Krieger des Lichts - Ungezähmte Leidenschaft - Pamela Palmer - E-Book

Krieger des Lichts - Ungezähmte Leidenschaft E-Book

Pamela Palmer

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Beschreibung

Die Hexe Skye wird von Dämonen gezwungen, den mächtigen Krieger Paenther zu entführen. Doch selbst in Ketten gelegt ist Paenther noch gefährlich - es gelingt ihm, Skye zu verführen und eine wilde Leidenschaft in ihr zu entfesseln. Paenthers Stolz verlangt, dass er an der Zauberin Rache nimmt. Doch Skyes verletzliche Schönheit berührt ihn tief und weckt ungeahnte Gefühle in ihm. Aber schon bald sehen sich beide einer weitaus größeren Bedrohung gegenüber, der sie nur begegnen können, wenn sie zusammenstehen und der Macht ihrer Liebe vertrauen.

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Inhalt

Titel

Widmung

Prolog

1

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5

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Epilog

Danksagung

Impressum

 

 

Pamela Palmer

Ungezähmte Leidenschaft

Roman

Ins Deutsche übertragen von Firouzeh Akhavan-Zandjani

 

 

Für Peggy, Holly, Vonnie, Michelle, Cheryl, Debbie, Andrea, Cici, Laura und Bettina –für Bücher, Champagner und eure kostbare Freundschaft

 

Prolog

Virginia 1738

Der frisch gezeichnete Krieger des Lichts, Black Panther, strich über das Felsplateau, von dem aus man auf den reißenden Potomac schaute. Der raue Wind ließ Schneeflocken um ihn herumwirbeln, während er auf den Beginn des Rituals wartete, welches ihn, wenn es der Göttin gefiel, zu einem Gestaltwandler machen würde … einem der mächtigsten Geschöpfe auf Erden.

Vor ein paar Monaten hatte der Geist eines verstorbenen Kriegers des Lichts von ihm Besitz ergriffen und ihn mit seinem Mal versehen. Und keine Woche später, als er aufgebrochen war, um das Haus der Krieger ausfindig zu machen, hatte ihn die Zauberin Ancreta mit einer List gefangen genommen. Über Monate hatte er Folterqualen durch sie erleiden müssen, während sie versuchte, den Geist, der von ihm Besitz ergriffen hatte, auf die grausamste Art und Weise dazu zu bringen, sich von ihm zu lösen. Dadurch entzündete sie einen brennenden Zorn in seiner Seele, der sich seither nie wieder gelegt hatte.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen herauszufinden, ob es ihr gelungen war.

Um ihn herum maßen sechs Krieger des Lichts mit nacktem Oberkörper und einem breiten goldenen Reif, der den Arm jedes Einzelnen umschloss, einen mystischen Kreis ab. In ihrer Mitte stand die Strahlende, die einzige Frau, die sie begleitete – diejenige, durch die sie ihre Kraft aus der Erde zogen. Der mystische Kreis umschloss den großen, flachen Felsen, auf dem sie standen, und verbarg alles, was sich darauf abspielte, vor den spähenden Blicken der Indianer, die gelegentlich in diesen Wäldern jagten.

Es war ein trüber Tag, die Kälte schnitt in die nackte Haut seines Oberkörpers, eines Körpers, der zu viele Male unter Ancretas Folter gebrochen worden war.

Hass wühlte in seinen Eingeweiden. Zorn ließ sein Blut brodeln. Sieben lange Monate war er ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen; der dritte von drei frisch mit Malen gezeichneten Kriegern, die die Hexe im Laufe der letzten zwei Jahre zu ihren Gefangenen gemacht hatte.

Nur zwei hatten überlebt … Vincent und er. Vor zehn Tagen war Vincent die Flucht gelungen. Vor neun Tagen war er zurückgekehrt und hatte erneute Gefangenschaft und Tod riskiert. Black Panther legte den Kopf in den Nacken, sodass der Wind ihm das lange Haar aus dem Gesicht streichen konnte. Vincent war seinetwegen zurückgekehrt. Und endlich, heute, würde das Ritual vollendet werden … die Wiedergeburt, um ihr Leben als wahre Krieger des Lichts fortzusetzen.

Vincent stand neben ihm. Das Lederband, mit dem sein blondes Haar im Nacken zusammengefasst war, hatte sich gelöst, sodass der Wind es ihm ins Gesicht wehte und immer wieder den Blick in seine Augen verwehrte, in denen stets ein amüsiertes Glitzern lag, welches nicht einmal erloschen war, wenn Ancreta die Folter auf die Spitze getrieben hatte. Die beiden frisch Gezeichneten, die jetzt bald Gestaltwandler sein würden, standen dicht nebeneinander, während sie die Krieger des Lichts, den Stolz des therianischen Volkes, mit vorsichtigem, fasziniertem Blick von oben bis unten musterten. Die Krieger waren allesamt so groß wie sie – alle maßen gut über zwei Meter und besaßen kräftige, muskelbepackte Körper. Black Panther erinnerte sich lebhaft an die Ehrfurcht, die ihn ergriffen hatte, als er eines Morgens erwacht war, die Klauenspuren über seinem Auge entdeckt und gewusst hatte, dass er auserwählt worden war, sich ihnen anzuschließen.

Während er noch schaute, nahmen die Krieger ihren Platz im Kreis ein und stimmten einen Gesang an. Die Magie mochte sie zwar vor spähenden Blicken schützen, doch das Wetter ließ sich damit nicht beeinflussen. Der schneidende Wind strich beißend über seine Haut, und Schneeflocken wirbelten um seine Knöchel.

Die Frau zog ihren wehenden Umhang fest um sich. Sie sah gereizt aus. »Warum können wir nicht ein, zwei Tage mit dem Ritual warten! Ich versteh das nicht. Es schneit!«

Der Anführer der Krieger, Lyon, reagierte mit kühler Beherrschtheit auf ihre Unzufriedenheit. »Die Krieger haben viel durchmachen müssen, Oudine. Sie brauchen deine Strahlung, und ich brauche sie, um die Anzahl meiner Männer zu vergrößern. Wir sind schon zu lange nur sechs.«

Die Frau stieß ein verärgertes Schnauben aus. »Du hast selbst gesagt, dass die Hexe ihnen möglicherweise so viel Schaden zugefügt hat, dass sie sich nicht mehr verwandeln können. Sie könnten nutzlos sein.«

»Schweig, Oudine.« Lyons Stimme war ebenso barsch wie leise.

Black Panther ballte die Hände zu Fäusten. Nutzlos. Das Wort fuhr wie eine kalte Klinge aus Stahl durch seinen Körper und ließ sein Blut gefrieren. Hatte Ancreta alles zerstört, wofür er je gelebt hatte?

Von dem Zeitpunkt an, als er mit dem Mal über seinem Auge erwacht war, hatte er auf diesen Moment gewartet. Nein, eigentlich schon, seitdem er geboren worden war. Seine Großmutter, die Seherin des Stammes der Tauxenent, die Frau, die ihm den Namen Black Panther gegeben hatte, hatte bei seiner Geburt vor mehr als hundertvierzig Jahren vorhergesagt, dass er eines Tages sowohl als Paenther als auch als Mensch auf Erden wandeln würde.

All die Jahre hatte er daran geglaubt. All die Jahre hatte er darauf gewartet.

Gestern hatte er bei seiner Ankunft im Haus der Krieger erfahren, dass der Krieger des Lichts, der von der Zauberin getötet worden war, kurz bevor er, Black Panther, gezeichnet wurde, tatsächlich der schwarze Panther gewesen war. Die Prophezeiung würde endlich wahr werden. Doch nur, wenn Ancreta es nicht geschafft hatte, ihm die Fähigkeit zu nehmen, Verbindung mit dem Tier in seinem Innern aufzunehmen. Ein Krieger des Lichts, der seine Gestalt nicht wandeln konnte, lebte nicht lang.

»Wir werden unsere Gestalt wandeln, so wie es uns vorherbestimmt ist«, sagte Vincent ruhig und legte Black Panther einen Arm um die Schulter. »Zweifle nie daran.«

Black Panther begegnete dem gelassenen Blick seines Freundes und spürte das feste, dauerhafte Band, das sie einte und das tiefer ging als alles, was er jemals für jemanden empfunden hatte. Es war Vincent zu verdanken, dass er in den Monaten der gemeinsam ertragenen Folter weder seine Kraft noch seinen Verstand verloren hatte. Mit Vincent hatte er seinen Kummer geteilt, als der Dritte in ihrem Bunde, Frederick, schließlich gestorben war. Und es war Vincent gewesen, dem die Flucht gelungen war, der aber zurückgekommen war und alles riskiert hatte, um seinen Freund zu retten.

Er verdankte diesem Mann sein Leben.

