La Reina - Drucie Anne Taylor - E-Book

La Reina E-Book

Drucie Anne Taylor

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Beschreibung

Lucia Alvarez ist jung, schön und Prostituierte, die sich im Bordell von Dante El Rey verdingt, um sich und ihre depressive Mutter durchzubringen. Als Gespielin eines Mafiabosses, der ihr schon einmal in die Quere kam, hat sie sich geschworen, sich nie mehr zu verlieben, doch dann taucht der gut aussehende Alejandro Gutierrez auf. Um Lucia ist es schnell geschehen, allerdings verschweigt sie ihm aus Scham ihrem Beruf. Nur zufällig erfährt er die ganze Wahrheit über ihr Doppelleben, die sie in große Gefahr bringt. Kann Alejandro Lucia retten? Wird er ihr all ihre Lügen vergeben? Haben zwei verlorene Seelen eine Chance, einander zu finden?

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La Reina

KÖNIGIN DER NACHT

SOBRE REYES Y REINAS

BUCH ZWEI

DRUCIE ANNE TAYLOR

Copyright © 2018 Drucie Anne Taylor

Korrektorat: S. B. Zimmer

Satz & Layout: Julia Dahl / [email protected]

Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art

Auflage 01 / 2023

Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen, Firmen sowie Warenzeichen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern.

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Werke der Autorin

Rechtliches und Uninteressantes

Dieses Buch

Lucia Alvarez ist jung, schön und Prostituierte, die sich im Bordell von Dante El Rey verdingt, um sich und ihre depressive Mutter durchzubringen. Als Gespielin eines Mafiabosses, der ihr schon einmal in die Quere kam, hat sie sich geschworen, sich nie mehr zu verlieben, doch dann taucht der gut aussehende Alejandro Gutierrez auf. Um Lucia ist es schnell geschehen, allerdings verschweigt sie ihm aus Scham ihrem Beruf. Nur zufällig erfährt er die ganze Wahrheit über ihr Doppelleben, die sie in große Gefahr bringt.

Kann Alejandro Lucia retten? Wird er ihr all ihre Lügen vergeben?

Haben zwei verlorene Seelen eine Chance, einander zu finden?

Vorwort

Die »Sobre reyes y reinas« Bücher spielen in Tijuana / Mexiko und folgen einer Gruppe von Menschen aus dem Rotlichtmilieu. Um die Handlung nicht zu beeinflussen, habe ich mir erlaubt, die örtlichen Gegebenheiten an die Geschichte anzupassen. Tijuana gibt es wirklich, doch so, wie es in diesem Buch beschrieben wird, existiert es nur in meiner Fantasie.

Ich wünsche Dir viel Spaß mit Alejandro und Lucia.

KapitelEins

Endlich lässt dieser ekelhafte Kerl von mir ab. Ich bin erleichtert, dass er fertig ist, denn sein penetranter Geruch hat mir den Atem geraubt und Übelkeit heraufbeschworen. Ich bin Prostituierte, aber nicht mit Passion. Mit Leidenschaft habe ich diesen Job noch nie gemacht, sondern aus der Not heraus. Bis vor vier Jahren war auch alles in Ordnung, doch dann übernahm Dante El Rey den Laden von Ángel und alles änderte sich. Die Arbeitszeiten verdoppelten sich, der Lohn verringerte sich, weil er einen Flatratepuff aus dem Loco Amor gemacht hat. Nach genügend Verzehr gibt's den Fick zum halben Preis und ich war dumm genug, mich nicht anderweitig umzusehen. Jedoch liegt das daran, dass ich Angst vor Dante El Rey habe. Der Mann war nicht nur in illegale Machenschaften verwickelt, sondern pflegt gute Kontakte zur Mafia, die hier ein und aus geht. Héctor Vasquez ist mein Stammkunde. Seit etwa vier Jahren kommt er drei- bis viermal die Woche zu mir oder Dante lässt mich von einem seiner Leute zu ihm fahren. Meistens von Diego, seinem Bruder. Mit Diego verstehe ich mich gut und er kann nachvollziehen, dass ich aus dem Milieu raus will, doch weiß er nicht, wie ich seinen Bruder davon überzeugen kann, meiner Kündigung zuzustimmen. Dante will mich nicht gehen lassen, nur weil Héctor Vasquez einen Narren an mir gefressen hat. Ich weiß, dass Héctor verheiratet ist, auch, dass seine Frau über seine Aktivitäten bestens informiert ist, allerdings ignoriert sie mich jedes Mal, wenn ich an ihr vorbeigeführt werde. Auch wenn es unhöflich ist, kann ich es nachvollziehen, denn ich bin der Fremdkörper in ihrer Ehe.

Ich hoffe, heute kommt er nicht mehr vorbei, denn ich hatte mit vier Freiern wirklich genug zu tun. Jetzt will ich nur ein weiteres Mal unter die Dusche, all den Männerschweiß von meinem Körper waschen und mich ausruhen. Außerdem muss ich nach meiner Mutter sehen, die ich immer nur ungern alleine lasse, wenn ich zur Arbeit muss. Sie ist schwer depressiv und hat schon mehrmals versucht, sich das Leben zu nehmen, weshalb ich auch immer noch bei ihr wohne. Andere Frauen führen mit vierundzwanzig Jahren ihr eigenes Leben, doch ich spiele die Nutte für Touristen und Einheimische sowie den Babysitter für meine Mutter. Seit Jahren gehe ich diesem Job nach. Ich schäme mich, meinen Körper verkaufen zu müssen, um etwas Lebensmittel im Kühlschrank zu haben und laufende Kosten decken zu können, und kann Sex nicht mehr genießen. Ich musste schon unzählige Orgasmen vorspielen, damit die Kerle endlich fertig wurden. Der einzige Vorteil ist, dass ich weiß, wie man einen Mann zum Kommen bringt. Man nimmt ein Kondom, zieht es sich über den Zeigefinger und schiebt ihm dem mehr schlechten als rechten Ficker in den Arsch. Ich kann nicht mehr sagen, wie viele Pariser Finger ich schon in männliche Ärsche gesteckt habe.

* * *

»Lucia?«, fragt Dante, als er in mein Zimmer kommt, nachdem ich geduscht habe.

