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2054: Die Menschheit hat sich aus dem Internet ausgeschlossen, Elon Musk versehentlich den Mond verbrannt und viele Arbeiten werden von Robotern verrichtet. Vorwiegend die, für die keine Empathie nötig ist – denn Roboter kennen keine Gefühle. Wie Jared. Er sieht aus wie ein Mensch und arbeitet als Zahnarzt. Aber eines Tages beginnt Jared zu fühlen. Sein Arzt schickt ihn zum Selbstversuch ins Kino, wo Jared 27 ml Tränen vergießt und erkennt, dass Gefühle etwas Wunderbares sind! Er beschließt, den Menschen zu zeigen, dass Roboter auch ein Recht darauf haben. Und wie könnte das besser gelingen als mit einem Film? Also geht Jared nach L. A. und landet als Tellerwäscher in einem Taco-Laden. Dort lernt er Kellnerin Amber kennen, und seine Gefühle spielen verrückt. Amber scheint es genauso zu gehen – doch wie soll er ihr erklären, dass er ein Roboter ist? Zu allem Überfluss läuft es mit seinem Film so gar nicht wie geplant … Eine witzige und kluge Hommage an das Menschsein und seine Tücken.
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Seitenzahl: 481
Veröffentlichungsjahr: 2022
Simon Stephenson
Roman
Ein Roboter wie du und ich.
2054, nach dem Großen Crash: Die Menschheit hat sich aus dem Internet ausgeschlossen, Elon Musk versehentlich den Mond verbrannt, und viele Arbeiten werden von Robotern verrichtet. Vorwiegend die, für die keine Empathie nötig ist, denn Roboter kennen keine Gefühle. Wie Jared. Er sieht aus wie ein Mensch und arbeitet als Zahnarzt. Aber eines Tages beginnt Jared zu fühlen. Sein Arzt schickt ihn zum Selbstversuch ins Kino, wo Jared erkennt, dass Gefühle etwas Wunderbares sind! Er beschließt, den Menschen zu zeigen, dass Roboter auch ein Recht darauf haben. Und wie könnte das besser gelingen als mit einem eigenen Film? Also geht Jared nach L.A. und landet als Tellerwäscher in einem Taco-Laden. Dort lernt er Kellnerin Amber kennen, und seine Gefühle spielen verrückt. Amber scheint es genauso zu gehen – doch wie soll er ihr erklären, dass er ein Roboter ist?
Eine witzige und kluge Hommage an das Menschsein und seine Tücken.
Simon Stephenson lebt überwiegend in Los Angeles, wo er als Drehbuchautor bei Pixar arbeitet. Sein erstes Buch «Let Not the Waves of the Sea» – eine bewegende Erinnerung an seinen Bruder, der bei einem Tsunami im Indischen Ozean ums Leben kam – zog viel Aufmerksamkeit auf sich und wurde mehrmals ausgezeichnet. Mit «Kurioses über euch Menschen» hat Stephenson seinen ersten Roman geschrieben.
Elisabeth Mahler studierte Amerikanische Literaturgeschichte und Literarisches Übersetzen an der Ludwig-Maximilians-Universität. Die Lektorin und Übersetzerin wohnt mit Mann und Hund im Münchner Graggenau-Viertel.
Die englische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel «Set My Heart to Five» bei 4th Estate, UK.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Juni 2022
Copyright © 2022 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
«Set My Heart to Five» Copyright © 2020 by Simon Stephenson
Redaktion Tobias Schumacher-Hernández
Covergestaltung Cordula Schmidt Design, Hamburg
Coverabbildung Design Cuts; Shutterstock
ISBN 978-3-644-00757-4
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Nahaufnahme JARED (40 s).
Man sieht nur Jared, nicht, was er sieht, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht ist selig.
Kamerafahrt zurück. Man sieht, dass er an einem Frühlingsabend im Jahr 2054 auf dem Crissy Field steht.
MENSCHEN flanieren auf den Gehwegen, JOGGER drehen ihre Runden, und FAHRERLOSE UBERS fahren mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometern den Marina Drive entlang.
Unten am Strand spielen COLLEGE-KIDS ELECTRO-FRISBEE, KINDER lassen DROHNEN-KITES fliegen, und HUNDE rennen ins Wasser und wieder heraus.
SEGELBOOTE und AUTOMATISCHE FRACHTSCHIFFE durchqueren das smaragdgrüne Wasser der Bucht.
Dahinter sind die ALCATRAZ-INSEL und ihre GEFÄNGNISRUINE zu sehen.
Weiter hinten liegen die SAFTIG GRÜNEN HÜGEL VON MARIN COUNTY.
Aber Jared hat nichts von alledem im Blick.
Er schaut auf die GOLDEN GATE BRIDGE.
Während er sie so anstarrt, scheint sich etwas in ihm zu verändern.
Jared macht sich zu Fuß auf den Weg zur Brücke.
Hallo!
Ich heiße Jared.
Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen.
Übrigens bin ich ein Bot!
Wenn Sie nicht gerade unter einem Felsen in Nordkorea oder Neuseeland leben – Ha! –, wissen Sie natürlich, was ein Bot ist.
Nichtsdestotrotz bin ich darauf programmiert, jedes Mal, wenn ich einem neuen Menschen begegne, folgende Ansprache zu halten:
Lassen Sie sich bitte nicht von meinem menschenähnlichen Aussehen täuschen.
Ich bin nur ein Bot!
Ich habe keine Gefühle oder sonst irgendetwas, das als «Seele» missverstanden werden könnte.
Stattdessen wurde ich zu einem höchst leistungsfähigen Zahnarzt programmiert!
Sollten Sie irgendwelche Bedenken haben, melden Sie mich bitte umgehend dem Referat für Robotik.
Aber Menschen finden diese Information selten beruhigend.
Stattdessen sehen sie einen Mitmenschen vor sich, der behauptet, er sei kein Mensch.
Das verblüfft sie!
Das verblüfft sie oft dermaßen, dass sie ausrufen: «Aber Sie sehen aus wie ein Mensch!»
Ich erkläre ihnen dann geduldig, was sie ohnehin schon wissen: dass mein Körper menschlich aussieht, weil er tatsächlich ein menschlicher Körper ist. Er ist aus DNA und Zellen aufgebaut, genau wie ihr eigener Körper. Er hat die gleichen Grundbedürfnisse – Nahrung, Wasser, Sauerstoff, regelmäßige Bewegung –, und er kann auf ebenso viele groteske Weisen verletzt oder getötet werden wie jeder andere menschliche Körper.
Aber ich bin definitiv kein Mensch!
Denn das Kostbarste, was den Menschen auszeichnet, sind seine Gefühle.
Und als Bot bin ich speziell so konzipiert und programmiert worden, dass ich nicht in der Lage bin, Gefühle zu empfinden.
Ich kann nicht mehr fühlen als ein Toaster!
Ha!
Das ist übrigens ein ganz besonders guter Witz, denn die Programmiersprache, mit der ich arbeite, wurde vor vielen Jahren für den Einsatz in einem Toaster entwickelt.
Ich habe eine merkwürdige Beobachtung gemacht: Wenn ich Menschen erkläre, dass ich keine Gefühle empfinden kann, werden sie oft traurig. Vermutlich glauben sie, das wäre Empathie, aber in Wirklichkeit ist das paradox. Denn traurig zu sein, wenn jemand sagt, er habe keine Gefühle, ist dasselbe, als würde man einen Marathon laufen, wenn jemand sagt, er habe keine Beine.
Ehrlich gesagt, wenn ich keine Beine hätte und jemand in meinem Namen einen Marathon laufen würde, würde ich das nicht als besonders einfühlsam bezeichnen.
Ich würde die Person für verwirrt halten!
Trotzdem macht es die Menschen traurig, und Menschen traurig zu machen, widerspricht meiner Grundprogrammierung. Sollte ich also versehentlich einen Menschen auf diese Weise traurig machen, setze ich immer schnell Selbstironie ein, um die Situation mit beruhigender Heiterkeit zu entschärfen.
