Küsse nie einen Vampir - Dana Kilborne - E-Book
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Küsse nie einen Vampir E-Book

DANA KILBORNE

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Beschreibung

Die Vampire kommen!
Der Film eines unheimlichen Mannes scheint die Rettung für das kleine Dorfkino von Colleens Großvater zu sein. Seit der Streifen gezeigt wird, strömen die Jugendlichen scharenweise in die Vorstellungen. Aber irgendetwas stimmt nicht. Denn immer, wenn die Besucher das Kino wieder verlassen, benehmen sie sich wie Roboter: Sie reden nicht, lachen nicht, albern nicht herum – und scheinen nichts mehr wahrzunehmen. Eines Nachts begegnet Colleen dann im verlassenen Vorführraum einer bleichen Gestalt. Die eisgrauen Augen des gutaussehenden Fremden ziehen sie in den Bann, hypnotisieren sie. Wer ist der unheimliche Junge? Und was tut er hier? Noch ahnt Colleen nicht, dass es kein Mensch ist, der vor ihr steht, sondern ein Vampir. Sein Name ist Damian – und er ist auf der Jagd. Auf der Jagd nach frischem Blut ...

Neuauflage des Bestsellers "Vampiralarm" von Dana Kilborne – Spannung pur!

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Dana Kilborne

Küsse nie einen Vampir

 

Inhalt

 

Inhalt

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Epilog

Impressum

 

 

1.

 

„Kim? Kimberley Brown, bist du das etwa? Sieh mal einer an! Mir hast du immer erzählt, dass du Horrorfilme nicht ausstehen kannst. Was um alles in der Welt hat …“

Mit einem flehentlichen Blick versuchte Kimberley, ihre Freundin zum Schweigen zu bringen, doch es war zwecklos. Leslie war für subtile Hinweise jeglicher Art so gut wie taub, und so schaute sie dann auch ziemlich überrascht aus der Wäsche, als sie sah, in wessen Begleitung Kim sich befand. „Oh. Hi, Derek!“

Derek nickte Leslie knapp zu. „Hey.“

„Sag mal, hast du was dagegen, wenn ich dir Kim mal für zwei Sekunden entführe?“

Kimberley verdrehte die Augen und schwor sich, Leslie bei nächster Gelegenheit den Hals umzudrehen. Für den Moment begnügte sie sich jedoch mit einem eisigen Blick, den sie auf ihre Freundin abfeuerte.

Derek zuckte mit den Schultern, was Leslie als Zustimmung wertete. Sofort hakte sie sich bei Kim unter und zog sie mit sich. Etwas abseits der Menschentraube, die vor dem Kino auf Einlass wartete, blieb sie schließlich stehen. „Mensch, Kim, kneif mich! Träum ich oder hast du tatsächlich ein Date mit Derek Zemeckis?“ Ein breites Grinsen lag auf ihren Lippen. „Warum hast du mir denn nichts davon erzählt?“

„Weil ich so eine peinliche Situation wie diese hier vermeiden wollte“, entgegnete Kim säuerlich.

Leslie war beleidigt. „Na danke, jetzt bin ich dir also schon peinlich, was? Ich dachte, wir wären Freundinnen und hätten keine Geheimnisse voreinander.“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und wollte gehen.

„Jetzt warte doch!“ Kim stöhnte. „So hab ich das nicht gemeint. Sorry, wenn ich dich beleidigt habe. Ich bin nur so furchtbar …“ Hilflos hob sie die Schultern.

„Nervös?“, fragte Les, nun wieder grinsend.

Kim seufzte. „Ja, das trifft’s wohl. Vor allem natürlich wegen Derek, aber ein bisschen auch wegen dem Film …“

„Warum hast du ihm denn nicht gesagt, dass du Gruselfilme nicht leiden kannst?“

„Na, hör mal! Meinst du, ich will, dass er mich für einen Feigling hält?“

Les nickte verständnisvoll. „Mach dir mal keine Sorgen. Debbie hat den Film gestern Abend gesehen und war hin und weg vor Begeisterung. Und du weißt doch, was für ein Angsthase sie ist. So schlimm kann’s also nicht sein.“

„Danke.“ Kim lächelte. „Ich werd’s schon irgendwie packen. Zur Not mach ich halt die Augen zu, wenn’s mich zu sehr gruselt.“

„Und dann hast du ja auch noch Derek, an den du dich festklammern kannst, wenn du dich fürchtest.“

Gemeinsam kehrten sie zur Warteschlange zurück. Gerade noch rechtzeitig, bevor sich die Flügeltüren des altmodischen Kinos von Pinewood Creek öffneten.

