueres wussten. Sobald die herausfinden, dass der geheimnisvolle Unbekannte gestorben ist und mich niemand mehr beschützt, werden sie mich zurückholen wollen. Sie können nicht zulassen, dass ich zum Präzedenzfall werde, wie man ihrem Einflussbereich entkommen kann. Dann müssten sie mit einer Revolte rechnen.“

„Vielleicht sollten wir selber sie beginnen“, sagt Lily nachdenklich.

„Hä?“

„Die Revolte. Du solltest es öffentlich machen, den Mitgliedern der Meute sagen, dass es möglich ist, ihre Halsmanschetten zu entfernen und ein Leben in Freiheit zu führen; dann könntest du ihre Anführer vielleicht so weit ablenken, dass sie nicht gleich hinter dir her sind.“

Ich stöhne. „ Du hörst dich schon wie Lennox an. Er meint auch, Angriff sei die beste Verteidigung.“

Lily grinst und stößt sich von der Wand ab. „Gut. Dann muss ich jetzt nur noch die anderen auf meine Seite bekommen, dann werden wir dich alle gemeinsam überzeugen.“

Ich werde ihr nicht sagen, dass mich der Gedanke selber reizt, gegen das Meute vorzugehen. Es gibt Gründe, warum ich das nicht einmal in Erwägung ziehen sollte, Gründe, die die anderen nicht kennen.

„Übrigens“, beginnt Lily und kommt zu mir an den Schreibtisch, beugt sich dabei weit vor, so dass ich ihre Brüste sehen kann und ihr diebisches Lächeln.

„Was willst du?“

Sie klimpert mir mit den Wimpern zu. Echt jetzt? Sie sollte inzwischen wissen, dass man mich so nicht rumkriegt. Sie mag ja attraktiv sein, ist aber nicht mein Typ.

„Also…Ich weiß ja, dass wir keinen Arbeitsvertrag haben…“

„Willst du eine Gehaltserhöhung?“ frage ich misstrauisch, aber sie schüttelt den Kopf.

„Urlaub.“

Mir fallen fast die Augen aus dem Schädel. Urlaub? Gibt’s noch was Banaleres?

„Wieso?“, frage ich mit schwacher Stimme. Ich hatte noch nie im Leben Urlaub und war davon ausgegangen, dass das auch auf Lily zuträfe. Allein der Gedanke an ein paar freie Tage … also eigentlich hört sich das gar nicht schlecht an. Aber ich bin Geschäftsinhaberin. Selbständig. Da nimmt man nicht einfach frei. Der Tod muss zuverlässig sein.

„Es gibt da was, wo ich hin will“, sagt sie und sieht mir dabei nicht in die Augen. „Es ist…also, es ist was, was ich schon immer mal machen wollte.“

„Einzelheiten“, fordere ich, eigentlich nur aus Neugier, nicht, weil ich ein so strenger Boss wäre. Natürlich kann sie ihren Urlaub haben. Ist mir eigentlich egal. Es stört mich höchstens, dass sie mich nicht mitnehmen will, aber das ist was anderes.

„Es ist eine Versammlung“, murmelt sie. „Für Leute wie mich.“

„Killer mit Vorliebe für Giftmorde?“

„Muss ich’s dir wirklich haarklein erklären?“ Sie seufzt. „Es ist ein Treffen von Succuben.“

Ich starre sie an. „Succuben? Du hast doch immer behauptet, die gibt’s gar nicht. Immer wenn ich gesagt habe, du wärst ein Incubus, dann hast du … mich also belogen!“

Sie schüttelt den Kopf und schaut mir noch immer nicht in die Augen. „Incubus. Du hast mich immer Incubus genannt, und die gibt es nicht. Das wären die männlichen Gegenstücke zu einem Succubus, aber die gibt es wirklich nicht.Succuben dagegen… Tut mir leid. Ich hab mich so daran gewöhnt, niemandem davon zu erzählen und hab das natürlich auch bei unserem ersten Treffen nicht getan. Und als wir dann Freunde geworden sind, hatte ich das Gefühl, es sei jetzt zu spät.“

Endlich sieht sie mich an, in ihrer ganzen Verletzlichkeit. Jemand anderes an meiner Stelle würde sie jetzt in den Arm nehmen. Ich dagegen starre sie nur an und sammle meine Gedanken. Sie hat mich belogen, aber umgekehrt habe ich das auch getan. Wie sie bin ich es gewöhnt, nicht die Wahrheit zu sagen, sie zu verbiegen, wichtige Details auszulassen. Ich sollte mich nicht so verletzt fühlen, wie ich es gerade tue.

