Lassiter 2518 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2518 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Sein rechtes Auge hatte Paul Faint bei der Schafschur eingebüßt. Er hatte mit dem Schermesser hinter dem Widder gestanden, die Klinge am Schleifstein gewetzt und war im Begriff gewesen, dem Bock das Messer anzusetzen. Er hatte "Auld Lang Syne" gepfiffen dabei, so gut er es eben konnte.
Dem Bock musste es missfallen haben. Das Biest hatte einen Satz nach vorn gemacht, die Hinterbeine ausgeworfen und dabei das Messer so unglücklich erwischt, dass es seinen Weg in Faints rechtes Auge fand.
Nun war er der Zyklop vom Sicily Lake und musste den Spott ertragen, genauso das falsche Mitleid der Weiber, die nicht einen Gedanken darauf verwandten, einen wie ihn zum Mann zu nehmen ...


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Seitenzahl: 131

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Vier Hufbreit bis zum Tod

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ertugrul Edirne / Becker-Illustrators

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0490-8

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Vier Hufbreitbis zum Tod

Sein rechtes Auge hatte Paul Faint bei der Schafschur eingebüßt. Er hatte mit dem Schermesser hinter dem Widder gestanden, die Klinge am Schleifstein gewetzt und war im Begriff gewesen, dem Bock das Messer anzusetzen. Er hatte »Auld Lang Syne« gepfiffen dabei, so gut er es eben konnte.

Dem Bock musste es missfallen haben. Das Biest hatte einen Satz nach vorn gemacht, die Hinterbeine ausgeworfen und dabei das Messer so unglücklich erwischt, dass es seinen Weg in Faints rechtes Auge fand.

Nun war er der Zyklop vom Sicily Lake und musste den Spott ertragen, genauso das falsche Mitleid der Weiber, die nicht einen Gedanken darauf verwandten, einen wie ihn zum Mann zu nehmen...

Über den schimmernden Sicily Lake hatte sich eine glutrote Abenddämmerung gesenkt, die jeden Grashalm zur flammenden Fackel und die flirrenden Insekten in umherstiebende Funken verwandelte. Die Hitze des Tages war zu matter Wärme geworden und breitete sich wie ein milder Schleier über die Ufer.

Die Liebenden genossen das Idyll.

Sie lagen Arm in Arm im hohen Gras, blickten zu den rotleuchtenden Wolken hinauf und versicherten einander stumm ihrer Zuneigung. Sie spürten in den Hälsen die süße Beklemmung, die jeden befiel, der von einem anderen Menschen verzaubert war.

»Nichts und niemand«, sagte Gabby Ramson und drückte ihrem Geliebten die Hand. »Nichts und niemand wird uns auseinanderbringen, Adam.«

Der junge Mann gab keine Erwiderung und summte stattdessen leise, als könnte er seine Gefühle auf diese Art besser zum Ausdruck bringen. Er drückte Gabbys Hand ebenfalls und wandte sich der hübschen Rothaarigen zu.

»Nichts und niemand«, wiederholte Gabby und schaute ihren Adam an. »Du musst mir versprechen, dass es dabei bleibt.«

Hätte Adam Kirshner zu diesem Zeitpunkt sein Wort gegeben, wäre er ein knappes Jahr darauf nicht nur tot, sondern auch noch ein Lügner gewesen. Er hätte Gabby als trauernde und obendrein getäuschte Witwe zurückgelassen.

»Solche Versprechen darf niemand geben«, sagte Adam und küsste Gabby sanft. Er richtete sich neben ihr auf und sah zum See hinüber. »In einem Jahr könnte ich tot sein. Oder ein anderes Unglück sucht uns heim.«

Bedrückt setzte sich Gabby ebenfalls auf und steckte ihr Haar hinter dem Kopf fest. Sie trug ein dünnes weißes Leinenkleid, wie sie es für die Hausarbeit brauchte. »Weshalb sagst du solche Sachen? Ist es nicht schon schwer genug?«

Sie hatten sich aus dem Haus von Gabbys Mutter buchstäblich herausschleichen müssen, um ein Stündchen allein am See zu sein. Die Tür hatte geknarrt und die Abtrünnigen beinahe verraten.

Gabbys Mutter jedoch schlief den Schlaf der Gerechten.

