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Steine liegen auf dem Weg.
Er betrachtet sie lange.
Geht dann zu seiner Türe.
Öffnet sie und spuckt in die Suppe.
Das E-Book Kurz und Grau wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Handschuh, Liebe, Migration, Ethik, Moral
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Seitenzahl: 88
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Das Fieber
5 Wochen
Ja, die Luft
Ein zerbrochenes Haus
So geht man kein Brot kaufen
Chroniken der zerfallenen Stadt
Das Alte an den Tagen
1983
Fulda
Der Nackte
Elke
Alice
Fax
Er geht seinen Weg.
Das zeitlose Duo
Danach
Das Löschpapier
Das Comeback von Ute und Harry
Die Kreuzotter
Die Saga
Der Aufstieg der Witzlosen
Das Erbe von Britta
Die unendliche Romanze
Die Liebe, das Theater und der Kampf
Mit verbundenen Augen
Die vergängliche Jagd
Die ungehörte Melodie
Die Odyssee des Handwerkers
Regentropfen und Lachen
Erinnere dich
Das sind Tim, Strauchel und Steffi
Etwas Licht
Esther und das Fahrrad
Landräuber
immer wenn er lag, war ihm dass er stürbt, dass es das letzte Mal sein kann, dass er stürbt. Er ängstigt sich, er malt sich aus, wie er sich umdreht und dann ist da eine Erinnerung, die sich an ihn festbeisst.
Er musste an ein Erwachen denken, etwas mit Leidenschaft: er, der Brave, der in der Welt der Gesten nicht auffiel, der hinabrutschte, abfiel, den man nicht kannte, nicht kennen wollte, der ohne Bestand durch die Reihen flog, der versuchte das gut zu finden, der die Brieftasche öffnete und gab oder der die Brieftasche öffnete und hoffte, man würde ihm etwas geben. Eine alte Geschichte, wir erinnern uns, doch wir halten uns zurück.
Erinnerung ist Schweigen, Schweigen ist Grab, ein Grab, das sich selbst vergräbt, aus dem Gedächtnis auf die Straße, die Straße leuchtet – ja, sie leuchtet, aber wohin? Es fällt ihm alles auf, es fällt ihm alles schwer, sein Fuss auf dem mit eingewickelten Zementsteinen ausgedienten Raum. Es hallt, wenn er sich die Haare kämmt.
Ein Buch in der Mitte aufgeschlagen, der Fußboden liest es.
Die Mütze in der Ecke.
Alles schien wirklich zu sein. Er schloss die Augen und bat um Verzeihung für alles Schlechte und Gute, das er der Welt gab.
Er stand wieder auf, dann war alles wieder da und er weinte beinah.
Am Boden lag ein altes Tuch, er hob es auf, er drückte es fest an sich, Obwohl die Decke schief hing, sah er geradeaus.
So ging es weiter.
Kein Tabakgeruch, aber eine Erinnerung an den ersten Staub in der Badewanne. Er lächelte leise, es klang, als würde er klagen.
Er zog Briefpapier aus einer Schublade. Die Schublade quietschte, seltsam.
War es, was er dachte? Was dachte er? Er dachte, seltsam, was ich denke. Er berührte das Briefpapier, stellte sich vor, er schreibe dieser Unbekannten, manchmal sah er sie vom Fenster gegenüber, sie trank aus einem goldenen Fass Bier Es ging ihm eine Geschichte von der Duras nicht aus dem Kopf, er flog der Geschichte mit bescheidenen Mitteln hinterher, er bekam die Geschichte der Duras nicht zu fassen.
Er weckte sich, hatte er je geträumt? Er hatte geträumt er sitze auf einer Wiese und die Duras erzählt einen Witz, sie trinkt Rotwein und raucht eine nach der Anderen.
Was habt ihr mit eurem Brauhaus gemacht, fragt sie ihn.
Er kann nicht glauben, dass die Duras nach dem Brauhaus fragt.
Der Alte glaubt, er habe sein Unwissen besiegt. Er denkt, er könnte jetzt ruhig einschlafen. Er schläft bereits. Der Traum läuft ins Ungewisse.
