Küsse, Kekse & Weihnachtszauber - M.L. Busch - E-Book
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Küsse, Kekse & Weihnachtszauber E-Book

M. L. Busch

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Beschreibung

Baulöwe Jackson M. Vandas kämpft mit schlechter Presse. Um sein Image aufzupolieren, spendet er dem Green Lane Zoo in Boston ein neues Elefantenhaus. Unglücklicherweise gerät der Millionär durch seine großzügige Spende erst recht in Schwierigkeiten. Kortney Starr ist Bäckerin im Restaurant des Zoos. Ihre eigens für den Zoo gestalteten Cookies sind das Highlight bei den Besuchern. Die Weihnachtszeit könnte so schön sein, wäre da nicht der reiche, aufgeblasene Wohltäter, der ihre Köstlichkeiten verschmäht …

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Kurzbeschreibung: Baulöwe Jackson M. Vandas kämpft mit schlechter Presse und üblen Vorwürfen. Um sein Image aufzupolieren, spendet er dem Green Lane Zoo in Boston ein neues Elefantenhaus. Unglücklicherweise gerät der Millionär durch seine großzügige Spende erst recht in Schwierigkeiten.

Kortney Starr arbeitet als Bäckerin für das Restaurant des Zoos. Ihre eigens für den Zoo gestalteten Cookies sind das Highlight bei den Besuchern. Die Weihnachtszeit könnte so schön sein, wäre da nicht der reiche aufgeblasene Wohltäter, der ihre Köstlichkeiten verschmäht.

M.L. Busch

Küsse, Kekse & Weihnachtszauber

Kortney & Jackson

Roman

Edel Elements

Edel Elements

- ein Verlag der Edel Verlagsgruppe GmbH

© 2022 Edel Verlagsgruppe GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2022 by M.L. Busch

Lektorat: Nina Krönes

Korrektorat: Julia Kuhlmann

Covergestaltung: Coverboutique, www.coverboutique.de

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-439-4

www.instagram.com

www.facebook.com

www.edelelements.de

 

 

Für meinen Papa,der mir 365 Tage im Jahr leckere Kekse backt.

#1

Kortney

Im nächsten Leben möchte ich im Sternzeichen Waage geboren werden. Waagen sind nette, ausgeglichene und friedfertige Menschen. Außerdem sind sie diplomatisch und können Probleme lösen. Nicht nur die eigenen, sondern auch die von anderen.

Kortney, das Leben käme einem Spaziergang in der Sonne gleich, wenn du Sternzeichen Waage wärst.

Leider bin ich Skorpion. Skorpione sind entschlossen und draufgängerisch. Sie haben einen feinen Instinkt und sind nicht selten Perfektionisten.

Leider machen sich übergenaue Menschen das Leben schwer und stellen hohe Ansprüche an sich selbst. Keiner weiß das besser als ich. Ich bin die Queen der Perfektionistinnen. Zu jeder Zeit verlange ich hundertfünfzig Prozent von mir. Strebsam wie ich bin, gebe ich mich nicht mit weniger zufrieden. Alles muss vollkommen und fehlerfrei sein oder ich mache es nochmal. Im Notfall wiederhole ich den Vorgang, bis ich ausnahmslos zufrieden bin. Höchstwahrscheinlich bin ich nur einen Wimpernschlag von einer Zwangsneurose entfernt.

Der Drang, die selbstgesteckten Maßstäbe und Ziele einhalten zu wollen, ist anstrengend und kräftezehrend. Manchmal wünschte ich, ich könnte es gut sein lassen und zu einer Sache einfach Ja und Amen sagen. Vor allem in Momenten wie diesen, in denen ich nicht glauben kann, was man von mir verlangt. Mit offenem Mund starre ich meinen Chef an. Wie kann er nur?

„Sie möchten also, dass wir Tassenpudding aus der Mikrowelle anbieten? Im Restaurant?“

Unvorstellbar! Was für eine Beleidigung der Geschmacksnerven – und aller Puddings dieser Welt!

„Ja genau“, antwortet Mr Dontell, Direktor des Green Lane Zoos in Boston, und leider Mitbestimmer der Speisekarte im ansässigen Restaurant. „Natürlich fordert das nicht ihre kreativen Backtalente, Miss Starr, aber die Fertigmischungen sind kostenneutraler und schnell zubereitet. Wir würden gut daran verdienen und könnten sie in der Hauptsaison sogar an den Verkaufsständen im Außenbereich anbieten. Wir müssten nur ein paar Mikrowellen anschaffen und schon könnte es losgehen.“ Er macht eine Handbewegung, die mir Angst einflößt. „Ruckzuck.“ Seine Euphorie in allen Ehren, mich steckt sie nicht an. Das Gegenteil ist der Fall.

Unauffällig hole ich Luft und wünsche mir Zen-ähnliche Gelassenheit. Warum bin ich nicht Waage? Warum kann ich nicht einfach Ja und Amen sagen? Die Sterne sind schuld an meinem Dilemma!

Frustriert starre ich in die Rührschüssel vor mir, in der ich gerade das Crunchy für eine besondere Cookiefüllung zubereiten wollte. Die nächsten Worte sollte ich mir gut überlegen. Mit dem Direktor, der nächstes Jahr sechzig wird und etwas von einem Oberfeldwebel hat, darf ich es mir nicht verscherzen. Der Rechthaber kann mich nicht besonders gut leiden und sucht ständig nach einem Vorwand, meine feste Stelle auf einen Aushilfsjob herunterzustufen. Kosten einzusparen ist sein Ding. Die Idee mit dem Tassenpudding ist der beste Beweis dafür.

Meine Wild Animal Cookies sind das Highlight des Zoorestaurants. Neben den Cake-Pops, die an besagten Ständen im Außenbereich angeboten werden, sind sie allseits beliebt und werden vor allem von den Kindern geschätzt und bewundert. Die zuckersüßen Tierchen, die ohne vorgefertigte Form hergestellt werden, sind der Grund, warum ich eine Anstellung im Zoorestaurant bekommen habe. Und das, obwohl ich keine qualifizierte Ausbildung als Konditorin besitze. Jedes Kekskunstwerk, das ich herstelle, ist einzigartig. Keines gleicht dem anderen. Und das Beste … nahezu alle Zoobesucher wollen eins meiner originellen Wild Animal Cookies probieren.