Kichernd und voll froher Gedanken waren sie hinunter zum Sicily Lake gelaufen, hatten über Rancher Paul Faint gescherzt, den alle wegen seines vernarbten Auges nur den Zyklopen nannten und der kürzlich Gabby einen Strauß Bergastern vorbeigebracht hatte.

»Ich sage solche Sachen nicht«, gab Adam zur Antwort. »Ich sage nur, wie es ist oder wie es sein könnte.«

Der strenge Ernst hatte Gabby an ihrem Angebeteten schon immer missfallen, doch sie war klug genug, sich davon nicht aufreiben zu lassen. Die Kirshners waren eine alteingesessene Entrepreneurs-Familie, in der es nicht üblich war, sich mit Halbheiten oder Zerstreuungen abzugeben. Solche Sitten bekam Gabby aus Adam nicht heraus.

»Du sagst dummes Zeug!«, neckte ihn Gabby und sprang auf. Sie lief zum Wasser hinunter und lupfte den Saum ihres Kleides. »Du vergeudest unsere wenige Zeit mit Trübsal.« Sie wirbelte zu ihm herum. »Du solltest wirklich lernen –«

»Gabby!«

Mit einem Satz war Adam auf den Beinen und deutete zum See hinüber. Auf dem Wasser trieb ein kleines Boot, in dem hin und wieder ein Ruderschlag zu erkennen war.

»Faint?«, flüsterte Gabby und lief ein Stück weiter ins Wasser. »Ist es schon wieder Faint?«

Der Rancher mit dem vernarbten Auge stellte ihnen seit Monaten nach. Er ruderte auf den See hinaus, sobald er Gabbys kupferrote Mähne erspähte, und blieb über Stunden im Boot sitzen. An manchen Tagen konnte Gabby ihn selbst in der Nacht ausmachen.

»Vermutlich«, sagte Adam und schaute über den See. »Er hat einen Narren an dir gefressen. Ich kenne in Virginia City keinen aufdringlicheren Kerl als ihn.«

Vor ein paar Wochen hatte ein Strauß Bergastern auf Gabbys Schwelle gelegen. Die Blumen waren säuberlich geschnitten und akkurat zusammengebunden gewesen. Sie hatten nach einem Duftwasser gerochen und waren mit einer Karte versehen gewesen.

Der Königin.

Mehr als diese beiden Worte hatte nicht auf dem Kärtchen gestanden, und Gabby hatte sich aus Furcht einen ganzen Tag lang im Haus eingeschlossen. Sie hatte nicht einmal Adam geöffnet, der am Abend gegen ihr Fenster gepocht hatte. Sie hatte Faint hinter jeder Ecke im Haus vermutet.

Das Blumenkärtchen hatten sie gemeinsam weggeworfen.

Obgleich Gabbys Mutter nichts von Adam und dessen Familie hielt, hatte sie ihre Tochter für diese Tat beglückwünscht. Sie hatte Adam flüchtig die Hand geschüttelt und gemurmelt, dass so viel Courage, so viel Courage, ja, dass die wichtig wäre.

»Komm uns Ufer!«, sagte Adam und fasste Gabby zärtlich bei der Hand. »Er muss dich nicht sehen. Er kann uns gestohlen bleiben.«

Offenkundig war Adam das Wortspiel entgangen, das er geäußert hatte, so ernst schaute er weiterhin drein. Er führte Gabby ans Lagerfeuer zurück, rodete einen Teil des Schilfs und behielt Faint im Auge. Das Paar sprach nie vom Zyklopen, wie es sich viele Stadtbewohner angewöhnt hatten.

»Er hat mich nicht gesehen«, beharrte Gabby trotzig. »Er fischt mit seinen zerschlissenen Netzen und ab und an junges Mädchen sein.« Sie umfing Adam mit beiden Armen. »Du Strolch wirst in seinem Alter nicht anders sein!«

Sie sanken küssend auf den Boden zurück und beschlossen, dass sie Faint nicht länger enttäuschen durften. Er mochte ein Sonderling und Wirrkopf sein, gehörte jedoch trotzdem zu den Leuten vom Forest Valley, wie man sich in dieser Gegend nannte.