Ich schließe meinen Rock und drehe mich zu ihm um. »Ja?«

»Vasquez hat angerufen, er will dich sehen.«

Genervt verdrehe ich die Augen. »Dante, ich hatte heute vier Freier, ich kann nicht mehr.«

Er hebt eine Augenbraue. »Er erwartet dich in einer Stunde. Enttäusch ihn nicht, verstanden?«

Ich räuspere mich. »Ich werde nicht zu ihm fahren. Ich muss nach Hause und nach meiner Mutter sehen.«

Seine Augen werden stählern, weshalb ich den Kopf einziehe. Es ist eine überaus dumme Idee, Dante El Rey zu widersprechen. »Du fährst.«

»Nein, sag ihm doch bitte, dass ich krank bin. Ich muss wirklich zu meiner Mutter.« Ich spreche so schnell, dass sich meine Zunge beinahe überschlägt.

Er seufzt. »Sei froh, dass ich dich mag, sonst würde ich mich nicht darauf einlassen«, brummt er. »Hau ab, ich kläre es. Wenn er dich morgen sehen will, wirst du zu ihm fahren.«

»Morgen ist mein freier Tag«, gebe ich leise zu bedenken.

»Such’s dir aus, Lucia, heute oder morgen!«, sagt er energisch.

Vom Mut verlassen lasse ich meine Schultern hängen. »In einer Stunde?«

Er nickt knapp.

»Warum kann er nicht Inés oder eine andere nehmen?«

»Weil er dich will und den größten Teil deines Lebensunterhalts finanziert, vergiss das nicht.« Dantes Stimme klingt eisern, kalt, eben so, wie sein Wesen nun mal ist. Wie ausgewechselt ist er nur bei seiner Verlobten, die sicher keine Ahnung hat, wie er sich uns gegenüber verhält. Sie kommt nur selten her, vermeidet sonst den Kontakt zu uns Nutten Tijuanas, dabei hat sie selbst einst einen Puff geerbt und geführt. Allerdings hat sie nach einer Weile einen Stripschuppen daraus gemacht. Vermutlich hat sie sich nicht wohl damit gefühlt, eine Zuhälterin zu sein. Ich weiß es nicht, denn an mir gehen solche Nachrichten vorbei. Ein Großteil meiner Kolleginnen, eigentlich alle, außer einer, können mich nicht leiden, weil Dante mich schon zu oft sein Zugpferd in diesem Drecksloch genannt hat. Nur eine Kollegin nenne ich Freundin und das ist Carmen. Nach der Arbeit, wenn wir morgens aus diesem Laden herauskommen, frühstücken wir oft miteinander, lästern über unsere Kunden und machen uns dann auf den Heimweg. In unserer Freizeit, sofern wir mal gemeinsame freie Tage haben, treffen wir uns und gehen miteinander einkaufen, Kaffee trinken oder shoppen. Es tut gut, eine Freundin zu haben, mit der ich über all die Dinge reden kann, die im Bordell passieren. Es erleichtert die Sache ungemein. Meine Mutter denkt, dass ich in einer Bar arbeite, manchmal helfe ich wirklich in Dantes Club aus, doch das kommt nur selten vor, weil er seine Nutten in seinem Puff braucht.

»Also, wirst du heute zu ihm fahren oder morgen?«, hakt Dante nach, da ich ihm noch keine Antwort gegeben habe.

Ich atme tief durch. »Ich fahre heute zu ihm.«

»Gut, ich sage Diego Bescheid, damit er dich fährt.«

»Ich kann auch alleine zu ihm fahren. Mein Fahrrad steht vor der Tür.«

»Ich werde dich nachts sicher nicht mit dem Fahrrad quer durch Tijuana fahren lassen.« Dante kommt näher und legt seine Hand um mein Kinn. »Du bist mein bestes Pferd im Stall, deshalb kann ich nicht riskieren, dass dir etwas passiert.«

Ich schlucke. »Kann Diego denn mein Fahrrad mitnehmen? Dann kann ich morgen früh direkt nach Hause fahren.«

Er schüttelt den Kopf. »Diego wird dich wieder abholen und hierher bringen, damit wir beide direkt miteinander reden können, falls Klagen von Vasquez kommen. Klar?«

»Okay«, antworte ich kleinlaut und atme auf, als er mein Gesicht loslässt.

»Zieh dir etwas Schickeres als diese Fetzen an, du musst verfügbar für ihn aussehen.«

»Ja, Chef.« Ich hasse es, dass er uns oft wie Vieh behandelt, aber ich glaube auch, dass man dieses Geschäft nicht zu nah an sich heranlassen darf. Wenn ich hier bin, bin ich nicht die Lucia, die ich in meiner Freizeit bin. Hier bin ich die Nutte, die es für Geld mit wildfremden Kerlen oder einem Mafioso treibt. Hier bin ich eine andere. Zum Glück sind die Kunden hier so diskret, dass man auf der Straße nicht von ihnen angesprochen wird, sofern es Einheimische sind, bloß Héctor nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Seinetwegen ist meine letzte Beziehung kaputtgegangen, nicht nur seinetwegen, auch wegen meiner Lügen. Denn Milo erzählte ich ebenfalls, dass ich in einer Bar arbeite. Zwei Jahre konnte ich die Lüge aufrechterhalten, dann begegneten wir Héctor auf der Straße. Seither vermeide ich es, mit ihm zu sprechen. Ich ziehe mich bloß aus, blase seinen Schwanz hart – zum Glück nur, wenn er ein Kondom trägt – und lasse mich von ihm ficken. Dank des Erfinders des Gleitgels geht das Ganze auch ohne Schmerzen.

Wie viele Tuben ich bisher verbraucht habe?

Unzählige.

* * *

Eine Stunde später trage ich einen verboten kurzen Minirock sowie eine durchsichtige schwarze Bluse, unter der ich rote Spitzenunterwäsche trage. Dante sagte, ich soll verfügbar aussehen, Carmen bestätigte meine Meinung, dass dieses Outfit meinen Job in die Welt hinausschreit, nun warte ich darauf, dass Diego zu mir kommt, um mich zu Héctor zu bringen.

»Hey, Kleine«, sagt ein Mann, der neben mir an der Bar steht.

Ich beachte ihn nicht. Heute bin ich nicht mehr für das Fußvolk zuständig, sondern nur noch für den V.I.F., dem Very Important Fucker.

»Ich rede mit dir!«

Bevor ich einen Schluck von dem Prosecco nehmen kann, den Esma, eigentlich Esmeralda, mir gegeben hat, packt er mein Handgelenk und zieht es so ruckartig zu sich, dass sich das Getränk über sein teuer anmutendes Hemd ergießt.

»Spinnst du eigentlich?«, herrscht er mich an, ohne mich loszulassen.