Er sieht sich eine Türe zuschlagen. Eine alte Türe, die vergessen hat, wie man zufällt.
Er stolpert über die Treppe die zum Keller führt, er hofft, dass keiner den Krach gehört hat, er mag es nicht, wenn er laut ist, er mag es auch nicht zu stolpern und in der Ecke zu liegen.
Diese Ecke erinnert ihn an seine Kindheit. Seine Kindheit war ein Versteck, dass er nicht mehr finden kann.
Als er erwacht, schüttelt er alles von sich. Er schaut sich um. Das ist nicht sein Bett, er blickt nicht aus dem Fenster, wo ein Rentner ein Poster von Jane Fonda aufhängt.
Er liegt noch immer in der Ecke.
Der Traum hat vergessen ihn zu wecken.
Was wenn ich diesen Traum nehme, und ihn ausschütte, was wenn ich erwache, aufstehe und laut, hier bin ich, brülle, was wenn gestern heute ist und heute etwas sehr anderes, wo ist das konstante, wo der Ort von dem ich sagen kann, hier bin ich, hier bin ich, hier bin ich.
Er sitzt in der Ecke.
Der Traum verschwindet.
Ja, die Luft war grau und überall. Überall gab es Sehnsüchte oder man wandte sich von ihnen ab.
Diese Idee, man könnte Schnee verkaufen an die Feuerwehr, diese Idee, das Leben kurz beenden und weitermachen.
Einer war da und er trank und erzählte, dass es dumm war zu trinken.
Wir waren nicht mehr so jung, nicht mehr so jung, wie wir glaubten.
Trotzdem plagten uns die alten Fragen immer noch: Wo kommt das her und warum verschwindet es wieder? Und was kommt danach, und was, wenn nichts danach kommt, wo sind wir dann, wir müssen doch noch da sein, denn irgendjemand muss es doch geben, der uns alles erklärt.
Immer Montagsmorgen, bevor wir irgendwie anfingen zu arbeiten, gingen wir rüber zum Warenhaus 8. Dort verkauft irgendwer Kaffee.
Es war die Zeit des Festhaltens, jedenfalls glaubten wir das. Ich sagte, meine Mutter stirbt, und er sagte, nichts, vielleicht war es ihm wohl bei dem Gedanken, mir danach zu sagen, wie leid ihm das tat.
Es war etwas Grenzenloses am Tod, er schwieg, auch hinterher. Nur der Todeskampf erinnert uns daran, wie wir schwiegen und nicht vergessen wollten, was hier geschah.
Was ist der Tod, hatte ich meine Mutter einmal gefragt.
Ich war am Marktplatz gerade meinem ersten Toten begegnet, es war ein alter Mann, der auf den Boden fiel und tot war. Ich sah ihn nur von weitem, und wenn ich heute daran denke, vermute ich, es hätte auch ein Traum sein können. Nur der Trost meiner Mutter war real.
Sie versuchte zu erklären, was nicht zu erklären ist. Manchmal denke ich, sie hat damals versucht, ihren eigenen Tod zu erklären.
Wir spazierten also rüber, ich noch nüchtern, einigermaßen zumindest, und er sowieso, wenn er trank, dann nicht mehr als drei Flaschen Bier.
Drei Flaschen Bier, damit fingen wir doch erst an.
Ein anderer Arbeitskollege hatte mit einem Lkwfahrer in einem heruntergekommenen Schuppen gesoffen. Bestimmt redeten sie über Frauen und bestimmt klang alles was sie über Frauen sagten falsch. Danach ging jeder der beiden seinen Weg.
Er spazierte nicht dort, wo ein Fußgängerweg war. Warum nicht, möchte ich ihn fragen, wenn ich könnte.
Der LKW erwischte ihn makellos. Diese Nacht war kostbar. Jede Nacht ist kostbar, wenn jemand stirbt.
Er kam zurück, das war seltsam. Eine Dreiviertelstunde dachte er auf der Toilette über sein Leben nach. Für eine Dreiviertelstunde wusste er nicht, ob das in Ordnung war, was er tat. Hierbleiben, das dachte er. Warum nicht hier bleiben? Austrocknen wirst du nicht, denn es gibt einen funktionierenden Wasserhahn. Warum also nicht hierbleiben? Aber er blieb nicht auf der Toilette. Es wäre ihm irgendwann zu kühl geworden.