»Denkst du noch an ihn?«, zog Adam Gabby auf und entblößte seine Zähne für ein Lächeln. Er hatte die gleichen weißen und makellosen Zähne wie sein Vater. »Du willst mich nur auf die Folter spannen. Du weißt, wie schlecht ich mich an mich halten kann, wenn du die Bluse ausziehst.«

Das Paar hatte es erst ein einziges Mal miteinander getrieben, und dieses Schäferstündchen war so rasch zu Ende gegangen, dass sich Gabby manchmal fragte, ob sie nicht geträumt hatte. Sie konnte sich etwas darauf einbilden, dass ihr der begehrteste Junggeselle der Stadt nachlief.

Jedenfalls sah Sandy Pittmeyer es so.

Die jüngste Pittmeyer-Tochter hatte herumerzählt, dass sie Gabby und Adam zusammen in einem Heuschober ertappt hätte. Der Reverend hatte vor Empörung getobt und Gabbys Mutter einbestellt. Er hatte ihr den halben Tag lang vorgerechnet, was es nach sich zog, in dieser Zeit ohne Ehemann zu sein.

»Was bildest du dir ein?«, schimpfte Gabby und schob Adam von sich. Sie lugte zum See hinüber. »Er wird irgendwann vor unserer Tür stehen und mir einen Antrag machen. Ich muss darauf vorbereitet sein.« Sie lächelte. »Ja, ich will! sage ich nur zu anderen Männern.«

Von diesen Worten an konnte Adam nicht mehr an sich halten. Er schlug Gabby das Kleid über die Hüften, knöpfte seine Hose auf und konnte sich gerade noch rechtzeitig in Stellung bringen.

Es wurde ein kurzer Akt.

Draußen auf dem See war ein Ruderschlag zu hören.

Vor der hellen dreistöckigen Fassade des Saint-Lucy's-Waisenhauses in Virginia City sprangen Hunderte Kinder umher. Sie liefen zu den beiden Einspännern, die am Tor gehalten hatten, lärmten und tanzten herum und verschwanden erst auf Geheiß von Reverend Thomas Eaton wieder im Haus.

Der Reverend wandte sich zum Konvent um und verspürte Stolz.

Er hatte in der vergangenen Woche fast vierzig Kinder aus den Minenbezirken aufgenommen, meist zerlumpte und schlecht genährte Geschöpfe, die inmitten von Schmutz und Unrat gelebt hatten. Er hatte sie von den Schwestern der Barmherzigkeit, die den Konvent betrieben, waschen und entlausen lassen und sie danach in einem offiziellen Begrüßungsakt willkommen geheißen.

»Mr. Eaton?«

Der Mann im Einspänner war groß gewachsen und hatte sandblonde Haare. Er sah Eaton aus seinen stahlblauen Augen an, als wäre er nicht sicher, ob er an den Richtigen geraten war.

»Mr. Lassiter?«, erwiderte Eaton und lächelte. »Ich hatte Sie bereits erwartet. Sie müssen einen langen Weg hinter sich haben.«

Das Hauptquartier der Brigade Sieben hatte dem Reverend einen Agenten geschickt, der für die bevorstehende Mission die nötige Erfahrung und Finesse mitbrachte. Er galt als härtester Mann der Geheimorganisation und war berüchtigt für sein unorthodoxes Vorgehen. Er war ein Kaliber, wie es Eaton für den Sicily Lake brauchte.

»Nichts über Gebühr«, brummte der Ankömmling und schaute am Konventsgebäude hinauf. »Sie haben ein wahres Schmuckstück hier im staubigen Nevada.«

Ohne Bedauern gab Eaton die Reserviertheit auf, die er sich für die erste Begegnung mit dem Brigade-Sieben-Mann zurechtgelegt hatte. Sie erschien ihm plötzlich eitel und unangebracht. »Den Konvent gibt es schon seit dem Bürgerkriegsende. Es ist das einzige Waisenhaus für die Minenkinder.«

Die Männer stiegen die lange Fronttreppe hinauf, die von einer steinernen Balustrade flankiert war. Sie kamen an zwei Mädchen von acht oder neun Jahren vorbei, die scheu grüßten und im Haus verschwanden.