»Du hast an meinem Handgelenk gezogen, also nein, ich spinne nicht«, erwidere ich gelassen.

»Du miese kleine Nutte!«

»Oh, wir holen die bösen Wörter raus und mit diesem Mund küsst du deine Mamá?«

Er sieht mich vernichtend an, aber es beeindruckt mich nicht. Dieser Mann strahlt nicht die nötige Dominanz aus, um mir Respekt einzuflößen. »Du Miststück wirst mein Hemd ersetzen!«

»Ich kann dir ein paar Peso geben, damit du es in die Reinigung bringst, ach nein, ich trage ja keine Schuld.« Ich zerre an meinem Arm. »Und nun solltest du mich loslassen, bevor die richtig schweren Jungs kommen, um mir zu helfen.«

Der Kerl holt aus, doch bevor er zuschlagen kann, wird sein Arm abgefangen.

»Na, na, na, Sie werden doch die Angestellten nicht schlagen«, sagt Diego mit außerordentlich ruhiger Stimme.

»Die Kleine hat mir Prosecco übergekippt.«

Esma kommt dazu. »Falsch, der Kerl hat Lucia am Arm ruckartig gerissen und sich den Prosecco selbst übergekippt.«

»Es wäre besser, wenn du der Dame ein neues Getränk spendierst, statt hier auf dicke Hose zu machen«, schlägt Diego in geschäftsmäßigem Ton vor.

»Und wenn nicht?«

»Zeige ich dir, wo der Maurer das Loch gelassen hat.« Diego zwinkert mir zu, doch ich bemühe mich, keine Miene zu verziehen. »Also, was soll's sein?«

»Ein Prosecco für eure kleine Kampfhure«, wendet er sich an Esma.

»Wunderbar, danach bezahlst du und gehst, sonst passiert ein Unglück«, sagt Diego, gibt seine Hand frei und stellt sich an meine Seite. »Guten Abend, meine Schöne.«

»Eher guten Morgen«, erwidere ich und lächle ihn an. Er ist wirklich in Ordnung, auch wenn er in seinem Leben so manchen Mist gebaut hat.

»Oder so.«

Ich bekomme ein neues Glas Prosecco, der Mistkerl zahlt, der mich beleidigt hat, und Diego begleitet ihn vor die Tür. In den Minuten, in denen er weg ist, trinke ich aus. Für die Treffen mit Héctor trinke ich mir immer Mut an, denn dieser Mann ist wie Dante.

Furchteinflößend.

Als Diego zurückkommt, sieht er mich an. »Lass uns fahren, damit ich noch ein wenig schlafen kann, bevor ich dich morgen früh abhole.«

»Ja.« Ich schnappe mir die Tasche, in der ein sexy Nachthemd sowie Kondome und Gleitgel sind, die Toys habe ich heute bewusst nicht eingepackt, weil ich wirklich reif fürs Bett bin. Ich hoffe bloß, dass Héctor bereits müde ist, damit ich schnellstmöglich Feierabend machen kann. Oder in meinem Fall: Feiermorgen.

Gemeinsam gehen wir zu Diegos Auto. Ein schicker schwarzer Mercedes, der immer noch so aussieht, als sei er erst vom Band gelaufen.

Diego öffnet die Beifahrertür, hilft mir in den Wagen und gibt sich, wie ein wahrer Gentleman, obwohl ich genau weiß, dass er keiner ist.

Als er hinterm Steuer sitzt, betrachte ich ihn. »Du siehst müde aus.«

»Das bin ich auch, aber mein Bruder pfiff und ich sprang.«

Ich nicke langsam. »So wie ich.«

»Der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass ich sein Bruder bin, du bist seine Angestellte«, gibt Diego zu bedenken.

»Wohl wahr.« Ich seufze schwer. »Ich will allerdings nicht immer springen, wenn er pfeift.«

»Willst du immer noch aufhören?«

»Ja, aber Dante lässt mich nicht«, antworte ich leise und schaue aus dem Seitenfenster, als er seinen Mercedes auf die Straße lenkt. In Tijuana in so einem Auto unterwegs zu sein, ist mutig, denn die Kriminalitätsrate ist unwahrscheinlich hoch. Zwangsprostitution, Mafiageschäfte, Geldwäsche ... Hier findet man so viel, das man nicht erwarten würde, wenn man als Tourist in die Stadt kommt.

Wir unterhalten uns über die Arbeit, dabei gehe ich weniger ins Detail als er, und darüber, was wir tagsüber vorhaben. Allerdings bin ich auch hier verschwiegener als Diego. Es ist mir wichtig, möglichst anonym zu bleiben, auch wenn sie alle meinen Namen kennen. Sie sollen die private Lucia nicht kennenlernen, es reicht, wenn sie die Nutte kennen, die ich leider Gottes bin.

* * *

»Das wurde aber auch Zeit«, knurrt der bullige Leibwächter vor Héctors Haus. Er öffnet die Beifahrertür für mich und streckt mir seine Hand entgegen, die ich ablehne.

Ich steige aus dem Wagen und schaue zu Diego. »Holst du mich um sieben Uhr ab?«

»Dante sagte etwas von acht, eher noch neun Uhr.«

Ich seufze schwer. »Bitte sei um sieben da, ich bin echt fertig.«

»Ich versuche es. Behalt dein Handy im Auge.«

»Danke«, entgegne ich, schon packt der zweibeinige Bulle mich am Arm und zieht mich die Treppe zum Haus hoch. »Herrgott, ich kann alleine laufen, du Penner!«

Er dreht sich zu mir um und funkelt mich an. »Ich bin ein Penner?«

»Ja, Mann!« Entschieden entziehe ich ihm meinen Arm. Am liebsten würde ich ihn die gottverdammte Treppe runterschubsen, doch dann habe ich es sicher genauso schnell hinter mir wie Héctors Konkurrenten, die sich immer öfter in Luft auflösen.

»Dann beweg deinen kleinen, nuttigen Arsch, Schlampe.«

»Wow, zweimal mit einem Synonym für Prostituierte beleidigt und das in nur einem Satz, ich bin stolz auf dich!«, blaffe ich ihn an und gehe die Treppe hoch.

»Lucia, meine Liebe«, sagt Héctor, als er mir in der Eingangshalle seiner Villa entgegenkommt. Er legt seine Hände an meine Schultern, gibt mir Wangenküsse und betrachtet mich schließlich. »Du siehst gut aus.«

»Immerhin«, nuschle ich und weiche seinem Blick aus.