Ich sage den Menschen dann, sie sollen sich vorstellen, ich wäre eine Mikrowelle auf Beinen!
Ein Mobiltelefon mit Armen!
Ein Toaster mit Herz!
Übrigens meine ich ein Herz im Sinne einer mechanischen Pumpe und nicht einen Eimer voller Gefühle.
Die Herzen von uns Bots sind nur mechanische Pumpen.
Und erst recht sagen oder tun wir nichts aus «tiefstem Herzen»!
Die Menschen sind nur deshalb traurig über unseren Mangel an Gefühlen, weil sie nicht begreifen, welche unglaublichen Vorteile uns das bringt. Um nur ein wichtiges Beispiel zu nennen: Der Selbsterhaltungstrieb eines Bots beruht nicht auf der menschlichen Wahnvorstellung, dass er unersetzlich ist, sondern auf einer rationalen Kosten-Nutzen-Rechnung. Es ist kein Zufall, dass schon viele Bots heldenhafte und aufopferungsvolle Taten in so unterschiedlichen Bereichen wie der Brandbekämpfung in einem Atomreaktor, der Bombenentschärfung oder als Footballspieler in der NFL vollbracht haben!
Mein eigener Beruf als Zahnarzt ist ebenfalls ein ideales Betätigungsfeld für einen Bot.
Das liegt aber nicht daran, dass wir entbehrlich sind.
Schließlich ist die Zahnmedizin selten tödlich.
Zumindest nicht für den Zahnarzt!
Ha!
Nein, der Hauptgrund, warum Bots so hervorragende Zahnärzte abgeben, ist unsere völlige Empathielosigkeit. Ein einfühlsamer Zahnarzt – und damit meine ich einen menschlichen Zahnarzt – könnte leicht durch irrationale Angst, Kritik oder auch nur das Weinen eines Patienten abgelenkt werden. Ein Bot ist gegen all diese Dinge immun und erledigt zuverlässig seine Arbeit. Selbst wenn es darum geht, Weisheitszähne zu ziehen!
Ein weiterer Grund, warum die Zahnmedizin ein idealer Arbeitsplatz für Bots ist: Kein Mensch will diesen Beruf noch ausüben. Menschen bevorzugen Jobs, die kreativ, sozial, sauber und hoch bezahlt sind und zwischen Frühstück und Mittagessen im Homeoffice erledigt werden können. Sie haben eine tiefe Abneigung gegen Tätigkeiten, die mit einem echten Büro, Wochenendarbeit, Kindern, Blut, Schreien und den Mündern von Fremden zu tun haben. So kam es, dass sich niemand für die Zahnmedizin eingesetzt hat, als die Gesetze verabschiedet wurden, die regeln, welche Tätigkeitsbereiche den Menschen vorbehalten bleiben.
Vor allem nicht die Zahnärzte!
Ha!
Meine Zahnarztpraxis befand sich in der Gemeinde Ypsilanti in Michigan, dem Staat der Großen Seen.
Das hat mich zu einem Michigander gemacht.
Ha!
Menschen aus Michigan glauben, dass «Michigander» ein witziges Kofferwort ist. Da irren sie sich. Ein Kofferwort kombiniert zwei Wörter, um etwas Drittes zu bezeichnen. «Michigander» wäre daher ein ausgezeichnetes Kofferwort, um eine männliche Gans (gander) aus Michigan zu bezeichnen. Für einen Menschen ist es hingegen völlig ungeeignet, unabhängig von seinem Geschlecht oder seiner Herkunft.
Eine weitere kollektive Wahnvorstellung der Michigander ist die merkwürdige Auffassung, dass der Umriss ihres Staates einer menschlichen Hand ähnelt. Sehen Sie sich nur mal diese gegensätzlichen Datenpunkte an:
/Michigan ist vierhundert Kilometer breit vs. Eine menschliche Hand ist etwa zehn Zentimeter breit.
/Eine menschliche Hand hat einen Daumen und vier Finger vs. Michigan hat Detroit und mehr als zehntausend Seen.
/Michigan wurde als 26. Staat in die Union aufgenommen vs. Eine menschliche Hand wurde noch nie in die Union aufgenommen.
Jede vernünftige Interpretation dieser Daten legt also nahe: Michigan ähnelt mitnichten einer menschlichen Hand. Dennoch werden die Michigander, wenn sie zeigen wollen, wo sich ein bestimmter Ort in ihrem Staat befindet, unweigerlich ihre Hand hochhalten und auf einen Punkt darauf deuten.
Stellen Sie sich also vor, ich halte Ihnen meine rechte Hand entgegen und zeige auf eine Stelle an der Wurzel meines Daumens. Wenn Sie Orthopäde wären, würden Sie diese Stelle als «Speichengrübchen» kennen, ein bekanntermaßen schlecht konstruierter Teil des menschlichen Körpers. Wenn Sie aus Michigan kämen, würden Sie diese Stelle als «Ypsilanti» identifizieren.
Trotz seiner unglücklichen geografischen Lage ist Ypsilanti eine hübsche Stadt, die eine Menge zu bieten hat. Am bekanntesten ist sie für die Eastern Michigan University und ihre grottenschlechte Football-Mannschaft, die EMU Eagles. Die Ypsilanter bringen ihren Stolz auf die Stadt dennoch häufig mit dem Ruf «Go Eagles!» zum Ausdruck. Unsinnigerweise kommt dieser Ausruf auch in der Saisonpause zum Einsatz, wenn die Mannschaft allenfalls in die Ferien geht.
Go Eagles – auf zum See!
Ha!
Übrigens keine Ahnung, warum die Mannschaft nicht «EMU Emus» heißt. Genau so hätte ich sie genannt.
Doch Ypsilanti hat noch mehr zu bieten als ein Football-Team mit einem misslungenen Namen! Umfragen haben ergeben, dass Menschen, die durch das östliche Michigan reisen, einen Umweg von bis zu 25 Kilometern in Kauf nehmen, um den Wasserturm von Ypsilanti zu besichtigen. Das ist nicht weiter verwunderlich: Männliche Menschen sind fasziniert von Objekten, die Penissen ähneln, und unser Wasserturm wurde einmal zum «phallischsten Gebäude in Amerika» gewählt.
Das manische Verhältnis der männlichen Menschen zum Phallus fasziniert mich!
Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst kein sexuelles Verlangen habe.
Sexuelle Triebe sind schließlich Gefühle.
Stellen Sie sich vor, Bots hätten sexuelle Gefühle und würden sich fortpflanzen.
Die Welt wäre bald von kleinen Toastern übervölkert!
Eine familienfreundlichere Touristenattraktion in Ypsilanti ist die Tridge, eine Dreiwegebrücke an einer Gabelung des Huron. Im Gegensatz zu «Michigander» ist «Tridge» ein echtes Kofferwort, das sich aus den Wörtern «Triple» und «Bridge» zusammensetzt und ein Bauwerk bezeichnet, das drei Landpunkte über ein Gewässer hinweg verbindet. Erstaunlicherweise finden die Menschen das Wort «Tridge» nicht so lustig wie «Michigander». Ich kann nur mutmaßen, dass die Menschen eine männliche Gans komisch finden, eine Brücke hingegen nicht.
Menschen!
Geht gar nicht!
Übrigens ist «Geht gar nicht» ein typisch menschlicher Ausdruck, den ich übernommen habe, um menschlicher zu wirken, weil die Menschen sich dann wohler fühlen. Er wird verwendet, um Ablehnung auszudrücken, quasi als Abkürzung für «Ich bin ganz und gar nicht einverstanden» und «Diese Person oder Spezies ist irrational und irritiert mich».
Das Beste an Ypsilanti ist natürlich die Weltklasse-Zahnmedizin.
Scherz!
Die Zahnmedizin in Ypsilanti folgt genau denselben Standards, die überall sonst im Land gelten.
Wenn wir Bots eines sind, dann konsequent!
Meine entsprechend durchschnittliche Zahnarztpraxis hieß «Ypsilanti Downtown Dentistry». Sie war in einem kleinen Ärztehaus in der Main Street untergebracht. Der Mensch, mit dem ich dort am häufigsten zu tun hatte, war meine Assistentin Angela.