Und jetzt soll ich Fertigmischungen einsetzen? Was für ein Dilemma. Wie kann Mr Dontell glauben, Tassenpudding aus der Mikrowelle würde sich ähnlich gut verkaufen? Wie kann er davon überzeugt sein, ein frischer Keks ließe sich durch lauwarmen Fertigpudding ersetzen?

„Mr Dontell …“, setze ich zur Gegenwehr an.

„Ich weiß, was Sie sagen wollen, Miss Starr …“, werde ich mit erhobener Hand unterbrochen, „aber glauben sie mir, nicht jede Leckerei muss immer gleich ein Kunstwerk sein.“ Er winkt ab. „Die Kinder machen an den Außenständen den Großteil unseres Umsatzes aus. Meist sind die kleinen Quälgeister mit jeglicher Form von Zucker zufrieden. Hauptsache es schmeckt süß und klebt die Zähne zusammen.“

„Und Tassenpudding ist süß – sehr süß“, schlussfolgere ich.

„Richtig erkannt, Miss Starr.“ Mit einem listigen Grinsen applaudiert mein Chef sich selbst. „Und für die Eltern kostengünstiger.“

Wie umsichtig.

Verdammte Zwickmühle. Ganz falsch liegt Mr Dontell nicht. Was soll ich dazu sagen? Mir fehlen leider die schlagfertigen Argumente, um dagegen zu halten. Noch …

Zeit zum Nachdenken wäre jetzt nicht schlecht.

„Wir sind ein Zoo und keine Bäckerei. Hin und wieder scheinen Sie das zu vergessen, Miss Starr.“

Den Rüffel habe ich vermutlich verdient. Aber muss er ständig meinen Namen sagen? Ich fühle mich wie vor den Schuldirektor zitiert.

Irgendwie ist er ja auch ein Direktor, Kortney. Ein Zoodirektor.

Das Mr Dontell ständig einen Anzug samt Krawatte trägt, verstärkt das Gefühl, von einem Oberaufseher kontrolliert zu werden noch.

„Für die Stände im Außenbereich mag ihre Einschätzung zutreffen“, pflichte ich ihm bei. Hoffentlich kann ich durch mein Verständnis ein wenig Boden gut machen. „Dort verkaufen sich auch herkömmliche Schokoriegel sehr gut. Aber möchten Sie wirklich im Restaurant die Karte ändern und die beliebten Wild Animal Cookies streichen?“ Meine Augenbrauen heben sich. Auf die Antwort bin ich gespannt. „Die meisten Restaurantbesucher möchten eher nichts aus der Mikrowelle essen“, setze ich noch einen drauf und überschreite eine Grenze.

„Seien Sie nicht albern!“, werde ich prompt angefahren. „Natürlich müssen Sie sich für den Pudding einen reizvollen Namen ausdenken, damit es funktioniert. Vielleicht etwas Lustiges. Kreativität ist doch Ihre Stärke. Die Besucher werden bestellen, weil sie neugierig sind.“

Einmal vielleicht. Doch sobald die Stammgäste die Fertigmischung gekostet haben, werden sie beim nächsten Mal nach Alternativen suchen oder auf die Nachspeise verzichten. Unglücklicherweise wird mein Gegenüber das nicht verstehen. Besser ich halte mich zurück – obwohl es schwerfällt. Enttäuscht und vorerst geschlagen fange ich an zu nicken.

„Natürlich … wenn Sie es wünschen, kann ich mir einen ansprechenden Dessertnamen überlegen.“ Was soll ich auch anderes antworten. Mr Dontell ist der Boss und ich eine Angestellte ohne die nötige Qualifikation, die tut was von ihr erwartet wird.

„Bravo, dann sind wir uns einig.“ Mit gehobenem Kinn richtet er seine Krawatte, die es nicht nötig hat zurechtgerückt zu werden. „Seien Sie erfinderisch. Denken Sie sich etwas Erfreuliches und vor allem Gewinnbringendes aus!“ Begierig beugt er sich vor und starrt in meine Rührschüssel mit dem halbfertigen Crunchy. Dabei hält er die Hand auf der Krawatte, damit das Ende nicht in der Schüssel landet. „Sobald diese Kekse aus dem Ofen sind,“ weißt er mich mit einem hungrigen Blick an, „bringen Sie mir bitte ein paar davon in mein Büro, Miss Starr.“

„Natürlich.“ Alles, was mir sonst noch auf der Zunge liegt, verkneife ich mir. Ich schaffe es sogar, nicht das Gesicht zu verziehen.

Kaum hat dieser Besserwisser sich umgedreht, rutscht mir versehentlich die Zunge ein Stückchen heraus.

Teufel! Kein sehr reifes Verhalten, aber dieser Mann mit den unmöglichen Ideen hat es nicht anders verdient.

Zwei Stunden später mache ich mich auf den Weg, um die Verkäufer der Außenstände mit frischen Backwaren zu versorgen. Der Green Lane Zoo, der aufgrund seiner länglichen Form und seiner einzigartigen Grünanlagen diesen Namen trägt,hat neben dem Restaurant drei Kioske. Sie sind an strategisch wichtigen Plätzen im Zoo aufgestellt. Der größte mit dem stärksten Umsatz befindet sich gleich neben dem Spielplatz. Dann gibt es noch einen bei den Affen und einen winzigen, nahe beim zukünftigen Elefantenhaus.

Heute ist Sonntag, der umsatzstärkste Tag im Zoo. Besser ich spute mich ein wenig, bevor meinen Kollegen die Kekse und Cake-Pops ausgehen. Das Gespräch mit Mr Dontell hat meinen Zeitplan ein wenig aus dem Konzept gebracht. Dass ich danach so durcheinander war und eine Ladung Kekse im Ofen habe verbrennen lassen, hat es auch nicht besser gemacht.