»Wirfst du mir immer noch die Sache mit deinem Ex vor?«

»Das wird so schnell nicht enden«, antworte ich kalt.

Er schnalzt mit der Zunge. »Ich teile dich eben nicht gern.«

Daraufhin hebe ich eine Augenbraue. »Dann sollte ich dir sagen, dass das ziemlich dumm ist, denn ich bin Prostituierte und du sicher nicht der einzige Freier, den ich habe.«

Héctor lacht und mir wird klar, dass ich besser meine Zunge im Zaum halte. »Bringt sie in mein Schlafzimmer«, wendet er sich an zwei seiner Lakaien. »Und wartet vor der Tür auf mich.« Anschließend sieht er mich an, er umfasst mein Gesicht schmerzhaft fest. »Zieh das Nachthemd an, das auf dem Bett liegt, und warte dort auf mich.«

Widerwillig nicke ich, so weit sein Griff es zulässt.

Héctor lässt mich los und ich wende mich seinen Untergebenen zu. Gemeinsam mit ihnen gehe ich nach oben zu dem Schlafzimmer, in dem ich immer mit ihm zugange bin. Jedes Mal bin ich vorher höllisch aufgeregt und würde mich am liebsten übergeben, doch kommt zweites von der Übelkeit, die dieser Mann inzwischen bei mir hervorruft.

Als ich im besagten Schlafzimmer bin, werfe ich einen Blick auf das Nachthemdchen, das er oder jemand anderes aufs Bett gelegt hat. Es ist weiß, durchsichtig, ein mädchenhaftes Babydoll, das ich im Leben nicht anziehen werde. Früher konnte man sich gut mit Héctor unterhalten, bis seine perverse Seite zum Vorschein kam. Er schlägt mich, wenn wir Sex haben. Manchmal so fest, dass meine Lippe aufplatzt oder mein Hintern danach blaue Flecken aufweist. Egal, wie oft ich mich bei Dante darüber beschwert habe, er hat nichts dagegen getan, dabei ist es die oberste Regel, die Ware nicht zu beschädigen.

Ja, nichts Anderes bin ich.

Ware.

Als läge ich in einem Supermarktregal, aus dem man mich munter mitnehmen kann. Ich setze mich auf die Couch, die ebenfalls im Raum steht, stelle meine Tasche neben mich und warte auf ihn.

Wenige Minuten später – in denen meine Anspannung gewachsen ist –, betritt Héctor das Zimmer. Er sieht mich prüfend an und erkennt, dass ich das Babydoll nicht trage, weshalb sich sein Blick verfinstert. »Ich sagte dir doch, was du zu tun hast.«

»Und ich trage solche Dinger nicht«, erwidere ich mutig, doch klingt es wie der Einwand einer Maus, die kurz davor ist, von einer Schlange verspeist zu werden.

Héctor kommt näher, betrachtet mich. »Ich will, dass du es trägst.«

»Wenn es dir so gut gefällt, kannst du es selbst tragen«, biete ich ruhig an, aber wieder verrät mich meine Stimme.

Er setzt sich zu mir, legt seine linke Hand auf meinen Oberschenkel und funkelt mich aus seinen schwarzen Augen an. Mit der rechten holt er aus und nur knapp kann ich seiner Ohrfeige ausweichen.

Ich rutsche weg und erhebe mich. »Du weißt, dass du mich nicht schlagen darfst.«

Er steht ebenfalls auf. Langsam kommt er auf mich zu. »Ich weiß, dass ich El Rey mehr für dich bezahle, als du wert bist, du kleine Hure, also tust du, was ich dir sage.«

Ich schüttle den Kopf. Mein Kampfgeist ist zurückgekehrt und ich werde ihm nicht geben, was er von mir will. »Dann solltest du dein Geld zurückverlangen, denn ich mache nie wieder die Beine für dich breit.«

Diesmal erwischt er mich, doch glücklicherweise nicht so fest, dass meine Lippe aufplatzt. »Pass auf, wie du mit mir sprichst.« Héctor packt mich und zerrt mich zum Bett. »Ich werde dir zeigen, wie breit du deine Beine für mich machen wirst!«

»Héctor, bitte, du tust mir weh!«, wimmere ich, aber er ist unbarmherzig. Wie immer.

Ich weiß, dass er mich nicht einfach so nimmt. Er achtet darauf, meinen Intimbereich nicht zu verletzen, ich achte darauf, ihn zu reizen, weil das sein Spiel ist. Er steht drauf, Macht über eine Frau zu haben.

Ich spiele dieses Spiel wegen des Geldes mit ihm.

Er wirft mich aufs Bett, ich trete ins Leere. Dann schnappt er mein Bein, zieht mir die Sandale vom Fuß und fängt an, meinen Knöchel zu küssen.

Ich drehe das Gesicht in die Decke. Die Übelkeit ist noch da, das Spiel gespielt, bald wird es sich legen. Zumindest geht's mir dann körperlich wieder gut. Wie es psychisch aussieht, will ich lieber nicht wissen, denn meine Psyche ist ein einziges Chaos aus Selbstvorwürfen, Ekel und Komplexen, die mir dieser Job eingebracht hat.

* * *

Héctor ist glücklicherweise nach einer Nummer eingeschlafen. Ich werfe einen Blick auf die Uhr, die auf dem Nachttisch steht, dann stehe ich vorsichtig auf. Auf leisen Sohlen gehe ich zu meinen Sachen, ziehe mich um und sprühe mich mit Deo ein, denn duschen werde ich hier heute nicht. Es ist sieben Uhr und ich hoffe, Diego kann schnell hier sein. Ich schreibe ihm eine Nachricht, hänge ein Foto des schlafenden Héctors an, der mich umbringen würde, wenn er davon wüsste, und schlüpfe in meine Schuhe.

Wenige Minuten später erhalte ich die Antwort, dass er mich sofort abholen kommt. Ich verlasse das Schlafzimmer, vor dem Héctors Leibwächter stehen, und nicke ihnen zu. »Er schläft.«

Einer von ihnen wirft einen Blick ins Schlafzimmer, verschwindet dann darin und kommt binnen weniger Atemzüge wieder heraus. »Er schläft wirklich, sie hat ihm nichts getan.«

»Das würde ich nie tun«, lasse ich die beiden wissen. Ich zeige zur Treppe. »Ich gehe dann. Mein Boss regelt die Bezahlung mit ihm.«

Sie nicken mir zu und entlassen mich mehr oder weniger in die Freiheit.