„Was wollte deine Freundin?“, fragte Derek beiläufig.

Kim winkte ab. „Ach, war nicht so wichtig.“

Derek erkämpfte ein paar gute Plätze in der hintersten Reihe. Nicht, weil man von dort die beste Sicht hatte, sondern weil man so weit hinten ungestört knutschen konnte. Vor Aufregung klopfte Kim das Herz bis zum Hals. Eigentlich sollte ich glücklich sein, dachte sie. Wenn da doch bloß nicht dieser dämliche Gruselfilm wäre …

„Willst du Popcorn oder Cola?“, fragte Derek.

Hastig schüttelte sie den Kopf, obwohl ihre Kehle sich anfühlte wie ausgetrocknet. Aber die ersten Werbetrailer hatten gerade angefangen, und sie fürchtete, der Film könnte beginnen, bevor Derek wieder zurückgekehrt war.

„Du magst keine Horrorfilme, was?“

Kim schloss gequält die Augen. „Na ja, nicht besonders gern.“

„Das hättest du mir ruhig sagen können. Wir können auch woanders hingehen, wenn du möchtest.“

Für einen Augenblick fühlte sich Kimberley versucht, sein Angebot anzunehmen. Dann aber überlegte sie es sich doch anders. Sie war jetzt sechzehn Jahre alt, höchste Zeit also, sich ihren dummen Kleinkinderängsten zu stellen!

Dann war es endlich so weit. Die Beleuchtung ging aus, und mit einem Mal war es mucksmäuschenstill im Saal. Unruhig rutschte Kim auf ihrem Kinosessel hin und her. Ihre Nerven waren zum Zerreißen angespannt, dabei flimmerten doch gerade erst die Namen der Darsteller über die Leinwand!

Düstere, irgendwie bedrohlich klingende Musik drang aus den Lautsprechern über ihren Köpfen. Kim lief es eiskalt den Rücken herunter. Wie hatte sie sich bloß darauf einlassen können? Warum hatte sie Dereks Angebot, etwas anderes zu unternehmen, nicht angenommen?

Wie auch immer, jetzt war es zu spät, einen Rückzieher zu machen. Fahrig wischte sie sich eine Strähne ihres langen, honigblonden Haares aus der Stirn. Dann spürte sie, wie Derek seinen Arm um ihre Schulter legte, und entspannte sich ein wenig.

„Ist alles okay?“, flüsterte er besorgt.

Kimberley schluckte schwer, nickte aber. Sie sah zu ihm hinüber, und ihre Blicke trafen sich im Halbdunkeln. Es war wie ein elektrischer Schlag. Für einen Augenblick vergaß Kim das Grauen, das sie noch Sekunden zuvor erfüllt hatte. Ihr schien, als gäbe es nur noch Derek und sie auf der Welt. Und als sich ihre Lippen schließlich zu einem unendlichen sanften Kuss trafen, durchströmte sie ein überwältigendes Glücksgefühl.

Zufrieden lehnte sich Kim in dem weichen Kinosessel zurück. Derek mochte sie, daran gab es jetzt wohl keinen Zweifel mehr. Er hatte sie sogar geküsst! Verträumt schloss sie die Augen. Die Handlung des Filmes, der über die Leinwand flimmerte, konnte ihr mit einem Mal keinen Schrecken mehr einjagen. Ja, sie bekam im Grunde gar nichts mehr davon mit.

Erst ein schriller, unmenschlich klingender Schrei konnte sie wieder aus ihren süßen Träumen reißen. Irritiert kniff sie die Augen zusammen. Dereks Arm lag noch immer auf ihrer Schulter, doch etwas war falsch. Es dauerte einen Moment, ehe Kim begriff, was es war. Seine Hand, die sie gerade noch zärtlich gehalten hatte, krallte sich nun in ihren Oberarm. So fest, dass es fast schon schmerzte!

