Küste der Vergessenen - Davina Clark - E-Book
SONDERANGEBOT

Küste der Vergessenen E-Book

Davina Clark

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sie war schon immer das merkwürdige Mädchen. Und jetzt ist sie die Hauptverdächtige in einem Mordfall! Quinn Gibson ist ein Medium und kommuniziert seit ihrer Kindheit in ihren Träumen mit Seelen. Als sie von einer Frau in einem brennenden Haus träumt, verändert sich ihr komplettes Leben. Einen Tag nach dem Traum wird Quinns Ex-Verlobter Joey tot hinter dem Pub ihres Bruders aufgefunden. Weil sie zuvor einen Streit mit ihm hatte, hält sie jeder für schuldig. Doch Quinn selbst kann sich nicht erinnern, was vorgefallen ist. Ihr fehlt ein Teil ihrer Erinnerung! Quinn muss die Wahrheit herausfinden , als plötzlich perfide Drohungen auftauchen, die sie mit Joeys Mord in Verbindung bringen. Jemand will sie büßen lassen. Unter ständiger Angst versucht Quinn herauszufinden, was an dem Abend von Joeys Tod wirklich geschah. Als sie begreift, dass alles miteinander verbunden ist, ist es für ihre eigene Rettung beinahe zu spät.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


KÜSTE DER VERGESSENEN

 

 

 

DAVINA CLARK

 

 

 

 

Ein Quinn Gibson

Mystery Thriller

Dieses Werk ist reine Fiktion. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sowie Schauplätzen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle darin beschriebenen Vorkommnisse sind frei erfunden.

 

 

Copyright © Davina Clark, März 2024

 

 

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren, Vervielfältigen und Weitergabe sind nur zu privaten Zwecken erlaubt. Der Weiterverkauf des eBooks ist ausdrücklich untersagt. Der Abdruck des Textes, auch nur in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

 

Lektorat/ Korrektorat:

 

Schreib.Emotion - Lektorat

 

Marita Pfaff

https://www.mp-korrektorat.de

 

Coverbild © Davina Clark

 

Coverfotos:

Hintergrund & Model:

© Jamie Boggess

© andrey_l

https://www.shutterstock.com

Inhaltsverzeichnis

Das Buch

Prolog

Seite der Stille I

Kapitel 1

Kapitel 2

Seite der Stille II

Kapitel 3

Kapitel 4

Seite der Stille III

Kapitel 5

Kapitel 6

Vergessene Seite I

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Seite der Dunkelheit I

Kapitel 11

Vergessene Seite II

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Seite der Dunkelheit II

Kapitel 15

Vergessene Seite III

Kapitel 16

Kapitel 17

Seite der Dunkelheit III

Kapitel 18

Vergessene Seite IV

Kapitel 19

Seite der Dunkelheit IV

Kapitel 20

Seite der Stille IV

Kapitel 21

Seite der Dunkelheit V

Kapitel 22

Seite der Stille V

Kapitel 23

Blair

Seite der Dunkelheit VI

Kapitel 24

Vergessene Seite V

Kapitel 25

Seite der Dunkelheit VII

Kapitel 26

Vergessene Seite VI

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Seite der Dunkelheit VIII

Kapitel 30

Seite der Stille VI

Kapitel 31

Seite der Dunkelheit IX

Seite der Stille VII

Kapitel 32

Blair II

Kapitel 33

Pippa

Kapitel 34

Epilog

Seite der Stille

Danksagung

Dein gratis Geschenk

Die Autorin

Impressum

 

 

Das Buch

Sie war schon immer das merkwürdige Mädchen. Und jetzt ist sie die Hauptverdächtige in einem Mordfall!

 

Quinn Gibson ist ein Medium und kommuniziert seit ihrer Kindheit in ihren Träumen mit Seelen. Als sie von einer Frau in einem brennenden Haus träumt, verändert sich ihr komplettes Leben.

 

Einen Tag nach dem Traum wird Quinns Ex-Verlobter Joey tot hinter dem Pub ihres Bruders aufgefunden. Weil sie zuvor einen Streit mit ihm hatte, hält sie jeder für schuldig.

Doch Quinn selbst kann sich nicht erinnern, was vorgefallen ist. Ihr fehlt ein Teil ihrer Erinnerung!

 

Quinn muss die Wahrheit herausfinden und geht den Träumen nach. Von der Frau auf den örtlichen Friedhof gelockt, stolpert sie in die Beisetzung von Lottie Drummond. Als einziger Gast erbt sie das Anwesen und Vermögen der Frau.

Jedoch Quinn ist in Drummond House unwillkommen. Nicht nur der Neffe der Verstorbenen will sie vom Grundstück haben, sie erhält auch plötzlich perfide Drohungen, die sie mit Joeys Mord in Verbindung bringen.

Jemand will sie büßen lassen.

 

Unter ständiger Angst versucht Quinn herauszufinden, wer die Frau in den Flammen ist, wem sie vertrauen kann und was an dem Abend von Joeys Tod wirklich geschah.

Als sie begreift, dass alles miteinander verbunden ist, ist es für ihre eigene Rettung beinahe zu spät.

 

Mit ihrem Debüt »Küste der Vergessenen« schafft Davina Clark einen spannenden Mystery Thriller, in dem eine Außenseiterin zur Heldin wird und dessen Ende du bis zur letzten Sekunde nicht vorhersehen kannst.

 

 

 

Prolog

Wut traf auf Angst und hinterließ ein befriedigendes Gefühl. Sie nahm das Zittern ihres Gegenübers wahr, störte sich jedoch nach wie vor an dem selbstsicheren, abwertenden Blick, mit dem sie betrachtet wurde.

»Das würdest du nicht tun.« Die Stimme ihres Gegenübers bebte. Es war eindeutig Angst – zum ersten Mal in ihrem Leben ein Moment der Überlegenheit gegenüber dieser Person.

»Was macht dich so sicher?«, fragte sie mit messerscharfer Stimme und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen.

Jahrelang war sie nur die Beute gewesen, die Gejagte, jetzt war sie der Jäger.

Grinsend legte sie den Kopf schief, genoss das Machtgefühl, das sich wie in einem Rausch in ihrer Blutbahn ausbreitete.