Er nickte seinem Gefährten zu. »Wir werden unsere Gestalt wandeln.« Eine leichte Erregung ließ sein Herz schneller schlagen, als er zur Göttin der Therianer betete, dass seine Hoffnung nicht vergeblich sein möge.

»Es ist so weit«, sagte einer der Krieger, ein Mann mit kalten, blassen Augen, der Kougar hieß.

Lyon wandte sich an die Frau, die Strahlende. »Bereite dich vor, Oudine.«

Mit einem empörten Schnauben setzte sich die Frau in die Mitte des flachen Felsens. Dabei blähten sich ihre wollenen Röcke und der weite Umhang im rauen Wind.

Während sich die Männer kreisförmig um sie herum aufstellten, winkte Lyon den beiden Neuen zu. »Stellt euch dazu.«

Mit einer Mischung aus gespannter Erwartung und Stolz trat Black Panther mit Vincent an der Seite zu den Männern, die den Kreis bildeten. Er beobachtete, wie Kougar sich mit einer scharfen Klinge über die Brust fuhr, die flache Hand auf das hellrote Rinnsal presste und die Finger über dem Blut zur Faust ballte. Dann reichte er das Messer an den nächsten Krieger weiter. Einer nach dem anderen tat es ihm nach, bis die Fäuste aller Männer feucht vom eigenen Blut waren. Der letzte der sechs Männer gab das Messer an Vincent weiter.

Sein Freund runzelte verzagt die Stirn, als er es entgegennahm, aber brachte sich wie die anderen einen Schnitt bei. »So ein Blödsinn«, grummelte er. »Sind die etwa bei Ancreta in die Lehre gegangen?«

»Ruhe«, sagte Kougar, ohne die Stimme zu erheben.

Als Vincent ihm die Klinge reichte und Black Panther sich mit dem blutigen Messer in die Brust schnitt, strahlte der Schmerz in seinen ganzen Körper aus, ließ aber genauso schnell wieder nach, während sich die Wunde bereits wieder schloss. Er legte seine Hand auf das warm rinnende Blut und ballte sie zur Faust. Als die anderen ihre Faust nach oben streckten, tat er es ihnen nach.

Lyon nickte. »Es ist so weit, Oudine.«

Die Strahlende saß zu ihren Füßen, als sie die Ärmel zurückschlug und die Arme über den Kopf hob.

Der Anführer drehte sich um und schaute ihm in die Augen, dann sah er Vincent an. »Neue Krieger des Lichts, ihr könnt die Strahlung erst dann direkt aufnehmen, nachdem ihr euch das erste Mal verwandelt habt. Wenn ihr sie jetzt berührt, sterbt ihr.«

Die sechs Krieger traten zwischen die Novizen und die Strahlende. Lyon öffnete die Faust und drückte seine blutige Hand auf Black Panthers Faust. Ein zweiter legte seine Hand auf Lyons und ein dritter seine auf die Hand des zweiten. Die anderen drei Krieger traten zu Vincent und taten dasselbe bei ihm.

Kougar begann zu singen, und die anderen fielen in den Gesang ein. »Geister erwachet. Versammelt euch und lasst die Tiere unter diesem Mond an eurer Kraft teilhaben. Oh, erhabene Göttin, zeige uns die Krieger!«

Es donnerte, und Black Panther erstarrte, als der Boden unter seinen Füßen zitterte und bebte. Energie schoss unter qualvollem Schmerz durch seinen Körper. Mit aller Macht kämpfte er gegen den einem Krieger unangemessenen Drang, dem Himmel sein Leid entgegenzuschreien, und hielt durch.

Vor seinen Augen tanzten kleine Lichter, während sich in seinem Innern etwas zu rühren begann. Schmerz explodierte in seinem Körper, als würden ihn tausend Klingen gleichzeitig durchbohren. Nur unter Aufbietung aller Willenskraft schaffte er es, aufrecht zu stehen und nicht vor Schmerz zusammenzubrechen. Aus weiter Ferne drang Ancretas Lachen an sein Ohr. Er kämpfte gegen den Schmerz und nahm die Energie bereitwillig an, die durch seinen Körper strömte und ihn verwandelte.

Dann veränderte sich ganz plötzlich sein Blickwinkel. Er war nicht mehr mannshoch, sondern stand auf vier Beinen, sodass sein Kopf jetzt viel tiefer war. Sein Blick wurde schärfer. Geräusche stürmten auf ihn ein. Die Vielfalt der Gerüche – des Schnees, der Bäume, des Flusses, der Männer und der Frau, die um ihn herumstanden – überwältigte ihn. Alles hatte seinen ganz eigenen Geruch, jedes Herz schlug in einem anderen Takt, und er nahm das alles plötzlich ganz verblüffend deutlich wahr.

Eine selten reine Freude stieg trotz des Schmerzes, der ihn immer noch durchdrang, in ihm auf. Er warf sein Katzenhaupt zurück und stieß ein triumphierendes Brüllen aus. Unglaublich – er hatte sich tatsächlich in einen schwarzen Panther verwandelt. Ancreta hatte am Ende doch nicht gewonnen.

»Verwandle dich wieder in einen Menschen, Black Panther.« Lyons leise Stimme drang sanft in seine Ohren.

Er erstarrte. Wie sollte er sich denn wieder zurückverwandeln?

Als hätte er die Frage gehört, ertönte wieder Lyons Stimme. »Habe den Willen, wieder ein Mensch zu sein, Krieger, und es wird so sein.«

Er tat es. Er wollte wieder ein Mensch sein, erneut leuchteten Lichter vor seinen Augen auf, und er nahm wieder seine menschliche Gestalt an. Er spürte eine seltsame Mischung aus Wut und Euphorie, als er sich, noch keuchend von dem betäubenden Schmerz, zu Vincent umdrehte.

Der Blick seines Freundes war merkwürdig ausdruckslos.

»Von nun an«, sprach Kougar, der neben Lyon stand, »wirst du für uns Paenther sein.«

Vincent musterte ihn, und seine Augen blickten hart, als er den Blick senkte. »Du hast es geschafft, Black Panther. Du trägst den Armreif.«

Paenther sah auf den breiten goldenen Reif, der sich um seinen Oberarm schlang. An einem Ende war er mit einem Pantherkopf versehen, in dem smaragdfarbene Augen funkelten. Mit einem Ruck blickte er hoch zu Vincents Oberarm, um den kein goldener Reif lag. Und mit schmerzhafter Deutlichkeit wurde es ihm klar.

»Du hast dich nicht verwandelt.« Fassungslosigkeit schwang in seiner Stimme mit.

Vincent schüttelte den Kopf. Sein Gesichtsausdruck war so ernst, wie Paenther es noch nie bei ihm gesehen hatte. Sogar während all der schrecklichen Monate war immer Vincent derjenige gewesen, der nie den Glauben daran verloren hatte, dass sie es irgendwie schaffen würden zu entkommen. Dass sie am Ende doch Krieger des Lichts werden würden. Jetzt sah es so aus, als ob ihm sogar das genommen worden war.

Paenther runzelte die Stirn und schüttelte ungläubig den Kopf. »Du hast dich schon einmal verwandelt. Eigentlich hättest du gar nicht dazu in der Lage sein dürfen, aber du hast es getan.«

»Vielleicht ist das der Grund, warum ich es jetzt nicht mehr kann. Ancreta und ihre Schwarze Magie haben das einzig Gute in meinem Leben besudelt … es zerstört.«

»Wir werden es noch einmal versuchen«, erklärte Lyon und zog damit beider Blicke auf sich. Die Miene des Anführers der Krieger des Lichts war düster.

Paenther sagte ruhig: »Und wenn es ihm auch ein zweites Mal nicht gelingt, sich zu verwandeln?«

Lyon schüttelte den Kopf. »Ein Krieger des Lichts, der sich nicht verwandeln kann, kann auch nicht die Strahlung aufnehmen und wird schließlich sterben.«

Er wusste, dass das stimmte. Der dritte Gefangene, Frederick, hatte fast zwei Jahre in Ancretas Verlies zugebracht, als seine Unsterblichkeit allmählich zu schwinden begann. Er war schließlich unter Ancretas Folter verblutet, was bei einem Unsterblichen unmöglich gewesen wäre.

