Krieger des Lichts - Ungezähmte Verlockung - Pamela Palmer - E-Book

Krieger des Lichts - Ungezähmte Verlockung E-Book

Pamela Palmer

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Beschreibung

Die erste Novella zur Krieger des Lichts-Reihe: Prickelnd, knisternd, actionreich! Zehn Jahre ist es her, dass Zee seiner Geliebten Julianne das Herz brach: Er wies ihre Liebeserklärung zurück und verschwand daraufhin spurlos. Doch jetzt ist Zee wieder da, gerade als Julianne in einer Notlage steckt. Auch wenn seine Unsterblichkeit dabei auf dem Spiel steht, will er ihr zur Seite stehen. Aber Julianne hat keinerlei Absichten, sich von ihm helfen zu lassen - auch wenn Zee ihre Gefühle noch immer in Aufruhr bringt ... (ca. 120 Buchseiten) "Die wendungsreiche und spannungsgeladene Handlung ist Garant für ein wahres Lesevergnügen!" LoveLetter

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

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Die Autorin

Die Romane von Pamela Palmer bei LYX

Impressum

PAMELA PALMER

Krieger

des Lichts

Ungezähmte Verlockung

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Firouzeh Akhavan-Zandjani

Zu diesem Buch

Sie haben geschworen, die Welt zu schützen – auch wenn es sie das Leben kostet

Zehn Jahre ist es her, dass Zee seiner Geliebten Julianne das Herz brach: Er wies ihre Liebeserklärung zurück und verschwand daraufhin spurlos. Doch jetzt ist Zee wieder da, gerade als Julianne in einer Notlage steckt. Auch wenn seine Unsterblichkeit dabei auf dem Spiel steht, will er ihr zur Seite stehen. Aber Julianne hat keinerlei Absichten, sich von ihm helfen zu lassen – auch wenn Zee ihre Gefühle noch immer in Aufruhr bringt …

1

Julianne ließ sich mit wild pochendem Herzen auf den kleinen roten Teppich sinken. Ihr Nacken war schweißnass, als sie die Kisten unter Serenitys Bett hervorzog. Sie hasste das, was sie hier tat. Sie hasste es, ein Zimmer nach dem anderen zu durchsuchen, als wäre sie ein Dieb in ihrem eigenen Haus.

Mehr als alles andere aber hasste sie diejenige, die sie dazu getrieben hatte. Melisande. Melisande mit dem harten Blick und ihren schrecklichen Wahrheiten, die vor einem Monat plötzlich aufgetaucht war und Juliannes Welt auf den Kopf gestellt hatte.

Schon wieder.

Sie hob den Deckel einer kleinen, flachen Kiste und durchwühlte schuldbewusst mit zitternden Fingern den Inhalt. Serenity war wie eine Mutter für sie. Sie verdiente es nicht, dass man in ihren Sachen herumschnüffelte, aber Julianne hatte keine andere Wahl.

Melisande hatte von Julianne verlangt, nach einer Kette zu suchen und diese zu stehlen. Es handelte sich um einen ungewöhnlichen blutroten Mondsteinanhänger an einer silbernen Kette. Diese Kette musste irgendwo hier im Herrenhaus versteckt sein, in dem die Therianische Enklave von Alexandria lebte.

Und wenn Julianne sie nicht fand? Oder irgendwer mitbekam, was sie vorhatte? Dann würden sie selber und jeder, dem sie ihre Geheimnisse anvertraute, für immer verschwinden … genau wie ihre Eltern vor einundzwanzig Jahren.

Sie würden sterben. Dabei spielte es keine Rolle, dass die Therianer eigentlich unsterblich waren. Mit dem rechten Maß an Macht konnte jeder vernichtet werden. Und Julianne hegte keinen Zweifel daran, dass Melisande diese Art von Macht besaß. Mit einem Fingerschnipsen hatte sie Julianne vor Schmerzen in die Knie gezwungen, und es brauchte nur einen Wimpernschlag für sie, um aufzutauchen und wieder zu verschwinden. Mit gespenstischer Leichtigkeit war Melisande in Juliannes Träume eingedrungen und hatte ihre Gedanken vereinnahmt.

Sie stellte eine überaus reale Bedrohung dar.