„Tut mir echt leid“, wiederholt sie. „Ich hätte es dir sagen sollen.“

Ich seufze. „Ist ja nicht so, dass ich nicht den Verdacht gehabt hätte. Hab nur geglaubt, du wüsstest es nicht oder wolltest es dir nicht eingestehen.“

Lily schüttelt den Kopf. „Ich wurde in eine Succuben Familie hineingeboren und bin auf eine ihrer Schulen gegangen. Mir wurde die Kunst der Verführung beigebracht, aber ich war immer mehr an Giften und Morden interessiert. Ich habe die Akademie und das Leben als Succubus hinter mir gelassen und versucht, ein eigenständiges Leben zu führen, nicht das, was mir durch meine Erziehung vorbestimmt war. Aber ich vermisse meine Familie und dachte, es wäre vielleicht schön, zu der jährlichen Succubus Versammlung zu gehen.“

Ich schenke ihr ein dünnes Lächeln. Hört sich wirklich danach an, als ob sie das tun sollte. Für mich wäre das viel zu viel Gemeinschaft, aber Lily ist da anders. Sie liebt es, von anderen Menschen umgeben zu sein; ich dagegen bin mir selbst die beste Gesellschaft.

„Wenn ich dir ein paar Tage frei geben soll, musst du meine Fragen beantworten“, sage ich, und jetzt wird aus meinem Lächeln ein breites Grinsen. „Und ich kann dir sagen, ich will alles über Succuben wissen.“

Kapitel 2

Wir sitzen schließlich im Wohnzimmer mit vier Packungen Kartoffelchips und einer halbleeren Tüte karamellisiertem Popcorn.

„Es gibt also keine männlichen Succuben?“ frage ich zum zweiten Mal. Das will mir nicht in den Kopf.

„Nö, Succuben haben nur weibliche Nachkommen“, wiederholt Lily. „Wir bedienen uns der menschlichen Männer, um schwanger zu werden, aber dann werden die nicht mehr gebraucht, und den Rest erledigen die Frauen. Normalerweise leben mehrere Generationen von Succuben zusammen und helfen sich gegenseitig in der Betreuung ihrer Töchter.“

„Bedeutet das, du kennst deinen Vater nicht?“

„Keine Ahnung, wer das ist. Im Grunde genommen war er nur ein Samenspender. Ist mir eigentlich egal, wer das war, obwohl ich ihm für die guten Gene dankbar bin. Meine Mutter ist sehr klein, also muss ich meine körperliche Ausstattung wohl von ihm haben.“

„Und es gibt eine Akademie für Succuben?“, frage ich lachend. „Geht’s da hauptsächlich um Sex?“

Sie schüttelt den Kopf. „Sex ist nur der kleinste Teil. Wir müssen mit den Leuten, die wir konsumieren, nicht schlafen. Verführung kann da viel effizienter sein. Du kannst dir das wie den Hauptgang bei einem guten Essen vorstellen. Das Spiel mit ihren Gefühlen, Hoffnung erwecken, ein bisschen flirten, die Spannung erhöhen, und der Sex dann als Nachtisch.“

„Hört sich gut an.“

Sie grinst und erinnert mich dabei wieder an das in ihr schlummernde Raubtier. „Ist es auch. Ich bin zwar von deren Schule gegangen, bin aber trotzdem eine Expertin in der Kunst des Verführens. Bedauerlicherweise wirken diese Künste nur bei Menschen, sonst hätte ich diesen kleinen Urlaub bekommen können, ohne alle meine kleinen Geheimnisse preiszugeben.“ Sie zwinkert mir zu. „Kann ich gehen? Ist ja nur für ein paar Tage. Es sei denn, ich finde männliche Spielzeuge…. Ich denke da ein einen reichen Geldsack, der mir was geben könnte, damit ich mein Schlafzimmer neu streichen kann.“

„Schon wieder?“ Ich stöhne. „Du hast das doch in den letzten vier Monaten schon mehrmals gemacht“.