»Du liebst mich!«, antwortete ihr Gegenüber überzeugt. Doch dessen war sie sich nicht so sicher.

Natürlich hatte es eine Zeit gegeben, in der sie diese Person mit der Naivität ihres ganzen Herzens geliebt hatte. Sie hatte sich darauf verlassen, dass die Liebe gegenseitig, echt und ehrlich war.

Aber die Enttäuschung war so sicher wie das Amen in der Kirche. Sie kam in Form von Worten, in Form unüberlegter Handlungen und gezielter Verletzungen, die ihre Seele gebrochen hatten.

Sie war kaputt, ein Opfer geschickter Manipulation, die das Band von Abhängigkeit stärken sollte.

Heute gibt es ein Modewort dafür.

Ihr Gegenüber war ein Narzisst, ein selbstverliebter, von sich überzeugter Mensch, der sich anderen überlegen fühlte und dadurch unschuldige Seelen an den Rand der Verzweiflung brachte.

Und sie war die Leidtragende aus dieser toxischen Verbindung. Sie war das Opfer, das nun mit größter Freude zum Täter wurde.

»Die Liebe, die ich für dich empfunden habe, ist längst verschwunden.« Sie trat näher auf die Person zu. »Es wird Zeit, mich endlich von dir zu befreien.«

Wie eine Raubkatze schnellte sie auf ihr Gegenüber zu und stieß sie mit voller Wucht von sich, bereit, ein Leben im Austausch für ihre zerstörte Seele zu nehmen.

 

Seite der Stille I

Ich spürte den Wind, der mir die Haare aus dem Gesicht wehte. Die salzige Luft prickelte auf meiner Haut und ich drehte mich einmal um die eigene Achse. Ich versuchte mich in der Dunkelheit zu orientieren.

Wo war ich?

Ein riesiges Anwesen erschien in meinem Blickfeld und ich kniff die Augen zusammen, als mich ein pulsierender Lichtschein traf.

Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass es sich um das Feuer eines Leuchtturms handelte. Ich bewegte mich in seine Richtung und ließ das Anwesen hinter mir zurück. Der Leuchtturm zog mich magisch an. Ich folgte dem sandigen Weg zur Küste, als plötzlich ein markerschütternder Schrei erklang. Ich hielt in meiner Bewegung inne.

Mein Rücken prickelte zunächst leicht, dann gewann die Empfindung an Stärke. Hitze zog über meinen Körper und machte aus dem Prickeln ein Brennen.

Ich atmete schwer und traute mich kaum, mich zu dem Anwesen umzudrehen. Meterhohe Flammen schlugen aus dem Gebäude und fraßen sich durch alles ihren Weg.

Wieder ertönte der Schrei einer Frau und ich rannte zurück. Meine Beine trugen mich automatisch und ich riss die massive Holztür auf. Gleißende Flammen versperrten mir das Durchkommen und schwarzer Rauch umhüllte mich, als ich ins Innere trat, um zu helfen.

Ich hielt meine Hand vor die Augen und hustete. Dann sah ich sie endlich – eine blonde Frau in einem weißen Nachthemd. Sie starrte mich mit tränennassen Augen an und stürmte auf mich zu. Grob packte sie mich am Arm. Ich spürte, wie sich ihre Fingernägel in meine Haut bohrten.

»Vergiss uns nicht!«, schluchzte sie und fixierte mich mit ihrem glasigen Blick. »Vergiss uns nicht! Vergiss uns nicht!« Ihr Schluchzen wurde ein Jammern und schließlich ein Kreischen.

Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich versuchte mich zu beruhigen.

»White Chaple Cemetery. Vergiss uns nicht!«, kreischte sie ohrenbetäubend.

Ich kniff die Augen zusammen. Es war einer dieser Träume, die ich seit meiner Kindheit hatte.

»Wer bist du?«, fragte ich ruhig, während das Feuer auf einen Holzbalken übergriff, der krachend hinter mir zu Boden fiel.

Die Flammen konnten mir nichts anhaben. Es war ein Traum und ich brauchte dringend Antworten von der Frau.

»Ich bin verschwunden in der Stille. Ich bin ein Nichts. Eine Vergessene.«

»Wie kann ich dir helfen? Soll ich dir das Licht zeigen?«

Das Feuer breitete sich aus und erfasste das Nachthemd der Frau. Sie ließ von mir ab und wich zurück. Die Flammen verschluckten sie.

»Nein!«, rief ich und wollte nach ihr greifen, doch sie war verschwunden.

 

Kapitel 1

Schweißgebadet schreckte ich auf, als ein grollender Donner die Stille zerriss. Schwer atmend strich ich mir eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht und schaute auf den Wecker.

6:42 Uhr.

Ich richtete mich auf, schwang mich aus dem Bett und ging zum Fenster. Noch immer aufgeregt von dem Traum zog ich den schweren Vorhang zurück und blickte hinaus.

Pechschwarze Wolken verhinderten den Sonnenaufgang. Regen trommelte gegen die Fensterscheibe und die Bäume vor dem Haus bogen sich im Sturm. Ein Blitz durchbrach die Wolken. Gewitter im September, das gab es auf der schottischen Isles of Skye nur selten.

Die Energien spielten verrückt, daran gab es keinen Zweifel.

Seufzend ließ ich mich zurück auf das Bett sinken und rieb mir über mein Gesicht. Ich setzte mich aufrecht hin, schloss die Augen und holte in gleichmäßigen Atemzügen Luft, um die Bilder des Traums zu vertreiben.

Ich hatte solche realistischen Träume öfter, aber dieser war anders gewesen. Diese Frau brauchte Hilfe und offensichtlich glaubte sie, diese von mir zu erhalten.

Ich öffnete die Augen und blickte nachdenklich aus dem Fenster. Beinahe zeitgleich erhellte ein Blitz den Himmel, während der Donner die Stille zerriss. Etwas war gehörig aus dem Gleichgewicht geraten.