Nur wenn es Julianne gelang, die Kette zu finden, ehe Melisande der Geduldsfaden riss, bestand die Hoffnung, die vor Schaden zu bewahren, die sie liebte. Sobald Melisande das hatte, weshalb sie gekommen war, würde sie Julianne hoffentlich in Ruhe lassen.

Eine Hoffnung, die – so befürchtete Julianne – jedoch allzu trügerisch war.

Von der Treppe her erklangen plötzlich Stimmen. Juliannes Herz setzte einen Schlag aus. Serenity.

Man durfte sie nicht erwischen, denn sie konnte ihre Anwesenheit hier nicht erklären. Das Herz hämmerte ihr mit einem Mal bis zum Hals. In ungefähr einer halben Minute würde Serenity ins Zimmer kommen.

Mit heftig zitternden Fingern durchwühlte Julianne weiter die Kisten und schob dabei die Sachen hierhin und dorthin. Serenitys Schätze waren schlichte Dinge. Ein hundert Jahre altes Miniaturporträt. Ein Lederarmband. Vergilbte, zerfledderte Briefe. Therianer waren im Grunde einfache Leute, die sich kaum von den Menschen unterschieden, außer dass sie nicht alterten.

Sie waren nicht immer so gewesen. Vor langer Zeit hatten Therianer über die Fähigkeit zum Gestaltwandeln verfügt … Jeder Einzelne hatte die Kräfte eines Tieres besessen und sich jederzeit in dieses Tier verwandeln können. Es hatte einmal Dutzende, vielleicht sogar Hunderte unterschiedlicher therianischer Tierlinien gegeben … Wölfe, Bären, Schlangen, Pferde und alle möglichen Arten von Raubkatzen.

Aber dieses Leben hatte vor Jahrtausenden ein jähes Ende gefunden, als sie diese Macht zur Rettung der Welt hatten verpfänden müssen. Nur neun Gestaltwandler waren übrig geblieben. Neun Männer, die immer noch über die ursprüngliche, überragende Kraft ihrer Tiere verfügten. Die Krieger des Lichts. Alle anderen Therianer lebten und arbeiteten unter Menschen, verbargen sich des Nachts vor den Dradern und führten ansonsten aber ein ganz normales Leben … nur dass ihres im Gegensatz zu einer menschlichen Existenz viel, viel länger dauerte.

Auch Julianne hatte von ihrem Leben nichts anderes erwartet. Zwar sahen alle erwachsenen Therianer wie dreißig aus, aber Julianne war tatsächlich so alt. Sie hatte vor sieben Jahren ihren Abschluss an der George Washington University gemacht und angefangen, als Assistentin für einen Allergologen in Alexandria zu arbeiten. Ein ziemlich normales Leben.

Für einen normalen Therianer.

Bis vor einem Monat plötzlich Melisande mit der verstörenden Neuigkeit aufgetaucht war, dass sie keineswegs normal war.

Die Schritte waren jetzt bereits im Flur zu hören; das leise Klappern von Serenitys Absätzen. Ihre Zeit war abgelaufen. Eine Schweißperle lief zwischen ihren Brüsten herunter, als sie die Kisten wieder unter das Bett schob, aufsprang und zum Kleiderschrank lief. Sie riss gerade eine der Türen auf, als sich auch schon die Schlafzimmertür hinter ihr öffnete. Sie atmete heftig und unregelmäßig.

Wenn doch nur jemand da gewesen wäre, mit dem sie die schreckliche Last hätte teilen können. Zeeland. Früher einmal war Zeeland der Bewahrer all ihrer Geheimnisse gewesen.

Der Gedanke an ihn weckte eine heftige Sehnsucht in ihr, die ihr ins Herz schnitt und ihre Augen brennen ließ.

»Hallo, Jules. Wonach suchst du denn, Süße?« Serenitys Stimme klang wie immer liebevoll und herzlich.

Julianne drehte den Kopf zu der schlanken Blondine um. Schuldgefühle sorgten dafür, dass ihr ganzer Körper verkrampft war, aber sie zwang sich dazu, locker und natürlich zu klingen und äußerlich ganz ruhig zu wirken. »Nach deiner hellgrünen Bluse. Mir ist heute nach Hellgrün.«

»Tut mir leid, Süße, aber die ist in der Reinigung. Cambria hat eine in einer ähnlichen Farbe. Oder nimm dir einfach irgendetwas anderes, was dir gefällt. Wann musst du heute bei der Arbeit sein?«

»Um neun.« Julianne nahm eine blaue Bluse aus dem Schrank. »Ich beeile mich besser mal ein bisschen.« Sie warf Serenity ein Lächeln zu, das in den Mundwinkeln ein wenig zittrig war, und verließ fluchtartig das Zimmer. Wie lange würde sie das noch durchhalten?