»Wir liegen mit den Zauberern im Krieg«, fuhr Lyon fort. »Wir können keine zwei Jahre warten, um unsere Reihen aufzufüllen.«

Die Wut, die die ganze Zeit in Paenther gebrodelt hatte, brach plötzlich hervor, als er zum Anführer der Krieger des Lichts herumwirbelte. Er machte einen Satz auf ihn zu und blieb nur einen halben Meter vor dem mächtigen Anführer stehen, um dann mit gefletschten Zähnen zu sagen: »Du wirst ihn nicht zerstören.«

Aus den Tiefen von Lyons Kehle drang ein Knurren hervor, das eine Warnung war. »Dann muss er sich verwandeln.«

Mit wilder Entschlossenheit fuhr Paenther wieder zu seinem Freund herum. »Hast du etwas gespürt? Irgendetwas?«

Vincent schüttelte den Kopf. »Ich habe Ancretas Lachen gehört.«

»Genau wie ich. In der Ferne.«

»Nein. Ich hörte es so deutlich, als würde sie neben mir stehen.«

Paenther verzog die Lippen. »Sie hat uns beide immer noch in ihren Klauen. Dich noch mehr als mich.« Er drehte sich wieder zu Lyon um. »Die Hexe muss sterben. Heute noch. Ehe wir es noch einmal versuchen.«

Lyon hielt mit grimmiger Miene seinem Blick stand. »Die Erde wird Vergeltung üben, wenn wir die Zauberin töten. Der Elementargeist ist heute schon gestorben. Die Hexe sitzt sicher verwahrt in unserem Gefängnis. Es ist genug.«

Doch Paenther ließ nicht locker. »Sie muss sterben. Die Macht, die sie über uns hat, muss gebrochen werden, damit Vincent sich verwandeln kann.«

Unnachgiebig schüttelte der Anführer der Krieger des Lichts den Kopf. »Wir werden es noch einmal versuchen. Jetzt.«

Diese Abfuhr und seine Wut gaben Paenthers arg gebeutelter Selbstbeherrschung den Rest. Noch ehe Lyon sich abwenden konnte, hatte Paenther Kougar schon das Messer entrissen und es in Lyons Brust gestoßen, presste es gegen dessen Herz.

Mit einer blitzschnellen Bewegung packte Lyon ihn am Hals, Krallen sprangen hervor und bohrten sich in Paenthers Kehle, bis ihm das Blut warm über die Brust lief.

Überall um ihn herum knurrten Tiere, und die Anspannung, die auf dem Felsplateau herrschte, war fast greifbar. Wenn Paenther ihren Anführer tötete, würde er keinen Schritt mehr tun. Doch keiner wagte es, ihn anzugreifen, solange ihrem Anführer dabei das Herz aus der Brust geschnitten werden konnte.

Lyons Reißzähne traten hervor, und seine Augen nahmen den bernsteinfarbenen Ton eines Löwen an. »Du würdest mich töten?«, knurrte er mit gefährlich leiser Stimme.

»Nur, wenn du mir keine andere Wahl lässt. Ich würde alles tun, was notwendig ist, um sein Leben zu retten, so wie er mir das Leben gerettet hat.«

Einen endlos langen, atemlosen Moment kreuzten die beiden blutenden Männer die Blicke. Irgendwo im hintersten Teil seines Bewusstseins war es Paenther klar, dass er dabei war, für Vincent seine Position als Krieger des Lichts aufzugeben. So vernichtend dieser Gedanke auch sein mochte, war er doch nichts verglichen mit der Verzweiflung, die ihn erfassen würde, wenn seinem Freund etwas passieren sollte.

Schließlich fing Lyon, ohne auch nur einen Moment Paenthers Blick loszulassen, mit gepresster, doch klarer Stimme zu sprechen an. »Holt die Hexe. Sie wird heute sterben. Ehe wir das Ritual noch einmal durchführen.« Paenther sah die Wahrheit in den hart blickenden bernsteinfarbenen Augen. Der Anführer der Krieger des Lichts hatte sich entschieden, seiner Forderung nachzukommen. Hätte er beschlossen, seinen Angreifer zu töten, wäre Paenthers Kehle längst aufgerissen gewesen, und er wäre derjenige mit der Klinge in der Brust.

Paenther zog das Messer heraus und reichte es mit dem Heft voran Lyon. Er hatte bekommen, was er wollte. Jetzt würde er die Konsequenzen auf sich nehmen. Er kannte die Regeln, die für die Krieger des Lichts galten, nur zu gut, denn er war mit den Bräuchen des Stammes groß geworden. Wenn man den Anführer herausforderte, dann tötete man ihn. Oder man rechnete damit zu sterben.

Wenn Lyon beschloss, ihm wegen des Angriffs das Leben zu nehmen, würde er seinen Tod wie der Krieger hinnehmen, der er war.

Vincent trat neben ihn, und seine Stimme war hart wie Granit. »Wenn du ihn töten willst, musst du zuerst mich töten.«

Lyon stieß ein leises, drohendes Knurren aus, und seine Hand schloss sich fester um Paenthers Kehle, während sich seine Krallen schmerzhaft tief in sein Fleisch bohrten. Doch plötzlich ließ Lyon ihn los, und sein Blick wanderte langsam zwischen den beiden neuen Kriegern des Lichts hin und her.

»Ich würde euch beide schwer bestrafen, nähme ich nicht an, dass die Hexe das bereits getan hat. Ihr habt diese Hölle mit einer Loyalität zueinander überstanden, wie man sie selten findet. Schenkt diese Loyalität den neun, und ihr werdet gute Krieger des Lichts abgeben. Tut ihr das nicht …« Seine Augen funkelten warnend. »… und bedroht einer von euch jemals wieder einen von uns, werde ich umgehend dafür sorgen, dass ihr den Platz für eure Nachfolger freimacht.«

Paenther sah den Mann prüfend an, erkannte sowohl seine Kraft als auch seinen Gerechtigkeitssinn und war noch stolzer darauf, ein Krieger des Lichts zu sein.

»Geht wieder auf euren Platz im Kreis zurück«, knurrte Lyon.

Paenther schlug sich mit der Faust auf die Brust und sah Lyon in die Augen. »Meine Loyalität gehört dir.«

Lyon nickte einmal kurz. »Gut.«

Als Ancreta endlich auf das Felsplateau gezerrt wurde, war Paenthers Haar triefend nass von geschmolzenen Schneeflocken und seine Hände fast taub vor Kälte.

Die blonde Schönheit kauerte ängstlich zu seinen Füßen.

»Sieh deinem Schicksal ins Gesicht!«, stieß Paenther wütend hervor. In der Hand hielt er ein Messer, das einer der Krieger ihm gegeben hatte. Er sah Vincent an. »Den Kopf oder das Herz?«

»Den Kopf.«

Paenther nickte einmal kurz, dann stieß er die Hexe zu Boden. Sie lag auf dem Rücken und wehrte sich, doch er wollte, dass sie den Tod auf sich zukommen sah. Als er die Angst in ihren Augen, deren Iris von einem kupfernen Ring eingefasst war, aufblitzen sah, erkannte er wieder die unschuldige, junge Schönheit, für die er sie gehalten hatte, als er vor so vielen Monaten zu ihrer Rettung herbeigeeilt war. Ein Akt der Ritterlichkeit, den er seitdem mit jedem Atemzug bereute.

Er kniete sich neben sie auf den Boden und holte mit der Klinge aus, während Vincent, der ihm gegenübersaß, die gleiche Bewegung vollführte.

»Hexe, stirb«, sagten sie wie aus einem Munde.

Während Vincent ihr den Kopf abschlug, dass das Blut nur so spritzte, schnitt Paenthers Klinge ihr das Herz aus der Brust. Primitive, grimmige Genugtuung erfüllte ihn und sorgte dafür, dass seine Seele wieder Frieden fand.

Es war vollbracht.

Die beiden Männer kamen gemeinsam hoch. Sie waren über und über mit Blut bedeckt, doch ihr wütender Zorn war befriedigt.

»Seid ihr jetzt bereit, es noch einmal zu versuchen?«, fragte Lyon.

Vincent nickte, und der Anflug eines Lächelns zuckte um seine Lippen, doch sein Blick blieb argwöhnisch und hart. »So bereit wie ein wollüstiger Hengst.«

Wieder bildeten die Krieger, deren Brust mit Blut bedeckt war, einen Kreis und streckten die Faust nach oben. Dieses Mal war es nicht Paenther, der sich verwandelte, sondern Vincent, der unter funkelnden Sternen seine Gestalt veränderte. Wo eben noch er gestanden hatte, wand sich jetzt eine riesige schwarz-grüne Schlange, deren Schuppen glitzerten, während sie länger und dicker wurde. Zwei Meter, drei Meter und schließlich fast fünf Meter lang.

Erneut blitzte es auf, und Vincent nahm wieder seine ursprüngliche Gestalt an. Er grinste wie ein Idiot, seine Haare waren fort, sein kahler Kopf schimmerte, und ein goldener Armreif mit dem Kopf einer Schlange lag um seinen Oberarm.

Die überwältigende Freude, die Paenther erfasste, war fünfmal größer als in dem Moment, als er selbst seine Gestalt gewandelt hatte.

»Von nun an«, sprach Kougar, »wirst du für uns Vhyper sein.«

Vincent alias Vhyper stieß einen Freudenschrei aus, und ein Grinsen breitete sich auf seinem ganzen Gesicht aus, als die beiden Männer sich umarmten und einander auf den Rücken klopften. Sie lösten sich voneinander und packten sich an den Schultern.