Ich schüttelte den Kopf und stand auf, um mich im Bad frisch zu machen. Für einen kurzen Augenblick hatte ich die Stimme meiner Mutter im Kopf, die mich davor warnte, bei Gewitter duschen zu gehen. Doch heute war nicht der Tag, an dem ich die Erde verlassen würde, also riskierte ich es.

Warnung der Mutter missachtet: Quinn Gibson von Blitzschlag in der Dusche getötet, dachte ich mir eine Schlagzeile aus und kicherte leise in mich hinein.

Nein, so würde mein Leben wirklich nicht enden.

Ich stieg aus der Dusche, trocknete mich ab und schlüpfte in meine Sachen. Ich löste den Haargummi und meine langen, fast schwarzen Haare fielen mir über die Schultern.

Kind, willst du nicht etwas mit mehr Farbe anziehen?, hörte ich meine Mutter erneut, als ich mein dunkles Outfit im Spiegel betrachtete.

Nein, das wollte ich nicht. Ich hatte mich zu oft für andere Menschen verstellt.

Nachdem ich Zähne geputzt und Haare gekämmt hatte, verließ ich meine kleine Wohnung und klopfte gegenüber bei meinem Bruder Blair.

Die Dunkelheit hatte sich auch im Gang ausgebreitet und meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich blickte zum Ende des Flurs, wo sich noch zwei Gästezimmer befanden, und erschrak, als ich den Schatten sah. Dabei war er das Erste, was mir aufgefallen war, als ich vor drei Jahren zu meinem Bruder zog.

Blair besaß einen Pub in White Chaple Bay, einer kleinen Gemeinde auf der Isles of Skye. Als meine Beziehung zu Ende ging, überließ er mir die Ferienwohnung über dem Pub, mit der er üblicherweise ein nettes Nebeneinkommen erwirtschaftete. Ich bot an, Miete zu bezahlen, aber mein Bruder nahm keinen Pence von mir an.

»Blair«, rief ich und klopfte erneut, doch wieder kam keine Reaktion.

Wahrscheinlich war er in der Küche. Ich wandte mich von der Tür ab und marschierte die Holztreppe nach unten. Die Stufen knarrten bei jedem Schritt und ich verdrehte die Augen. Das hätte ohne Zweifel der Anfang eines Horrorfilms sein können – ein alter Pub in Schottland, ein mysteriöses Gewitter, heulender Wind und eine verzweifelte junge Frau, auf der Suche nach ihrem Bruder. Fantastisch.

Als ich Blair im Schankraum nicht entdeckte, schob ich die Flügeltür zur Küche auf. Sofort schlug mir ein herrlicher Duft entgegen und mein Magen machte sich knurrend bemerkbar.

»Hey Langschläferin, schlafwandelst du oder hast du dich verlaufen?«, scherzte mein Bruder, als er mich entdeckte. Er war es nicht gewöhnt, mich so früh zu sehen.

»Ich bin wach, weil ich einen komischen Traum hatte«, murmelte ich und winkte ab, weil ich Blair nicht damit nerven wollte.

»Wieder sooo einen Traum?«, fragte er nach und ich nickte.

»Ja, das ist aber nicht wichtig. Was machst du so zeitig hier unten?«

Ich schaute Blair über die Schulter, als er ein riesiges Stück Fleisch in den Ofen schob.

»Vorbereitungen für heute Abend. Ich habe so viele Voranmeldungen wie schon lange nicht mehr und ich möchte, dass alles reibungslos funktioniert. Das liegt wahrscheinlich an der Band, die heute Abend spielt. Eine der erfolgreichsten der Gegend.«

»Hast du Zeit für ein gemeinsames Frühstück, oder ist das nicht drin?« Hoffnungsvoll sah ich meinen Bruder an, doch er schüttelte den Kopf.

»Ich kann dir ein Sandwich machen. Ich habe schon gegessen.«

»Okay«, murmelte ich und setzte mich auf die freie Arbeitsplatte neben dem Spülbecken. Ich beobachtete meinen Bruder dabei, wie er Toast aus dem Kühlschrank holte und ihn mit Schinken, Käse und Salat belegte. Anschließend röstete er ihn kurz im Kontaktgrill und reichte mir den Teller.

»Danke.«

»Du siehst echt furchtbar aus, du solltest wieder schlafen gehen, Quinny.«

Ich schüttelte den Kopf. »Danke für das Kompliment, aber nein. Ich werde mich dann um meinen Kanal kümmern und einige Videos vorproduzieren.«

Vor drei Jahren gründete ich meinen YouTube-Kanal Sunny Moments Tarot, auf dem ich Karten legte. Ich war dafür oft genug belächelt worden, doch diese Aufgabe erfüllte mich. Innerhalb kürzester Zeit baute ich mir eine Community von dreihunderttausend Abonnenten auf und konnte durch die Werbeeinnahmen und persönliche Kartenlegungen mittlerweile davon leben.

Blair hatte nie verstanden, was ich da tat, doch im Gegensatz zu meinen Eltern versuchte er wenigstens sich dafür zu interessieren.

Ich war schon immer anders als die anderen Kinder gewesen – viel zu ruhig und zurückgezogen, irgendwie sonderbar. Ich war das verrückte Mädchen, das einen unsichtbaren Freund hatte.

Dabei war Flynn alles andere als ausgedacht. Seine Familie lebte vor uns in meinem Elternhaus. Er starb im Alter von acht Jahren an einer schweren Grippe und hing seitdem in unserem Haus fest. Wir hatten Spaß zusammen, auch wenn meine Mutter das nicht so lustig fand und mich zum Kinderpsychologen schickte. Das war der Moment, ab dem ich es vermied, über meine medialen Fähigkeiten zu sprechen, weil ich nicht immer das verrückte Mädchen sein wollte. Kurz bevor unsere Eltern das Haus verkauften, half ich Flynn, ins Licht zu gehen.

»Steht in nächster Zeit ein astrologisches Großereignis an?«, fragte Blair grinsend. Ab und zu ließ er sich von mir eben doch einen kleinen Rat geben.

»Außer dem Vollmond nächste Woche nichts. Und Merkur läuft ab morgen wieder direkt. Du brauchst also keine Angst mehr davor zu haben, dass deine Geräte kaputtgehen oder sich deine Verflossenen melden.« Ich zwinkerte Blair zu.