„Was ist los?“, fragte sie verwirrt. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

Doch Derek gab keine Antwort, und Kim erschrak, als sie seine Augen sah. Wie gebannt waren sie auf die Leinwand gerichtet, starr und weit aufgerissen. Kim spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Sie ahnte, dass die Antwort auf all ihre Fragen vorne auf der Leinwand zu finden war. Doch sie wagte nicht, ihren Blick dorthin zu wenden.

„Was ist denn los? So sag doch was!“ Ihre eigene Stimme klang schrill und unnatürlich in ihren Ohren. Unsanft schüttelte sie Derek, doch der schien das überhaupt nicht wahrzunehmen. Es kostete sie all ihre Kräfte, doch schließlich zwang Kimberley sich, ihren Blick nach vorne auf die Leinwand zu richten. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Nein, das konnte nicht sein, das war unmöglich! Unmöglich! Unmöglich …

Ein Schrei stieg in ihr auf, und als er schließlich aus ihr hervorbrach, schien irgendetwas in ihr für immer zu zerbrechen.

 

***

 

Gähnend fuhr sich Colleen Richardson über die schweren Lider. Sie fühlte sich müde wie nie zuvor in ihrem Leben, und trotzdem wollte es ihr nicht gelingen, auch nur ein Auge zuzubekommen. Wie hatten ihr die breiten Sitze des Greyhound Busses anfangs bloß bequem vorkommen können?

Doch das war jetzt bereits Stunden her. Stunden, in denen sie kaum einmal die Gelegenheit gehabt hatte, ihre steifen Glieder zu strecken. Sie machte sich schon langsam Sorgen, dass ihr Hintern von der ewigen Sitzerei am Ende ganz platt sein würde.

Colleen stöhnte, als der Bus durch ein Schlagloch fuhr, das sämtliche Passagiere mit einem markerschütternden Ruck aus den Sitzen hob. Schon wieder! Konnten die hier draußen in der Pampa denn keine anständigen Straßen bauen?

Pampa. Ja, das Wort traf es ziemlich genau. Meile um Meile fuhren sie durch diese öde Landschaft. Rechts und links der Straße war nichts zu sehen als Mais, Mais und noch mal Mais. Ein Feld reihte sich an das nächste, und Colleen hatte fast das Gefühl, in eine vollkommen andere Welt geschleudert worden zu sein. Vielleicht hatte der Bus ja irgendwo hinter der Grenze von Arizona einen Dimensionssprung vollführt, und sie bewegten sich jetzt durch eine Welt, in der die Maispflanze und nicht der Mensch die höchstentwickelte Lebensform war?

Blödsinn!, dachte Colleen und lächelte still über diesen absurden Gedanken. Dabei war dieser im Grunde gar nicht einmal ganz so abwegig. Für eine Fünfzehnjährige, die bisher in einer pulsierenden Metropole wie L. A. gelebt hatte, war die Aussicht, die nächsten zwölf Monate hier draußen in dieser Einöde zu verbringen tatsächlich wie ein Schritt in eine neue, völlig fremde Welt.

Zwölf Monate!

Allein der Gedanke daran ließ es Colleen eiskalt den Rücken hinunterrieseln. Missmutig lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. Schon jetzt vermisste sie ihre Freunde, ihre Familie – ja, sogar ihre Schule. Dabei war sie doch gerade einmal ein paar Stunden von zu Hause fort!

Ihre Gedanken wanderten zurück zu diesem verhängnisvollen Nachmittag vor drei Wochen. Mit ihrer besten Freundin Darlene war sie durch die piekfeinen Boutiquen von Beverly Hills gezogen. Nicht, dass sie es sich hätten leisten können, dort auch nur ein Haarband zu kaufen! Zwar waren ihre Eltern keineswegs arm, doch sie waren nun einmal felsenfest davon überzeugt, dass zu viel Taschengeld nur den Charakter verdarb. Colleen machte es nichts aus. Sie hatte auch so mit Darlene jede Menge Spaß. Meistens begnügten sie sich damit, so zu tun, als ob – und die Verkäuferinnen in den Boutiquen nahmen es ihnen ab, weil sie älter aussahen, als sie tatsächlich waren.