Wie lange würde es dauern, bis Melisande die Geduld mit ihr verlor, weil sie die Kette nicht finden konnte? Wie lange würde es dauern, bis Serenity oder jemand anders merkte, dass irgendetwas nicht stimmte, und anfing, Fragen zu stellen, die sie nicht beantworten konnte, ohne alle in Gefahr zu bringen?

Wenigstens war Zeeland nicht hier. So sehr sie sich auch wünschte, dass er noch ein Teil ihres Leben wäre, brauchte sie sich so doch immerhin keine Sorgen zu machen, er könnte ebenfalls durch Melisande zu Schaden kommen.

Seit zehn Jahren war er jetzt nicht mehr Bestandteil ihres Lebens … seit jener schrecklichen, demütigenden Nacht.

Sie war vor einundzwanzig Jahren als verwaiste Neunjährige nach Alexandria, Virginia, gekommen. Serenity hatte die mütterlichen Pflichten für sie übernommen, doch es war Zeeland gewesen, der zu ihrem Beschützer und besten Freund geworden war. Er hatte ihr über ihre Trauer hinweggeholfen und sie dabei unterstützt, zu ihrer inneren Stärke zu finden.

Doch im Laufe der Jahre hatten sich ihre Gefühle für ihn verändert. Sie waren gewachsen. Er war ihr erster Schwarm gewesen und schließlich ihre erste große Liebe.

Vor zehn Jahren hatte sie mit einundzwanzig den schrecklichen Fehler begangen, ihm zu sagen, dass sie sich wünschte, von ihm entjungfert zu werden.

Er war entsetzt gewesen.

Selbst jetzt noch trat ihr kalter Schweiß auf die Stirn, wenn sie sich an diese Nacht erinnerte … an den angewiderten Ausdruck auf seinem gut aussehenden Gesicht.

Er hatte ihr befohlen zu gehen, und sie war aus seinem Zimmer geflüchtet. Am nächsten Morgen war er fort gewesen. Er war in die britischen Enklaven gegangen, ohne ihr Lebewohl zu sagen und ohne sich je wieder bei ihr zu melden. Andere hörten gelegentlich etwas von ihm, doch sie nie.

Der Schmerz wegen jener Nacht hatte im Laufe der Jahre nachgelassen. Doch sie hatte nie aufgehört, ihn zu vermissen, wie sehr sie sich auch angestrengt hatte. Sie konnte das sehnsüchtige Verlangen nach seiner Kraft an ihrer Seite nicht unterdrücken.

Julianne kehrte gerade lang genug in ihr Zimmer zurück, um sich für die Arbeit anzuziehen. Dabei bekam sie auch jetzt wieder eine Gänsehaut, wie immer, wenn sie diesen Raum betrat.

Ihr Schlafzimmer, das eigentlich ihr Rückzugsort sein sollte, war zu dem Ort geworden, den sie am meisten fürchtete. Denn hier wurde sie immer wieder von Melisande aufgesucht. Alle paar Tage erschien sie, und mittlerweile waren wieder drei Tage seit ihrem letzten schrecklichen Besuch vergangen.

Nachdem sie sich für die Arbeit fertig gemacht hatte, huschte Julianne aus ihrem Zimmer. Als sie die Treppe hinunterging, hörte sie Graysons Stimme bereits durchs Haus dröhnen, ehe sie ihn sah.

»Ich habe Neuigkeiten!« Der breitschultrige Grayson mit dem hellbraunen Haar hatte die Statur eines Bären und die Gutmütigkeit einer schlecht erzogenen Dänischen Dogge.

»Noch ein bisschen lauter, Gray«, rief Cambria aus der Küche. »Es könnte sein, dass man dich in South Carolina nicht gehört hat.«

Grayson reagierte nicht auf den liebevollen Tadel. »Zeeland kommt nach Hause!«

Julianne erstarrte auf der untersten Stufe und griff Halt suchend nach dem Geländer.

Ein halbes Dutzend Stimmen jubelte vor Überraschung und Freude.