Ich wusste, dass er in den letzten drei Wochen unzählige Nachrichten bekommen hatte, was jedoch kein Wunder war. Mein fünf Jahre älterer Bruder hatte keinen Schimmer, dass er wie ein jüngerer Jason Momoa aussah, aber die Frauen erkannten es. Im Pub machte er die ein oder andere nette Bekanntschaft, um sich endlich fest zu binden, reichte es jedoch nie. Er würde eine Beziehung mit seinem Lokal führen, hatte Blair einmal gesagt, und wahrscheinlich war das auch der Fall.

»Noch eine Nachricht wie die von dieser Daria und ich hätte das Handy ins Meer geschmissen«, sagte mein Bruder, als in diesem Augenblick sein Handy zu klingeln begann.

Lachend biss ich in mein Sandwich.

»Kerry, was gibt es?«, nahm Blair den Anruf entgegen und lauschte seiner Angestellten. Die Art, wie er das Gesicht verzog, ließ mich erahnen, dass es keine guten Nachrichten waren. »Und es geht wirklich nicht?« Mein Bruder seufzte. »Na gut, dann kann ich es nicht ändern. Gute Besserung, Kerry.«

Blair legte auf und sah mich hilfesuchend an. Ich wusste genau, was das zu bedeuten hatte.

»Schwesterherz?« Er blinzelte. »Kannst du heute Abend für Kerry einspringen? Du weißt, ich würde nicht fragen, wenn das nicht so ein wichtiger Abend wäre.«

Ich hasste die Arbeit im Pub und doch konnte ich es meinem Bruder nicht abschlagen. Es war das Mindeste, wenn er mich kostenlos bei sich wohnen ließ.

»Natürlich helfe ich dir, kein Problem.« Ich erzwang ein Lächeln, doch es wirkte alles andere als echt.

»Danke, Quinny. Ich revanchier mich, versprochen.«

Ich verputzte das letzte Stück Sandwich, bevor ich von der Arbeitsplatte rutschte.

Irgendwie würde ich diesen Abend überleben.

 

 

* * * * *

 

 

Ein komisches Bauchgefühl breitete sich in meinem Inneren aus, als ich mich für die Arbeit im Pub fertig machte. Nach einer ausgiebigen Dusche schlüpfte ich in ein schwarzes Kleid und eine gleichfarbige Strumpfhose. Ich kämmte mein Haar und legte ein dezentes Make-up auf. Anschließend zog ich im Flur eine Jacke und meine Boots an.

»Du schaffst das«, redete ich mir selbst gut zu und lächelte mir im Spiegel der Garderobe entgegen. Eine schwache Methode, um mein Selbstbewusstsein zu stärken.

Ich verließ die Wohnung und ging die Treppe nach unten. In einer halben Stunde öffnete der Pub und ich wollte mir einen Überblick hinter der Bar verschaffen. Mein Bruder würde mit seinem Angestellten Perry die Küche schmeißen, während Layla und ich uns um die Bedienung der Gäste kümmerten.

Als ich die Tür zum Pub öffnete, polierte sie bereits die Gläser. Das Klappern in der Küche verriet mir, dass Blair voll in der Arbeit steckte.

»Hallo Quinn«, grüßte Layla und umarmte mich. Sie und Blair waren ehemalige Schulfreunde. Als Blair den Pub damals eröffnete, bewarb sie sich sofort und steht seitdem an seiner Seite.

Es gab eine Zeit, in der ich mir sicher war, dass zwischen den beiden mehr lief, doch in den letzten Wochen hatte ich Spannungen wahrgenommen. Woran das lag, verriet mein Bruder mir jedoch nicht.

Ich hasste es, so feinfühlig zu sein und jede Stimmungsänderung sofort wahrzunehmen. Oft war ich unsicher, ob ich mein Gegenüber darauf ansprechen oder besser den Mund halten sollte.

»Hey, wie geht es dir?«, fragte ich und schnappte mir ebenfalls ein Geschirrtuch, um ihr bei den Gläsern zu helfen.

Layla zuckte mit den Schultern. »Wie soll es schon gehen? Die Tage ziehen so dahin. Neil macht Probleme in der Schule, aber das ist mit fünfzehn so. Scheiß Pubertät«, fluchte sie.

»Das wird sicher noch schlimmer«, erwiderte ich lächelnd.

»Ich befürchte es auch«, resignierte sie.

Die Küchentür schwang auf und Blair und Perry kamen aus der Küche. Perry hatte im letzten Jahr angefangen hier zu arbeiten, nachdem mein Bruder die Küche allein nicht mehr händeln konnte. Er war ein von Grund auf positiver Mensch und strahlte eine Ruhe aus, von der Blair sich eine Scheibe abschneiden konnte.

»Seid ihr bereit, Mädels?«, wollte mein Bruder wissen und stützte sich auf dem Tresen ab. Sein Blick wanderte aus dem Fenster, wo ein Minivan hielt. Das musste die Band sein.

»Ja«, murmelte ich wenig begeistert, wusste aber, dass es nichts brachte, mich in dieser schlechten Energie zu halten. Bisher hatte ich die Abende im Pub alle überstanden, auch wenn ich am nächsten Tag zu nichts in der Lage gewesen war. Der Umgang mit vielen Menschen raubte mir Kraft und ich fühlte mich jedes Mal ausgelaugt. Meine Eltern hatten das nie verstanden und auch mein Bruder machte sich darüber keine Gedanken.

Blair ging zur Tür und schloss sie auf. Die vier Jungs der Band betraten den Pub, begrüßten uns und begannen direkt mit dem Aufbau und dem Soundcheck.

»Wenn die Band fertig ist, öffnen wir«, verkündete mein Bruder und ich nickte mechanisch.

Gerade als ich nach den Servietten griff, um die Besteckkörbe auf den Tischen zu erneuern, durchzog mich ein schlechtes Gefühl. Mein Herzschlag beschleunigte sich und die Welt um mich herum verschwamm. Die Energie pulsierte und dann hörte ich ihre Stimme. Sie war genauso eindringlich wie in meinem Traum.

Pass heute Abend auf dich auf.