Lily zuckt mit den Schultern. „Ich mag halt kleine Veränderungen. Immer dieselbe Wandfarbe ist doch langweilig.“ Im Moment ist ihr Zimmer schwarz gestrichen, mit ein paar dunkelroten Vorhängen in den Ecken. Wäre nicht mein Stil. Bei mir müsste alles schwarz sein.

Unser Gespräch wird unterbrochen, als jemand zur Haustür reinkommt. Ich schnuppere. Griffon. Er ist leicht am Geruch zu erkennen. Voller Testosteron und unterdrückter Wut. Wie ein gespannter Bogen, der jeden Moment reißen kann. Wäre gut, wenn ich nicht dabei wäre, wenn das passiert. Er macht immer einen lustigen, jovialen Eindruck, wenn er sich mit mir unterhält, aber das täuscht meine Katzensinne nicht über die im Innern vorhandene Anspannung hinweg. Er verheimlicht mir was, und ich muss herausfinden, was.

Ich mag keine Geheimnisse, jedenfalls nicht die von anderen Leuten mir gegenüber. Ich selbst stecke voller Geheimnisse, und das ist gut so. Ist doch langweilig, anderen alles über dein Leben zu erzählen. Wozu soll das gut sein? Außerdem gibt es da ein paar Dinge, auf die ich nicht gerade stolz bin, vorsichtig ausgedrückt.

„Wer ist es?“, fragt Lily und erinnert mich daran, dass sie nicht mit demselben Geruchssinn ausgestattet ist wie ich. Ich muss sie später noch weiter zu den Succubus Fähigkeiten befragen. Ist das wirklich nur Verführung oder steckt noch mehr dahinter?

„Ich bin’s“.

Griffon betritt das Zimmer, bevor ich antworten kann. Er ist wie immer gänzlich schwarz gekleidet, hat aber seine dunklen Haare heute nicht zum Pferdeschwanz oder Knoten zusammengebunden, sondern trägt sie offen; sie gehen ihm bis zu den Schlüsselbeinen und umspielen seine Schultern. Das beantwortet auch die Frage, die ich mir seit unserem ersten Treffen immer wieder gestellt habe. Ja, sein Haar ist länger als meines. Beeindruckend. Es ist auch seidiger als meines. Das würde sicher auch mehr glänzen, wenn ich es regelmäßiger waschen würde. Aber Äußerlichkeiten sind mir nicht wichtig. Die Toten fragen nicht, ob ihr Killer geschminkt war oder zottelige Haare hatte.

„Dann überlasse ich euch mal das Feld.“

Lily schleicht sich aus dem Zimmer, noch bevor ich sie auffordern kann zu bleiben. Verdammt, ich wollte doch nicht mit Griffon alleine sein. Ich fühle mich in seiner Gegenwart nicht richtig wohl. Nicht, dass ich etwas Schlimmes erwarten würde. Ich weiß nur nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Ja, er verunsichert mich. Ich geb’s zu. Die Frage ist, wie damit umgehen. Bisher hat funktioniert, nicht mit ihm allein zu sein. Aber jetzt wo Lily gegangen ist, muss ich meine Frau stehen und ihm alleine entgegentreten.

Er setzt sich auf das Sofa mir gegenüber, steht dann kurz wieder auf und entfernt eine leere Chipstüte, auf die er sich gesetzt hatte. Hab nie behauptet, dass irgendjemand hier im Haus gern aufräumt…

„Warum bist du hier?“, frage ich und bin selbst überrascht, wie feindselig ich klinge.

„Ich war hier in der Gegend und dachte, ich schau mal vorbei“, sagt er mit entwaffnendem Grinsen. „Wie geht’s denn so?“

„Ich kann deine Lüge förmlich riechen“, erwidere ich mit starre ihn weiter unnachgiebig an. „Warum bist du wirklich hier?“

Er grinst noch breiter. „Ich hatte Langeweile“.