Die wichtigsten Datenpunkte über Angela:
/Sie war sowohl als Sprechstundenhilfe wie auch als Dentalhygienikerin angestellt, hasste aber den Teil ihrer Arbeit, der mit Hilfe während der Sprechstunde zu tun hatte.
/Sie liebte Katzen, glaubte aber, gegen rote Katzen allergisch zu sein.
/Es ist immunologisch unmöglich, gegen eine bestimmte Katzenfarbe allergisch zu sein.
/Dass Angela glaubte, sie sei allergisch gegen rote Katzen, war das Entscheidende.
/Für Menschen gilt: Gefühle > Fakten.
Obwohl ich mit Angela am häufigsten zu tun hatte, war Dr. Glundenstein, der Arzt, mit dem wir unsere Räumlichkeiten teilten, der Mensch, mit dem ich am intensivsten interagierte.
Der Arztberuf ist Menschen vorbehalten. Bots gelten aus demselben Grund als miserable Ärzte, aus dem wir so hervorragende Zahnärzte abgeben: unser völliger Mangel an Empathie. Einfühlungsvermögen ist bei einem Arzt so wichtig, dass es sogar unter einem anderen Namen bekannt ist: «Patientennähe». Studien haben übereinstimmend ergeben, dass Menschen Patientennähe wichtiger ist als diagnostische Genauigkeit und die Wirksamkeit einer Behandlung. Ein kranker Mensch würde sich lieber von einem Mitmenschen vorgaukeln lassen, dass er geheilt werden kann, als von einem Roboter klipp und klar gesagt bekommen, dass er bald einen grausamen Tod sterben wird!
Die wichtigsten Datenpunkte über Dr. Glundenstein:
/Er war nach menschlichen Maßstäben ein hervorragender Arzt, was bedeutet, dass er seine diagnostischen Unzulänglichkeiten durch enorme Patientennähe kompensierte.
/Er war nicht nur ein studierter Arzt, sondern hatte auch einige Semester in Filmwissenschaften an der East Michigan University belegt.
/Er liebte japanischen Whisky, den er unerklärlicherweise «Scotch» nannte.
/Er wünschte sich oft, er wäre kein Humanmediziner, sondern Filmregisseur.
/Er haderte viel und hatte möglicherweise ein Alkoholproblem.
Ich kannte diese Daten von Dr. Glundenstein, weil er mich manchmal nach der Abendsprechstunde in sein Büro auf der anderen Seite des Flurs einlud, um «ein bisschen zu quatschen». «Ein bisschen quatschen» bedeutet «geduldig zuhören, während ein Mensch Alkohol trinkt und über seine Sorgen und Nöte jammert».
Trotzdem habe ich die Einladung immer gerne angenommen. Wenn dich ein Mensch einlädt, ist es höflich, die Einladung anzunehmen. Es sei denn, sie erfolgt aus reiner Höflichkeit. In diesem Fall sollte man aus Höflichkeit ablehnen! Zwischenmenschliche Beziehungen lassen sich am besten als ein nicht enden wollendes Wettrüsten der Höflichkeit verstehen. Hält man eine Tür zu lange offen, kann das nur allzu leicht zum nächsten Hiroshima führen.
Oder Auckland!
Oder Pjöngjang!
Ha!
Obwohl es Essenszeit war, bot mir Dr. Glundenstein nie etwas zu essen an, sondern immer nur seinen japanischen «Scotch». Bots sind zwar darauf programmiert, keinen Alkohol zu trinken, aber trotzdem war es höflich, den japanischen Scotch anzunehmen, ihn aber nicht zu trinken. Der Grund dafür war:
Die Unhöflichkeit, ein Getränk abzulehnen > Die Unhöflichkeit, es anzunehmen, aber nicht zu trinken.
Menschen!
Höflichkeit!
Geht gar nicht!
Die korrekte Bezeichnung für eine Person wie Dr. Glundenstein, die gerne quatscht, ist «Angeber». Obwohl Dr. Glundenstein der Inbegriff eines Angebers war, wäre es unhöflich gewesen, ihm ins Gesicht zu sagen, er sei ein Angeber. Höflich wäre in der Tat, ihn später gegenüber einem gemeinsamen Bekannten als Angeber zu bezeichnen.
Menschen!
Höflichkeit!
Wums!
Obwohl er ein klassischer Angeber war, konnte man Dr. Glundenstein besser zuhören als den meisten anderen Menschen. Als selbst ernannter «Mann der Wissenschaft» kannte er die Regeln der Logik und der Physik viel besser als die meisten seiner Artgenossen. Manchmal benutzte er sogar Wörter wie «Hypothese». Die meisten Menschen verwenden keine Wörter wie «Hypothese»!
Die Themen, über die Dr. Glundenstein gerne jammerte, waren vorhersehbar, je nachdem, wie viel er von seinem japanischen Scotch getrunken hatte. Sie lassen sich daher auf einer klassischen X-Y-Achse abbilden:
Obwohl Dr. Glundenstein diese Themen selbst auswählte, bereiteten sie ihm jedes Mal mehr Kummer.
Ich war daher stets darauf bedacht, so mitfühlend wie möglich zuzuhören.
Leider war das überhaupt nicht mitfühlend.
Schließlich bin ich ein Bot, und Bots sind nicht in der Lage, Mitgefühl zu empfinden!
Das Thema, bei dem ich Dr. Glundenstein am meisten enttäuscht habe, waren die EMU Eagles. Das lag aber nicht an mangelndem Mitgefühl. Das Allerletzte, was die EMU Eagles brauchen, ist Mitgefühl! Nein, Dr. Glundenstein war enttäuscht, weil die Spieler allesamt Bots waren und er deshalb geglaubt hatte, ich müsse viel über Football wissen.
Aber ein Bot, der entwickelt und programmiert wurde, um als Vorstadt-Zahnarzt eingesetzt zu werden, hat fast nichts mit den Bots gemein, die entwickelt und programmiert wurden, um College-Football zu spielen! Ich besaß nur ein grundlegendes Sportplaudermodul – wichtig ist, stolze Zuneigung für sein lokales Team zeigen – Go Eagles! – und verächtliche Abscheu für die New England Patriots signalisieren: Don’t Go, Patriots!
Im Laufe des Abends bedrückte es Dr. Glundenstein immer mehr, dass ich kein College-Footballspieler war. Sein Klagelied über diese verpasste Chance ging dann unweigerlich in das große Wehklagen über, das allen seinen anderen Klageliedern zugrunde zu liegen schien: dass er einer der größten Filmregisseure aller Zeiten hätte werden können, wenn er sein Leben nicht unnötig vergeudet hätte, indem er Arzt geworden war, um seinen Mitmenschen in ihrer Stunde der Not zu helfen.
Dr. Glundenstein stützte diese unwahrscheinliche Überzeugung vor allem auf zwei Kurzfilme, die er während seines zweiten Studienjahres an der EMU gedreht hatte, einen mit dem Titel «We Are All Seagulls» und einen anderen mit dem Titel «Ypsilanti Dream #3». (Aus Gründen der Kreativität gab es keinen Ypsilanti Dream #1 oder #2.)
Ypsilanti Dream #3 wurde beim East Lansing Student Short Film Festival 2014 mit dem Prädikat «Sehr empfehlenswert» ausgezeichnet. Sein Preis: zwei Filmrollen und die lebenslange Frage, ob Medizin die richtige Berufswahl für ihn war.
Als Dr. Glundenstein anfing, über das Ann Arbor Postgraduate Short Film Festival 2014 zu reden – wo Ypsilanti Dream #3 unerklärlicherweise leer ausging, obwohl er beim weitaus angeseheneren East Lansing Festival triumphiert hatte –, wusste ich, dass er genug gequatscht hatte und ich jetzt unsere fahrerlosen Ubers bestellen konnte.