* * *

KapitelZwei

Es ist drei Uhr nachmittags und ich höre meine Mutter durch das Haus poltern. Ich schlage die Augen auf, erhebe mich von meinem Bett und verlasse – das ist eine Tatsache – mein Kinderzimmer. »Mamá?«, rufe ich durch den Flur.

»Hier, Mija, ich bin hier«, antwortet sie und kommt aus der Küche. Sie sieht mich müde an. »Hattest du eine lange Nacht?«

Ich nicke. »Ja, aber ich sollte jetzt wachbleiben, damit ich heute Nacht schlafen kann.«

Sie legt ihre Hand an meine Wange. »Weißt du eigentlich, wie schön du bist?«

»Ich sehe aus wie du, Mamá, du bist auch schön, sogar so viel schöner als ich.«

Tränen steigen in ihre Augen. »Danke, Mija.«

Mija, eigentlich mi hija, es bedeutet Tochter. Ich mag es, wie meine Mutter es ausspricht. Es steckt so voller Liebe in unserem doch so lieblosen Leben. Wir haben nur einander. Mein Vater ist durchgebrannt, um in Amerika das ganz große Geld zu machen, Geschwister habe ich keine, meine Großeltern sind bereits verstorben und finden sich nur auf unserer Ofrenda wieder, wenn der Dia de los muertos ist.

Es gibt nur sie und mich.

Lucia und Sofía Alvarez.

Ich vermisse es, eine richtige Familie zu haben, andererseits kenne ich es nicht mehr anders als so, wie es jetzt ist. Meine Großeltern mütterlicherseits sind kurz nacheinander gestorben, als ich noch ein Kind war. Mein Vater ist verschwunden, als ich fünf war, und seine Eltern habe ich nie kennengelernt. Seit 19 Jahren leidet Mamá seinetwegen an Depressionen.

»Bedank dich nicht für die Wahrheit«, erwidere ich, dann umarme ich sie. Ich drücke einen Kuss auf ihre Wange, wofür ich mich ein wenig nach unten beugen muss, da ich zumindest mit meiner Größe nach meinem Vater schlage.

»Möchtest du etwas essen?«, erkundigt sie sich.

»Ich glaube, ich muss einkaufen, bevor wir irgendwas essen können. Gestern Abend waren nur noch Getränke da, bevor ich zur Arbeit ging«, erkläre ich ihr mit ruhiger Stimme. »Aber ich werde mich jetzt anziehen und mache mich auf den Weg zum Markt, wenn du willst.«

»Darf ich dich begleiten?«

»Sicher«, erwidere ich lächelnd. »Ich würde mich sogar sehr freuen.« Hoffentlich klappt es auch, denke ich weiter, denn meine Mutter zeigt immer öfter Anzeichen einer Agoraphobie. Sie geht kaum noch vor die Tür, aber ich fürchte, das würde ich auch nur im Notfall tun, wenn es mir wie ihr gehen würde.

* * *

Eine halbe Stunde später ist Mamá immer noch nicht angezogen, sondern starrt auf ihrem Bett sitzend ins Zimmer, als ich nach ihr sehe. »Ist alles in Ordnung, Mamá?«

Sie reagiert nicht. Nun befindet sie sich wieder in ihrer Blase, in der niemand an sie herankommt.

Seufzend lege ich meine Hand auf ihre Schulter, doch keine Regung lässt ihren Körper zucken. Bloß ihre Brust hebt und senkt sich im gleichmäßigen Rhythmus. »Mamá, ich gehe einkaufen. Brauchst du irgendwas?«

Nichts.

Niedergeschlagen, weil sie so schnell wieder in ihrer eigenen Welt verschwunden ist, ziehe ich meine Hand zurück, anschließend verlasse ich ihr Schlafzimmer.

Mit meiner Handtasche auf der Schulter und einem Weidenkorb auf dem Unterarm verlasse ich unser Grundstück, für das ich in den letzten Jahren aufgekommen bin. Würde ich nicht so gut verdienen, wäre es nicht möglich, das Haus zu halten. Früher bin ich auf den Straßenstrich gegangen, bis Ángel mich fand und bat, in seinem Bordell zu arbeiten. Man sprach wohl überall von der jungen Nutte, die erschwinglich ihre Dienste angeboten hat, doch er war der Meinung, dass ich mich unter Wert verkaufe. Ich erinnere mich nicht gern an diese Zeit. Damals hat man mich wie Freiwild behandelt und da ich keinen Zuhälter hatte, wurde ich oft über den Tisch gezogen. Heute kassiere ich vor der Nummer, damals danach. Es war ein Fehler. Noch immer bin ich Freiwild, nicht mehr als ein Stück Fleisch, mit dem die Freier tun und lassen können, was sie wollen, solange sie mich nicht beschädigen. Ich schaue in meine Handtasche, ob ich mein Portemonnaie eingepackt habe, als ich gegen eine Mauer pralle und anschließend auf dem Hintern lande.

»Scheiße«, stoße ich aus und fluche hemmungslos weiter, als mir die Mauer eine Hand entgegenstreckt.

»Ich bezweifle, dass ich eine verfickte Mauer bin«, sagt eine tiefe, warme Stimme.

Ich hebe den Blick und schaue in die schönsten Augen, die ich je in meinem Leben gesehen habe, bevor ich die mir angebotene Hand ergreife. »Sorry.«

Er hilft mir auf.

»Danke, Señor ...«

»Gutierrez, Alejandro Gutierrez.«

»Danke, Señor Gutierrez«, sage ich schließlich und klopfe mir den Straßenstaub vom Hintern, der in einer hellblauen Jeans steckt.

»Es tut mir leid, dass ich Ihnen im Weg stand, Señora ...«

»Alvarez«, antworte ich knapp, ohne ihn anzusehen. Sein Name kommt mir bekannt vor, sein Gesicht ebenfalls, aber er war bisher nie im Loco Amor. Möglicherweise habe ich ihn schon mal auf dem Markt gesehen oder im El Rey, wenn ich dort ausgeholfen habe.

»Ich übernehme selbstverständlich die Reinigung Ihrer Jeans.«

»Nicht nötig«, winke ich ab.

»Alejandro, komm endlich!«, ruft jemand und ich schaue an ihm vorbei. Es ist sogar eine ganze Gruppe junger Männer, die ähnlich gut aussehend sind wie er.

»Moment!«, antwortet er ihnen, anschließend richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. Er hat einen Blick, der es mir heiß und kalt den Rücken runterlaufen lässt und für einen Knoten in meinem Bauch sorgt, so intensiv ist er. »Wissen Sie, wo man hier gut etwas trinken gehen kann?«

Ich räuspere mich. »Im El Rey, allerdings ist das noch geschlossen.«

»Und wo finde ich ein Café oder eine Bar?«

»Sind Sie nicht von hier?«, frage ich irritiert.