»Ist das nicht ein erstaunliches Gefühl, wenn man sich verwandelt, mein Freund?«, fragte Vhyper. »Dieser Rausch. Dieses unsägliche Wohlgefühl.«

»Es ist ein herrliches Gefühl«, stimmte Paenther ihm zu. Die anderen hatten ihm erzählt, womit er ungefähr zu rechnen hatte. Doch für ihn war die Verwandlung nur mit Schmerz verbunden gewesen. Ein Schmerz, der es mit dem Zorn aufnehmen konnte, den Ancreta seiner Seele aufgedrückt hatte. Die Hexe mochte zwar tot sein, doch er fürchtete, dass ihr Vermächtnis ihn bis ans Ende seiner Unsterblichkeit begleiten und quälen würde.

Sein Hass auf alles Magische würde bis in alle Ewigkeit währen.

 

1

Paenther schwebte irgendwo in einem sinnlichen Nebel zwischen Traum und Wirklichkeit. Er erinnerte sich …

Sie hielt ihm ihre Hand hin … eine ätherische Schönheit mit kurzem dunklem Haar und sanft blickenden himmelblauen Augen. Augen, die vor Leidenschaft glühten, als sie ihn über den Parkplatz hinter das Gebäude führte, wo sie ihn einen steilen, dicht bewaldeten Hügel hinter dem Laden tief in den Blue Ridge Mountains im Westen Virginias hinaufführte.

Er wusste nicht einmal, wie sie hieß.

Außer Sichtweite neugieriger Augen hielt er sie an und küsste sie. Verlangen schoss durch seinen Körper, und er drängte sie gegen einen Baum, während er an nichts anderes mehr denken konnte, als in ihr zu sein. In der Ferne war das leise Brummen eines Lasters zu hören. Fieberhaft erwiderte sie seine Küsse, als befürchtete sie, sie würden nicht genug Zeit haben. Ihre Berührung, als sie nach seinem Reißverschluss griff, brachte sein Blut zum Kochen. Das Gefühl ihrer Finger, die über die ganze Länge seines Fleisches glitten, ließ sein Herz fast stehen bleiben.

Zum Teufel mit sanfter Zärtlichkeit. Er brauchte sie jetzt. Er schob seine Hand unter ihr Kleid … sie war nackt und bereit. Forschend schob er einen Finger in sie, und sie drängte sich ihm wimmernd vor Verlangen entgegen.

Er zerrte ihr Kleid nach oben, hob sie hoch und brachte ihre Weiblichkeit auf seine Höhe. Als sie ihre nackten Schenkel um seine Taille schlang, drang er in sie ein und eroberte sie mit einem einzigen, vollkommenen Stoß.

Himmel. In seinem ganzen Leben hatte sich noch nie etwas so gut und richtig angefühlt. Es dauerte nur ein paar Augenblicke, und dann fand sie mit einem Aufschrei ihre Erfüllung, sodass sich die Muskeln in ihrem Körper fest um ihn zusammenzogen und auch er zum Höhepunkt kam.

»Sieh mich an«, rief sie.

Und als er das tat, blickte er plötzlich in Augen, deren Iris von einem glitzernden kupfernen Ring eingefasst war.

Es waren die Augen einer Hexe.

Wieder das Bewusstsein zu erlangen, fiel Paenther so schwer, als würde er sich mit einer Machete den Weg durch einen nebelverhangenen Dschungel erkämpfen. Nach und nach lüftete er den Schleier des Banns, der seinen Geist umhüllte, sodass seine Sinne ganz allmählich die Umgebung wahrnehmen konnten. Er lag auf dem Rücken, und seine Arme waren über den Kopf nach hinten gestreckt, sodass sich kalter, rauer Fels in sein nacktes Fleisch drückte. Er spannte die Muskeln an und versuchte sich zu bewegen, doch sofort schnitt scharfes Metall in seine Handgelenke, und eine Kette klirrte gegen den Stein.

Fassungslosigkeit ließ eisige Kälte in Kopf und Glieder strömen. Sein Herz begann zu rasen.

Er war angekettet. Nackt.

Endlich, endlich, waren seine Augen nicht mehr vom Zauberbann verhüllt, und er konnte wieder sehen. Er riss die Augen auf und nahm die fremde Umgebung in sich auf. Er war allein.

In einer Höhle.

Hoch über ihm ragten Dutzende von dolchähnlichen Stalaktiten aus der Decke. Zwischen ihnen schwebten kleine Flammen, die in durchsichtigen Blasen flackerten. So etwas hatte er seit seiner Gefangenschaft in Ancretas Verlies nicht mehr gesehen. Der Anblick erfüllte ihn mit lähmender Furcht.

Zauberdochte.

Voll wütender Verzweiflung kämpfte er gegen seine Fesseln an, während er versuchte sich zu erinnern, was passiert war.

Die Schönheit. Unschuld und Weisheit hatten in ihren himmelblauen Augen gestrahlt. Er hatte sich tief in ihr versenkt und mehr Leidenschaft und Erfüllung gefunden, so unglaublich viel mehr, als er je erlebt hatte. Bis, ja, bis sie sich in diesem Moment berauschender Vollkommenheit als Hexe zu erkennen gegeben und er gespürt hatte, wie ein Zauberbann seinen Geist umnebelte.

Bei der Erinnerung stockte ihm der Atem, alles in ihm zog sich zusammen. Zum zweiten Mal in seinem Leben war er zum Gefangenen einer Hexe geworden.

Wut brachte sein Blut zum Kochen, ein Schrei der Auflehnung gellte durch seinen Kopf, während er wie ein Rasender versuchte sich zu befreien.

Das konnte einfach nicht wahr sein. Er konnte doch nicht schon wieder einer Hexe in die Falle gegangen sein! Das erste Mal hatte er ja schon kaum lebend überstanden.

Gütiger Himmel, er musste hier raus.

Mit wildem Blick musterte er sein Gefängnis. Es schien ein Raum zu sein, ein unebener Raum von ungefähr fünf mal fünf Metern Größe mit einer Stahltür, die offen gelassen worden war. Durch die Türöffnung erhaschte er einen Blick auf noch mehr Fels, sodass er zu dem Schluss kam, sich wahrscheinlich in einem der weit verzweigten Höhlensysteme der Blue Ridges zu befinden. Es war feuchtkalt in der Höhle, doch wegen der Wut, die in ihm kochte, spürte er die Kälte kaum.

Die Steinplatte, auf der er lag, schien sich hoch über dem Boden zu befinden, gleichzeitig aber wie eine Art natürliches Bord in der Wand verankert zu sein. Die Wand war gerade so weit nach vorn gewölbt, dass das mineralhaltige Wasser von den Stalaktiten nicht auf ihn tropfte, sondern Pfützen auf dem Boden bildete.

Als er den Kopf in den Nacken legte, um zu schauen, was sich hinter ihm befand, erhaschte er einen Blick auf einen seltsam deplatziert wirkenden Duschkopf, der aus der Wand ragte. Armaturen? Befand er sich vielleicht doch nicht im Unterschlupf der Hexe, sondern einfach in einem Gefängnis?

Er ließ den Blick weiter hinter sich schweifen und erstarrte. An einem einzelnen Haken in der Wand hingen auf Holzbügeln drei dezent farbige, weich fließende Kleider mit langen Ärmeln, deren Stil er nur zu gut kannte. Es waren ihre.

Wut raste durch seinen Körper, als er sich mit schmerzhafter Klarheit daran erinnerte, wie er den Saum eines dieser weichen, abgetragenen Kleider angehoben und nur warme Haut und feuchte Hitze vorgefunden hatte, als er seine Hand daruntergleiten ließ. Die feuchte Hitze, die ihn eingeladen hatte, sich in ihr zu versenken. Er hatte es getan, und das war etwas, das er bis ans Ende seines Lebens bedauern würde.

Er fragte sich nur, wie weit es von jetzt an noch entfernt war.

Eisige Kälte umschloss sein Herz. Der einzige Grund, weshalb er sich überhaupt hier in den Bergen aufhielt, war, Vhyper zu finden. Irgendetwas war mit seinem Freund während des Rituals vor ein paar Wochen passiert. Er war wie alle von der Klinge der Dämonen geschnitten worden. Aber im Gegensatz zu den anderen hatte Vhyper sich verändert. Einige der Krieger des Lichts meinten, das Böse der Klinge hätte seine Seele geraubt.

Paenther weigerte sich, das zu glauben. Er würde Vhyper retten, genau wie Vhyper ihn vor all den Jahren gerettet hatte. Aber erst einmal musste er ihn finden. Sich von einer Hexe fangen und in ihrem Unterschlupf anketten zu lassen war jedoch nicht unbedingt das, was ihm bei seinem Vorhaben weiterhalf.