Meinen Handkarren vorwegschiebend, werfe ich Santiago, dem aus Argentinien stammenden Riesenotter, einen Gruß zu und gehe schnellen Schrittes weiter. Für gewöhnlich verweile ich bei dem ein oder anderen Tier und unterhalte mich mit ihnen. Sie sind wunderbare Zuhörer und belohnen meine Gesellschaft oft mit kleinen Kunststückchen oder einem freundlichen Gesicht.

Unser Santiago ist ein aufsässiges Schlitzohr. Meist rutscht er mehr als das er läuft. Mit seiner ausgefallenen Stopptechnik, Nase voraus, bringt er mich jedes Mal zum Lachen. Ich mag den Einzelgänger und seine freche Art sehr. Er ist das komplette Gegenteil von Wilson, dem einzigen Faultier im Green Lane Zoo und meinem anderen Liebling.

„Entschuldige Santiago, heute habe ich es eilig. Keine Zeit für ein Schwätzchen.“ Ich winke dem stolzen Kerlchen noch mal zu und ernte ein paar verwunderte Blicke von den Zoobesuchern, die am Zaun der Riesenotter stehen. Manche von ihnen halten mich höchstwahrscheinlich für nicht zurechnungsfähig. Aber ich habe aufgehört mich zu erklären oder darauf hinzuweisen, dass alle unsere Zootiere Namen haben und ich mit ihnen spreche. Sollen die Leute von mir denken was sie wollen.

Auf zu den Affen, Kortney. Mike wartet sicher schon auf neue Ware.

Meine Gummistiefel geben ein schmatzendes Geräusch von sich. Die hässlichen grünen Dinger, die mir vom Zoo zur Verfügung gestellt werden, ziehe ich an, sobald ich das Restaurant und die Küche verlasse. Sie sind eine modische Katastrophe, verursachen Blasen und machen beim Gehen Pupsgeräusche, weil sie mir dummerweise eine Nummer zu groß sind. Aber jedes andere Schuhwerk wäre unpraktisch, da ich teilweise über die unbefestigten und ständig schlammigen Wege gehe, die ausschließlich dem Zoopersonal vorbehalten sind.

Ohne diese Abkürzungen wäre ich mit der Auslieferung der Backwaren mehrere Stunden beschäftigt.

Santiago ruft mir etwas hinterher und übertönt damit das Schmatzen meiner Gummistiefel.

Mein kleiner Freund ruft nicht wirklich … es ist mehr ein Murren, das in einem Pfeifen endet. Und ob es wirklich mir gilt, ist fraglich. Aber ich bilde es mir gerne ein.

Santiago und ich, wir verstehen uns eben. Wer braucht schon Männer, die einem hinterherpfeifen, wenn das ein charmanter Riesenotter aus Argentinien viel besser kann?

Mike faltet die Hände und blickt gen Himmel, als er mich mit dem unhandlichen Handkarren, der einem übergroßen Kinderwagen ähnelt, auf seinen Verkaufsstand zukommen sieht. Anscheinend sind ihm bereits einige Leckereien ausgegangen. Aufgebracht und offensichtlich stark unterzuckert funkelt er mich an.

„Kortney! Ich habe dich schon vor einer Stunde erwartet“, wirft er mir vor, kaum dass ich die geöffnete Hintertür erreicht habe.

„Entschuldige. Erst hat mich ein schlechtgelaunter Dontell aufgehalten und danach gab es Probleme mit dem Ofen. Die letzte Ladung Kekse musste ich neu backen.“ Dass der Ausrutscher auf mein Konto geht, weil ich die Backzeit überschritten hatte, braucht Mike nicht zu wissen.

„Lass mich raten …“, mein Kollege öffnet die obere Klappe des Hauptfaches und fängt an, die Wild Animal Cookies auszuladen und auf Bleche zu packen. Genau wie ich trägt er das grüne Shirt mit dem Logo des Zoos und die hässlichen Gummistiefel. „Du wurdest von unserem lieben Direktor in die grandiose Idee mit dem Mikrowellenpudding eingeweiht.“

„Stimmt.“ Ich hole die Marshmallow-Cake-Pops aus dem Seitenfach. „Was hältst du von der Idee?“, frage ich, obwohl ich mir seiner Antwort sicher bin.

Mike liebt meine Kekse, vor allem die mit dunkler Schokolade. Das Leckermaul bedient sich des Öfteren an dem Keksbruch, den wir nicht mehr in den Verkauf geben können und den ich extra für ihn zurücklege. An manchen Tagen haben wir ziemlich viel Bruch. Dann sieht unser Mike besonders zufrieden aus.

„Nichts. Ich halte gar nichts von dem pampigen Fertigzeug.“ Er stoppt in der Bewegung als wäre ihm gerade ein Gedanke gekommen. „Obwohl … vielleicht hat es doch etwas Gutes. Wenn wir auf Mikrowellenpudding im Pappbecher umstellen, kann ich endlich ein paar Kilo abnehmen.“ Der gute Mike grinst und reibt sich über das Bäuchlein, das seinem sportlichen Körperbau das gewisse Etwas verleiht. „Hast du heute wieder Ausschuss für mich dabei?“ In der Frage liegt ein deutliches Flehen.

„Natürlich“, antworte ich und erwidere sein Grinsen. „Diesmal sind ziemlich viele dunkle Kekse beim Formen zerbrochen.“

„Na ja … sobald Schokolade aushärtet wird sie fest und lässt sich nicht mehr biegen. Das ist ein unwiderlegbarer Fakt“, werde ich mit einem Zwinkern aufgeklärt.

„Einer, für den du mir tagtäglich mehr dankst.“ Ich lache laut und schließe das Seitenfach. „Gib es ruhig zu! Meine Kekse haben dich süchtig gemacht.“

„Du bist ja auch mit einem großen Talent gesegnet, Mädchen. Leider sagen dir das viel zu wenige. Ich kenne keine besseren Kekse als deine. Und das will bei meiner Erfahrung als Schleckermaul schon etwas heißen.