»Ich bin erst hergezogen und wollte mit meinen Freunden einen Kaffee trinken, allerdings kenne ich mich noch nicht besonders gut aus.«

»Sie können sich bei Hipolito hinsetzen, er hat ein schönes Café am Ende der Straße.«

»Welche Richtung?«, fragt er lächelnd.

Ich deute hinter ihn. »Sie sind auf dem richtigen Weg, wenn Sie Ihren Freunden folgen.«

Er dreht sich kurz um, bloß, um mich dann wieder anzusehen. Seine atemberaubend schönen, vollen Lippen verzieht er zu einem aufrichtigen Lächeln. »Vielleicht darf ich Sie auf einen Kaffee einladen, um den kleinen Unfall wiedergutzumachen?«

»Nein, ich muss leider weiter.«

Er greift in seine Hosentasche und holt sein Portemonnaie heraus, weshalb ich meine Augenbraue lifte. »Dann lassen Sie mich Ihnen meine Karte geben und Sie melden sich bei mir, wenn Sie wissen, was die Reinigung kostet.« Señor Gutierrez reicht mir eine Visitenkarte.

Zögerlich nehme ich sie an. »Danke, ich melde mich.«

»Verraten Sie mir noch Ihren Vornamen?«

»Alejandro, jetzt komm schon und hör auf zu flirten!«, ruft einer seiner Freunde.

»Ihre Freunde erwarten Sie.« Ich gehe an ihm vorbei, spüre aber, dass er mir folgt.

»Warten Sie!«, sagt er laut, als ich einige Meter Vorsprung gewonnen habe.

Ich drehe mich im Gehen zu ihm um.

»Ihr Vorname, bloß Ihr Vorname!«

»Lucia!«, rufe ich ihm lächelnd zu, wende mich ab und beeile mich, um auf den Markt zu kommen.

»Ein wunderschöner Name!«, vernehme ich ihn noch, allerdings antworte ich nicht mehr.

* * *

Als ich auf dem Heimweg bin, komme ich an Hipolitos Café vorbei.

»Lucia?«, ruft jemand. Alejandro Gutierrez steht plötzlich vor mir, weshalb ich etwas kritisch dreinschaue.

»Ja?«

»Haben Sie jetzt vielleicht Zeit für einen Kaffee?«

Ich schaue hinter ihn. »Sind Ihre Freunde nicht mehr da?«

»Doch, aber ich würde mich mit Ihnen an einen anderen Tisch setzen«, antwortet er freundlich. »Und Sie würden mir einen großen Gefallen tun, denn sie wetten darauf, dass Sie mir einen Korb geben.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Dann sollten Sie Ihre Wettschulden begleichen.«

Alejandro senkt seinen Blick auf meinen Korb. »Der sieht schwer aus.«

»Das ist er auch, deshalb würde ich nun gern nach Hause gehen.«

Kaum habe ich es ausgesprochen, streckt er seine Hand aus und nimmt mir den Weidenkorb ab, der bis zum Überlaufen mit Einkäufen gefüllt ist. »Ich trage ihn für Sie.«

»Und Ihre Freunde?«

»Die kommen ohne mich klar und wenn nicht, können sie mich anrufen.« Lächelnd zwinkert er mir zu.

»Hören Sie, ich kann das alleine. Gehen Sie zu Ihren Freunden.« Ich möchte ihm meine Einkäufe abnehmen, doch er hebt den Korb höher, sodass er außerhalb meiner Reichweite ist. »Das ist ja sehr erwachsen von Ihnen, Señor Gutierrez.«

»Man sagt mir nach, dass ich ziemlich stur bin, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe.«

»Was haben Sie sich denn in den Kopf gesetzt? Meine Geduld zu strapazieren? Das gelingt Ihnen gerade wirklich gut!«, blaffe ich ihn an und versuche weiter, an meine Einkäufe zu kommen.

»Nein, ich möchte höflich sein und Ihre Einkäufe für Sie tragen.«

»Sehe ich so bedürftig aus?«, frage ich, als ich die Fäuste in meine Hüften stemme. Meine Geduld ist kurz davor, mich mit wehenden Fahnen zu verlassen.

Was fällt diesem ... diesem überaus verboten gut aussehenden Kerl eigentlich ein?

»Nein, aber der Korb ist schwer und ich habe Ihnen meine Hilfe angeboten.«

Ich seufze schwer. »Na schön, dann kommen Sie mit«, gebe ich mich unzufrieden geschlagen und mache mich auf den Weg.

»Ich sollte meinen Freunden Bescheid sagen, wohin ich gehe.«

»Dann geben Sie mir meine Einkäufe zurück.«

»Warten Sie einen Moment.« Samt dem Korb geht er an mir vorbei an den Tisch, an dem seine Freunde sitzen. Sie reden über mich, das sehe ich, als ich mich ebenfalls umdrehe.

»Señor Gutierrez, ich habe verderbliche Sachen in dem Korb, deshalb wäre es schön, wenn Sie sich nun beeilen«, verlange ich abermals schnippisch, da es mich nervt, mit welchem Ehrgeiz er versucht, an mir dranzubleiben.

Gut, jetzt möchte er nur meinen Korb tragen, aber was mache ich, wenn er mir morgen Abend zur Arbeit folgt?

Oder plötzlich vor meiner Tür steht, wenn ich von Héctor komme?

Er würde mich doch genauso verurteilen wie Candela, meine damalige beste Freundin, oder mein Ex.

»Sicher.« Er nickt seinen Leuten zu, dann kommt er an meine Seite. »Haben Sie es weit?«

»Nein, es sind nur knappe zehn Minuten, aber trotzdem sollten die Sachen schnellstmöglich in den Kühlschrank.«

Im Augenwinkel sehe ich, dass er nickt. »Sind Sie gebürtig von hier?«

»Ja.«

»Ist Tijuana wirklich so gefährlich, wie man überall hört? Ich wurde von ziemlich vielen Leuten gewarnt, bevor ich hierher gezogen bin, aber ich musste unbedingt dem Dunstkreis meines Vaters entfliehen«, erzählt er, als wir die Hälfte des Weges hinter uns gebracht haben.