Doch an diesem Nachmittag war etwas anders gewesen.

„Schau mal!“, rief Darlene begeistert und deutete mit dem Finger aufgeregt auf einen silbernen Armreif im Schaufenster der Filiale eines bekannten und sündhaft teuren Modelabels. „Ist der nicht wunderschön? Meinst du, der steht mir?“

Colleen pfiff durch die Zähne. „Du spinnst ja. Hast du zufällig schon mal einen Blick auf das Preisschild geworfen?“

Doch auch davon ließ sich Darlene nicht abbringen. „Ist doch egal, was er kostet, ich möchte ihn mir ja bloß mal ansehen. Ach komm schon, sei kein Frosch!“

„Na, dann lass uns halt reingehen. Aber mach nicht so lange, hörst du?“

Gemeinsam betraten sie den Laden. Eine chic gekleidete, wasserstoffblonde Verkäuferin kam sogleich auf sie zugeeilt und fragte nach ihren Wünschen.

„Ich würde mir gern den Armreif aus dem Schaufenster näher ansehen“, erklärte Darlene gelassen. Eines musste man ihr lassen: Sie hatte es echt drauf, anderen etwas vorzuspielen. Wenn sie es drauf anlegte, konnte sie wahrscheinlich sogar einem waschechten Briten weismachen, dass sie die Queen von England war.

Ihr Charme zog auch diesmal. „Sie haben wirklich einen vorzüglichen Geschmack, Miss“, säuselte die Verkäuferin. „Das Stück ist ganz besonders exquisit.“

Colleen verdrehte die Augen. Sie hatte die Show ihrer Freundin schon zu oft miterlebt, um sie noch wirklich aufregend zu finden. „Entschuldigen Sie“, sprach sie die Blondine an. „Könnte ich bei Ihnen vielleicht kurz aufs Klo gehen?“

Missbilligend rümpfte die Verkäuferin ihr schmales Näschen, dann nickte sie. „Hinter den Umkleidekabinen gleich rechts.“

Colleen wandte sich an Darlene. „Ich lasse meinen Rucksack hier bei dir, okay?“

Colleen deutete das Schweigen ihrer Freundin als Zustimmung und machte sich auf den Weg zu den Waschräumen. Hinter ihrem Rücken hörte sie, wie Darlene und die blonde Verkäuferin aufgeregt miteinander debattierten. Was für ein Brimborium, dachte sie bei sich. Vor allem, da Darlene den Armreif ohnehin nicht würde kaufen können …

Als sie fünf Minuten später in den Verkaufsraum zurückkehrte, war nur noch Darleen zu sehen – die Verkäuferin hielt sich wohl gerade im angrenzenden Hinterzimmer auf. Auffordernd hielt sie ihr den Rucksack entgegen. „Komm, wir gehen“, sagte sie, nahm Colleen beim Arm und zog sie mit sich zur Tür der Boutique.

„Was ist denn los?“, wollte Colleen wissen. „Warum hast du’s denn plötzlich so eilig?“

Darlene antwortete nicht, doch gerade, als sie zur Eingangstür hinausgingen, schrillte plötzlich eine Alarmsirene los. Irritiert blickte Colleen sich um. Doch noch bevor sie begriff, was geschehen war, stürmte ihre Freundin auch schon los und zog sie einfach hinter sich her.

Sie waren bereits an der nächsten Straßenecke angelangt, als Colleen eine Frauenstimme rufen hörte: „Haltet die beiden Mädchen auf! Das sind Ladendiebinnen!“

Noch ehe Colleen sich versah, fand sie sich im unsanften Klammergriff eines älteren Mannes in Polizeiuniform wieder. „Stehen geblieben, junge Dame“, sagte er. „Lass mich doch mal einen Blick in deinen Rucksack werfen, ja?“

Verwirrt blickte sie sich um. Wo war Darlene geblieben? Sie schien plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Und was war hier überhaupt los? Wieso hatte die Verkäuferin aus der Boutique behauptet, sie hätten etwas gestohlen?

Doch als der Officer triumphierend einen silbernen Armreif aus ihrem Rucksack hervorzog, schwante Colleen, was geschehen war. Darlene!, dachte sie, wütend und verzweifelt zugleich. Was hast du getan? Ihre Freundin musste das Armband in ihrer Tasche versteckt haben, während sie auf der Toilette gewesen war. Ja, genau so musste es gewesen sein!