„Danke.“ Hastig wende ich mich ab und sehe zu Boden. Mein Kollege, der gut zehn Jahre älter ist als ich, braucht mein rotes Gesicht nicht zu sehen. Dass er mich so offen anhimmelt ist peinlich genug. „Ich muss los, sonst beschweren sich bald noch mehr Leute.“

„Die sollen sich ruhig aufregen. Schick unsere lieben Mitarbeiter zu mir, wenn sie dir blöd kommen. Dann regele ich das für dich.“ Gespielt lässt er die Fäuste schwingen.

Offensichtlich hat Mike vergessen, dass er vor wenigen Minuten selbst ungeduldig und missgestimmt auf mich gewartet hat.

„Etwas Derartiges wird nicht nötig sein.“ Bevor meine Gesichtsfarbe sich ins Unendliche steigert, reiße ich mich los. „Ruf mich in der Restaurantküche an, solltest du im Laufe des Tages noch mal Nachschub benötigen.“

Schleunigst schnappe ich mir meinen Wagen und marschiere mit quietschenden Stiefeln los.

Ich wähle den Weg, der am zukünftigen Elefantenhaus vorbeiführt und gehe davon aus, dass sich dort weniger Menschen aufhalten, was mir das Durchkommen mit dem sperrigen Handkarren enorm erleichtern würde. Dieser Bereich des Zoos wird ausgebaut und verschönert, weswegen einige Gehege und Wege vorübergehend für die Öffentlichkeit gesperrt sind.

Gerade weil hier der Durchgang verboten ist, wundert es mich, dass ein einsamer Zoobesucher auf einer Bank in der Sonne chillt und den Sonntag gut sein lässt. Er hat den Kopf in den Nacken gelegt und das Gesicht dem Himmel zugewendet. Ist er über eine der hölzernen Blockarden geklettert? Hat er nach einem stillen Ort zum Ausspannen gesucht?

Selbst wenn, er kann doch nicht einfach in den abgesperrten Bereich gehen! Eine Unverschämtheit!

„Haben Sie die Schilder nicht gesehen?“, frage ich den Mann ohne eine Begrüßung und ziehe die Bremse an meinem Handwagen. Das Gespräch mit dem Zoodirektor hat dafür gesorgt, dass meine Lunte heute besonders kurz ist. „Es ist verboten, sich in dem abgesperrten Bereich aufzuhalten.“ Mein Tonfall ist angriffslustiger als angebracht. Der ungebetene Besucher, der sicher auf die fünfzig zugeht, sieht gutbetucht und ein wenig versnobt aus.

Wie passend … ein Angeber, der nicht ohne Anzug das Haus verlässt. Nicht mal an seinem freien Tag. Warum bin ich heute so anmaßend und kritisch?

„Wenn es verboten ist, sich hier aufzuhalten, warum sind Sie dann hier?“, erwidert er mit einem Lächeln und legt das rechte Fußgelenk auf sein linkes Knie. Der Gelassene trägt eine dunkle Hose und italienische Slipper, die teuer aussehen und voller Matsch sind. Den Schlamm verzeiht das weiche Leder sicher nicht. Es scheint Mr Oberschlau nicht zu interessieren, dass seine Schuhe ruiniert sind und die Hose Flecken bekommen hat.

Ihn weiter musternd, hebe ich den Ausweis hoch, der an einem Band um meinen Hals hängt. „Ich bin eine Angestellte des Zoos und darf mich hier aufhalten.“ Mit einem auffordernden Blick nähere ich mich der Bank. „Sie hingegen nicht!“ Anscheinend braucht der Gaffer eine deutlichere Anweisung. „Bitte verlassen Sie umgehend den Bereich und gehen Sie in den nicht abgesperrten, der unseren Besuchern vorbehalten ist.“ Meine Worte unterstütze ich mit einer deutlichen Hopp-hopp-Geste.

Verdammt Kortney! Fahr mal runter. Ein bisschen höflicher hättest du dich schon ausdrücken können.

„Nein.“ Der Hartnäckige sieht geradeaus zur Baustelle, auf der bis Anfang nächsten Jahres ein neues Elefantenhaus entstehen soll.

Ist er verrückt? Gibt er mir Widerworte? Fordert er mich heraus? Für einen Moment bin ich verwirrt.

„Nein? Einfach nein? Haben Sie nicht verstanden, was ich gesagt habe?“, frage ich nach und bemühe mich, langsam und verständlich zu sprechen. „Sie müssen verschwinden. Gehen Sie! Sofort!“ Wieder winke ich mit der Hand und versuche ihn so zum Aufstehen zu bewegen. Sollte er sich weiterhin weigern, habe ich ein ernstes Problem. Da der Zoo nicht über Sicherheitspersonal verfügt, müsste ich einen starken Tierpfleger zur Hilfe rufen. Besser zwei.

„Die Bank gehört mir und ich darf hier sitzen, wann immer ich es möchte“, bekomme ich eine Abfuhr in unangemessenem Tonfall.

Never ever.

Den Unsinn kann er seiner Oma erzählen. Da möchte jemand Ärger machen – eindeutig.

„Diese Bank …“, ich deute, in der Hoffnung, dass der Mann endlich versteht, auf die goldene Plakette, die an der Rückenlehne angebracht ist und auf der der Name des Sponsors steht, „… wurde von der Baufirma, die hier tätig ist, aufgestellt. Jackson M. Vandas ist der Held, der unserem Zoo zu neuem Ruhm verhelfen wird.“ Meine Worte scheinen dem Eigenwilligen nicht zu gefallen, denn er verzieht das Gesicht, als würde ich den größten Schwachsinn überhaupt erzählen.

„Glauben Sie das wirklich?“ Seine Stirn kräuselt sich und ich nehme ein winziges Kopfschütteln wahr.

Ich zucke mit den Schultern. „Hier entsteht ein spektakuläres Außengelände. Ein Elefantenhaus, das den neusten Standards entspricht, und so in keinem anderen Zoo auf der Welt zu finden sein wird“, erkläre ich mit Stolz, als wäre ich persönlich dafür verantwortlich.