Ich seufze. „Du lügst schon wieder. Sag die Wahrheit, oder ich schmeiß dich raus. Ich hab eh genug zu tun.“

„Du bist nicht gerade eine nette Gastgeberin, das ist dir schon klar, oder?“

„Ich pflege keine besonders höflichen Umgangsformen“, fauche ich zurück. „Also hau besser ab, bevor ich meine Messerwurfkünste an dir ausprobiere.“

Griffon kichert. „Ganz schön empfindlich. Aber vielleicht bist du ja zufrieden, wenn ich dir sage, dass ich deine Hilfe brauche.“

Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Du? Meine Hilfe?“

Griffon lacht. „Ja, ich. Du kannst mir glauben, das war nicht meine Idee, aber wo du die einzige Auftragsmörderin bist, die meinem Grad an Perfektion wenigstens nahe kommt –„

„Nahe?!“, unterbreche ich ihn. „Ich bin um Längen besser als du.“

Ich fange den Wurfpfeil, den er nach mir wirft, kurz bevor er mich an der Schulter trifft. Zum Glück ist er nicht so schnell wie ich, und mein Pfeil streift ihn am Kinn. Ein Blutstropfen fällt auf sein schwarzes Hemd. Bingo.

Dann fällt mir erst auf, dass wir die Pfeile im selben Moment geworfen haben. Als ob wir denselben Gedanken hatten. Nee, halt mal. Solche Gedanken will ich gar nicht erst aufkommen lassen. Ich habe so hart daran gearbeitet, anders als die anderen zu sein, auch als andere Killer. Nur so bleibt man undurchschaubar. Hoffentlich war das nur Zufall und nicht der Anfang einer Serie.

„War der vergiftet?“, fragt er und schnüffelt an dem Pfeil.

„Nein, dir wird nichts passieren.“ Ich lehne mich zurück und verschränke die Arme hinter dem Kopf. „Wobei brauchst du meine Hilfe?“

Jetzt, wo ich ihn buchstäblich ausgestochen habe, fühle ich mich viel selbstsicherer. Er will was von mir, das gibt mir die Oberhand. Vielleicht lass ich ihn vor mir auf dem Boden rumrutschen und meine Füße küssen. Danach denkt er dann sicher nicht mehr, dass er besser ist als ich.

„Es geht um ein Mädchen“, fängt er an. Ich starre ihn ungläubig an.

„Du willst von mir einen Rat wegen nem Date?“

Er lacht. „Nee, nicht die Art von Mädchen. Die ist ganz sicher nicht mein Typ. Sie ist zu … unschuldig. Sie ist eine Nachbarin, und jemand hat ihre Halskette gestohlen.“

Ich schüttele den Kopf. „Ich mache keine Ermittlungen. Das war eine einmalige Sache, jetzt ist wieder nur noch Morden angesagt. Keine zu lösenden Fälle, keine Rätsel, kein Kopfzerbrechen.“

„Wenn du die Diebe findest, kannst du sie umbringen“, bietet er an.

Ich lache. „Das hat man mir letztes Mal auch gesagt. Wenn ich das getan hätte, wärst du jetzt tot.“

Er sieht etwas enttäuscht aus. „Ich kann bestimmt auch ein bisschen was Bares finden, wenn du auf eine Belohnung aus bist.“

„Hab im Moment genug Darems, danke. Ich bin wirklich nicht interessiert. Ich will einfach nur, dass alles so wird wie früher.“

„Gedankenloses Töten?“ Er lächelt wissend, aber die Enttäuschung schwingt in seiner Stimme noch mit.

„Genau das. Jemand sagt mir, wen ich umbringen soll, ich tu’s, werde bezahlt. Ganz einfach. Kein Rumsuchen nach irgendwelchen Hinweisen, keine Verhöre, keine Verschwörungen. Schau dir doch nur an, was für ein Chaos diese Untersuchung bei uns hinterlassen hat. Selbst jetzt haben wir noch mit den Folgen zu kämpfen. Nein, ich will das nicht nochmal. Tut mir leid“. Ich lächle ihn an, um meinen Worten die Schärfe zu nehmen. Das habe ich bei anderen beobachtet und will’s selber mal versuchen. Dabei ist mir nicht ganz klar, wieso es solchen Eindruck auf die Leute macht, wenn man seine Lippen nach oben verbiegt. Aber ich bin ja gewöhnt, dass ich nicht verstehe, warum sich andere ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen. In einer perfekten Welt würde jeder geradeheraus sagen, was er denkt und das ganze nicht hinter bedeutungslosen Gesten und Lächeln verbergen. „Du findest sicher jemand anderen, der sich darum kümmern wird.“