Ihr erster Impuls war es, Darlene zu verraten. Doch dann überlegte sie es sich anders. Sie war unheimlich enttäuscht von ihrer besten Freundin. Wie hatte sie ihr das nur antun können? Und doch konnte sie Darlene nicht einfach in die Pfanne hauen. Wahrscheinlich würde ihr ohnehin niemand glauben, dass sie von alldem nichts gewusst hatte. Und Darlenes Eltern waren, wie sie wusste, äußerst streng. Nicht auszudenken, was sie mit ihrer Tochter anstellten, wenn herauskam, dass sie neuerdings eine Karriere als Ladendiebin anstrebte!

So nahm Colleen schließlich alle Schuld auf sich. Was dann kam, war entsetzlich. Die Stunden auf dem Polizeirevier und die Befragungen waren nicht einmal das Schlimmste. Die Enttäuschung im Blick ihrer Eltern war es, die Colleen am meisten mitnahm. Doch niemals hätte sie damit gerechnet, was ihre Entscheidung, Darlene zu decken, noch für Konsequenzen nach sich ziehen sollte …

Ein paar Tage später teilten ihre Eltern ihr nämlich mit, dass sie sie für ein Jahr zu ihrem Großvater Jock Stevens nach Arizona schicken wollten. Um ihr die Flausen auszutreiben, wie sie es nannten. Colleen hingegen hatte eher das Gefühl, ins Exil geschickt zu werden. Ein Jahr in einem kleinen Kaff in Arizona – das war für eine Fünfzehnjährige, die in der Stadt aufgewachsen war, so gut wie lebenslänglich!

Sie hatte gefleht und gebettelt, gejammert und geheult, doch es hatte alles nichts gebracht. Ihre Eltern waren hart geblieben, und so befand sie sich jetzt auf dem Weg zu ihrem Großvater nach Jaspers Landing. Schon allein der Name ließ ahnen, dass sich hier Fuchs und Hase gute Nacht sagten.

Und Darlene? Die war vor ein paar Tagen reumütig zu ihr nach Hause gekommen. „Das habe ich nicht gewollt“, hatte sie gesagt. „Ich erkläre deinen Eltern, was wirklich geschehen ist, okay? Es tut mir so furchtbar leid! Ich weiß selbst nicht, was da in mich gefahren ist …“

Doch Colleen hatte den Kopf geschüttelt. „Mach dir um mich mal keine Sorgen, okay? Die zwölf Monate kriege ich schon rum. Kein Grund, dass du dich jetzt auch noch in Schwierigkeiten bringst. Hauptsache, du schreibst mir ab und zu …“

Das hatte Darlene ihr natürlich hoch und heilig versprochen, und so waren sich die beiden einig darin gewesen, bei der Version, die Colleen ihren Eltern aufgetischt hatte, zu bleiben.

Jetzt allerdings, wo sie wirklich im Bus auf dem Weg nach Jaspers Landing saß, war Colleen keineswegs mehr so sicher, dass das ein Jahr fernab der Zivilisation tatsächlich so rasch vorübergehen würde, wie sie ihrer Freundin gesagt hatte. Was, wenn sie sich mit ihrem Grandpa überhaupt nicht verstand? Sie kannte ihn ja eigentlich gar nicht, hatte ihn zuletzt auf der Feier zu ihrem sechsten Geburtstag gesehen.

Doch es brachte nichts, sich darüber jetzt noch Gedanken zu machen. Frustriert fuhr sich Colleen durch das lange, kupferfarbene Haar. Sie musste da jetzt durch, egal, wie sie es anstellte …

 

 

 

2.

 

„Entschuldigen Sie, aber wenn mich nicht alles täuscht, müssen Sie beim nächsten Stopp raus, junge Lady.“

Colleen blinzelte verwirrt. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass sie eingeschlafen sein musste. Ihr Sitznachbar, ein älterer Herr mit schlohweißem Haar und freundlich dreinblickenden Augen, musterte sie lächelnd. „Jaspers Landing, so war doch der Name der Ortschaft, zu der Sie wollen, nicht wahr?“

Colleen nickte, wischte sich hastig den Schlaf aus den Augen und schaute aus dem Fenster. Gerade passierten sie das Ortseingangsschild von Jaspers Landing. „Ja richtig, Mister. Vielen Dank!“

Sie schulterte ihren schweren Rucksack und trat auf den Gang. Ein paar Minuten später lenkte der Fahrer den Bus an den Straßenrand. Mit einem leisen Zischen glitten die Türhälften auseinander.