„Wo sind die Elefanten jetzt?“

„In ihrem Gehege natürlich.“ Den Dummkopf verkneife ich mir. „Sobald der neue Komplex fertiggestellt ist, werden sie umgesiedelt.“ Warum erzähle ich dem Mann das? Er soll endlich verschwinden und keine Reden schwingen. Ist das eine Masche, um Zeit zu schinden? „Würden Sie bitte jetzt gehen?“ Ein Seufzen kann ich nicht zurückhalten. Für solche langatmigen Diskussionen habe ich keine Nerven. Meine Backwaren müssen verteilt werden!

„Nein, ich denke nicht.“ Er wendet sich ab und blickt zur Baustelle. „Ich bin noch nicht fertig.“

Zur Hölle!

Möchte er mich zum Explodieren bringen?

„Womit sind Sie noch nicht fertig?“, frage ich und versuche, Ruhe zu bewahren. „Haben Sie mich nicht verstanden?“ Mit gehobenem Kinn baue ich mich vor dem Mann auf. „Die einzigen Personen, die sich hier aufhalten dürfen, sind die Bauleute, die sonntags frei haben, oder Jackson M. Vandas, der diese hübsche Sitzgelegenheit hat aufstellen lassen, damit er auf bequeme Art und Weise, den Fortschritt des Projektes überwachen kann.“

Mein Gegenüber grinst und … einen Wimpernschlag später … fällt es mir wie Schuppen von den Augen.

Ach du heilige Elefantenkacke. Das ist … Nein, bitte nicht. Boden tu dich auf, damit ich mich hinabstürzen kann!

Wie überaus dumm von mir. Warum habe ich nicht nachgedacht, bevor ich die Klappe aufgerissen habe? Warum habe ich mich reizen lassen? Sonst reagiere ich viel gelassener.

Kortney, das hast du verbockt. Aber so was von.

„Darf ich mich vorstellen?“, sagt der Mann, an dem ich meine Laune ausgelassen habe, und lächelt ekelhaft zufrieden. „Mein Name ist Jackson M. Vandas.“ Eine Hand streckt sich mir entgegen. „Und ich habe dem Green Lane Zoo eine Million Dollar für ein neues Elefantenhaus gespendet.“

#2

Jackson

Der sonderbare kleine Feldwebel mit den übergroßen Gummistiefeln nimmt meine dargebotene Hand, drückt sie und weicht im nächsten Moment meinem Blick aus. „Möchten Sie einen Keks?“

Bitte?

Nur mit Mühe kann ich ein Lachen unterdrücken.

Kaum hat sie die Frage ausgesprochen, lässt sie meine Finger los als hätte sie sich verbrannt, und geht zu dem merkwürdig aussehenden Karren, um den Deckel aufzuklappen.

„Unsere hausgemachten Cookies sind sehr beliebt. Mögen … mögen Sie dunkle Schokolade?“

Ich weiß nicht recht, was ich von dem Gestammel halten soll. Die Frau, die sich, anders als ich, nicht vorgestellt hat, ist gerade mal halb so alt wie ich. Zumindest wirkt sie mit ihrem ungeschminkten Gesicht und den dunklen Haaren, die nur locker zu einem unordentlichen Pferdeschwanz gebunden sind, so. Die Mehlspur in ihrem Gesicht, verleiht ihr zusätzlich etwas Mädchenhaftes. Hat sie mit einer Schar Kinder gebacken, bevor sie mit ihrem Wägelchen und den zu großen Gummistiefeln losgestapft ist? Am Eingang habe ich auf einem Plakat gelesen, dass auf Wunsch Kindergeburtstage im Zoo gefeiert werden können. Allzu weit hergeholt ist meine Vermutung also nicht. Unter Umständen kommt sie gerade von einer solchen Geburtstagsparty.

„Möchten Sie?“ Ein brauner Schokoladenkeks, der wie ein deformiertes Nashorn mit Stirnfalte aussieht, taucht vor meinen Augen auf. Unverzüglich weiche ich so weit zurück, wie die Rückenlehne der Bank es zulässt. Zugegeben, er riecht nicht schlecht, aber …

„Nein, danke.“ Zur Sicherheit hebe ich die Hand und schüttele den Kopf.

Die Frau scheint enttäuscht. „Möchten Sie lieber einen Cake-Pop? Die sind kleiner und nicht so mächtig. Für den kleinen Hunger ideal.“

Das merkwürdige Nashorn verschwindet und ein weißer Minikuchen am Stil taucht auf. Intensiver Mandelgeruch vermischt mit einem Hauch Zitrone steigt mir in die Nase.

„Nein, danke“, wiederhole ich deutlicher. „Leere Kalorien sind nichts für mich.“ Ich klinge unhöflicher als beabsichtigt. „Entschuldigen Sie“, fahre ich freundlicher fort. „Mein Hunger ist nicht sonderlich groß, außerdem würde ich lieber ihren Namen erfahren, als mit Zucker bestochen zu werden.“ Ein herausforderndes Zwinkern kann ich nicht zurückhalten.

Die eben noch herrische Zooangestellte schnappt nach Luft. „Warum wollen Sie meinen Namen wissen?“ Der Kuchen am Stil verschwindet dahin, wo er hergekommen ist.

Täusche ich mich oder wird sie plötzlich blass um die Nase herum? Hat sie Angst, dass ich mich über sie bei der Leitung des Zoos beschweren könnte? „Sie kennen meinen Namen, deshalb möchte ich wissen, wer vor mir steht. Ist das so schwer zu verstehen?“ Wo ist nur die allseits bekannte Höflichkeit geblieben? Für junge Leute scheint sie nicht mehr selbstverständlich zu sein.