Seine Muskeln spannten sich an, als er sich mit aller Kraft gegen die Ketten stemmte, bis ihm der Schweiß am ganzen Körper herunterlief und seine Handgelenke ganz feucht von Blut waren. Doch er erreichte gar nichts. Er konnte sich mit den hoch über seinem Kopf gefesselten Händen und den gespreizt angebundenen Beinen kein Stück rühren.

Oh Göttin. Wenn du mich doch nur aufgehalten hättest. Er konnte sich kein schlimmeres Schicksal vorstellen. Um aus dieser Lage zu entkommen, hätte er seine Seele verkauft.

Der Himmel stehe mir bei. Seine Seele war wahrscheinlich genau das, was die Hexe haben wollte. Um zu vollenden, was Ancreta vor vielen Jahren begonnen hatte – ihn ein für alle Mal von dem Tier in sich zu trennen.

*

»Los! Lauft schon weg!« Skye klatschte in die Hände, um die kleine Schar Rehe, die sich um sie versammelt hatte, zu verscheuchen, und hieß sie kraft ihres Willens mit aufblitzenden weißen Schwänzchen die Flucht ergreifen. »Ich bin der Tod«, rief sie, während sie sich im umliegenden Dickicht zerstreuten. »Für euch bin ich nur der Tod!« Doch noch während die wunderschönen Geschöpfe verschwanden, wusste Skye, dass sie zurückkommen würden. Sie kamen immer zurück, denn sie suchten ihre Nähe, wie es sie auch zu ihnen zog. Tränen brannten in ihren Augen. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich wünschte, nie mit dieser Seelenverwandtschaft zu den Geschöpfen dieser Erde geboren worden zu sein. Diese Gabe, die eigentlich ein Quell der Freude hätte sein müssen, hatte ihr Leben in einen immerwährenden Albtraum verwandelt.

Skye sank kraftlos gegen den nächsten Baumstamm. Ihr Herz raste vor Aufregung, und der Hass drückte auf ihren Magen.

»Liebe Mutter«, betete sie. »Hol Birik und lass ihn in der Hölle schmoren!« Aber die Mutter hörte sie nie. Wie viele Jahre war sie nun schon eine Gefangene im Reich der Finsternis, war sie an diese Berge gekettet so wie der Krieger, den sie gefangen genommen hatte, an den Felssockel in ihrem Raum? Auch wenn ihre Ketten nicht so deutlich zu erkennen waren.

Vor zwei Tagen war sie ausgesandt worden, ihn – einen Gestaltwandler – zu entführen. Einen jener herausragenden Krieger des Lichts. Eines der seltensten Geschöpfe auf der Welt und zweifellos auch eines der schönsten. Er hatte ihr solch außergewöhnliche Sanftheit entgegengebracht, solch wilde Leidenschaft, und sie vergalt es ihm mit der schlimmsten Sorte von Betrug.

Aber sie hatte keine andere Wahl. Wenn sie diesen Albtraum doch nur beenden könnte. Könnte sie Birik und diesen Bergen doch nur entfliehen!

Als etwas gegen ihre Hüfte stupste, sank sie auf die Knie, um das Reh zu umarmen, das sofort wieder zu ihr zurückgekommen war. »Wie immer treu, nicht wahr, Faithful?« Das Reh mit dem eingekerbten Ohr mochte sie am liebsten. Es war ihr einzig wahrer Freund. Nie würde sie es in die Höhle mitnehmen. Niemals.

Das Reh rieb seine Nase an ihrer Wange und sah sie mit seinen großen braunen Augen an, während es ihr die einzige Zuwendung schenkte, die sie seit zu vielen Jahren erfuhr. Trauer und Verzweiflung ließen ihre Augen brennen. Angst beherrschte sie. Obwohl Birik ihr versichert hatte, dass es nicht seine Absicht war, den Krieger des Lichts zu töten, war sie doch voller Furcht, dass er sie angelogen haben könnte.

Sie schlang beide Arme um Faithful, drückte ihr Gesicht in den warmen braunen Hals und wünschte sich sehnlichst ein Wunder, welches sie alle retten würde. Aber sie hatte schon vor langer Zeit aufgehört, an Wunder zu glauben.

Langsam kamen auch die anderen Rehe zurück, um sich um sie scharen … genau wie mehrere Dutzend anderer Geschöpfe des Waldes. Es erfüllte sie mit Freude … und mit Kummer, dass alle so von ihr angezogen wurden. Mit einer letzten Liebkosung verabschiedete sie sich von Faithful und schickte das Reh fort, während sie ein anderes auswählte, das sie zusammen mit mehreren kleineren Tieren zur Höhle begleiten sollte.

Wie sehr sie sich auch davor fürchten mochte, dem Krieger des Lichts gegenüberzutreten, wie sehr sie vor der Wut Angst hatte, die sie in diesen dunklen Augen sehen würde, welche sie zuvor mit so viel Zärtlichkeit angeschaut hatten, so wusste sie doch, dass sie zu ihm zurückkehren musste.

Nur um inständig zu hoffen, dass es ihr gelingen möge, ihn am Leben zu erhalten.

*

Als Erstes nahm Paenther den Geruch der Hexe wahr, diesen verfluchten, zarten Veilchenduft, noch ehe die überirdische Schönheit durch die Tür kam, dieses Wesen, zwischen deren Schenkeln er das Paradies gefunden hatte, um dann von ihrem Zauber gebannt zu werden. Bei ihrem Anblick wurde er wieder von rasendem Verlangen nach ihr ergriffen. Auch wenn der Hass sein Blut zum Kochen brachte, konnte er sich an ihr nicht sattsehen. Sie war schlank, und das weich fließende blaue Kleid gab nur wenig von ihren Rundungen preis. Doch ihr kurzes Haar betonte den langen, anmutigen Hals und die Gesichtszüge, die zu schön, zu zart für eine kaltherzige Hexe waren.

Ob nun Zauberin oder nicht … sie raubte ihm den Atem.

Sie musterte ihn mit argwöhnischem Blick, während sie das Kaninchen auf ihrem Arm streichelte. Neben ihr stand ein Reh, welches seinen Kopf gegen ihre Hüfte drückte, während mehrere aufgeregte Eichhörnchen sich zu ihren Füßen jagten.

Er hatte gedacht, sie wäre ein Mensch.

Er schloss die Augen, um sie nicht länger ansehen zu müssen, und wünschte sich inständig, dass der schwere Fehler, der ihm da unterlaufen war, nicht sein letzter sein möge.

Als er hörte, wie sie sich leise bewegte, öffnete er die Augen und beobachtete, wie sie ihre kleine Menagerie quer durch den Raum zu einem Käfig in der Ecke führte. Das Kaninchen und die Eichhörnchen liefen hinein, und sie schloss die Tür, um dann das fügsame Reh mit einem Seil locker an der Wand festzumachen. Mitgefühl mit den Tieren erfasste ihn. Mit Tieren, die sie genauso eingefangen hatte wie ihn.

Die Tiere schienen sie zu mögen. Bestimmt waren es zahme Haustiere. Er stieß ein leises Knurren aus. Er würde sich nie zu ihrem Haustier machen lassen.

Der Hass, der in ihm tobte, war so kalt und unversöhnlich, dass sie längst tot gewesen wäre, würden Blicke töten können. Gütiger Himmel, er konnte sich nicht daran erinnern, wann er seinem Unterleib das letzte Mal das Denken überlassen hatte. Seit Jahrhunderten war es keiner Frau gelungen, seine eiserne Selbstdisziplin zu durchbrechen. Dass es dieser einen hier gelungen war, hätte tausend Alarmglocken zum Läuten bringen und ihm sagen müssen, dass sie nicht das war, was sie zu sein schien.

»Hexe«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Was willst du von mir?«

Sie hatte immer noch bei ihren Tieren gehockt und richtete sich jetzt mit der Anmut einer Tänzerin auf, um sich zu ihm umzudrehen. Sie vermittelte den Eindruck von Zerbrechlichkeit, der eine Saite in ihm anschlug, welche seinen Beschützerinstinkt wachrief. Doch wie alles an ihr, das etwas in ihm wachrief, war auch dies eine Lüge, wie er wusste. Wenn es ihm je gelingen sollte, sich von diesen Handschellen zu befreien, würde er ihr das Herz genauso aus der Brust schneiden, wie er es bei Ancreta getan hatte.

»Was ich will, ist nicht von Belang.« Sogar ihre leise Stimme, in der ein tiefes Bedauern mitschwang, an welches er nicht glaubte, war so melodiös, dass sie seine Sinne berührte. »Es tut mir leid, dass ich dich habe herbringen müssen.«

»Dann lass mich gehen.«

»Das kann ich nicht.« Sie kam auf ihn zu und blieb am Fußende des Felssockels stehen, auf dem er angekettet war. Bestürzt beobachtete er, wie sie ihn ansah und ihren Blick über seinen Körper gleiten ließ. Seine Männlichkeit richtete sich auf und wurde steif, als hätte sie sie mit den Händen berührt und nicht nur mit ihrem Blick.