»Wann?«, hörte Julianne Serenitys aufgeregte Stimme hinter sich.

Mit vor Schock ganz steifen Gliedern trat Julianne zur Seite, um Serenity vorbeizulassen.

»Morgen«, erwiderte Grayson. »Er hat gerade angerufen.«

Morgen. Julianne zwang ihre Finger dazu, sich vom Geländer zu lösen und weiterzugehen. Sie stolperte in die Diele, griff blindlings nach den Autoschlüsseln und rannte nach draußen in die Sonne. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Seit zehn langen Jahren sehnte sie sich danach, Zeeland wiederzusehen, obwohl sie gleichzeitig große Angst davor hatte.

Aber doch nicht jetzt. Nicht ausgerechnet jetzt.

Keiner kannte sie so gut wie Zeeland. Keiner konnte sie besser durchschauen.

Und noch nie hatte sie so viel zu verbergen gehabt.

2

Am Nachmittag des nächsten Tages klopfte es an der Tür. Das war der Moment, vor dem Julianne sich gefürchtet hatte. Auf einen Schlag verkrampfte sich ihr Nacken.

»Die Jungs haben gerade angerufen«, rief Cambria durch die Tür hindurch. »Zeelands Flugzeug ist pünktlich gelandet. Sie werden in ungefähr fünfzehn Minuten da sein.«

Julianne sprang das Herz fast aus der Brust. »Danke, Cam. Ich komme runter.« Während sie hörte, wie sich Cambrias Schritte entfernten, vergrub sie das Gesicht in beiden Händen.

Zeeland kehrt heim.

Wieder kam die alte, bittere Demütigung in ihr hoch, Schmetterlinge flatterten aufgeregt in ihrem Bauch, und heftige Sehnsucht zog ihr Herz zusammen, bis der Druck beinahe nicht mehr zu ertragen war.

Seit gestern hatte sie mindestens ein Dutzend Mal erwogen, in eine andere Enklave zu flüchten und dort so lange zu bleiben, bis Zeelands Besuch vorüber war … oder sich in ihrem Zimmer zu verstecken und die Tür abzuschließen. Doch seitdem ihr ständig Melisandes Besuche drohten, war ihr Zimmer auch kein Zufluchtsort mehr.

Außerdem kannte sie Zeeland viel zu gut. Er war so stur wie ein Ochse und so entschlossen wie eine Wildkatze auf der Jagd. Wenn er sich einmal entschieden hatte, sie sehen zu wollen, würde er sich von einer verschlossenen Tür nicht aufhalten lassen, und es gab keinen Ort, an den sie hätte flüchten können, wo er sie nicht aufspüren würde.

Wenn er sie aufspüren wollte. Ein sehr großes Wenn.

Nein, sie hatte keine andere Wahl, als seinen Besuch mit zusammengebissenen Zähnen durchzustehen und zu hoffen, dass er sie möglichst wenig beachtete. Der schwierigste Teil daran würde werden, selbst möglichst gleichgültig zu wirken.

Schnell schlüpfte sie in ein schmal geschnittenes türkisfarbenes Kleid, das sie vor ein paar Monaten mit Serenity und Cambria bei Lord & Taylor’s gekauft hatte. Danach setzte sie sich an ihren Schminktisch und trug etwas fahrig Make-up auf. Therianer mochten zwar ewig leben, aber sie legten Wert auf Mode und hatten Spaß daran, sich hübsch zu machen. Vor allem, wenn Gäste erwartet wurden … wie heute Abend.

Cambria und Serenity hatten den ganzen Tag gekocht und spontan ein Willkommensessen für Zeeland vorbereitet. Cambria hatte gesagt, dass vielleicht sogar ein paar Krieger des Lichts dazukommen würden. Zwar überragten alle therianischen Männer ihre menschlichen Geschlechtsgenossen, doch die Krieger des Lichts waren noch größer, stärker und zweifellos auch wilder als alle anderen Vertreter ihrer Rasse. Es wurde immer interessant, wenn die Krieger auftauchten.

Aber der Einzige, den sie unbedingt sehen wollte, war Zeeland – auch wenn sie sich gleichzeitig vor der Begegnung fürchtete.