„Nein, entschuldigen Sie, Mr Vandas, das ist nicht schwer zu verstehen.“ Ein Seufzen, das sie ihrer Miene nach zu urteilen lieber vor mir versteckt hätte, entschlüpft ihr. „Mein Name ist Kortney Starr.“ Ihr Blick wandert zu der pinkfarbenen Plastikuhr an ihrem Handgelenk. „Leider habe ich es schrecklich eilig. Da Sie keine meiner Köstlichkeiten möchten und ich Ihnen auch sonst nicht behilflich sein kann, würde ich gerne weitergehen.“

Echt? Plötzlich hat sie es eilig? Gerade wollte sie sich noch mit mir anlegen und mich von meinem neuen Lieblingsplatz, der eine wunderbare Ruhe ausstrahlt, verscheuchen, und jetzt kann sie nicht schnell genug weiterkommen. Sie muss wirklich Angst oder zumindest Respekt vor mir und meiner Stellung haben.

„Lassen Sie mir bitte ein paar ihrer Cookies hier“, weise ich sie an. „Haben Sie eine Tüte? Ich würde sie mir gerne für später aufheben.“ Auch wenn ich mich bemühe auf schlechte Kohlenhydrate zu verzichten, kann ich nicht leugnen, dass der Geruch überaus verlockend war. Ich liebe Mandeln.

„Natürlich, Mr Vandas.“ Eilig packt Kortney einige Leckereien in eine pink und weiß gestreifte Papiertüte und reicht sie mir. „Guten Appetit.“

Bevor ich mich bedanken kann, ist das zierliche Persönchen losgezogen. Und das, obwohl der Handkarren aussieht als wöge er eine Tonne.

Gerade als ich beschließe den Inhalt der Tüte zu inspizieren, fängt mein Handy in der Hosentasche an zu vibrieren. Vorbei ist die Ruhe, die diesem von der Öffentlichkeit abgeschiedenen Ort anhaftet. Kurz überlege ich den Anruf zu ignorieren, entscheide mich aber dagegen. Sicher ist es Andrew, der Chef meiner PR-Abteilung und außerdem mein bester Freund. Er weiß wie sehr ich meine sonntägliche Auszeit genieße. Niemals würde er mich mit unwichtigem Kram belästigen, wenn es nicht absolut nötig wäre. Sein Anruf wird einen Grund haben.

Frustriert lege ich die Tüte neben mich auf die Bank und fische nach dem vibrierenden Ding in meiner Hosentasche.

Wie ich vermutet habe, ist es Andrew. „Was gibt es?“, frage ich und stoße einen Seufzer aus.

„Genau. Die Welt ist zum Stöhnen“, kommt die Antwort im leidlichen und sehr vertrauten Tonfall.

„Ich habe nicht gestöhnt, nur lange ausgeatmet. Was willst du? Heute ist Sonntag, mein freier Tag.“ Am liebsten würde ich noch mal Seufzen. Mir ist danach.

„Und wenn schon, der Wochentag hat dich bisher nie interessiert, wenn es um wichtige Neuigkeiten die Arbeit betreffend ging.“

„Was willst du?“, wiederhole ich meine Frage mürrisch. Ein leichter Mandelgeruch steigt mir in die Nase und ich sehe sehnsüchtig auf die Tüte, deren Inhalt ich noch nicht näher in Augenschein genommen habe. Daran bin ich viel mehr interessiert, als ich vor dieser befehlshaberischen Kortney zugeben wollte.

„Es gibt neue schlechte Presse“, lässt Andrew die Katze aus dem Sack.

Mist!Womit habe ich das verdient?

Ich nehme mein Fußgelenk vom Knie, beuge mich vor und starre auf den matschigen Boden zwischen meinen Schuhen. Meine Realität ist diesem Dreck, von dem ich umgeben bin, recht ähnlich. Der Name Vandas wird durch den Schmutz gezogen und ich habe keine hübsche Bank mit goldener Plakette, auf die ich mich retten kann. Vielleicht sitze ich deshalb so gern hier und starre auf die Baustelle. Früher bin ich nie in den Zoo gegangen. Tiere, egal ob Haustier oder Wildtier, haben mich nie interessiert. Als Kind haben mich nur Baufahrzeuge und Lastwagen in den Bann gezogen. Ihre schiere Größe und Kraft haben mich überwältigt. Mit zehn durfte ich bei einem Vater meines Freundes zum ersten Mal einen Minibagger bedienen und beim Anlegen eines Gartenteiches helfen. Da war’s dann völlig um mich geschehen.

Seitdem bestimmen diese Maschinen, mit denen sich so viel Schönes bauen lässt, mein Leben.

„Bist du noch dran?“

„Ja“, antworte ich und höre auf, über Vergangenes nachzudenken. „Erzähl mir was neues Schreckliches passiert ist. Wo brennt es diesmal?“

„Leider ist dein Image als angesehener Bauunternehmer angeknackster als ich – als wir – vermutet haben. Selbst mit der Spende für den Zoo wird es schwer, das verlorengegangene Vertrauen der Auftraggeber zurückzugewinnen.“

„Geht es immer noch um das desaströse Projekt?“ Verärgert reibe ich mir über die Stirn. „Ich dachte, Nachrichten sind kurzlebig und verblassen schnell. Warum ist dieses verdammte Projekt nach Monaten immer noch Thema Nummer eins?“ Obwohl meine Schuhe nicht wasserdicht sind stehe ich auf und fange an herumzulaufen. Den Matsch ignoriere ich.

„Solltest du mit desaströsem Projekt das Footballstadion mit seinen fehlerhaften Schweißnähten meinen, dann ja. Für Mängel an der Stahlverarbeitung lassen sich nur schwer Ausreden finden.“

„Die Tatsache ist mir bewusst. Die Zulieferer und die verschiedenen Prüfinstanzen sind schuld an der Misere mit dem Stahl. Nicht Vandas Construction.“

Andrew schnauft und ich erkenne Missbilligung. „Ich weiß das und du weißt das. Aber die Presse sieht nur die schlechte Ausführung, die unqualifizierten Arbeitskräfte und die miese Organisation. Von den zusätzlichen Kosten, die für die Beseitigung der Mängel ausgegeben werden mussten, ganz zu schweigen.“

„Vandas Construction – Projektentwicklung und Baukonzern gehört zu den führenden Unternehmen im Bauwesen. Wir sind die Besten unseres Fachs und haben solche Schlagzeilen nicht verdient.“

„Das ist richtig. Wir gehören zu den Besten und gerade deshalb fehlt den Auftraggebern momentan das Vertrauen in eine aussichtsreiche Projektführung.“

„Die Subunternehmer tragen einen großen Teil der Schuld“, rechtfertige ich die Misere, in der nicht nur ich, sondern die ganze Firma steckt.