Der ganz schwach wahrzunehmende Duft ihrer Erregung erreichte seine Sinne und löste rasende Wut in ihm aus. Wie viele Male hatte Ancreta seine Männlichkeit mit Gewalt zum Schwellen gebracht, um sich dann seinen unwilligen Körper zu nehmen, ehe sie mit der Folter begann, um ihn von dem Tier in sich zu trennen?

Die Hexe legte ihre Hände auf den hüfthohen Felssockel und stemmte sich dann hoch, um sich mit einem leisen Rascheln weichen Stoffs zwischen seine Beine zu knien.

Das Tier in Paenther erwachte, diese Phase, in der er halb Mensch, halb Tier war und seine Reißzähne und Krallen hervortraten, während seine schwarzen Augen anfingen, wie bei einer Raubkatze grün zu glühen.

»Wenn du mich anfasst, bist du tot.«

Die Hexe schob die Finger in ihrem Schoß so fest ineinander, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Das Mitgefühl, das er in ihren blauen Augen sah, wirkte fast echt. »Ich bin da gewesen, wo du jetzt bist. Ich würde es noch nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen.« Sie beugte sich vor, und ihre Stimme klang ruhig, aber stahlhart. »Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber du bist nicht mein Feind.«

»Du bist meiner«, stieß er hervor.

Sie seufzte. »Ich weiß.« Sie richtete sich wieder auf und lockerte den Griff ihrer ineinander verschlungenen Hände. »Es tut mir leid. Ich muss dich berühren, aber ich werde dich nicht da berühren.« Ihr Blick liebkoste seine Männlichkeit. »Nur wenn du es möchtest.«

»Eher bringe ich dich um.«

Sie nickte kurz und legte ihre kühlen Hände leicht auf seine nackten Schenkel. Allein schon bei dieser zarten Berührung begann seine Haut zu kribbeln, und die damit einhergehende berauschende Hitze ließ das Blut schwer durch seine Adern strömen. Er kämpfte gegen das Verlangen, das durch seinen Körper schoss, während er sich an die eiserne Selbstdisziplin klammerte, die sein Leben immer bestimmt hatte. Doch sein Geist verriet ihn genauso gründlich wie sein Körper. Er konnte nur noch daran denken, wie sich ihre seidigen Schenkel angefühlt hatten, als er sie im Wald mit seinen Händen gespreizt hatte und in sie eingedrungen war.

Der Duft von Veilchen hüllte ihn ein. Der Anblick ihres Mundes, voll und ohne ein Lächeln auf den Lippen, in ihrem zarten Gesicht erinnerte ihn daran, wie ihr Kuss geschmeckt hatte … wie ein klarer, süßer Regentropfen. Obwohl er wusste, was sie war, obwohl er wusste, dass sie ihn mit einem Sirenengesang der Lust in die Falle gelockt hatte, konnte er nicht aufhören, sie zu begehren.

Ihre Hände glitten über seine Schenkel, über seine Haut, als wäre er ein Tier, das sie streichelte. Es gelang ihm gerade noch, nicht zu schnurren. Ohne es bewusst zu wollen, zogen sich seine Reißzähne und die Krallen wieder zurück.

»Du hattest deine Hexenaugen versteckt«, stieß er stattdessen grollend hervor.

Ihr Mund verzog sich zu einem schiefen, ärgerlicherweise bezaubernden Anflug eines Lächelns. »Sonst wärst du ja nicht mit mir mitgegangen.«

Paenther versuchte zu knurren, aber ihre Hände stellten Dinge mit seinem Körper an, die nichts mit Sex zu tun hatten. Er bekam fast das Gefühl, als würde sie die Wut besänftigen, die von Ancreta vor all diesen Jahren in seine Seele eingebrannt worden war.

»Du bist wunderschön«, murmelte sie. »Deine Haut ist so warm wie die Sonne. Dein Haar ist wie schwarze Seide.« Ihre Worte umschmeichelten ihn so irritierend angenehm wie ihre Berührungen. »Das Tier in dir schnurrt.«

Paenther erstarrte. Verdammt, er hatte noch nicht einmal versucht … Er schloss die Augen, um sie nicht mehr sehen zu müssen, und rief den Zauber tief in seinem Innern an, während er versuchte sich zu verwandeln. Insgeheim hoffte er, dass seine Panthertatzen aus den Handschellen gleiten würden.

Nichts passierte.

Als er wieder die Augen öffnete, begegnete er dem kupferblauen Blick der Hexe. »Die Handschellen rauben dir die Kraft, Krieger. Du kannst dich nicht verwandeln, solange du sie trägst.«

»Wie lange weißt du schon, dass ich ein Krieger des Lichts bin?«

»Ich wusste es vom ersten Moment an, als ich dich sah. Ich spürte das Tier in dir. Eben gerade habe ich gespürt, dass du die Kraft anrufen wolltest, die es dir gibt.«

Er sah sie finster an. »Das kannst du gar nicht gespürt haben.«

Sie bedachte ihn mit einem Blick, der so tief wie das Meer war, sagte jedoch nichts.

Hexe.

Er erstarrte, als ihm ein Gedanke kam. Er war nicht allein gewesen. Wenn Foxx nun auch gefangen genommen worden war? Er zwang sich dazu, der Sirene ins Gesicht zu sehen, während er sich gegen ihre Schönheit und die Antwort, die er gleich bekommen würde, wappnete.

»Wie viele von uns hast du dir geholt?«

»Nur dich, Krieger. Dein Gefährte ist entkommen.«

Er starrte sie an, wollte sich erleichtert fühlen, traute ihr jedoch nicht. Trotzdem konnte es natürlich doch sein, dass Foxx tatsächlich entkommen war. Er würde sich mit Lyon in Verbindung setzen, und gemeinsam könnten sie seine Rettung planen. Er hasste den Gedanken, dass seine ungezügelte Lust seine Brüder in Gefahr brachte. Doch die Vorstellung, dass sie kommen würden, dass er nicht dazu verdammt war, den Rest seines Lebens hier in dieser Höhle zu verbringen, half ihm dabei, seine wild wogenden Emotionen zu besänftigen.

Seine Überlegungen lösten sich in Wohlgefallen auf, als sich die Hexe mit ihrem dunklen, seidigen Kopf über ihn beugte, als hätte sie vor, ihn in den Mund zu nehmen.

Das Knurren, das er daraufhin ausstieß, gehörte einem Tier, ein tiefer, warnender Ton, auch wenn ein Teil von ihm sich danach sehnte, ihre nasse Zunge an seinem Schaft zu spüren. Doch ihre Lippen senkten sich direkt neben seinem schmerzhaft erigierten Glied auf seine Haut und drückten einen federleichten, feuchten Kuss auf seinen Hüftknochen.

Paenther holte zischend Luft, an seinen Schläfen bildeten sich Schweißperlen. Allein diese hauchzarte Berührung mit ihren Lippen ließ Hitze durch seinen Körper schießen. Seine Arme zitterten, als er sich gegen seine Fesseln auflehnte, sein rasendes Verlangen wandelte sich von dem Wunsch nach Vergeltung in den Drang, sie auf sich zu ziehen und sich in ihrer feuchten Hitze zu versenken.

Wie konnte es sein, dass es ihn so heftig nach ihr verlangte, wenn er sie gleichzeitig doch so abgrundtief hasste? Sie war wie Feuer in seinem Blut. Ein Verlangen, das ihn völlig außer Kontrolle geraten ließ.

Der berauschende Moschusduft ihrer Erregung hing in der Luft, und er wusste, dass er nicht der Einzige war, der mit seiner Lust zu kämpfen hatte. Sie hob den Blick, und in ihren Augen sah er das Feuer lodern. Die Frau war eine gefährlich starke Mischung aus falscher Unschuld gepaart mit der verführerischen Aura einer Sirene. Sein Körper brannte vor Begierde, sich wieder mit ihr zu vereinen.

Sie beugte sich über ihn und verteilte federleichte, feuchte Küsse von seiner Hüfte bis zu seinem Schenkel. Ihre Lippen waren dabei nur Zentimeter von der Stelle entfernt, an der sich sein zuckender Schaft erhob. Er wollte, dass sie ihn berührte, ihn in den Mund nahm. Dieser Wunsch war so übermächtig, dass er schon fast an Verzweiflung grenzte. Aber er würde es natürlich nie zugeben. Nie und nimmer.

Was macht sie mit mir?

Etwas Dunkles blitzte nahe der Decke auf und riss seine Gedanken aus der Begierde, die seinen Körper beherrschte. Mit gerunzelter Stirn musterte er die dunkle, pulsierende Kugel, bei der es sich eindeutig nicht um einen Zauberdocht handelte. Seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, als er erkannte, was es war. Eine Energiekugel. Als er die Decke genauer in Augenschein nahm, sah er weitere pulsierende Lichter, die sich gegen die Decke drängten und im Rhythmus seines Herzschlags pochten. Als würden sie sich von ihm ernähren.