Ich wohnte in einem Haus mit vier Zimmern in einem Ortsteil von Ypsilanti namens Pleasant Oaks. Es gab hier zwar keine Eichen – der Ort wurde von Menschen benannt, und die sind bekanntermaßen unpräzise –, aber es war auf jeden Fall angenehm. Das einzig Unangenehme an der ganzen Nachbarschaft war wahrscheinlich, dass dort ein Bot lebte.
Der Bot, auf den ich mich hier beziehe, war übrigens ich selbst. Ha!
Das Haus mit vier Zimmern bewohnte ich aus demselben Grund, aus dem ich es mit einem Tier teilte und so oft ich kann Wörter und Sätze benutze wie «Übrigens», «Ich schweife ab», «Ha!» und «Geht gar nicht!»: um so angenehm menschlich wie möglich zu wirken! Schließlich könnte ein Bot, der allein in einer Einzimmerwohnung lebt, auf Menschen erschreckend effizient wirken. Ein Bot hingegen, der verschwenderisch ein ganzes Haus bewohnt, das für mindestens drei Personen ausgelegt ist, und nur ein wildes Tier als Mitbewohner hat – was könnte menschlicher sein als das?
Mein tierischer Mitbewohner war ein Kater. Er war nicht rot. Wäre er rot gewesen, hätte mich meine Kollegin Angela wegen ihrer fiktiven Allergie nie besuchen können!
10/10 Angela hat mich nie besucht.
Schließlich haben Bots keine Besucher.
Denn Besucher sind eine Funktion von Freunden.
Und Freunde sind eine Funktion von Gefühlen.
Daher sind Freunde – und die Besuche, die daraus resultieren können – nur eine weitere menschliche Verpflichtung, um die sich Bots nicht kümmern müssen!
Je nach dem, wen man fragt, wurde der nicht-rote Kater entweder der «Elton-J.-Rynearson-Gedächtnis-Kater» oder «Mr Socks» genannt.
Der ursprüngliche Elton J. Rynearson war der erfolgreichste Trainer in der Geschichte der EMU Eagles, ein sportliches Genie, der die Mannschaft auf einen nie wieder erreichten fünften Platz führte. In Anerkennung dieser Leistung nannten die Eagles ihr Stadion «The Elton J. Rynearson Memorial Stadium». Viele Leute sind immer noch der Meinung, dass dies so ziemlich das Einzige ist, was die EMU Eagles seit jener glorreichen Saison mit dem fünften Platz richtig gemacht haben.
Als ich in Ypsilanti ankam, gelangte ich daher zu dem Schluss, dass meine Nachbarn und Patienten es gleichermaßen zu schätzen wüssten, wenn ich meinen tierischen Mitbewohner «Elton-J.-Rynearson-Gedächtnis-Kater» nennen würde.
Schließlich waren sie alle Eagles-Fans und Michigander.
Go Eagles!
Go Michiganders!
Go Elton-J.-Rynearson-Gedächtnis-Kater!
Der Name hat definitiv viel Aufmerksamkeit erregt. In meiner Anfangszeit bei Ypsilanti Downtown Dentistry schienen viele meiner Patienten extra einen Termin zu vereinbaren, um sich nach dem Namen zu erkundigen. Wenn ich den Namen des Katers dann bestätigte, stieß er stets auf große Zustimmung und entlockte den meisten Patienten ein Lächeln. Einige von ihnen brachen sogar in schallendes Gelächter aus.
Doch Jessica Larson, die siebenjährige Tochter meiner Nachbarn, war mit dem Namen nicht einverstanden.
Ihrer Meinung nach war er «zu beliebig».
«Beliebig» ist ein beeindruckendes Wort, das kein Mensch richtig verwenden kann, schon gar nicht ein siebenjähriger Mensch. Als Kompromiss und Belohnung schlug ich daher vor, seinen Namen auf «Elton-J.-Rynearson-Kater» zu verkürzen. Jessica Larson stimmte damals zu, bevorzugte aber weiterhin den Namen «Mr Socks», wie ich hörte, als sie ihrer Mutter sagte, das sei «passender» für eine Katze.
Trotz ihres beeindruckenden Wortschatzes lag Jessica Larson völlig falsch. Denn:
/Der Kater war eindeutig kein «Mr», da er jung und unverheiratet war.
/Er trug keine Socken, weil er ein wildes Tier ist.
/Der gesamte Papierkram beim Tierarzt war bereits auf den Namen «Elton-J.-Rynearson-Gedächtnis-Kater» ausgestellt.
Der Elton-J.-Rynearson-Gedächtnis-Kater (auch bekannt als «Mr Socks») war von dieser Namensverwirrung völlig unbeeindruckt und ein nahezu idealer Roomie. Katzen eignen sich generell hervorragend als Mitbewohner für Bots, da sie wie wir binär sind. Sie verfügen nur über zwei Verhaltensweisen – Passivität oder Aggression – und zeigen immer deutlich an, welcher Modus gerade aktiv ist. Im Gegensatz dazu können Menschen mehrere Verhaltensweisen an den Tag legen, darunter sogar Leidenschaft und Aggression gleichzeitig. Letzteres wird als «passive Aggression» bezeichnet und ist für einen Bot unglaublich schwer zu interpretieren. Passive Aggression ist sogar noch schwieriger als Sarkasmus!
Uaah, Sarkasmus!
Von Sarkasmus spricht man, wenn Menschen das Gegenteil von dem sagen, was sie meinen, ohne jedoch auf andere Weise zu signalisieren, dass sie dies tun.
Stattdessen muss man aus dem, was sie sagen, ableiten, dass sie in Wirklichkeit das genaue Gegenteil meinen.
Sarkasmus ist das Beste!
Ha! Das war Sarkasmus.
Denn Sarkasmus ist eigentlich das Schlimmste.
Der Elton-J.-Rynearson-Gedächtnis-Kater hat mich kein einziges Mal mit Sarkasmus oder passiver Aggression verwirrt.
Jessica Larson übrigens auch nicht.
10/10 Wenn die Welt der Menschen so einfach wäre wie die der Tiere oder sogar die altkluger Kinder mit überbordendem Wortschatz, hätten wir alle viel weniger Probleme!
Wie auch immer, ich schweife ab.
/Menschen.
/Bots.
/Zahnmedizin.
/Michigander.
/Ypsilanti.
/Dr. Glundenstein.
/Filme.
/Der Elton-J.-Rynearson-Gedächtnis-Kater.
/Ich selbst.
Das ist die Ausgangslage oder der «Schauplatz», die Mindestmenge an Datenpunkten, die erforderlich ist, um den Rest der Geschichte zu verarbeiten.
Ich hoffe, ich habe Sie nicht gelangweilt!
Aber selbst wenn ich Sie langweilen würde, was wollen Sie schon machen – das Referat für Robotik kontaktieren und mich löschen lassen?
Ha!
Aber im Ernst, bitte lassen Sie mich nicht löschen.
Ich möchte nicht gelöscht werden.
Das meine ich ernst, nicht sarkastisch.
10/10 Ich möchte nicht gelöscht werden.
Ich mache hier keine Witze, Leute.
Jared liegt mit geschlossenen Augen im Bett.
Er schlägt sie auf und schaut auf die Digitaluhr.
Es ist 04 Uhr 03.
Jared blickt zu einem Stuhl hinüber, auf dem der Elton-J.-Rynearson-Gedächtnis-Kater – derzeit in seinem Passiv-Modus – sitzt und ihn anstarrt.
ZEITRAFFER während Jared im Bett liegt, es im Zimmer allmählich hell wird und die Uhr von 04 Uhr 03 auf 06 Uhr 59 vorrückt.
Um 07 Uhr 00 ertönt der Alarm, und der Elton-J.-Rynearson-Gedächtnis-Kater beginnt zu miauen, da er in seinen Aggressiv-Modus umschaltet.
Jared steht auf.
Jared betritt den Warteraum eines etwas heruntergekommenen Verwaltungsgebäudes.
Er ist voller BOTS MIT FUNKTIONSSTÖRUNGEN.
Ein PERSONAL-TRAINER-BOT macht Hampelmänner.