Irgendwann hatte man es ja doch satt, wenn nichts geschieht, und es würde nichts geschehen, wenn er auf der Toilette saß. Also ging er wieder zurück.
Ich bin wieder da, rief er.
Kein Widerhall.
Nichts.
Die Tapeten grau, die Vorhänge noch vor der Wiedervereinigung. Er selbst, manchmal nur ein Schatten von dem, der er gerne gewesen wäre.
Nun ging er weg, ohne zu spucken.
Er kam nach einer Zeit wieder zu seinem Haus zurück. Die Treppenstufen, die er früher immer ganz gut fand, die gefielen ihm nicht, die waren in der Mitte zersplittert, als wäre ein hoffnungsvolles Pony darüber getrampelt, oder als hätte ein Einhorn den Boden mit seinen Schritten berührt, von wegen, keine Schritte von Einhörnern.
Er fühlte sich wie ein erfundener Wachmann, dem man das Rad stiehlt und der nur ein paar Socken besitzt, die in der Schublade verkümmern, weil sie für alles andere zu teurer sind.
Was passiert hier? fragte er sich.
Er stand auf, er ging etwas durch das Zimmer, schon legte er sich wieder aufs Bett.
Er suchte eine müde Haltung dort, er suchte alles im Bett, doch er fand nur diese eine Erniedrigung.
Die Fremde war schuld. Sie hatte etwas mit ihm gemacht, sie war ihm gefolgt, sie wohnte mit einem Mann nebenan, er wusste nichts von ihr, nur dass er sie liebte, so abgrundtief.
Sie hatte das Inszeniert. Er deutete auf die Treppenstufen. Es ging nicht um die Treppenstufen. Es ging um das Ganze.
Die Fremde war schuld. Sie war die Schlucht, der Abgrund, in den man rutschte und sich nie verloren vorkam.
Sie war der Tiefbrunnen, das Ungesagte. Sie aß sicher Oliven aus einer extra für sie angefertigten Olivenschale.
Etwas stimmte nicht mit ihm.
Er kam sich wie neu geboren vor, das machte ihm Angst.
Es ging ihm so viel durch den Kopf.
Er lachte.
Nein, das war ein Irrtum. Schreib es anders – nicht wie es war, sondern wie es wäre, wäre es gewesen.
Er dachte an diese Fremde. Diese Fremde war kein Irrtum. Sie war kein Irrtum, denn sie war eine Fremde.
Sie hatte eine Decke über den Kopf. Woher er das nur wusste, er wusste es nicht – konnte er es wissen? Er konnte es nicht wissen.
Es war anders.
Er war der Fremde.
Sie war die Fremde.
Jeder war auf seine Weise fremd. Jeder versuchte das zu verstehen, es war nicht zu verstehen.
Er dachte an die Fremde. Die seine Nachbarin war. Er machte sie für all das verantwortlich. Es wurde schon erwähnt, dass er sie liebte. Nun schrieb er Gedichte, er versuchte es wenigstens. Immer wieder musste er daran denken, dass er die Fremde gerne hatte und dass die nun verschwunden war. Das war ihre Schuld. Da war er sicher. Er sollte Sie fragen. Sie zu fragen war unmöglich.
Sie triggerte ihn, er war sich sicher, er liebte sie. Er wusste nicht, was er tun sollte, er wusste nur, dass er etwas tun sollte.
Er versuchte hinter die Geräusche zu kommen. Ihm war das alles zu viel.
Ich bin nicht mehr so jung wie früher, ich bin alt. Er machte eine kreisrunde Bewegung mit dem Finger, als öffne er in der Luft einen Sargnagel und zerschneide die Zeit damit.
Es kam ihm in den Sinn, dass er die Augen schließen könnte.
Er dachte, ich gehe etwas zum See. Er ging immer gerne zum See und so war es diesmal auch. Er ging zum See und setzte sich hin, und dann roch er den See und roch all die Finsternis in ihm.