„Gute Fahrt noch“, rief sie ihrem Sitznachbarn zu, bevor sie die Trittstufen hinunter auf die staubige Straße sprang.

Gepäck hatte sie, außer ihrem Rucksack, keines dabei, da ihre Eltern ihr das Meiste bereits vorausgeschickt hatten. Und weil außer ihr niemand in Jaspers Landing aussteigen wollte, brauste der Bus einen Augenblick später auch schon wieder davon und verschwand in einer gewaltigen Staubwolke aus ihrem Blickfeld.

Seufzend sah sich Colleen um. Die Haltestelle des Greyhounds schien etwas außerhalb der eigentlichen Ortschaft zu liegen. Nach Häusern hielt sie jedenfalls vergeblich Ausschau. Auch hier schien es nur die ewig gleiche Aneinanderreihung von Maisfeldern zu geben.

Sie kniff die Augen zusammen. Hatte ihre Mom nicht gesagt, dass ihr Großvater sie abholen wollte? Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Nein, sie war nicht zu früh dran. Eigentlich war sie sogar ziemlich pünktlich. Doch Grandpa Jock war nirgendwo zu sehen.

Das fängt ja prächtig an!, dachte sie grimmig. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als an Ort und Stelle auf ihn zu warten. Sie wusste ja nicht einmal, in welcher Richtung der Ortskern von Jaspers Landing lag. Wenn sie jetzt auf eigene Faust losging, würde sie sich im Handumdrehen verlaufen.

Frustriert ließ sie sich auf einen umgestürzten Straßenbegrenzungsstein sinken und beschattete ihre Augen vor dem grellen Sonnenlicht. Wie aus weiter Ferne drang ein leises, irgendwie metallisch klingendes Husten und Stottern an ihr Ohr. Angestrengt horchte Colleen. Ja, jetzt war sie ganz sicher, dass es sich um einen alten Pick-up oder Lieferwagen handelte. Auf jeden Fall hatte er schon bessere Tage erlebt, denn die Geräusche, die er erzeugte, klangen alles andere als gesund …

Colleens Neugier wurde nicht lange auf die Probe gestellt. Das Knattern und Scheppern wurde immer lauter, bis schließlich tatsächlich ein uralter Pick-up an der nächsten Straßenbiegung auftauchte. Amüsiert betrachtete sie das altersschwache Vehikel. Wahrscheinlich war der Lack einmal rot gewesen, doch jetzt hatte er eine rotbraune, rostähnliche Farbe angenommen. Gar nicht mal so unpassend, fand Colleen. Denn schließlich wirkte das ganze Gefährt so, als würde es nur noch von Rost und Dreck zusammengehalten. Mit einem Mal kam ihr ein äußerst Besorgnis erregender Gedanke: Was, wenn dieser motorisierte Schrotthaufen ihrem Grandpa gehörte?

Und tatsächlich kam der Pick-up mit dem ohrenbetäubenden Knall einer Fehlzündung genau neben ihr zum Stehen. Das erleichterte Keuchen, das er ausstieß, als der Motor abgestellt wurde, klang beinahe menschlich. Colleen verdrehte verdrossen die Augen und seufzte. Ging ihre Pechsträhne denn nie vorbei?

Doch sie revidierte ihre Meinung sehr schnell wieder, als die Beifahrertür des Wagens aufgestoßen wurde und sie einen Blick auf den Fahrer erhaschen konnte. Bisher hatte sie ihn durch die vor Schmutz fast blinden Scheiben gar nicht sehen können. Jetzt schnappte sie überrascht nach Luft, als sie erkannte, dass sie keineswegs ihren Großvater vor sich hatte, sondern um einen etwa siebzehn- bis achtzehnjährigen Jungen.