»Vor einigen Jahren mussten wir zwei Schwestern auf Bettelmission schicken.« Eaton lächelte gequält. »Sie kamen mit über dreitausend Dollar zurück. Die Menschen haben oft ein größeres Herz, als man glaubt.«

Das Erdgeschoss roch nach frischem Brot und war angenehm hell. Es teilte sich in verschiedene Schulräume, einen Speisesaal, eine Waschstube, eine Küche und ein Lager für Speisen aller Art. Es war vom Geschrei einiger Kinder erfüllt, die jedoch augenblicklich verstummten, als sie Eaton bemerkten.

»Gehen wir ins Refektorium!«, schlug der Reverend vor und ging voraus. Er schloss eine zweiflüglige Tür auf und ließ seinen Gast vor ihm eintreten. »Früher nutzten die Schwestern diesen Raum. Er gehört zur Kapelle dort vorn. Wir sollten ungestört bleiben.«

Der Agent mit dem sandblonden Haar zog sich einen Stuhl heran, drehte die Lehne nach vorn und setzte sich breitbeinig darauf. Er schaute sich einen Augenblick im Refektorium um und kam sogleich auf den Auftrag zu sprechen.

»Sie sind auf Geheiß des Präsidenten in Nevada«, sagte Eaton und runzelte die Stirn. »Der Präsident ist ein guter Bekannter von Lew Kirshner, der einmal eine florierende Postkutschenlinie in dieser Gegend betrieben hat. Sie sollen auf Kirshners Sohn Adam achtgeben.«

»Kirshners Sohn?«, fragte Lassiter und beugte sich über die Lehne. »Was ist mit ihm? Ist er in Gefahr?«

Ehe sich Eaton zu einer Antwort entschloss, stand er auf und lief zum alten Weiheschrank hinüber. Er schloss den Schrank auf, griff hinein und holte ein prall gefülltes Kuvert mit einem Wachssiegel darauf hervor. »Die Brigade Sieben ist nicht erfreut über diesen Auftrag. Es scheint jedoch um mehr als eine Befindlichkeit des Präsidenten zu gehen.«

Das Kuvert war am Vortag mit einem Kurierreiter gekommen, der die strikte Anweisung befolgt hatte, das Kuvert einzig und allein Eaton auszuhändigen. Als Mittelsmann war der Reverend befugt, in den Umschlag zu sehen, doch er hatte es bis zu diesem Zeitpunkt nicht getan.

»Mir geht nur um die Pflicht«, sagte Lassiter und streckte die Hand nach dem Kuvert. »Falls der Präsident verlangt, dass wir Adam Kirshner schützen, stelle ich keine Fragen.«

Das Wachssiegel auf dem Kuvert brach mit einem leisen Knacken auseinander und rieselte zwischen Lassiters Fingern zu Boden. Der Briefumschlag enthielt einen Stapel Abschriften von Informantenberichten.

»Seit einiger Zeit gibt es Drohungen gegen Kirshner«, sagte Eaton und musterte sein Gegenüber. »Sie müssen dafür sorgen, dass ihm nichts zustößt. Er ist mit einem Mädchen verlobt, das am Sicily Lake wohnt. Sie können bei der Familie gewiss unterkommen.«

Gewissenhaft zog Lassiter zwei Berichte hervor und blätterte sie durch. Als er sie eine Weile studiert hatte, wandte er sich wieder an Eaton. »Ich will mich mit niemandem gemein machen, der Kirshner nahesteht. Ich muss anders an ihn herankommen.« Er sann eine Weile nach. »Womit er verdient er seine Dollars?«

»Oh«, sagte Eaton und lächelte vor sich hin. Er war überrascht von der Frage. »Ich fürchte, dass Ihnen dazu niemand etwas sagen wird. Die Kirshners waren und sind eine wohlhabende Familie.« Er hob die Brauen. »Kirshner muss nicht arbeiten.«

»Durch Faulheit machen sich die wenigsten Menschen Feinde.« Lassiter schob die Informantenberichte ins Kuvert zurück. »Er muss in seinem Leben irgendeiner Sache nachgehen, die andere verärgert. Sie kennen die Kirshners besser als ich.«

Solcherlei Fragen kümmerten Eaton gewöhnlich nicht. Er gab sich nicht mit den Kirshners dieser Welt ab, sondern mit den kleinen Salomons, Corkys, Davids und Spencers.