Oder der Leidenschaft, die ihn erfasst hatte.

»Du sammelst Kraft«, warf er ihr vor.

Mit schweren Lidern und feuchten Lippen schaute sie auf. Verführerisch wie die Sünde selbst. »Das ist der Grund, warum du hier bist.«

Er starrte sie an und wusste nicht, ob ihn ihre Worte nun erleichtern oder noch mehr in Wut versetzen sollten. Das sollte der einzige Grund sein? Diese Kugeln mit seiner Lust zu füllen? Von einer wunderschönen Hexe angekettet und liebkost zu werden, bis er vor Verlangen fast den Verstand verlor?

Nie im Leben! Zu gut kannte er sich mit Hexen aus, um auch nur einen Moment lang zu glauben, dass die Antwort so einfach war.

»Was wirst du denn mit der Energie machen, wenn alle Kugeln voll sind?«

Sie richtete sich auf und zuckte anmutig die Schultern, obwohl sich ihre Brust unter schnellen, flachen Atemzügen hob und senkte. »Ich habe keine Ahnung, was dann passiert. Es ist für Birik. Ich weiß nur, dass er … unzufrieden sein wird, wenn wir nicht genug zusammenbekommen.« Sie hob den Blick zur Decke, als musterte sie die Kugeln und versuchte abzuschätzen, was sie bereits erreicht hatte. »Es ist nicht genug.«

Während sich eine zarte Hand wieder auf seinen Schenkel legte, hob sie die andere und umfasste damit ihre Brust, um die weiche Rundung durch ihr Kleid hindurchzudrücken. Sie keuchte und drückte den Rücken durch, während ihr Kopf nach hinten fiel. Seine Männlichkeit fing ganz von selbst vor Lust zu zucken an.

Der Duft ihres Verlangens hüllte ihn ein. Hitze raste durch sein Blut und sammelte sich im männlichsten Teil seiner Anatomie, bis dieser steif war und pochte, während er vor Begehren nach ihr fast den Verstand verlor.

Mühsam versuchte er, seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben. »Wer ist Birik?« Sogar seiner Stimme war die Anstrengung anzumerken, die er aufbieten musste, um sich gegen die Begierde aufzulehnen, ihren straffen Körper um sich zu spüren.

Langsam ließ sie ihre Brust los und nahm die Hand von seinem Schenkel, um sich mit allen Fingern durch das kurze Haar zu fahren. Sie holte bebend Luft und sagte: »Er ist der oberste Zauberer dieser Festung und der Herrscher über alle, die hier leben. Er ist dem Elementargeist direkt untergeben.«

»Und er will die Energie dieser Kugeln?«

»Ja.«

Energie aus Leidenschaft. Er hatte noch nie von dunkler Energie gehört, die aus dieser Kraft erwuchs, aber er wusste auch wenig über magische Kugeln. Und noch weniger darüber, wo diese Energie vielleicht eingesetzt werden würde.

Wenn man nun dabei war, eine Art Waffe herzustellen, die gegen die Krieger des Lichts eingesetzt werden könnte? Bei der Vorstellung wurde ihm ganz schlecht. Und wenn er nun zum Instrument zur Vernichtung seiner Brüder geworden war?

Gütiger Himmel, das könnte er nicht ertragen. Das durfte er nicht zulassen.

Sie schaute wieder zur Decke auf und seufzte. »Es ist genug.«

Sie tätschelte ein letztes Mal seinen Schenkel, dann stieg die Schönheit von dem Felssockel und begab sich mit einer natürlichen, barfüßigen Anmut zur Tür, während er groß, steif und pochend zurückblieb.

Hexe. Er kochte vor Wut. Aber während sie durch die Tür trat, musste er seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um sie nicht zurückzurufen.

 

2

Skye rannte förmlich aus der Höhle, die normalerweise ihre Schlafkammer war, und eilte durch die Gänge, die sich durch den Fels wanden und über Äonen durch stete Ströme von Wasser herausgebildet worden waren. Die offenen Bereiche und die Gänge des Höhlensystems waren in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben. Doch Biriks Gemächer und die meisten Schlafkammern, Küchen und die Zimmer, in denen die Rituale abgehalten wurden, waren in wohnliche Räumlichkeiten verwandelt worden, ausgestattet mit Möbeln, Teppichen und Tapeten.

Nur Skye bewohnte eine karge, schmucklose Kammer, aber sie hielt sich auch so selten wie möglich darin auf. Den größten Teil des Tages verbrachte sie draußen im Wald, oder sie streifte durch die nicht benutzten Bereiche des Höhlensystems, wohin sie sich auch jetzt wieder begab.

Die unerfüllte Leidenschaft ließ den unteren Bereich ihres Körpers schmerzhaft pochen. Und es bedrückte sie, welchen Anteil sie an der Gefangennahme des wundervollen Gestaltwandlers gehabt hatte.

Schließlich erreichte sie den unwirtlichen Teil des Höhlensystems, die Dolchfront, wo lange spitze Steine, die Stalagmiten, aus dem Boden ragten und sich ihren Gegenstücken, die von der Decke hingen, entgegenreckten. Es roch nach kühlem, feuchtem Kalkstein, und nur die schwache Funzel eines rauchenden Zauberdochts, der hinter ihr schwebte, brachte einen trüben Schein in die Dunkelheit. Nur wenige Magier drangen jemals so tief in die labyrinthischen Gänge vor. Hierher kam sie, um nachzudenken, wenn sie nicht gerade in den Wäldern war. Sie ließ sich auf einem kleinen, trockenen Sims nieder, das aus der niedrigen Wand ragte, und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen; denn der war ihr von dem Moment an abhandengekommen, als sie das erste Mal die Schenkel des Mannes mit ihrer Hand berührt hatte.

Sie zog die Knie bis zum Kinn hoch und vergrub dann bebend das Gesicht in ihrem Rock. Ihr Körper wollte, brauchte das, was sie zuvor mit ihm in den Wäldern erlebt hatte. Kurzfristig hatte die lodernde Leidenschaft ihr Verlangen gestillt, das vom ersten Moment an, seitdem sie ihn vor zwei Tagen im Laden gesehen hatte, in ihr brannte.

Birik hatte angekündigt, dass Gestaltwandler kommen würden. Er hatte sie losgeschickt, damit sie nach ihnen Ausschau hielt, und ihr aufgetragen, sich für einen zu entscheiden. Sie hatte gewusst, dass weder für sie noch für den Gestaltwandler etwas Gutes dabei herauskommen würde. Aber sie hatte schon vor langer Zeit aufgehört, sich gegen ihr Schicksal aufzulehnen, und sich damit abgefunden, dass sie sich nie einem der Befehle Biriks widersetzen konnte.

Also hatte sie getan, was ihr aufgetragen worden war, und war häufiger in den kleinen Laden der Menschen gegangen, um nach ihrer Beute Ausschau zu halten. Als er das erste Mal in das Geschäft getreten war, hatte das Gefühl von ihr Besitz ergriffen, als hätte die Erde aufgehört sich zu drehen, als stockte aller Welt der Atem. Zwar hatte sie so getan, als wäre sie in die Zeitschrift vertieft, die sie in der Hand hielt, doch war sie sich deutlich seiner großen, in Leder gehüllten Gestalt bewusst, seines fesselnden Gesichts mit den hohen, ausgeprägten Wangenknochen, den gefährlich aussehenden Klauenspuren über dem Auge und seiner angespannten, beherrschten Ungezähmtheit, die er ausstrahlte.

Dann hatte er seinen dunklen Blick auf sie gerichtet, und ihre Beine hatten angefangen zu zittern, während sich eine seltsam funkelnde Freude in ihr ausbreitete. Sie hatte ihr eigenes Lächeln gespürt, obwohl ihr das Herz fast bis zum Hals schlug. Erst nachdem er den Laden wieder verlassen hatte, erkannte sie, dass sie das Tier in ihm gespürt hatte. Und sie erkannte, was er war. Das war das Geschöpf, das Birik ihr aufgetragen hatte zu fangen. Doch da war es schon zu spät gewesen.

Diese Erkenntnis ließ ihr Herz pochen, während sie vor Verwirrung nicht mehr klar denken konnte. Tief im Innern hatte sie gewusst, dass er ihr gehörte. Aber wenn sie ihn sich holte, bedeutete dies, dass er auch Birik gehören würde.

Als er am nächsten Tag wiederkam, war er direkt zur ihr an der Ecke des Gebäudes gekommen, wo sie auf ihn gewartet hatte.