Ich schluckte schwer und blinzelte. Mit zitternden Fingern hielt ich die Servietten umklammert.

»Quinny, alles in Ordnung?«, erkundigte sich Blair und legte eine Hand auf meine Schulter.

Ich kam wieder im Hier und Jetzt an. »Ja, alles bestens«, brachte ich gequält hervor und machte mich an die Arbeit.

In Wirklichkeit war jedoch gar nichts bestens. Ich hatte Angst!

 

Kapitel 2

Die Warnung der Frau aus meinem Traum ließ mich nicht los, was zur Folge hatte, dass ich mich kaum auf die Arbeit konzentrieren konnte. Ich verwechselte Bestellungen, notierte die falschen Getränke und schmiss am Ende ein volles Tablett durch den Pub.

Nun hockte ich auf dem Fußboden und wischte mein Ungeschick zusammen. Inzwischen spielte die Band und die Menschen waren alle gut gelaunt, nur mir war nach Weinen zumute. Am liebsten wäre ich in meine Wohnung gegangen und hätte mich eingeschlossen.

Plötzlich spürte ich einen Windhauch und mein Blick wanderte instinktiv zur Eingangstür. Mir wurde heiß und kalt zugleich.

Nein, das durfte nicht wahr sein. Warum heute? Warum jetzt?

Mein Körper erstarrte und mein Herzschlag setzte für einige Sekunden aus. Ich schluckte schwer.

Joey.

Mir wurde speiübel, als er vor mir stehen blieb und auf mich herabblickte.

Bitte, geh einfach weiter, betete ich innerlich.

»Na, Quinn, hast du endlich eine Arbeit gefunden, die zu dir passt?« Er schob mit seinem Schuh eine Glasscherbe auf mich zu.

»Lass mich in Ruhe, Joey«, zischte ich. Leider klang meine Stimme wieder einmal viel zu schwach und wurde von den Geräuschen der Besucher verschluckt.

Ich fixierte Joey als mir die Frau neben ihm auffiel. Sie hielt sich im Hintergrund. Ihr dunkles Haar fiel ihr ins Gesicht und ihre ganze Haltung war defensiv. Ob ich früher auch so auf Menschen gewirkt hatte, wenn ich mit Joey unterwegs gewesen war?

Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Das Beste war, ihn zu ignorieren und meine Arbeit weiterzumachen. Er konnte mir nichts mehr anhaben.

Ich wischte den Rest auf, kehrte die letzten Scherben zusammen und zog mich in die Küche zurück, um kurz durchzuatmen. Joey zu begegnen brachte mich jedes Mal an meine emotionalen Grenzen.

Ich lehnte mich gegen eine der Arbeitsplatten und holte in einem gleichmäßigen Rhythmus Luft. Das war ein Albtraum.

»Quinn?«

Ich hatte Perry nicht bemerkt, der besorgt auf mich zukam.

»Alles in Ordnung bei dir?«, erkundigte er sich und ich zuckte mit den Schultern.

»Meinst du, Blair wäre mir böse, wenn ich einfach verschwinde? Es geht alles schief, was nur schiefgehen kann.« Das konnte ich meinem Bruder nicht antun, trotzdem wünschte ich mir, mich in Luft aufzulösen.

»Was ist denn los?« Perry legte eine Hand auf meine Schulter und seine Ruhe übertrug sich auf mich. Er machte sich immer Gedanken um die anderen und hatte mir schon oft geholfen, wieder herunterzufahren, wenn etwas nicht nach Plan lief.

Normalerweise fiel es mir schwer, anderen gegenüber meine wahren Gefühle zu zeigen. Bei ihm war es leicht, weil er mich nicht vorverurteilte oder abwertete. Er sah mich, wie ich war.

»Joey ist hier, mit seiner neuen Freundin.«

Perry seufzte. »Dein Ex-Verlobter?«

Ich schluckte, weil ich das schon lange niemanden mehr sagen gehört hatte. Es war genug Zeit vergangen und trotzdem hing mir die Sache noch immer nach.

»Ja.«

Perrys besorgter Blick traf mich völlig unvorbereitet. »Ich bin mir sicher, wenn du mit Blair redest ...«

»Nein«, schnitt ich ihm das Wort ab, »das war nur ein Scherz. Er braucht mich und irgendwie werde ich es schaffen. Ich muss nur einen Augenblick durchatmen.«

Perry nickte und machte sich wieder an die Arbeit. Genau in diesem Moment kam mein Bruder zurück in die Küche. Seinem Blick nach zu urteilen, hatte er nach mir gesucht.

»Du hast Joey und Freya gesehen, oder?«, fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. »Hilf Perry in der Küche und ich gehe mit vor.«

»Joey interessiert mich nicht«, beeilte ich mich zu sagen. Es war eine Lüge. Obwohl wir seit Jahren getrennt waren, machten sein Auftreten und seine Ausstrahlung mir Angst. Er hatte während unserer Beziehung eine Macht über mich ausgeübt, der ich mich nur schwer entziehen konnte. Aus dieser Verlobung auszubrechen, war ein Kampf gewesen und ohne meinen Bruder hätte ich es nie geschafft.

»Bist du sicher?« Blair betrachtete mich fragend und ich nickte. Ich wollte nicht schwach wirken, nicht nach all der Zeit.

Ich atmete tief durch, straffte die Schultern und marschierte mit gespielter Selbstsicherheit aus der Küche. Ich würde es schaffen.

Kaum betrat ich den Gastraum, spürte ich sofort Joeys Blick auf mir. Er war herausfordernd und trotz all der vergangenen Jahre besitzergreifend. Er war längst nicht fertig mit seinem Spiel, das waren Narzissten nie.

»Was soll ich machen?«, fragte ich Layla, die sich einen Überblick verschaffte. Als sie Joey entdeckte, verstand sie, warum ich verschwunden war.

»Bleib du hinter der Bar, ich kümmere mich um die Gäste.«

Ich nickte ihr dankbar zu und machte mich an die Arbeit.

 

* * * * *

 

Nach dem Auftritt der Band leerte sich der Pub rasend schnell und ich merkte, wie ich mich entspannte. Leider schien Joey nicht die Absicht zu haben, zu gehen.