»Fällt Ihnen nichts ein?«, blieb Lassiter hartnäckig. »Irgendein Faible hat jeder Mensch.«

»Gewiss«, sagte Eaton und grübelte lange nach. »Kirshner will eine Postkutschenlinie wiedereröffnen, die sein Vater einst aufgegeben hat. Er hat eine Menge Land und alte Wechselstationen dafür erworben.« Er seufzte. »Es ist möglich, dass er damit jemanden gekränkt hat.«

Aus dem Foyer tönte Kindergeschrei herüber, und Eaton reute es einmal mehr, dass er die Verpflichtung für die Brigade Sieben unterschrieben hatte. Er mochte ein passabler Mittelsmann sein, doch sein Herz schlug für die Kinder.

»Schicken Sie mir alles zu Kirshners Landkäufen?«, fragte Lassiter. »No. 34 im International.«

Das International-Hotel an der Ecke von Union und C Street war vollgestopft mit Handelsreisenden, die Lassiter die letzte Kraft raubten. Die Männer in ihren ewiggleichen Anzügen hatten die Bar in einen Marktplatz verwandelt, auf dem gefeilscht und verhandelt wurde. Sie tranken hastig ihre Biergläser leer, schoben einander Kaufverträge zu und besiegelten ihre Deals mit lautem Gelächter.

Sie verkörperten den Niedergang des Westens.

Noch vor ein paar Jahren kam man nach Virginia City, um in den Bergen nach Gold zu graben oder sich an einer Frachtlinie zu versuchen. Man hauste in Zelten und Bretterverschlägen, wusch sich in einem Wasserlauf am Mount Davidson und sattelte morgens die Pferde, bevor es ins Tal ging.

Von alledem wussten die Geschäftemacher nichts.

Sie hockten auf ihren Stühlen, berieten einander über den Profit, der aus den Mining Corporations zu holen war, und vergaßen die unbezwingbare Natur, die jenseits der Stadtgrenzen lauerte. Sie waren jene Menschen, die Lassiter zu Aufträgen wie dem verhalfen, den er soeben von Thomas Eaton bekommen hatte.

»Bourbon?«, fragte eine sanfte Frauenstimme hinter dem Tresen. »Doppelt statt einfach?«

Die Stimme gehörte einer hübschen Blonden, die ihre schmalen Hände ineinander verschränkte und sich lächelnd über den Tresentisch beugte. Sie hatte ein üppiges Dekolleté und gab sich keine Mühe, es vor Lassiter zu verstecken.

»Doppelt«, sagte der Mann der Brigade Sieben und drehte sich zur Theke. »Sie kennen mich besser als ich mich selbst.«

Gleichgültig zuckte die Blondine mit den Schultern. »Bloße Gewohnheit, Mister. Sie müssen nur einen Monat im International arbeiten, um zu erfahren, was das Räderwerk dieser Welt antreibt.« Sie dämpfte verschwörerisch die Stimme. »Es ist die Gier.«

Das Bourbonglas war bis zum Rand gefüllt und schimmerte bernsteinfarben. Es stand vor Lassiter wie eine sündige Verheißung. »Ich hab genug, Ma'am. Ich muss morgen hinaus zu einem Kerl reiten.«

»Trinken Sie!«, ließ sich die Blonde nicht beirren. »Sie werden diesen Bourbon nicht bereuen.«

Geduldig wartete Lassiter ab, dass sich auch die Blondine ein Glas eingoss. Als sie ihm ihren Namen – Heather Bodine –nannte und ihm zuprostete, hob er seinen Drink ebenfalls.

»Auf die Liebe!«, meinte Heather und griente. »Aber nicht die Liebe der Turteltauben. Ich rede von ein paar Stündchen Liebe.«

»Sind Sie...?« Lassiter wollte die Sache nicht beim Namen nennen. »Sind Sie im International angestellt?«

Heather lachte laut und grob auf. »Sie halten mich für eine Hure? Für ein Freudenmädchen?« Sie goss sich einen zweiten Bourbon ein. »Ich bin nichts dergleichen.«

Am Nachbartisch drehten sich zwei Männer nach ihnen um. Sie stellten das Gespräch für eine Zeitlang ein und wechselten danach den Sitzplatz.