»Na ja ... Hochsicher ist die Stadt nicht, aber mir wurde noch nie das Portemonnaie gestohlen und man hat mich auch noch nie überfallen«, erwidere ich. Dass ich Nutte bin und von Freiern beschissen wurde, verrate ich ihm natürlich nicht, denn dann würde er auf dem Absatz kehrtmachen. Und so unglaublich aufdringlich er ist, so verdammt sexy ist er auch.

»Also würden Sie sagen, Sie fühlen sich sicher in Tijuana?«

»Abgesehen von der Drogenkriminalität und den Mafiageschäften ... Ja, ich fühle mich sicher.«

Alejandro sieht mich entgeistert an. »Mafia?«

Ich nicke. »Ja, die Mafia treibt ihr Unwesen in der Stadt, aber das ist für jeden ein offenes Geheimnis.«

»Sicher, ich war bloß lange nicht im Land und in den letzten drei Jahren mehr damit beschäftigt, meinem Vater zu helfen, bis ich mich dazu entschlossen habe, hierher zu ziehen.«

»Sie sind Mexikaner, richtig?«

»Ja.«

»Wieso in aller Welt wissen Sie dann nichts von den Problemen in dieser Stadt?«

Ein Ausdruck der Scham huscht nur kurz über seine Miene. »Ich denke, ich habe die Augen vor der Wahrheit verschlossen.«

»Ah ja«, stoße ich aus und atme innerlich auf, als mein Elternhaus in Sichtweite kommt. »Hier können Sie mir meinen Korb geben, ich habe es nicht mehr weit.«

»Unter einer Bedingung«, sagt er entschieden.

Ich hebe eine Augenbraue. »Die wäre?«

»Wir sehen uns wieder.«

»Wie bitte?«

»Ich würde Sie unheimlich gern wiedersehen, Lucia.« Er schenkt mir ein charmantes Lächeln, dass mir beinahe den staubigen Boden unter den Füßen wegreißt.

Ich räuspere mich. »Okay. Ich rufe Sie an.«

Daraufhin schüttelt Alejandro den Kopf. »Nennen Sie mich Alejandro und duzen Sie mich bitte.«

»Okay ... Und warum haben ... hast du den Kopf geschüttelt?«

»Weil ich bezweifle, dass du mich anrufen wirst.«

Nachdenklich lege ich den Kopf schief. »Du willst meine Nummer, richtig?«

Alejandro nickt. »Ich hätte sie gern, wenn ich ehrlich bin.«

Meine Augenbraue gleitet wie von selbst in die Höhe. »Warum?« Ich bin aufrichtig irritiert von seinem Interesse.

»Weil ich noch nie eine so schöne Frau wie dich getroffen habe und immer noch glaube, dass ich gestorben bin und du mein Engel bist«, antwortet er mit seiner tiefen, rauchigen Stimme, deren Klang wie ein Lauffeuer durch meine Venen rast, um sich in meinem Unterleib mit einem Feuerwerk zu entladen.

Mühsam presse ich meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, um nicht loszulachen, doch nach nur wenigen Atemzügen bricht es aus mir heraus. »Sorry, aber ich habe noch nie so etwas Kitschiges gehört.«

Unsicher reibt er seinen Nacken. »Ich habe auch noch nie etwas so Kitschiges gesagt.« Er räuspert sich. »Wenn du einen Kaffee mit mir trinken gehst, verspreche ich dir, dass ich mir solche Aussagen verkneife.«

Eigentlich ist er total süß, andererseits sehe ich schon an seiner Kleidung, dass ich weit unterhalb seiner Liga spiele. Er kommt sicher aus einer wohlhabenden Familie, ist selbst bestimmt auch sehr erfolgreich und noch dazu ist er unheimlich charismatisch.

Ich schlucke.

»Komm schon. Gib dir einen Ruck, Lucia.«

Ich lasse die Schultern hängen. »Na gut, ich ... Warte.« Ich ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche, anschließend greife ich in meine Handtasche, um seine Visitenkarte herauszuholen, und gebe seine Nummer ein. »Ich klingle dich an, dann hast du meine Nummer, allerdings bin ich nur selten erreichbar.«

Er nickt lächelnd. »Danke, Lucia.«

»Ich überlege noch, ob ich es gern gemacht habe«, erwidere ich grinsend und höre das Klingeln seines Handys.

Alejandro übergibt mir meinen Korb. »Ich hätte ihn dir auch bis nach Hause gebracht.«

»Danke, aber ich bin fast da und meine Mutter sieht es nicht so gern, wenn ich jemanden mitbringe.« Was für eine beschissene Lüge, Lucia! Am liebsten würde ich mir dafür auf die Zunge beißen. Um ehrlich zu sein, vermeide ich es, jemanden mit nach Hause zu bringen, weil mir Mamás Erkrankung manchmal unangenehm ist. Viele Menschen wissen nicht, dass Depressionen eine wirklich ernst zu nehmende Krankheit sind und tun es als Witz ab, doch in Mamás Fall ist es anders. Außerdem gleicht das Haus einem Schlachtfeld, weil ich nicht dazu komme, es von Grund auf zu reinigen. Nur die Küche halte ich penibel sauber, damit kein Ungeziefer ins Haus kommt.

»In Ordnung.« Er beugt sich vor und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Ich freue mich sehr auf unser Wiedersehen.« Mit diesen Worten lässt er mich stehen.

Verdutzt wegen des Kusses sehe ich ihm nach, anschließend fasse ich an meine linke Wange. Genau dort, wo mich seine Lippen getroffen haben, prickelt meine Haut. Ich seufze schwer. »Schlag ihn dir aus dem Kopf, Lucia«, tadle ich mich leise und mache mich daran, die Zielgerade nach Hause zu überwinden.

Als ich das Haus betrete, sitzt meine Mutter weder in der Küche, noch im Wohnzimmer. Sie ist weiterhin in ihrem Schlafzimmer und im Sitzen eingeschlafen. Leise stelle ich den Korb im Flur ab, trete näher und bringe sie vorsichtig in eine liegende Position. Ihre Tabletten machen sie müde, weshalb ich an meinen freien Tagen kaum etwas von meiner Mutter habe. Entweder schläft sie, oder ist kaum ansprechbar. Klare Momente hat sie immer seltener, was ich unheimlich traurig finde. Ich glaube, so richtig lebensfroh war sie zuletzt, als mein Vater noch bei uns war. Seither verfluche ich diesen Mann. Er hat mir meine glückliche Mamá genommen. Es wirkt beinahe so, als hätte er alle Lebensfreude aus ihr herausgesaugt und mit sich mitgenommen. Wann immer ich an ihn denke, überkommt mich die Wut, weil er uns verlassen hat. Ich hätte einen Vater gebraucht und Mamá einen liebenden Ehemann an ihrer Seite. Ich weiß, dass er die Liebe ihres Lebens war. Sie ist gebrochen, unglücklich und für mich ein mahnendes Beispiel, dass man sich niemals mit Leib und Seele verlieben sollte. Es würde schiefgehen und dann endet man als Wrack.