»Du kannst Feierabend machen, wenn du möchtest. Den Rest schaffe ich allein.«

»Ich bringe den Müll noch raus«, bot ich Layla an und sie nickte.

»Danke.«

Ich schnappte mir die Mülltüten und ging durch die Küche, in der mein Bruder und Perry ebenfalls aufräumten.

»Soll ich etwas mit rausnehmen?«, fragte ich, doch die beiden schüttelten lediglich die Köpfe. »Okay. Ich mache Feierabend, Layla braucht mich nicht mehr.«

Blair nickte. »Danke, Quinny.«

Ich lächelte meinem Bruder zu und verließ den Pub durch den Hinterausgang. Die frische Luft umhüllte mich und ich konnte zum ersten Mal seit Stunden wirklich durchatmen.

Ich warf den Müll in die Tonnen und überlegte, ob ich mich noch fünf Minuten in den Garten setzen sollte, der zu Blairs Pub gehörte. Die frische Luft und die Ruhe würden mir helfen, mich zu erden.

»Treffe ich dich zweimal an dem Ort, an den du hingehörst.«

Ich erstarrte in meiner Bewegung und drehte mich langsam zu Joey um, der wie ein Raubtier in der Dunkelheit auf mich lauerte. Er strich sich lässig das pechschwarze Haar zurück und fixierte mich mit seinen ebenso dunklen Augen. Er war ein Frauenschwarm und besaß diese Ausstrahlung, wenn er einen Raum betrat. Das hatte mich früher geblendet. Heute sah ich das Monster, das er in Wirklichkeit war.

»Ich habe gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen.« Ich hasste es, wie dünn meine Stimme klang, wann immer ich Joey begegnete.

Er machte einen Schritt auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen. Joey hob die Hand, um mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, doch ich wich instinktiv zurück.

»Was willst du?« Wut stieg in mir auf und dennoch fühlte ich mich nicht in der Lage, mich gegen meinen Ex-Verlobten durchzusetzen. Es lag an der Art, wie er mich ansah. Dieser überhebliche, überlegene Blick, mit dem ich noch nie umgehen konnte. Plötzlich wurde er weicher, liebevoller. Ich kannte diesen Umschwung in seinen Stimmungen nur zu gut.

»Ich vermisse dich, Quinn.« Seine Stimme war sanft geworden. »Freya ist eine tolle Frau, eine Granate, wenn du verstehst, was ich meine. Aber ...« Er zögerte kurz. »Was ich mit dir hatte, kann sie mir nicht geben.«

Ich machte einen Schritt nach hinten und stieß mit dem Rücken gegen eine der Mülltonnen. Was sollte ich tun? Joey versperrte mir den Weg zur Tür und wenn ich nach Hilfe rief, würde mich niemand hören. Die Mülltonnen standen in einer dunklen Ecke, die man durch das Küchenfenster wahrscheinlich nicht einsehen konnte. Warum hatte ich nie darauf geachtet?

Ich war direkt in eine Falle gelaufen. Sollte ich mitspielen und ihn in dem Glauben lassen, es würde mir genauso gehen? Dann würde ich vielleicht unbeschadet aus dieser Situation herauskommen.

Plötzlich kam mir die Warnung der Frau aus meinem Traum wieder in den Sinn.

Pass heute Abend auf dich auf.

Hatte sie das damit gemeint?

Ich schloss kurz die Augen und versuchte mich zu fokussieren. Joey hatte die Macht über mein Leben verloren und das würde ich ihm zeigen. Ich war nicht mehr sein Püppchen, mit dem er spielen konnte, wann und wie er wollte.

»Das mit uns ist vorbei und du lässt mich jetzt nach drinnen gehen, Joey, hast du das verstanden?«

Er trat einen Schritt von mir zurück und machte eine Handbewegung in Richtung Tür.

»Bitte, Quinn, der Weg steht dir frei.«

Sekundenlang starrten wir uns in die Augen und ich schluckte schwer. So leicht hatte Joey mich nie gehen lassen. Irgendetwas stimmte nicht und trotzdem wandte ich mich ab und steuerte auf die Tür zu.

Noch zwei Schritte ... als sich Joeys Hand plötzlich um meinen Arm schloss und er mich kraftvoll mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür presste. Seine Finger krallten sich in meine Haut und mein Herzschlag beschleunigte sich.

»Vergiss nicht, welche Macht ich habe. Du kannst Lügen über mich verbreiten, Quinn, kannst den Leuten sagen, wie schlecht ich dich behandelt habe, aber niemand wird dir glauben! Hast du vergessen, dass die Leute mich hier lieben? Ich bin angesehen als Stellvertreter des örtlichen Polizeichefs. Glaubst du wirklich, dass du eine Chance gegen einen Mann mit meiner Beliebtheit hast? Das ist lächerlich und das weißt du.«

Joeys Stimme war ruhig, aber scharf wie tausend Messer. Er näherte sich meinem Ohr und mein Herz schlug unaufhaltsam schnell.

»Das Spiel ist erst vorbei, wenn ich es sage, Quinn«, hauchte er die Drohung, »und ich habe Lust, noch ein wenig mit dir zu spielen.« Seine Hand umschloss mein Gesicht und er presste meinen Kiefer fest zusammen. Ich war noch immer sein Spielzeug. Nach all den Jahren.

Die Wut in meinem Inneren stieg, vermischte sich mit der Angst und ergab einen gefährlichen Cocktail aus Emotionen. Ich konnte nicht mehr, durfte mir das nicht länger gefallen lassen. Schreiend schlug ich seine Hand weg und schubste ihn zurück. »Es ist jetzt vorbei!«

 

Seite der Stille II

Wo war sie?

Ich drehte mich um mich selbst, weil ich erwartete, die Frau in den Flammen wiederzusehen.

»Wo bist du?«, rief ich.

»Er kann dir nichts mehr tun.« Ihre Stimme traf mich unvorbereitet und ich wandte mich erschrocken um. Erneut stand sie vor mir in ihrem weißen Nachthemd. Schutzlos. Die Wangen mit Ruß bedeckt. Die Augen leer. Tot. Im Hintergrund schlugen die Flammen um sich.