Ein FRISEUR-BOT schneidet mit einer Schere in die Luft.
Daneben ein WEIBLICHER HOSTESS-BOT, der sich endlos wiederholt:
Hallo, ich heiße Melissa, ich bin ein Bot! Hallo, ich heiße Melissa, ich bin ein Bot! Hallo, ich heiße Melissa …
Jared setzt sich und wartet geduldig.
Er ist offensichtlich der Bot mit der geringsten Funktionsstörung dort.
Jared sitzt an einem überfüllten Schreibtisch gegenüber dem übergewichtigen INSPECTOR BRIDGES (48), der Süßigkeiten isst, während er Formulare ausfüllt.
Auf dem Namensschild an Bridges’ Hemd steht «ANIL GUPTA».
Inspector Gupta …
Inspector Bridges.
Aber auf Ihrem Namensschild …
Ja, das ist nicht mein Hemd. Ich habe meins beim Mittagessen vollgekleckert, also hat mir Inspector Gupta seines geliehen. Was kann ich für Sie tun?
Ich will mich melden. Ich habe eine Funktionsstörung.
Wo liegt das Problem?
Eine willkürliche Ziffer ist in meiner Zahlen-Cloud aufgetaucht.
Haben Sie versucht, sich selbst ein- und wieder auszuschalten?
Jared schaut verblüfft.
Ein biologischer Computer kann sich genauso wenig abschalten wie ein menschliches Gehirn!
Manchmal laufen meine Schaltkreise heiß, aber …
Das war ein Scherz. Himmel. Warum mache ich mir überhaupt die Mühe? Sie sind ein Bot.
Ja, genau. Ein Bot mit einer Funktionsstörung.
Bridges deutet auf den Friseur-Bot, der mittlerweile die Haare des Hostess-Bots schneidet.
Das sind Bots mit einer Funktionsstörung.
Diese Störungszahl zählt die Zähne, an denen ich noch arbeiten muss, bevor ich in den Ruhestand gehe.
(seufzt müde.)
Wir machen ein paar Tests. Zimmer drei. Den Flur entlang, auf der linken Seite.
Bridges bekritzelt ein FORMULAR und reicht es Jared.
Jared trägt einen APPARAT, der wie ein altmodischer Motorradhelm aussieht und mit Drähten und blinkenden Lichtern versehen ist.
Die Lichter hören auf zu blinken, und ein SUMMEN kündigt das Ende des Tests an.
Jared nimmt den Helm ab.
Ein COMPUTER in der Ecke spuckt einen AUSDRUCK aus.
Inspector Bridges schaut auf den Ausdruck und dann auf Jared.
Sehen Sie, es geht Ihnen gut.
Bei allem Respekt, mir geht es nicht gut. Ich habe eine Funktionsstörung.
Wenn Sie eine Funktionsstörung haben, dann muss auch unser Hauptcomputer – der alle Tests für jeden einzelnen Bot im ganzen Bundesstaat Michigan durchführt – eine Funktionsstörung haben.
Vielleicht sollten Sie mich trotzdem löschen? Nur um auf Nummer sicher zu gehen?
Also bitte, ich habe keine Zeit für so was. Gehen Sie einfach nach Hause und schlafen Sie eine Nacht im Standby-Modus. Ich bin sicher, dass die Zahl morgen weg ist.
Jared geht widerstrebend nach Hause.
Aber die Nummer war am nächsten Morgen nicht weg.
Sie blieb dort, prominent in meiner Zahlen-Cloud, und wurde jeden Tag um 416 kleiner:
1956032
1955616
1955200
1954784
1954368
In der Mathematik wird eine Zahl, die vorhersehbar abnimmt, als «monoton fallend» bezeichnet.
In meiner Zahlen-Cloud befand sich eine monoton fallende Zahl, die für eine Anzahl konstant verfallender Zähne stand.
Das schien von Bedeutung zu sein.
Am darauffolgenden Donnerstag lud mich Dr. Glundenstein in sein Zimmer ein, um zu quatschen. Irgendwann, inmitten seiner Litanei, fragte er mich, wie es mir gehe. Normalerweise, wenn er mich das fragte, sagte ich ihm, dass es mir «gut» gehe.
Wenn ein Mensch Sie fragt, wie es Ihnen geht, ist die höfliche Antwort, dass es Ihnen «gut» geht.
Auf diese Weise stehlen Sie niemandem die kostbare Zeit, in der Ihr Gesprächspartner lieber über sich selbst spricht.
Aber an diesem Donnerstag sagte ich Dr. Glundenstein nicht, dass es mir gut gehe. Ich erzählte ihm von der abnehmenden Zahl in meiner Zahlen-Cloud, die für eine abnehmende Zahl von verfallenden Zähnen stand. Falls Dr. Glundenstein überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. Er sagte mir einfach, ich solle einen Termin vereinbaren, dann trank er weiter seinen japanischen Scotch und sprach über die EMU Eagles und all die verstrichenen Gelegenheiten, die man hatte, um ein anderer Mensch zu werden, die aber keiner von uns je wieder bekommen würde.
Am nächsten Tag besuchte ich die Klinik von Dr. Glundenstein. Termine gab es immer, denn den Menschen fehlt heutzutage wenig, abgesehen von ihren Zähnen.
10/10 Den menschlichen Zähnen wird immer etwas fehlen!
Vielleicht gibt es nach der unvermeidlichen Roboter-Apokalypse nur noch Arbeit für Killer-Bots und Zahnärzte.
Und zwischen denen wird es keinen Unterschied geben!
Dr. Glundenstein und Jared sitzen in Dr. Glundensteins Sprechzimmer.
Sie erwähnten eine Nummer.
1950208. Das ist die Anzahl der Zähne, die ich im Laufe meines Arbeitslebens noch untersuchen muss. Jeden Tag werden es 416 weniger.
Und wie geht es Ihnen damit?
Jared ist verwirrt von dieser Frage.
Ich weiß nicht. Ich bin ein Bot. Bots haben keine Gefühle.
Und wie geht es Ihnen sonst?
Mir geht es gut. Danke der Nachfrage.
Schön. Und wie steht’s sonst so, im Allgemeinen, meine ich?
Im Allgemeinen steht es so, wie es steht.
Und schlafen Sie gut?
Bots schlafen nicht. Wir gehen in den Standby-Modus, um uns körperlich zu erholen.
Das stimmt. Aber da gibt’s keine Probleme?
Jeden Morgen wache ich von allein um 04 Uhr 03 aus dem Standby-Modus auf.
Tatsächlich? Und was machen Sie dann?
Ich beobachte, wie es in meinem Zimmer langsam heller wird, bis der Wecker mir mitteilt, dass es Zeit ist aufzustehen.
Haben Sie abgenommen?
Zwei Kilo. Ich weiß auch nicht, warum.
Dr. Glundenstein denkt gründlich nach.
Sie grübeln also über Ihre Zukunft nach, wachen jeden Morgen früh auf und haben etwas Gewicht verloren?
Sie bringen es auf den Punkt! Vielen Dank.
Jared, was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzählen würde, dass Sie nach meiner medizinischen Einschätzung an einer schweren Depression leiden?
Ich würde sagen: Ha!
(Kurze Pause.)
Also: Ha!
Aber wenn ich Ihnen sagen würde, dass ich keine Scherze mache und dass Ihre Symptome alle klassische Merkmale einer Depression sind?
Ich würde Sie fragen, ob diese Merkmale klassisch für eine Depression bei Menschen oder bei Bots sind.
(Dr. Glundenstein off-camera)
Weil eine Depression eine Störung der Gefühle ist. Und Bots haben keine Gefühle.
Sie starren einander an. Das Gespräch ist in eine Sackgasse geraten.
Also nach meiner Hypothese sind Sie depressiv. Ihrer Hypothese nach können Sie das nicht sein.
Sie bringen es wieder auf den Punkt.
Nachdem wir also zwei sich widersprechende Hypothesen haben, lassen Sie uns ein Experiment machen, um herauszufinden, welche davon richtig ist.