Sie war von seiner ungezügelten Männlichkeit und ihrer Verwirrung so überwältigt gewesen, dass sie nichts gesagt hatte, sondern nur um die Ecke herum zurückgewichen war, wobei sie wusste, dass er ihr folgen würde. Und das hatte er getan. In seinen Augen hatte sie das Begehren gesehen, als er sie anschaute. Das Tier in seinem Innern war zur Begrüßung aufgesprungen, um sich zärtlich an ihrem Geist zu reiben.

Sich in seine Arme zu werfen, war die natürlichste Sache der Welt für sie gewesen. In dem Moment, als ihre Münder sich berührten, waren sie von der Leidenschaft fortgerissen worden. Jeder klare Gedanke war ihr abhandengekommen, während sie sich seinem reinen, ungezügelten Geschmack hingab und die Finger in seinem seidigen schwarzen Haar vergrub. Die Zeit blieb stehen. Birik und seine Anweisungen waren vergessen.

Sie hatte die wilde Leidenschaft gespürt, das Verlangen, das in ihr hochstieg. Und er hatte es gewusst. Seine Hand war unter ihren Rock und zwischen ihre Schenkel geglitten. Als ein langer Finger tief in sie eintauchte, hatte eine ungeahnte Woge der Lust sie erfasst. Ein begehrliches Verlangen, welches so intensiv war, dass sie sich fragte, ob sie daran sterben könnte. Und sie hatte ihn so sehr gewollt, wie sie noch nie zuvor einen Mann gewollt hatte.

Aber dann war Paenthers rothaariger Freund, der nach ihm suchte, aufgetaucht, und sie war weggelaufen.

Das war gestern gewesen. Heute hatten sie es schließlich miteinander getan … eine Erfahrung, wie sie sie nie für möglich gehalten hätte. Ohne Schmerz. Ohne Grausamkeit. Und für seine sanfte Zärtlichkeit hatte sie ihn entlohnt, indem sie ihn in ihren Bann zog und in einer Höhle einsperrte, aus der er niemals würde fliehen können. Jetzt hasste er sie, ja, hasste sie mit einer Inbrunst, die ihre Seele in lauter kleine Fetzen riss.

Sie drückte den Rücken fest an die Felswand und fuhr sich mit bebenden Fingern durchs Haar. Bedauern und Erbitterung waren wie ein sengender Schmerz. Ja, er gehörte ihr. Er war ihr Gefangener. Er war ihr Feind. Wenn sie ihn doch nur hätte retten können. Aber wenn sie ihn weggeschickt hätte, wäre sie von Birik einfach dazu gezwungen worden, einen anderen zu fangen. Birik bekam immer, was er wollte. Immer.

Sie hatte einen Krieger des Lichts auswählen müssen.

Und von dem Moment an, als sie ihn das erste Mal sah, hatte sie gewusst, dass dieser Krieger des Lichts der einzige Mann war, den sie je würde haben wollen.

*

Paenthers Blick wich keinen Moment lang von der Tür, während er darauf wartete, dass die Hexe zurückkam. Ein Teil von ihm – der Teil, der hasste – wollte sie nie wieder sehen. Aber ein anderer Teil von ihm sehnte sich nach ihrem Anblick. Sehnte sich nach einem Hauch ihres Veilchenduftes. Er fürchtete sich vor einer weiteren Berührung ihrer Hände, und gleichzeitig verzehrte er sich danach. Sie hatte ihn in ihren Zauberbann gezogen, daran bestand kein Zweifel.

Es würde noch mehr von ihr kommen als nur Berührungen, schließlich kannte er die Magier. Der Schmerz würde kommen. Bei der Flucht aus dieser Gefangenschaft würde er noch versehrter sein als nach der letzten.

Wenn es ihm überhaupt gelang zu fliehen.

Sein Blick glitt zur Decke zu einem der Zauberdochte, die hoch über seinem Kopf schwebten. Das erste Mal hatte er einen Zauberdocht gesehen, als er Vhyper kennenlernte. Nach seinem unglückseligen Versuch, eine vermeintlich verfolgte Schönheit zu retten, bei der es sich in Wirklichkeit um eine Hexe gehandelt hatte, war er in einem feuchten, dunklen Keller wie jetzt, auf dem Rücken liegend und mit Ketten gefesselt, erwacht.

Doch damals war er nicht allein gewesen.

»Willkommen in der Hölle, mein Freund«, hatte Vhyper gesagt. Und dann hatte sich ein grimmiger, inbrünstiger Ausdruck auf sein Gesicht gelegt. »Wir kommen hier wieder raus. Zusammen. Glaube daran. Glaube fest daran.«

Und das hatte er getan.

Paenther ballte die Hände zu Fäusten, als sein Blick zwischen den Zauberdochten und den Stalaktiten hin- und herwanderte. Vhypers Worte, die fast jeden Tag ihrer Gefangenschaft von ihm wiederholt worden waren, hatten dafür gesorgt, dass er während monatelanger, schlimmster Folter nicht den Verstand verloren hatte. Nur dadurch war er nicht dem Wahnsinn verfallen.

Jetzt gab er seinem Freund im Stillen ein ähnliches Versprechen. Ich werde nicht ruhen und rasten, bis ich dich gefunden habe, Vhype. Bis ich dich gerettet habe, so wie du mich gerettet hast. Glaube fest daran.

Aber, verdammt, erst musste er sich selber befreien, ehe er sich oder jemand anders helfen konnte.

Als er draußen Schritte hörte, die zu schwer waren, um die von der Hexe zu sein, wandte Paenther den Kopf zum Eingang.

Und fand sich von Angesicht zu Angesicht mit Vhyper.

Sein Freund kam lässig schlendernd herein und sah aus wie immer. Sein kahler Schädel schimmerte im Licht der Zauberdochte, ein einzelner Ohrring in Form einer Schlange hing an seinem rechten Ohrläppchen. Er war wie immer gekleidet: eine offene Lederweste über der nackten, breiten Brust und der goldene Reif der Krieger des Lichts, der um seinen Oberarm lag.

Paenthers Herz machte vor triumphierender Erleichterung einen Satz und sackte ihm dann bis in die Kniekehlen, als er in Vhypers Augen sah. Die dunkelblauen Augen, die auch in den gefährlichsten Situationen immer vor Erheiterung warm gefunkelt hatten, waren jetzt kalt und ausdruckslos.

Gefühllos.

Die Augen eines Fremden.

Der Verlust war wie ein Schlag für Paenther. Was hast du mit meinem Freund gemacht? Er konnte nur hoffen und beten, dass der Mann, den er kannte, der Mann, dem er wie keinem anderen vertraut hatte, immer noch irgendwo da drin war in diesem Körper, nur gefangen von schwarzer Magie und ihm nicht gänzlich entrissen.

»So, so, wenn das nicht mein alter Freund, Black Panther, ist. Ich muss schon sagen, du wirkst ein bisschen underdressed.« Vhyper kam gemächlich näher, und seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, in dem keine Erheiterung lag. »Ich wusste, dass du kommen würdest, um mich zu retten. Dich einzufangen, war ein Kinderspiel.«

»Warum bist du hier, Vhype?«, fragte Paenther gleichmütig. Er war es gewöhnt, seine Gefühle stets zu kontrollieren, weil er unablässig jede Minute eines jeden Tages gegen die Wut ankämpfte, die in ihm brodelte.

Vhyper zuckte die Achseln. »Du weißt, warum.«

»Tatsächlich? Ich weiß nur, dass Zaphene dich gegen uns aufgehetzt hat. Was hat sie mit dir gemacht, Vhyper?«

Vhyper zog an seinem Ohrring und runzelte die Stirn. Einen Moment lang meinte Paenther, den alten Vhyper in diesen Augen aufblitzen zu sehen.

»Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob es das Werk der Hexe war. Ich glaube eher, dass es in der Nacht passierte, als wir den Geist des Löwen anriefen. Ich wurde wie all ihr anderen von der Klinge der Dämonen gestochen, doch mich hat es verändert, B.P.« Nachdenklich kniff er die Augen zusammen. »Dadurch wurde mir mein Gewissen geraubt. Vielleicht auch meine Seele.« Plötzlich grinste Vhyper, und die Kälte, die er ausstrahlte, ließ seinen Blick eisig wirken. »Das ist vielleicht ein Leben!«

Paenther starrte ihn an und haderte mit dem Schicksal. Nicht Vhyper. Du kannst Vhyper nicht haben! Dass er nicht verrückt geworden war, verdankte er einzig und allein der Schlange; überhaupt dass er noch lebte. Paenther knirschte mit den Zähnen und kämpfte gegen die Woge von Wut, die in ihm hochkam. Die Krieger des Lichts würden kommen, um sie zu befreien. Bis dahin musste er so viel wie möglich in Erfahrung bringen.

»Versuchen die Magier immer noch, Satanan und seine Dämonen zu befreien?«

Vhyper zog an seinem Ohrring. »Natürlich.«

»Warum? Wie kannst du ihnen nur dabei helfen, das Böse zu entfesseln?«