»Was meinst du? Warum bin ich wieder hier?«, wollte ich wissen.

»White Chaple Cemetery.«

Erneut der Name des Friedhofs unserer Gemeinde. Wieso wollte sie mich unbedingt an diesen Ort locken?

»Was finde ich dort?«

»Zukunft und Vergangenheit«, antwortete sie vage und löste sich in den Flammen auf.

Plötzlich schwang die Situation um. Ein Sturm zog auf, peitschender Regen löschte das Feuer und die Szenerie veränderte sich. Ich stand in einem kleinen Waldstück. Hatte ich es schon einmal irgendwo gesehen?

Hinter Blaires Pub.

Ich schluckte schwer, als ein Lichtschein mich blendete und jemand auf mich zukam. Ich spürte Hände, die sich um meine Kehle legten, und sah in fast schwarze Augen.

»Du Miststück!«, schrie Joey, als sich der Traum auflöste und mich wegzog.

 

Kapitel 3

Ich riss die Augen auf und starrte in die Dunkelheit. Was hatte Joey in meinem Traum verloren und wer war die Frau, die mich bereits zum zweiten Mal auf den Friedhof locken wollte?

Ich richtete mich auf und rieb mir über das Gesicht, als ich im Augenwinkel plötzlich einen bläulichen Schimmer entdeckte. Er durchbrach sanft pulsierend die Dunkelheit. Ich stand auf und ging zum Fenster, das in den Garten zeigte. Menschen liefen aufgeregt umher. Waren das Polizisten?

Ich erkannte meinen Bruder, der mit Deputy Chief Constable Kelvin sprach. Was war hier los?

Eilig zog ich mir eine Hose und eine Jacke an, stürmte die Treppe nach unten und durch den Hinterausgang. Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus und ich spürte, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste.

Wie spät war es? Wie lange hatte ich geschlafen? Es konnte nicht so viel Zeit vergangen sein.

Ich trat hinter meinen Bruder und berührte ihn vorsichtig an der Schulter. »Blair, was ist hier los?«

Er drehte sich zu mir um und auch DCC Kelvin betrachtete mich mit einem skeptischen Blick.

»Quinny, du solltest reingehen«, raunte Blair mir zu. Der Knoten in meinem Magen zog sich fester zusammen.

»Nicht so eilig«, warf Kelvin dazwischen und ich sah meinem Bruder an, dass er diesen Moment vermeiden wollte. »Miss Gibson, Sie waren vor einigen Jahren mit meinem Kollegen Joey Mackenzie verlobt, wenn ich mich richtig erinnere?«

Ich kniff die Augen skeptisch zusammen. Was hatte dieser Aufwand hier mit Joey zu tun?

»Wir sind seit drei Jahren getrennt.« Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich verstand nicht, was das zu bedeuten hatte.

»Wo waren Sie zwischen dreiundzwanzig und ein Uhr?«, bohrte der Polizist weiter nach.

»DCC Kelvin, vielleicht sollten Sie meiner Schwester erst einmal sagen, was geschehen ist, bevor Sie sie behandeln wie eine Verdächtige.« Mein Bruder verengte die Augen und funkelte den Polizisten wütend an. »Ich weiß, dass Sie und Mackenzie befreundet waren und dass Sie sicher all seine Horrorgeschichten über meine Schwester gehört haben. Wenn ich bemerke, dass Sie den Fall aufgrund Ihrer Freundschaft zu Joey Mackenzie unprofessionell behandeln, werde ich eigenhändig dafür sorgen, dass Sie davon abgezogen werden!«

Ich hatte meinen Bruder noch nie so erlebt und es fröstelte mich.

DCC Kelvin nickte. »Natürlich, Entschuldigung. Ich bin selbst durch den Wind. Hier in White Chaple Bay passiert doch nie etwas. Und so etwas schon gar nicht!«, plapperte der Mann, der vor einigen Jahren erst den Chefposten bei der örtlichen Polizei bekommen hatte.

Ich konnte ihn nicht einschätzen. Allerdings hatte mein Bruder recht, Kelvins Meinung über mich war die von Joey.

»Mr Mackenzie wurde tot in dem Waldstück hinter Ihrem Garten gefunden. Jemand hat ihm die Kehle durchgeschnitten.«

Ich schluckte schwer und versuchte die Worte zu verarbeiten. Mein Blick wanderte unruhig durch den Garten des Pubs und plötzlich traf er auf Freya, Joeys neue Freundin. Sie tupfte sich die Augen trocken und fixierte mich daraufhin mit einem vernichtenden Blick. Als sie sich dem Polizisten, mit dem sie sprach, wieder zuwandte, zeigte sie auf mich.

»Also Miss Gibson, wo waren Sie in der besagten Zeit?«

Die blinkenden Polizeilichter kamen mir plötzlich viel zu grell vor und ich kniff die Augen einen Moment zusammen.

Ich erinnerte mich daran, wie Joey mich abgefangen hatte. Das war nach dreiundzwanzig Uhr gewesen, als ich Feierabend gemacht hatte.

War ich etwa die Letzte, die ihn lebend gesehen hatte? Zählte ich zu den Verdächtigen und glaubten die Leute das? Hatte Freya deswegen auf mich gezeigt?

Meine Hände wurden schweißnass und ich wischte sie an meiner Hose ab. Mein Mund war staubtrocken.

»Ich habe Feierabend gemacht und bin in meine Wohnung gegangen, um zu schlafen«, krächzte ich.

Hilfesuchend tauschte ich einen Blick mit Blair.

DCC Kelvin nickte und machte sich Notizen. »Es wird weitere Ermittlungen geben, da es sich eindeutig um einen Mordfall handelt. Ich werde Sie alle in den nächsten Tagen auf das Revier bitten, um Ihre Aussagen aufzunehmen und zu dokumentieren. Je eher wir denjenigen finden, der dafür verantwortlich ist, umso ruhiger können wir alle wieder schlafen.«

Kelvin wandte sich von uns ab und steuerte auf Freya zu. Ihm war ihre Handbewegung nicht entgangen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich ein riesiges Problem hatte.