Jared grinst. Bots heißen Experimente gut.
Das wäre ein wissenschaftlicher Ansatz!
Dr. Glundenstein schreibt etwas auf ein BLATT PAPIER und reicht es Jared.
Jared starrt es an, dann sieht er zu Dr. Glundenstein auf.
Er ist verblüfft.
Dr. Glundensteins Logik konnte man schlecht widersprechen, obwohl er ein Mensch war.
Der wissenschaftliche Weg zur Klärung widersprüchlicher Hypothesen ist in der Tat das Experiment. Das Problem lag in dem Experiment, das Dr. Glundenstein vorgeschlagen hatte: Er wollte, dass ich nach Detroit fahre und mir im Grand Theater einen alten Film ansehe.
10/10 Ein Kinobesuch kann für einen Bot tödlich sein!
Ich nahm an, dass Dr. Glundenstein seinen Verstand verloren hatte.
Der ganze japanische Scotch wurde irgendwann doch zu viel und hat sein Gehirn so lange gepökelt, bis daraus ein Stück Haggis-Sushi wurde.
Doch wie dem auch sei – die Anweisung eines menschlichen Arztes ist ein hochrangiger Befehl. Außerdem war es eine Gelegenheit, ein Experiment durchzuführen! Und wenn ich die Reise überleben und Dr. Glundensteins Hypothese erfolgreich widerlegen würde, wäre das ein weiterer Beweis dafür, dass ich gelöscht werden musste. Vielleicht würde Dr. Glundenstein mir sogar einen Brief schreiben, und ich könnte mich an Anil Gupta wenden und nicht an Inspector Ryan Bridges. Mit anderen Worten, ich könnte direkt zu Schmidt gehen statt zu Schmidtchen!
Kinos sind für Bots deshalb so gefährlich, weil dort Menschen im Dunkeln sitzen und gemeinsam Gefühle erleben sollen. Ein Bot in einem Kino wäre ein Skandal! Es ist unwahrscheinlich, dass ein dort erwischter Bot überhaupt das Referat für Robotik erreicht, um gelöscht zu werden. Schließlich haben Bots, der Auffassung von Menschen nach, in einem Kino nur auf der Leinwand etwas zu suchen!
Ich beziehe mich auf das Phänomen, dass Filme über Killer-Bots das beliebteste Filmgenre sind. Nachfolgend die Zusammenfassungen einiger Filme, die kürzlich im Multiplex-Kino in Ypsilanti gelaufen sind:
/Ein Mensch erschafft einen fortschrittlichen Bot; der Bot ermordet den Menschen.
/Bots und Menschen koexistieren friedlich auf der Welt; eines Tages schließen sich die Bots zu einem Megabot zusammen, der alle Menschen ermordet.
/Ein Raumschiff mit mehreren menschlichen Besatzungsmitgliedern und einem Bot, die alle harmonisch zusammenarbeiten, um ferne Galaxien zu erforschen; eines Tages ermordet der Bot alle Menschen.
/Ein Mensch verliebt sich in einen Bot; der Bot ermordet den Menschen.
Wenn ich nur ein Killer-Bot aus der Zukunft wäre, wäre ich in jedem Kino des Landes ein willkommener Gast!
Aber wissen Sie, warum die Menschen solche Angst vor Bots haben?
Weil sie uns die Schuld am Großen Crash geben!
Obwohl sie den Großen Crash selbst verursacht haben!
Schließlich war es nicht die Idee von Bots gewesen, Computersysteme so zu programmieren, dass Menschen der Zugriff verweigert wird, wenn diese die Namen ihres ersten Haustiers oder ihres Lieblingslehrers an der Grundschule vergessen!
Und es waren nicht die Bots, die diese Namen in so großer Zahl vergaßen, dass sie schließlich eine Kettenreaktion von fehlgeschlagenen Passwortwiederherstellungsversuchen auslösten, die dazu führte, dass sie alle für immer aus dem gesamten Internet ausgesperrt wurden!
10/10 Die Menschen haben das ganz alleine geschafft!
Auch wenn diese irrtümliche Schuldzuweisung allgegenwärtig ist, hat nicht jeder Mensch Freude daran, sich in einem Multiplex über mörderische Bots zu gruseln.
Es gibt eine andere Art von Kinos, und in diesen Kinos wird eine andere Art von Filmen gezeigt.
Alte Filme.
Die alten Filme wurden alle vor dem Großen Crash gedreht und haben überlebt, weil sie physisch auf Film und nicht digital auf Festplatten gespeichert waren. In Kinos, die alte Filme abspielen, wird deshalb der physische Film mit Licht durchleuchtet. Diese Technologie ist alt und empfindlich und fängt leicht Feuer. Alte Kinos brennen immer wieder ab!
Selbst wenn sie nicht abbrennen, bringen alte Kinos nicht viel Bitcoin ein. Das einzige zuverlässige Publikum für alte Filme ist eine kleine Szene junger Menschen, die als «Nostalgiker» bekannt sind. Nostalgikern wäre es lieber, wenn die Menschen nie auf dem Pluto gewesen wären, die Sonne gekühlt oder gar den Mond verbrannt hätten!
Um diese überholten Überzeugungen auch äußerlich zu demonstrieren, tragen Nostalgiker altmodische Kleidung und Haarschnitte, wie man sie zuletzt in den 2020er-Jahren hatte. Sie kleiden sich so einheitlich, dass Menschen, die eine Gruppe von Nostalgikern sehen, oft annehmen, dass es sich um eine Art Sekte handelt. Da sie jedoch keinen eindeutigen Anführer haben, profitieren sie nicht von der Organisationsstruktur einer Sekte.
In Ypsilanti sieht man allerdings nur selten auch nur einen einzigen Nostalgiker. Nostalgiker ziehen Großstädte vor, wo sie andere finden können, die genauso rückwärtsgewandt sind wie sie selbst. Und in Großstädten gibt es natürlich Kinos, die die alten, von den Nostalgikern verehrten Filme zeigen.
Aber was war zuerst da – der Nostalgiker oder das Kino?
Ha! Das Kino natürlich!
Einige dieser alten Kinos sind über hundert Jahre alt.
Nostalgiker sind selten älter als fünfundzwanzig.
Schließlich haben Menschen, die älter als fünfundzwanzig sind, keine Zeit, um die Verbrennung des Mondes zu beklagen!
Und viele von ihnen erinnern sich, dass der Mond ohnehin nichts Besonderes war.
Ich erwähne die Nostalgiker, weil sie alte Kinos besuchen und keine Bots mögen. Ich musste also aufpassen, nicht von einem Nostalgiker entdeckt zu werden, wenn ich ins Grand Theater ging! Obwohl sie die phlegmatischsten Angehörigen einer notorisch phlegmatischen Generation sind, war ein Bot im Kino genau das, was einen Nostalgiker aus seinem nonchalanten Desinteresse wecken konnte.
Auch die Stadt Detroit barg Gefahren. Schließlich war Detroit der Schauplatz der berüchtigten Bot Riots: Wütende Horden von Menschenmassen zogen durch die Straßen und zündeten Hunderte von Bots an. So wollten sie sich dafür rächen, dass die Bots ihnen die Arbeitsplätze weggenommen hatten. Leider waren viele dieser Arbeitsplätze bei der Feuerwehr gewesen, und so brannte die halbe Stadt nieder. Irgendwie gaben die Menschen den Bots auch dafür die Schuld! Bis heute ist Detroit als eine der am wenigsten Bot-freundlichen Städte des Landes bekannt.
Und vor allem musste ich erst einmal hinkommen! Um mit einem fahrerlosen Uber zu fahren, hätte ich meinen Barcode benutzen müssen, und die Metadaten wären an das Referat für Robotik übermittelt worden. Es war unwahrscheinlich, dass Inspector Ryan Bridges mein Bewegungsprofil überwachte – schließlich war er nicht mal in der Lage, das Bewegungsprofil seines eigenen Mittagessens zu überwachen! –, aber ich war darauf programmiert, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um nicht gelöscht zu werden, bevor ich den medizinischen Rat von Dr. Glundenstein befolgt hatte.