Das will ich mir nicht antun.

Die Trennung von Milo, den ich geliebt habe, hat mir wehgetan, das möchte ich nicht mehr erleben. Dabei war dieser Mann definitiv nicht meine große Liebe, dennoch habe ich mir danach Urlaub genommen und tagelang kaum das Bett verlassen, weil ich meine Wunden lecken musste. Allerdings hatte er mich bei unserer Trennung auch wüst beschimpft und gesagt, wenn er irgendeine Krankheit von dieser Beziehung davongetragen hätte, würde er mich anzeigen. Dieser Mann hat leider sein wahres Gesicht gezeigt, als Héctor ihm mitten auf der Straße offenbart hat, was ich beruflich mache.

Als Mamá endlich liegt und zugedeckt ist, bringe ich die Einkäufe in die Küche. Ich räume alles weg, anschließend schalte ich die Kaffeemaschine ein, denn ich kam noch nicht dazu, etwas zu frühstücken. Während ich am Tisch sitze und auf den Kaffee warte, greife ich nach den Zigaretten meiner Mutter und stecke mir eine an. Mit geschlossenen Augen inhaliere ich den ersten Zug so tief, bis meine Lungen vollständig mit dem blauen Dunst gefüllt sind, bevor ich ihn langsam wieder ausstoße.

Ich denke nach.

Über die letzte Nacht, Héctor, Milo und auch über Alejandro, der sich komischerweise hartnäckig in meinen Gedanken ausbreitet.

Wie ein Feuer, das einen ausgetrockneten Wald entflammt hat, berauscht sein Duft noch immer meine Sinne. Diese Note mit einer Mischung aus Sandelholz, Minze und ein wenig Moschus. Unverkennbar und so unglaublich männlich.

Dios mio, warum kriege ich diesen Kerl nicht aus meinem Kopf?

Ich weiß genau, dass er mich wie Milo verurteilen würde, weil ich meinen Körper verkaufe, um etwas zu essen im Kühlschrank zu haben. Bei ihm werde ich genauso wenig mit offenen Karten spielen können wie bei meinem Ex. Ich möchte einfach nicht noch einmal so heftig beschimpft werden, weil ich dem ältesten Gewerbe der Welt nachgehe. Es tut weh und ich will nicht mehr verletzt werden. Wenn Fremde mich beschimpfen, ist es mir egal. Alejandro ist ein Fremder, doch in seinem Fall ist es mir komischerweise nicht egal.

Warum bin ich denn nun so hin- und hergerissen?

Als die Kaffeemaschine endlich fertig ist, nehme ich mir einen Becher und fülle ihn mit dem braunen Gold. Dabei sehe ich, dass auf der Mikrowelle mehrere ungeöffnete Briefe für meine Mutter liegen. Ich seufze schwer. Da sie mir gesagt hat, dass ich mich um die Post kümmern soll, nehme ich die Umschläge mit an den Esstisch und lege sie vor mich. Vorsichtig reiße ich den ersten auf und hole den Brief heraus. Eilig lese ich ihn und atme erleichtert auf. Mahnungen können es nicht sein, denn ich kümmere mich darum, alles zu bezahlen. Nirgends habe ich Schulden gemacht, sondern einige zusätzliche Schichten geschoben, damit alle Rechnungen getilgt werden. Es handelt sich um die Einladung zu ihrem Jahrestreffen der Highschool, außerdem um Werbung.

Keine Mahnungen.

Gott sei Dank, denn in einem Moment hatte ich wirklich die Befürchtung, dass ich etwas vergessen haben könnte.

* * *

Als ich am Abend im Wohnzimmer sitze und ein wenig im Internet surfe, gibt mein Handy das vertraute Klingeln von sich, weil eine Nachricht eingegangen ist. Irritiert greife ich nach meinem Smartphone und sehe, dass mir jemand von einer Nummer geschrieben hat, die ich nicht gespeichert habe.

Guten Abend, Lucia, ich habe mich wirklich gefreut, dich heute kennenzulernen, und wollte fragen, ob du Lust hast, einen Cocktail trinken zu gehen? Gruß Alejandro

Ich hebe eine Augenbraue und atme tief durch.

Hallo, Alejandro, danke für die Einladung, aber heute nicht mehr. Ich bin müde und habe noch ziemlich viel zu tun. Vielleicht nächste Woche? Gruß Lucia

Ich lege das Smartphone wieder weg, um mich auf meinen Laptop zu konzentrieren. Ein Spiel auf Facebook hat es mir angetan und wann immer ich mich langweile, spiele ich es. Ätzend ist bloß, dass man immer nur einen begrenzten Energiewert hat, der mit jedem Klick sinkt. Innerhalb weniger Minuten hat man keine Energie mehr und muss entweder welche kaufen oder warten. Ich sollte dringend damit aufhören, dieses Minispiel zu spielen, es kostet mich viel zu viel Zeit, auch wenn ich gerade nichts Besseres zu tun habe.

Aber wer kennt das nicht?

Etwas blinkt bunt und das Frauenhirn schreit: Will ich haben oder muss ich ausprobieren.

Okay, vielleicht kennen es nicht viele, aber mein Kopf funktioniert manchmal sehr einfach. Wenn man ehrlich mit sich selbst ist, ist es nicht ganz so verletzend, als würde es jemand anders feststellen.

Wieder meldet sich mein Handy.

Schade, aber warum erst in der kommenden Woche? Können wir nicht am Wochenende miteinander ausgehen?

Ich seufze schwer. Der Mann ist wirklich penetrant, aber auch so verdammt sexy. Herrje, Lucia, komm klar, denke ich und verdrehe genervt von mir selbst die Augen.

Es tut mir leid, aber ich habe erst am Sonntag wieder frei und da muss ich mich um ein paar wichtige Dinge kümmern. Sobald ich weiß, wie meine Schichten in der kommenden Woche aussehen, melde ich mich, okay?

Hoffentlich schluckt er das, schießt es mir durch den Kopf.

Okay, aber vielleicht erlaubst du, dass ich mich hin und wieder mit einer Nachricht melde.

---ENDE DER LESEPROBE---