„Jack, jetzt machst du es dir zu einfach, einen Schuldigen zu finden.“ Andrew spricht natürlich das aus, was ich nicht hören will. Dafür hat er stets ein besonderes Händchen.

Diese Unterhaltung haben wir bereits zu oft geführt.

„Was gibt es noch?“ Da ist sicherlich mehr. Ich spüre es im kleinen Finger. „Weswegen rufst du wirklich an? Was gibt es Neues in der Berichterstattung um Jackson M. Vandas? Schlagzeilen zu alten Fakten sind es sicher nicht. Da ist mehr als ein paar Schweißnähte, die schon vor Monaten ausgebessert wurden.“ Ich schlucke und spüre Übelkeit aufsteigen. „Bitte sag nicht, dass es weitere Probleme mit dem Footballstadion gibt.“

Andrew räuspert sich. „Nein. Keine Probleme mit dem Stadion. Dafür wird dein Hang zu schönen und jungen Frauen seit heute in den Schlagzeilen breitgetreten. Einige zweideutige Fotos haben vor wenigen Stunden einen Shitstorm in den sozialen Medien ausgelöst. Du hast dich ein paar Mal zu oft mit einer Dame vom Escort Service in den Clubs herumgetrieben. Dein guter Ruf ist diesmal ernsthaft in Gefahr.“

„Bullshit!“ Empört schnappe ich nach Luft und spüre, wie mein Blutdruck nach oben schießt. „Mit wem ich meine Freizeit verbringe, geht niemanden etwas an. Manchmal habe ich das Gefühl, das Leben besteht nur aus Klatsch und Tratsch.“

Verdammte Paparazzi!

„Da gebe ich dir recht. Aber der Umgang mit der Presse ist wichtig. Aktuell mehr denn je. Du hast das schlechte Licht noch nicht verlassen und schon kommen neue Gerüchte auf. Die Tatsache ist wenig förderlich. ‚Any promotion is good promotion‘ trifft nun mal nicht immer zu, mein Freund.“

Wut züngelt unkontrolliert in mir hoch. „Ich wusste nicht, dass Sonya-Sue für einen Escort Service arbeitet. Verdammt, ich habe dem Green Lane Zoo eine Million Dollar gespendet. Ich bin ein verdammter Heiliger. Was soll ich noch tun?“, frage ich und stapfe weiter über den unebenen Boden zur Bank zurück.

Kurz herrscht Stille in der Leitung.

„Zeig dich mit deiner Frau in der Öffentlichkeit. Gibt es nächstes Wochenende keine Gala, auf der ihr euch präsentieren könnt?“ Andrew gluckst vergnügt. „Macht einen auf ‚verliebtes Ehepaar‘. Ich informiere die Paparazzi – gebe ihnen einen Tipp.“

Mit einem erneuten Stirnreiben lasse ich mich auf die Bank fallen. Ein deutliches Nein liegt mir auf der Zunge. „Das ist dein Rat? Ich soll mit Shalita eine Gala besuchen?“ Ein Blick auf meine Schuhe verrät mir, dass sie ruiniert sind.

„Ja. Eine Spendengala wäre ideal. Da kannst du gleich noch ein paar Scheinchen abdrücken und den Wohltäter spielen. Hilfsbereitschaft wird stets bewundert.“

„Andrew …“

„Nicht Andrew!“, fährt mein Freund und Berater mich an. „Denk zumindest über meinen Vorschlag nach. Irgendwas muss geschehen. Und zwar bald! Solltest du der Medienmeute kein Futter geben, suchen sie sich selbst etwas, das ihnen schmeckt.“

Der Mistkerl hat recht. Ich sitze in der Klemme. „Okay“, antworte ich mit Widerwillen.

„Mir wäre es lieber, wir locken das Monster mit leichter Schonkost weg, als dass es uns mit Haut und Haaren verschlingt, bis von uns nur noch ein paar poröse Knochen übrig sind.“ Andrew lacht wenig mitfühlend.

„Ich habe verstanden“, grummele ich und bin schon in Gedanken dabei, meine Frau zu einer Gala zu schleppen. Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen.

Teufel auch!

Shalita wird von der Idee mindestens so begeistert sein wie ich.

#3

Kortney

Der Mikrowellenpudding könnte den wunderbaren Namen Dotties Schlammgrube bekommen, schießt es mir auf meinem Rundgang zu den Außenständen durch den Kopf. Nachdem Mr. Dontell gestern mit dem Vorschlag um die Ecke kam, der, gelinde gesagt, meine Laune auf null hat sinken lassen, denke ich jetzt doch über kreative Bezeichnungen dafür nach.

Unser afrikanisches Flusspferd heißt Dotty und der Tümpel, in dem sie hockt und den Besuchern ihren Hintern zeigt, ist einer Schlammgrube sehr ähnlich. Er hat die gleiche Farbe und Konsistenz wie Schokotassenpudding. Ungewollt muss ich schmunzeln. Mr Dontell könnte die Pappbecher sogar mit einem lustigen Nilpferd bedrucken lassen. Natürlich nur, wenn die zusätzlichen Kosten es zulassen.

Bravo Kortney. So geht kreative Namensfindung. Der Zoodirektor wird begeistert sein.

Mich schüttelt es. Allein der Gedanke an die breiige und lauwarme Masse dieses Puddings lässt mich an Gruselrezepte zu Halloween denken.

Dotties Schlammgrube – Der schaurig-schöne Genuss, so könnten wir es verkaufen. Das Wort lecker sparen wir im Titel absichtlich aus. Unter Umständen erwarten die Käufer bei dem Namen gar kein Geschmackserlebnis. Zumindest kein positives.

Die leicht morbide Idee gefällt mir immer besser.