Ich musste also mit dem automatischen Bus nach Detroit fahren!
10/10 Den automatischen Bus würde ich niemandem empfehlen.
Der automatische Bus ist geeignet, alle Bots in Verruf zu bringen.
Er fährt in einem Tempo, dass einem schlecht wird, nimmt aber nur Strecken mit den billigsten Straßen und damit auch den meisten Umwegen.
Obwohl der automatische Bus also zu schnell fährt, ist er auch zu langsam.
Die Menschen nennen diese Art von Szenario «das Schlimmste aus zwei Welten».
Da haben sie ausnahmsweise recht!
Als ich mit dem automatischen Bus nach Detroit fuhr, konnte ich sehen, wie die Menschen in ihren fahrerlosen Ubers uns verächtlich anschauten. Menschen nehmen den automatischen Bus nur, wenn sie zu arm sind, um auf andere Weise zu reisen, und Menschen mögen Menschen ohne viel Bitcoin fast genauso wenig wie Bots. Diese Abneigung spiegelt die weitverbreitete menschliche Überzeugung wider, dass alles Leben ein großes Nullsummenspiel ist.
Die meisten Menschen glauben an dieses große Nullsummenspiel, ohne den Begriff oder seine Bedeutung zu hinterfragen. Aber das ist vielleicht auch nicht verwunderlich, schließlich stammt der Begriff aus der fortgeschrittenen Wirtschaftswissenschaft. Ha!
Ein Nullsummenspiel kann definiert werden als:
Eine Situation, in der der Gewinn oder Verlust eines jeden Teilnehmers durch die Verluste oder Gewinne der anderen Teilnehmer exakt ausgeglichen wird.
Um es in für Menschen leichter verständlichen Worten auszudrücken, kann man sich die «Gewinne» und «Verluste» als Eis vorstellen. Der menschliche Glaube an das Große Nullsummenspiel kann dann also in dieser Vorstellung ausgedrückt werden:
Damit ich ein Eis essen kann, muss jemand anderes kein Eis essen.
Dies kann dann weiter auf die Kernüberzeugung reduziert werden:
Es ist nicht genug Eis für alle da.
Die Extrapolation dieser Grundüberzeugung führt zu einigen allgemein anerkannten menschlichen Schlussfolgerungen:
/Wenn arme Leute Bitcoin haben dürfen, gibt es weniger für den Rest von uns.
/Wenn Bots Gefühle haben dürfen, gibt es weniger für den Rest von uns.
/Wenn Nordkorea Atomwaffen haben darf, wird es für den Rest von uns weniger geben.
/Außerdem könnten sie sie benutzen, um Neuseeland ein weiteres Mal in die Luft zu jagen.
Wie bei allen Spielen, die den Menschen Spaß machen, muss es auch beim Großen Nullsummenspiel Gewinner und Verlierer geben.
Die Gewinner beim Großen Nullsummenspiel können in klimatisierten Villen leben und so viel Golf spielen, wie sie wollen. Die Verlierer fahren mit dem automatischen Bus nach Detroit, ohne zu wissen, dass sie neben einem Bot sitzen.
Übrigens bin ich der Bot, neben dem sie sitzen. Ha!
Trotz dieses idiotischen Akts der Selbstzerstörung von Detroit sind die Michigander immer noch stolz auf ihre verkohlte Hauptstadt, weil dort einst Automobile hergestellt wurden. Dieser wilde Stolz lässt die verbriefte Geschichte des Automobils völlig außer Acht.
Automobile – auch als «Kraftwagen» bezeichnet – waren der Vorläufer unserer heutigen fahrerlosen Ubers. Sie waren aus Stahl gefertigt, wogen bis zu mehreren Tonnen und wurden mit stark brennbaren Kraftstoffen betrieben. Nach einer mehrstündigen Grundausbildung durften Menschen diese Fahrzeuge bei Geschwindigkeiten von über hundert Stundenkilometern selbst steuern.
Können Sie erraten, was passiert ist?
Natürlich können Sie das!
Die Ära des Automobils war die Ära eines regelrechten Kraftwagengemetzels.
Mehr als eine Million Menschen wurden jedes Jahr durch Autos getötet.
1000000! Jedes Jahr!
Und wie haben die Menschen auf diesen selbst verschuldeten Völkermord reagiert?
Durch den Bau von immer mehr Autos, die immer schneller fahren und immer größere Mengen an hoch brennbarem Kraftstoff transportieren konnten!
Diese kühne kontra-intuitive und unerbittliche Entschlossenheit, sich aller Logik und Vernunft zu widersetzen, machen das Automobil zur wahren Apotheose des großen menschlichen Jahrhunderts.
Menschen!
Geht gar nicht!
Nachdem die Menschen schließlich die Herstellung von Autos verboten hatten, wurde Detroit kurzzeitig zum wichtigsten Standort in den Vereinigten Staaten für die Montage von Bots. Ich selbst wurde auch in Detroit zusammengebaut, in der alten Fabrik von United Fabrication in der K Street.
Natürlich war die anspruchsvollere Arbeit bereits in den Laboren der Nationalen Universität von Chengdu in China unter der wachsamen und fachkundigen Aufsicht meiner geschätzten Mutter, Professorin Diana Feng, geleistet worden. Meine Geschwister und ich waren als tiefgefrorene Embryonen in die Vereinigten Staaten verschifft worden, wobei unsere biologischen Computer bereits in unsere DNA einkodiert waren. In Detroit wurden wir lediglich aufgetaut, bebrütet und dann in einem beschleunigten Alterungsprozess bis zu einem maximal effizienten und zuverlässigen Alter von dreiundvierzig Jahren weiterentwickelt.
Bevor wir auf die Welt losgelassen wurden, mussten wir tagelang Tests absolvieren. Während dieser Zeit kam es bei mehreren von uns zu Fehlfunktionen. Die Mitarbeiter von United Fabrication teilten uns mit, dass diese Bots zu einer Nachschulung mussten, aber ein paar Tage später sollten wir Kohlenstoffreste aus einer industriellen Verbrennungsanlage entfernen.
Wir haben alle verstanden, was geschehen war.
Diese Toaster waren nicht nur getoastet, sondern verkohlt worden!
Nachdem die Übrigen von uns bereit für ihre Tätigkeit und zertifiziert worden waren, fand in der großen Halle von United Fabrication eine Abschlussfeier statt. Ein steinalt aussehender leitender Ingenieur hielt eine tränenreiche Rede über all die Automobile, die einst in eben diesem Gebäude hergestellt worden waren. Ein Bot in meiner Nähe rief mir zu, er hoffe, dies sei kein schlechtes Omen!
Ha! Ha! Ha!
Er hatte eine Funktionsstörung.
Ha! Ha! Ha!
Er rief noch immer Ha! Ha! Ha!, als er hinausbegleitet wurde.
Ein weiterer Toaster, der bestimmt getoastet wurde!
Ha! Ha! Ha!
Dann kündigte der steinalte aussehende Oberingenieur einen Überraschungsgast an.
Stufe fünf, es war unsere Mutter!
Professorin Diana Feng von der Nationalen Universität in Chengdu!
Übrigens: «Stufe fünf» ist noch so ein wahnsinnig lustiger Witz über Toaster. Die meisten Haushaltsgeräte gehen bis zehn, aber Toaster haben nur eine Skala bis fünf. Wenn ich also sage: «Stufe fünf», bringe ich sowohl maximalen Enthusiasmus zum Ausdruck als auch eine selbstironische Hommage an meinen edlen Vorfahren, den Toaster.
Ich schweife ab. Bots haben keine Gefühle, aber ich glaube, meine Schaltkreise müssen überhitzt haben, als Professorin Feng auf der Bühne erschien. Wie sonst wäre es zu erklären, dass ich mich an nichts erinnern kann, was sie gesagt hat? Und doch weiß ich mit Sicherheit, dass sie weise und stark und wissenschaftlich war. Und auch selbstironisch und witzig und charmant und prägnant und liebenswert. Schließlich ist Professorin Feng nicht nur eine Koryphäe auf dem Gebiet des Bot-Engineering, sondern auch einer der klügsten Menschen der Welt! Habe ich schon erwähnt, dass sie meine Mutter ist?