„Hey, du musst Colleen sein, richtig?“

Colleen nickte stumm, zu mehr war sie augenblicklich nicht in der Lage. Wow, was für ein süßer Typ! Sie konnte nicht anders, als ihn schweigend anzustarren. Das strahlende Blau seiner Augen fesselte sie einfach, und sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Auch der Rest von ihm war nicht von schlechten Eltern. Das dunkle Haar trug er so kurz, dass man die helle Kopfhaut durchscheinen sehen konnte – normalerweise keine Frisur nach Colleens Geschmack, doch irgendwie stand sie ihm. Sie brachte seine umwerfenden Augen zur Geltung. Ein bisschen sah er aus wie Robert Pattinson mit extremem Kurzhaarschnitt.

„Hallo, ist jemand zu Hause?“ Mit einem amüsierten Lächeln musterte er sie. Colleen schoss die Röte ins Gesicht, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn die ganze Zeit über aus großen Augen angestarrt hatte. „Ähm … Ja, ich bin Colleen. Freut mich, dich kennen zu lernen – ähm, wer bist du eigentlich?“

Er lächelte noch immer, als er ihr die Hand entgegenstreckte. „Mein Name ist Jake. Jake Kennedy. Freut mich auch.“ Verschmitzt zwinkerte er ihr zu. „Umso mehr, da wir nicht allzu viele hübsche Girls in Jaspers Landing haben!“

Colleen schwieg verlegen. Sonst durchaus nicht auf den Mund gefallen, tat sie sich mit Komplimenten seit jeher schwer. Besonders, wenn sie ihr von gut aussehenden Jungs gemacht wurden. Sie beneidete dann immer jene Mädchen, die in solchen Situationen cool und gelassen blieben.

„Sag mal, willst du hier Wurzeln schlagen? Steig doch endlich ein, dann können wir uns auf der Fahrt in die Stadt ein bisschen besser kennenlernen.“

„Ich weiß nicht, Jake“, erwiderte Colleen zögernd. „Eigentlich wollte mich mein Grandpa abholen. Wenn er jetzt gerade auf dem Weg hierher ist …“

„Ach so! Nein, da mach dir da mal keine Sorgen. Rate doch mal, wer mich geschickt hat.“ Jake lächelte gewinnend. „Der alte Jock hatte gerade ein wichtiges Telefonat und bat mich, dich abzuholen. Ich hoffe, das macht dir nichts aus?“

Rasch schüttelte sie den Kopf. „Im Gegenteil!“

Jake musste mehrere Versuche unternehmen, bevor sein Wagen endlich wieder stotternd und klappernd zum Leben erwachte. Strahlend blickte er zu Colleen, die auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. „Ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen, das Teil, aber zuverlässig wie nur irgendwas. Hat mich noch nie im Stich gelassen, mein altes Schätzchen“, sagte er und tätschelte liebevoll das Lenkrad.

Es fiel Colleen schwer, ein Schmunzeln zu unterdrücken. Jake war nicht der erste Junge, dessen Augen zu leuchten begannen, wenn er über seinen Wagen sprach. Meistens ging ihr ein solches Imponiergehabe ziemlich rasch auf den Wecker, doch bei Jake war das anders. Im Gegensatz zu den Jungs aus ihrer Schule in L. A., die von ihren Eltern zur Feier der bestandenen Führerscheinprüfung gleich die Schlüssel eines schicken Sportwagens in die Hände gedrückt bekamen, wirkte sein Stolz auf den klapprigen Schrotthaufen, den er Auto nannte, beinahe rührend.

„Erzähl doch mal“, sagte Jake, während der Pick-up sich mühsam eine sanfte Steigung hinaufkämpfte. „Was treibt dich in so ein verschlafenes Nest wie Jaspers Landing? Wie ich hörte, kommst du doch aus Los Angeles. Jock wollte einfach nicht mit der Sprache rausrücken, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du das Leben in der Großstadt freiwillig gegen eines hier auf dem Land eintauschst …“

„Ach.“ Colleen seufzte. „Meine Eltern denken, ich wäre in schlechte Kreise geraten oder so. Sie hielten es wohl für besser, wenn ich eine Weile aus L. A. verschwinde.“

„Und?“

Verwirrt blickte sie ihn an.

---ENDE DER LESEPROBE---