Er starrt mich durchdringend an, als wollte er herausfinden, ob das wirklich mein letztes Wort ist. Ich schaue ihm selbstbewusst in die Augen. Ich werde mich nicht erweichen lassen. Hab Lily schon Zugeständnisse mit dem Urlaub gemacht. Jetzt muss ich an mich denken. Ich hab mich in letzter Zeit zu sehr wie ein Mensch verhalten. Muss meine innere Katze wieder zum Vorschein bringen.

Griffon nickt kurz und steht auf. „Du weißt, wo du mich finden kannst, wenn du deine Meinung änderst.“

Da bleibt ein komisches Gefühl zurück, als er gegangen ist. Schuld? Nee, wieso denn. Warum sollte ich mich schuldig fühlen? Und nein, ich fühle mich auch nicht einsam. Ich will nicht, dass er bleibt und wir Freunde werden. Überhaupt nicht.

Glücklicherweise reißt mich ein Miau aus meinen Gedanken. Es ist Nyx mit ihrem schönen weißen Fell, das seidig glänzt. Wenn sie ein Mensch wäre, würde sie sicher jeder fragen, womit sie ihre Haare wäscht. Wo sie aber eine Katze ist ….muss es wohl ihre Spucke sein.

„Na, was gibt’s?“, frage ich sie während sie sich an meinen Beinen reibt und zufrieden schnurrt. „Hat man euch gefüttert`“

Sie schnurrt bejahend. Das überrascht mich. An ihrer Stelle hätte ich nein gesagt, um noch mehr Futter zu bekommen. Eine ehrliche Katze, was für eine Seltenheit!

Nyx miaut und springt auf das Sofa und sieht mich dabei erwartungsvoll an.

„Ryker?“, frage ich, und sie nickt. Mist. Ich hatte gehofft, noch ein bisschen Zeit zu haben. Seufzend stehe ich auf. Klar doch, Nyx nimmt sofort meinen Platz ein und streckt sich auf dem warmen Sofa aus. Katzen! Sie wissen, was ihnen guttut.

Ryker wartet hinten im Hof auf mich. Keine der anderen Katzen ist da, wir sind allein. Er sieht noch beeindruckender aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Das Fell um seinen Hals herum ist so buschig, dass es fast wie eine Löwenmähne aussieht. Seine gelben Augen starren mich mit einer Intensität an, die mir Schauer über den Rücken jagen. Es ist an der Zeit, reinen Tisch zu machen.

Ich seufze und beginne mit der Wandlung, wobei sich mein Körper auf total unnatürliche Art und Weise dehnt. Als die Schnurrbarthaare aus meinen Wangen springen, wische ich mit meinen übergroßen Pranken danach. Es kitzelt, obwohl ich eigentlich gern Barthaare habe. Die sind doch das gewisse Etwas.

„Man hat mir gesagt, du wolltest mich sprechen“, sagt Ryker mit seiner tiefen, melodischen Stimme. „Warum geht’s?“

Tut er nur so, als wüsste er das nicht? Ich war der Meinung, er wäre mir in den vergangenen Tagen aus dem Weg gegangen, aber jetzt, wo er mir gegenübersteht, sehe ich nichts Ausweichendes in seinen goldenen Augen. Im Gegenteil, er starrt mich an mit Respekt und Neugier im Blick.

„Du hast mich angelogen“, beginne ich, merke dann aber sofort, dass das so nicht stimmt, hat er nicht. „Zumindest hast du nicht die ganze Wahrheit gesagt.“

Seine Ohren zucken vor Verwirrung. „Wovon redest du? Ich behalte einige Geheimnisse für mich, um meine Familie zu schützen, aber keins davon betrifft dich so sehr, dass du dich darüber aufregen müsstest.“