Julianne zog das Gummiband aus ihrem Haar, sodass die dunklen Locken auf ihre Schultern fielen. Sie griff nach ihrer Bürste und war fast fertig mit Kämmen, als sie einen nur allzu vertrauten Energiestoß spürte.

Ihr stockte der Atem. Die aufsteigende Furcht brachte ihre Haut zum Kribbeln, als eine unnatürliche, nach Pinien duftende Brise durch ihr Zimmer wehte, und die Härchen auf ihren Armen stellten sich auf.

Im Spiegel ihres Schminktisches sah sie, wie Melisande – die schemenhafte Gestalt einer Frau – hinter ihr erschien. Julianne sprang auf, wirbelte herum und wich vor ihrer Nemesis zurück.

»Melisande.« Unwillkürlich stieß sie den Namen hervor, doch er kam nur wie ein Hauch über ihre Lippen.

Die geisterhafte Frau schwebte vor ihr und strahlte leicht rotorangefarben. Die schlanke, zierliche Melisande trug wie ein Krieger aus alten Tagen eine braune Tunika und lohfarbene Beinkleider. An ihrer Taille hing ein Messer. Ihr Antlitz war täuschend hübsch und zart und wurde von goldblondem Haar eingerahmt, das zu einem langen Zopf geflochten war.

Für jeden, dem der kühle Blick oder der grausame Zug um ihren Mund entging, wirkte sie lieb und harmlos.

Tausend Jahre lang hatten die Therianer geglaubt, Melisandes Volk, die Ilinas, wären ausgestorben. Tausend Jahre lang waren sie einem Irrtum aufgesessen.

»Der Mondstein, Julianne.« Melisandes Augen funkelten warnend.

Einmal – ganz am Anfang – hatte Julianne wissen wollen, warum sie ihn haben wolle. Melisande hatte ihr erklärt, dass die Königin der Ilinas krank sei und der Stein gebraucht werde, um sie zu heilen.

Julianne hob die leeren Hände. »Ich habe überall gesucht. Immer wieder. Gib mir einen Hinweis, Melisande. Irgendetwas, was die Suche eingrenzt.«

Melisande sah sie finster an. »Er ist irgendwo in diesem Haus. Ich spüre seine Macht, kann ihn aber nicht lokalisieren.« Melisande trat … schwebte … näher heran. »Du bist nutzlos, Schwesterchen. Wertlos. Aber du wirst diesen Mondstein finden.«

Melisandes hellblaue Augen funkelten drohend. »Ich gebe dir noch einen Tag, Julianne. Wenn ich morgen wiederkomme, wirst du ihn mir geben.«

Julianne starrte sie an, während es in ihrem Innern langsam dumpf zu brodeln begann – Angst und aufsteigende Wut kämpften miteinander. »Du hörst mir nicht zu. Ich habe überall gesucht. Er ist nicht hier.«

»Er ist hier! Wenn ich selber nach ihm suchen könnte, würde ich es tun.«

Doch sie konnte nicht, denn die Ilinas waren fest entschlossen, weiter zu verheimlichen, dass es sie überhaupt gab. Soweit Julianne wusste, hatten die Ilinas vor tausend Jahren ihren Untergang vorgetäuscht, um ihr Volk vor einem gefährlichen Gegner zu verstecken. Und sie würden töten, um dieses Geheimnis zu bewahren.

Juliannes Mutter hatte sich jedoch nicht daran gehalten und Juliannes Vater von ihrer wahren Herkunft erzählt … Sie war zur Hälfte eine Ilina gewesen. Sie hatten beide einen hohen Preis für dieses winzige bisschen Wahrheit bezahlen müssen.

Julianne würde es nie jemandem erzählen. Nie und nimmer. Sie würde die Leute, die sie liebte, damit niemals in Gefahr bringen.

Melisandes zarte Hand schloss sich um das Heft ihres Messers. »Wenn du den Mondstein nicht bis Morgen gefunden hast, wirst du meinen Zorn zu spüren bekommen, Schwesterchen.« Ihre Stimme wurde leise und bekam einen grausamen Klang. »Morgen wird einer deiner Lieben sterben.«

Julianne zuckte zusammen, als wäre sie geschlagen worden, und sie sah Melisande mit weit aufgerissenen Augen an. »Das kannst du nicht machen! Sie wissen von nichts. Ich habe ihnen nie etwas erzählt, damit ihnen nichts passiert!«

»Dann finde den Mondstein!«