Natürlich ist Professorin Feng nicht meine leibliche Mutter. Schön wär’s!
Meine biologischen Eltern waren ein Fechter in der Mannschaft der Universität Illinois und eine schwedische Statistikerin. Durch eine geschickte Kombination ihrer DNA wurden mir Hand-Augen-Koordination, nicht-kreative Intelligenz, Zuverlässigkeit und Freundlichkeit in die Wiege gelegt – einige der am meisten geschätzten Eigenschaften bei einem Zahnarzt!
Natürlich habe ich keinen der beiden leiblichen Elternteile je kennengelernt, da sie beide bei tragischen Autounfällen ums Leben kamen, lange bevor ich das Licht der Welt erblickte.
Was glauben Sie, wie Professorin Feng sonst an ihre DNA gekommen wäre, um daraus Bots zu machen?
Ha!
Habe ich Ihnen außerdem erzählt, dass unsere Mutter, Professorin Diana Feng von der Nationalen Universität Chengdu, an diesem Tag eine unglaubliche Rede gehalten hat?
Ja, das habe ich.
Ich bitte um Entschuldigung. Es war der schönste Tag meines Lebens, und wenn ich jetzt nur daran denke, überhitzen sich meine Schaltkreise.
Was ich damit sagen will: Bei meinem letzten Besuch in Detroit musste ich nicht mit dem automatischen Bus fahren; zudem durfte ich meine wunderbare Mutter sprechen hören.
Die Messlatte für die Filme lag also einigermaßen hoch!
10/10 Die Filme haben einen guten Start hingelegt. Das große Auditorium im Grand Theater in Detroit glich dem Inneren einer großen Kathedrale in Europa! Wenn sich das wie eine Übertreibung anhört, dann lassen Sie es mich beschreiben. Auf diese Weise können Sie selbst entscheiden, ob ich übertreibe!
Die Sitze im Auditorium waren mit einem roten Samtstoff bezogen, der atemberaubend dekadent ausgesehen haben muss, bevor er so abgenutzt war. In Alkoven standen Alabasterstatuen, die keineswegs alle kopflos waren. Über dem Parterre befand sich ein Balkon, und raten Sie mal, was sich darüber befand? Noch ein Balkon! Und die Lichter an der Decke waren in Mustern angeordnet, die winzige Sternbilder darstellen sollten, auch wenn sie die Astrogeografie des bekannten Universums leider nicht korrekt abbildeten.
Vielleicht war es doch etwas übertrieben, das Grand Theater mit einer großen europäischen Kathedrale zu vergleichen. Nichtsdestotrotz strahlte es einen verfallenen Glanz aus, mit dem selbst der berühmte phallische Wasserturm und die familienfreundliche Tridge in Ypsilanti nicht mithalten konnten. Es war daher mit Abstand das beeindruckendste Gebäude, das ich je betreten hatte.
Die sieben anderen Besucher im Kino waren alle Nostalgiker. Nachdem ich mir einen Platz ausgesucht hatte, der so weit wie möglich von ihnen entfernt war, stellte ich fest, dass die Sitze ziemlich klein waren und erstaunlich dicht beieinanderlagen. In den glorreichen Zeiten des alten Kinos saßen die Besucher des Grand Theater also in nächster Nähe zu ihren jeweiligen Nachbarn!
Das ist ein weiteres Paradoxon der Menschen: Wenn sie allein sind, wollen sie zusammen sein, und wenn sie zusammen sind, wollen sie allein sein! Manchmal denke ich, dass es für die Menschen von Vorteil wäre, wenn sie sich der tyrannischen Herrschaft eines Killer-Skybot-Overlord unterwerfen würden. Zumindest müssten sie dann nicht mehr unter dieser kolossalen Unentschlossenheit leiden!
Ich aß nun etwas von dem Popcorn, das ich gekauft hatte, um menschlicher zu wirken.
Es schmeckte nach recyceltem Karton und nährstofflosen Kalorien.
Kein tyrannischer Skybot-Overlord hätte das jemals toleriert!
Als die Lichter ausgingen, jubelten einige der Nostalgiker. Das ist noch etwas, was mir an den Menschen aufgefallen ist: Viele von ihnen scheinen eine gewisse Ur-Liebe für die Dunkelheit zu empfinden. Vielleicht war die Verbrennung des Mondes doch kein «Unfall»!
Ich aß noch mehr Popcorn und stellte fest, dass es unerklärlicherweise jetzt, wo es dunkel war, besser schmeckte.
Außerdem fühlte sich der kleine, abgenutzte Sitz bequemer und sogar etwas größer an.
Vielleicht verfolgte Elon Musk sogar einen Plan, als er «versehentlich» den Mond verbrannte!
Leider war der Film, der jetzt lief, nicht der alte Film, den Dr. Glundenstein mir verschrieben hatte, sondern ein neuer Film über einen freundlichen Menschen, der einem schwer beschädigten Bot begegnete. Der Mensch nahm den Bot mit nach Hause, reparierte ihn und pflegte ihn langsam wieder gesund. Sobald der Bot ausreichend genesen war, tötete er den freundlichen Menschen und seine gesamte Familie. Der Film dauerte nur ein paar Minuten, war also wenigstens kurz.
Keiner der Nostalgiker schien sich darüber aufzuregen, dass der falsche Film gespielt wurde, geschweige denn, dass er so unglaubwürdig war.
Keiner von ihnen ist auch nur von seinem Platz aufgestanden!
Wie ich bereits erwähnt habe, sind sie die phlegmatischsten Angehörigen einer notorisch phlegmatischen Generation.
Nostalgiker!
Geht gar nicht!
Ich ging hinaus und informierte die Kartenverkäuferin über die Störung. Sie sagte mir, dass ich gerade eine «Filmvorschau» gesehen hatte, eine kurze Zusammenfassung eines anderen Films, der gerade in einem nahe gelegenen Multiplex lief. Sie erklärte mir, dass das Kino dafür bezahlt wird, diese Vorschauen zu zeigen, denn wenn man die besten Teile eines Films umsonst sieht, werden die Menschen ermutigt, Bitcoin zu bezahlen, um die restlichen, weniger interessanten Teile anzuschauen.
Der Mensch wird für mich immer ein Rätsel bleiben!
Ich kehrte zu meinem Platz zurück und sah mir zwei weitere Vorschauen über Bots an, die Menschen ermorden, bevor der Film begann, den Dr. Glundenstein verschrieben hatte.
10/10 Er war unendlich viel besser als die Vorschauen.
In dem Film ging es um zwei junge Menschen, Oliver und Jenny. Sie lernten sich während des Studiums an der Universität vor fast hundert Jahren, in den 1960er-Jahren, kennen und verliebten sich. Es war offensichtlich, dass Oliver und Jenny verliebt waren, denn sie gaben sich gegenseitig Spitznamen. Abgesehen davon, dass sie sich gegenseitig unglücklich machen, ist es das, was Menschen tun, wenn sie verliebt sind: einander Spitznamen geben.
Aber es gab ein Problem!
Oliver stammte aus wohlhabenden Verhältnissen, und beide machten sich Sorgen, dass sein Vater die Defizite von Jennys Eltern im Großen Nullsummenspiel nicht gutheißen würde.
Sie machten sich aus gutem Grund Sorgen!
Olivers Vater war mit Jennys Familie nicht einverstanden, und auch nicht mit Jenny!
Wenn Oliver Jenny heiratete, würde er enterbt werden!
Nach dem Tod seines dünkelhaften alten Vaters würde es für Oliver keine Bitcoin mehr geben!
Doch Oliver und Jenny war es egal, wie viel Bitcoin ihre Liebe sie kostete. Sie waren weiterhin verliebt, machten ihren Abschluss und zogen nach New York City, wo sie glücklich zusammenlebten. Sie versuchten sogar, ein Baby zu bekommen.