Hoffentlich nimmt die „dicke Dotty“, wie die Nilpferddame von ihrer Tierpflegerin liebevoll genannt wird, mir meinen Einfall nicht übel. Den Erzählungen zufolge soll sie extrem sensibel sein.

Als ich mit meinem Handwagen, der montags nur mäßig gefüllt ist, an der privaten Bank von Jackson M. Vandas vorbeikomme, sehe ich etwas pink und weiß Gestreiftes auf dem Boden davor liegen.

Entsetzt schnappe ich nach Luft. Das ist … meine Tüte mit dem Backwerk, die ich ihm gestern dagelassen habe und die jetzt aufgequollen im Matsch liegt. Gänzlich aufgeweicht – und noch randvoll mit Köstlichkeiten.

Wie eingebildet muss ein Mensch sein, um Waren im Wert von zwanzig Dollar einfach liegen zu lassen?

Eingebildet nicht, Kortney. Nur reich und versnobt. Er hat die Sachen sowieso nicht haben wollen und nur genommen, weil sie ihm als Spender von einer Millionen Dollar zustehen. Seine oberschlaue Bemerkung über leere Kalorien sollte dir Beweis genug sein. Der Kerl verabscheut Zucker.

Eingebildeter Schnösel.

Wütend und mit dem festen Vorsatz, zukünftig einen Bogen um die Bank zu machen, hebe ich die aufgeweichte Papiertüte auf und lege sie unten in den Handkarren. Bei nächster Gelegenheit werde ich sie in der Mülltonne entsorgen.

Sollte Mr Vandas bei einem erneuten Aufeinandertreffen Kekse von mir haben wollen, wird er dafür bezahlen müssen. So wie jeder andere Zoobesucher auch. Es ist natürlich keine Garantie dafür, dass er sich in dem Fall zu benehmen weiß, aber zumindest ein kleiner Trost, ihm etwas Geld für die ständig leere Zoo-Kasse aus der Tasche gelockt zu haben.

Da ich Zeit habe und es im Zoo montagnachmittags eher ruhig zugeht, mache ich einen Schlenker zum Chinesischen Garten. Hier wird in zwölf Wochen, am 15. November, das Christmas Paradise eröffnet. Darauf freue ich mich schon jetzt. Der weihnachtliche Lichterglanz ist ein riesen Spektakel im Green Lane Zoo und wird bis Mitte Januar zusätzlich Geld in die Kassen spielen. Zu keiner Zeit ist das Zoorestaurant so gut besucht, wie zur Christmas ParadiseTime. Außerdem sind dieses Jahr einige Neuerungen geplant, die für gehörig Aufsehen sorgen werden. Es wird eine ausgefallene Lasershow und zu Neujahr eine besondere Festlichkeit geben, auf der, neben einigen Prominenten, auch der Bürgermeister erwartet wird.

Vor dem Eingang zum Chinesischen Garten lasse ich meinen Handwagen stehen und gehe den schmalen Pfad aus geschwungenen Steinplatten bis zur Mitte des Pavillons. Die Person die ich suche, dürfte nicht allzu weit von der nach vorn geöffneten Terrasse des achteckigen Aussichtshäuschens, das momentan als Lagerraum dient, entfernt sein.

Volltreffer! Meine Vermutung war die richtige.

Den Kopf hinter einem offenstehenden Aluminiumkoffer versteckt, hockt Benton auf dem Boden und scheint nach etwas in der Kiste, die so groß wie ein Sarg ist, zu suchen. Ein aufgerolltes Verlängerungskabel hängt über seiner Schulter und unter dem Arm steckt etwas, dass nach einer Steckdose mit mindestens zehn Anschlussstellen aussieht.

„Hallo Mr Starr“, begrüße ich meinen Bruder, der sich prompt die Stirn am Kofferdeckel stößt.

„Aua!“ Ein Schnaufen schallt aus dem Blechsarg. „Kortney! Verdammt! Musst du mich so erschrecken?“

Weil kleine Schwestern berechtigt sind zu kichern und sich über große Brüder lustig zu machen, tue ich das. Sogar mit Genugtuung.

„Entschuldige“, sage ich wenig mitfühlend und unterdrücke die Belustigung. Mein Bruder lässt keine Gelegenheit aus mich zu necken, weshalb ich augenblicklich wenig Reue für seine pochende Schädeldecke empfinde. Er hat mich früher so oft an den Zöpfen gezogen, dass ich mich mein Leben lang über ihn lustig machen könnte, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Benton Starr ist Elektrotechniker und für die Lichteffekte im Christmas Paradise zuständig. Ohne ihn und seine fünf Mitarbeiter, sowie die zweitausend Glühbirnen, würde der Garten dunkel bleiben und der heißbegehrte Lichterglanz zur Weihnachtszeit ausfallen.

Unter Umständen sind es auch zweihunderttausend und nicht zweitausend Glühbirnen. Wenn mein Bruder anfängt über die Arbeit und irgendwelche Watt und Volt zu schwadronieren, schaltet mein Hirn sich ab. Hauptsache am Ende leuchtet alles hell, farbenfroh und sehr festlich. Wie es am Ende dazu gekommen ist und wie viel Arbeit in der eindrucksvollen Pracht steckt, ist mir und allen anderen Besuchern ziemlich egal.

„Bringst du mir etwas zu essen?“, fragt Benton und richtet sich zu voller Größe auf. Anders als ich, hat mein Bruder die Gene unseres Vaters abbekommen. Er misst ein Meter fünfundneunzig, hat breite Schultern und die Muskeln, die zu einem Handwerker, der körperliche Arbeit nicht scheut, gehören. Dass er nicht viel vom Rasieren hält und sich nur alle paar Tage um das Unkraut in seinem Gesicht kümmert, verleiht ihm zusätzlich etwas Verwegenes. Die Frauen in seinem Umfeld scheinen diesen Look zu mögen. Wie Hühner laufen sie ihm in Scharen hinterher.

Benton tippt mir an die Stirn. „Hallo, Kleine? Ich habe dich etwas gefragt. Träumst du mit offenen Augen oder muss ich mir Sorgen machen?“