»Lass uns nach drinnen gehen, Perry und Layla sind auch noch da.«

Ich nickte mechanisch und folgte meinem Bruder zurück in den Pub. Er schloss die Tür zum Garten ab. Im Schankraum saßen Layla und Perry an einem Tisch vor einer Flasche Whiskey.

Ich setzte mich auf einen freien Stuhl. Mein Körper funktionierte, doch meine Gedanken waren durcheinander.

Joey war ... tot.

Die Information sickerte zu meinem Gehirn durch und plötzlich verstand ich, was er in meinem Traum zu suchen hatte. Seine Seele war wütend und ich war in seinen Augen schuld an allem.

»Hast du ihn gesehen?«, fragte Layla mit zitternder Stimme und Blair schüttelte den Kopf.

»Sie haben den Bereich im Wald abgesperrt. Die Spurensicherung ist schon dran, wenn ich es richtig mitbekommen habe.«

Mein Bruder wandte sich mir zu.

»Alles okay, Quinny?« Besorgt ruhte sein Blick auf mir.

»Ja ... ich ... ich weiß nicht«, stammelte ich verunsichert. Perry, der neben mir saß, legte eine Hand auf meinen Arm.

»Es ist okay, traurig zu sein. Immerhin habt ihr eine lange Zeit gemeinsam verbracht«, sagte er und ich verfing mich eine Sekunde in seinen Augen. Ein Gefühl von Verbundenheit keimte in mir auf. Etwas Unausgesprochenes lag in seinen Worten.

»Danke«, flüsterte ich.

»Haben sie eine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«, bohrte Layla weiter.

Blair sog geräuschvoll die Luft ein. »Wir brauchen die Sache gar nicht schönzureden: Sie schieben Quinn den Hauptverdacht zu. Jeder hat heute Abend gesehen, wie er sie behandelt hat. Quinn, ich muss dich das fragen: Als du Feierabend gemacht hast, war Joey auch verschwunden. Das war kurz nach dreiundzwanzig Uhr, also zur Tatzeit.«

Mein Bruder musste seine Frage nicht aussprechen. Meine Hände begannen zu zittern und mein Herz schlug in einem unnatürlichen Takt.

Ich konnte Blair nicht belügen. Nicht nach allem, was er für mich getan hatte.

»Als ich den Müll rausgebracht habe, stand er plötzlich hinter mir. Er hat mich bedrängt und mir gesagt, er würde mich vermissen. Ich ging nicht darauf ein und er wurde wütend. Er versperrte mir den Weg nach drinnen, fasste mich an und ich wehrte mich. Du musst mir glauben, ich habe Joey nichts angetan.« Meine Stimme zitterte und ich schaute ängstlich in die dunkelblauen Augen meines Bruders.

Ich versuchte mich zu erinnern, was geschehen war, nachdem ich Joey von mir geschoben hatte. Ich hatte ihn angeschrien und dann ...

Dunkelheit.

Als Nächstes wurde ich wach und sah die blinkenden Lichter in der Nacht.

»Das weiß ich doch, Quinny. Hat euch irgendjemand gesehen?«, holte mich mein Bruder aus den Gedanken.

»Keine Ahnung«, stammelte ich.

Blair nickte. »Sag der Polizei nichts davon, wenn sie dich selbst nicht darauf ansprechen. Das könnte es noch schlimmer machen, als es ist.«

»Ja, halt das auf jeden Fall geheim«, stimmte Layla zu. Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Lasst uns ehrlich sein, Leute, das Arschloch hat es nicht anders verdient.«

Sie nahm einen Schluck aus der Whiskeyflasche und reichte sie an mich weiter. Ich schüttelte den Kopf, weil ich keinen Alkohol trank.

»Trink«, drängte sie, »das kannst du heute gebrauchen.«

Leise seufzend setzte ich die Flasche an und der harte Alkohol brannte sich meine Kehle hinab, bevor ich Perry den Whiskey gab. Stumm tauschten wir einen Blick.

Die Welt um mich herum drehte sich und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte Angst.

 

* * * * *

 

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich wie erschlagen. Nicht nur dass der Alkohol mir nicht gut bekommen war, auch die Sache mit Joey hatte mich meinen Schlaf gekostet. Besser gesagt, war es sein wütender Geist gewesen, der mich aus der Zimmerecke angestarrt hatte.

Meine medialen Fähigkeiten waren Fluch und Segen zugleich. Ich wusste, dass viele Menschen mich deswegen belächelten und mich für verrückt hielten. Aber dass ich vor drei Jahren einer Frau das Leben gerettet hatte, indem ich ihr eine Botschaft ihrer verstorbenen Mutter überbrachte, gab mir noch heute Kraft. Die Frau hatte einen bösartigen Tumor in der Brust, nahm aber die Kontrolltermine beim Frauenarzt mehrere Jahre nicht wahr. Ihre Mutter tauchte eines Tages bei mir auf. Zu dieser Zeit war ich noch mit Joey zusammen und verleugnete meine Fähigkeiten. Der Geist schickte mich auf eine Reise zu einer Frau, die als Verkäuferin in einer Modeboutique arbeitete. Wenn ich ehrlich war, fühlte ich mich wie Melinda aus der Serie Ghost Whisperer – Stimmen aus dem Jenseits. Es war ein Abenteuer, das mir zu diesem Zeitpunkt sehr gelegen kam. Obwohl ich einige Anläufe benötigte, um die Frau von meiner Gabe zu überzeugen, versprach sie mir, zum Arzt zu gehen. Zwei Wochen später erhielt ich den Anruf, dass ich ihr dadurch das Leben gerettet hatte, weil der Tumor rechtzeitig entdeckt worden war.

Dieser Moment war der Auslöser gewesen, mein wahres Ich nicht länger zu verleugnen und Joey endlich zu verlassen.

Ich richtete mich auf und starrte in die Ecke, in der mein toter Ex-Verlobter letzte Nacht gestanden hatte. Ein Teil von mir wünschte sich, dass mein Unterbewusstsein mir einen Streich gespielt hatte, nach all den Jahren erkannte ich jedoch die Unterschiede.

---ENDE DER LESEPROBE---