Lassiter 2523 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2523 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Über Jahrtausende hinweg gehörten die Berge mit all ihren Bodenschätzen der Wildnis. Doch nun dringen Goldsucher in die entlegenen Regionen Montanas vor und entreißen dem Boden den begehrten Reichtum. Siedlungen werden aus dem Boden gestampft, in denen das Recht des Stärkeren gilt, und die Sternträger stehen der ungezähmten Macht der Gier und des Ehrgeizes oft hilflos gegenüber.
Das Gold lockt nicht nur hart arbeitende Digger nach Painted Rock, sondern auch Banditen. Sie terrorisieren Goldschürfer, Siedler und Reisende. Kein Goldtransport und kaum eine Postkutsche erreichen unbehelligt ihr Ziel. Ausgerechnet in dieser Gegend verschwindet Gabriela De La Cruz spurlos. Die Tochter eines einflussreichen Senators ist mit einem Mann durchgebrannt, der ihren Eltern nicht willkommen ist. Ihr Vater, Kontaktmann der Brigade Sieben, bittet um Hilfe: Lassiter soll Gabriela finden und wohlbehalten nach Hause bringen.


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EPUB
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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Zu schön zum Sterben

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ertugrul Edirne / Becker-Illustrators

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0576-9

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Zu schön zum Sterben

»Holt den Schlachter!« Die Stimme ihres Vaters gellte über den Vorplatz. »Der Gaul kommt weg!«

Gabriela erschauerte, aber nicht wegen des bitterkalten Nordwindes, sondern weil sie wusste, dass alles Flehen vergebens sein würde.

Ihr Vater war unerbittlich wie die Winter hier in Montana. Seine Handlanger würden weder ihr Pferd verschonen noch den Mann, den sie liebte. Wenn sie das Blatt noch wenden wollte, blieb ihr nicht mehr viel Zeit...

»Es tut mir so leid, Nyx.« Gabriela lehnte ihre Stirn an die ihres Pferdes. »Ich habe nichts als Unheil über uns gebracht.«

Die Stute rieb sich zutraulich an ihrer Brust. Das schwarze Fell schimmerte im Licht der Stalllaterne wie kostbarer Samt. Nyx war kaum auf der Welt gewesen, als ihre Mutter auf der Koppel von Wölfen zerrissen worden war. Gabriela hatte sie von Hand aufgezogen. Alle vier Stunden war sie mit einer Flasche in den Stall gegangen, um sie zu füttern. Bei Tag und bei Nacht. Das Band zwischen ihnen war eng.

Und an diesem Abend sollte es für immer durchtrennt werden.

Gabrielas Tränen tropften auf das Fell ihres Pferdes.

Nyx schnaubte leise. Sie war zu einer prachtvollen Stute herangewachsen. Ihre langen Beine verrieten, dass sie eine schnelle und ausdauernde Läuferin war. Ein Tier, das viele begehrliche Blicke auf sich zog.

Nun sollte sie sterben, weil Gabriela einen Fehler gemacht hatte: Sie hatte die Gefahr unterschätzt.

Das werde ich mir nie verzeihen. Niemals...

Schwere Stiefeltritte polterten auf dem festgestampften Boden. Sporen klirrten. Senator Joseph De La Cruz strebte herein. Der Mittvierziger war ein schwerreicher Mann, der über reichlich Macht und Einfluss verfügte, und das sah man ihm auch an. Er betrat einen Raum, als würde er ihn erobern, sah sich mit festem Blick um und reckte das Kinn, als wollte er jeden Widerspruch im Voraus ersticken. Seine schwarzen Haare waren nach hinten gekämmt. Seine Haut war gegerbt von Wind und Sonne. Sein Hemd stammte von einem französischen Schneider. Dazu trug er braune Hosen und eine Lederweste, aus deren Tasche die goldene Kette einer Uhr ragte. Argwöhnisch ließ er den Blick durch den Stall schweifen. Dabei grub sich eine Kerbe zwischen seinen dunklen Augenbrauen ein. Seine Missbilligung war beinahe greifbar.

Unwillkürlich krümmte sich etwas in Gabriela.

Ihr Vater hielt stets die Fäden in der Hand. Es war undenkbar für ihn, die Kontrolle abzugeben. Wenn er gefragt wurde, erzählte er gern, dass er sein Vermögen mit seiner Ranch und harter Arbeit gemacht hatte, aber Gabriela wusste, dass das nur ein Teil der Wahrheit war. Den Löwenanteil seines Erfolges verdankte Joseph De La Cruz seiner Skrupellosigkeit. Er hatte sich nie gescheut, andere Rancher zu vertreiben, um an ihr Land zu kommen, oder beim Handeln einen Vorteil aus der Ahnungslosigkeit seines Gegenübers zu ziehen. Inzwischen gab ihm sein politischer Einfluss genau die Macht, die er sich immer erträumt hatte. Er hatte es nicht mehr nötig, sich die Hände schmutzig zu machen. Das überließ er nun anderen.

Nach außen war seine Weste blitzsauber.

Gabriela jedoch wusste, dass sich die Dunkelheit schon vor vielen Jahren in seinem Herzen ausgebreitet hatte.

Ihr Vater verschränkte die Arme vor der Brust und fasste Gabriela scharf in den Blick. »Ist er hier?«

»Wen meinst du, Vater?«

»Diesen Bastard, der dich verführt hat.«

Gabriela straffte sich, zeigte nicht, wie sehr die abfälligen Worte ihres Vaters sie trafen. Gino Morales war ein guter, warmherziger Mann. Leider auch ein Ranchhelfer ohne nennenswertes Vermögen und damit in den Augen ihres Vaters nicht der passende Gemahl für sie. Doch Gabriela liebte ihn von ganzem Herzen.

»Gino ist nicht hier.« Sondern weit, weit weg, fügte sie in Gedanken hinzu und hoffte, dass das auch tatsächlich zutraf, andernfalls war das Leben ihres Liebsten verwirkt. »Er hat nichts Unrechtes getan. Bitte, Vater, lass ihn ziehen.«

»Und Schwäche zeigen? Nein, das werde ich bestimmt nicht tun. Dieser Lump gehört bestraft. Er hat sich an dir vergriffen.«

»Das hat er nicht. Ich liebe ihn.«

»Liebe.« Ihr Vater schnaubte, als wäre das der größte Unsinn, von dem er jemals gehört hatte. »Meine Männer werden ihn jagen wie einen räudigen Kojoten. Und sie werden ihn lehren, in Zukunft seine dreckigen Finger von dir zu lassen.«

»Vater, bitte...«

»Vergiss diesen Halunken. Er ist keine einzige Träne wert, das glaube mir.«

»Gino ist ein guter Mensch.« Gabriela konnte ihr Zittern kaum noch verbergen. »Wir wollen heiraten.«

»Schlag dir das aus dem Kopf. Du wirst ihn niemals wiedersehen. Dafür werde ich sorgen.«

»Ich flehe dich an, verschone ihn. Und verschone Nyx.«

»Das kann ich nicht tun. Dieser Gaul wird geschlachtet. Je eher, umso besser.« Der Blick ihres Vaters wurde weicher. »Ich weiß, dass du an dem Vieh hängst, aber es gibt unzählige Pferde in unserem Land. Ich werde dir ein anderes, genauso prachtvolles Pferd kaufen. Das verspreche ich dir.«

»Ich will aber kein anderes Pferd. Ich möchte Nyx behalten.«

»Unmöglich. Das Risiko ist zu groß. Geh jetzt, Gabriela. Es wird Zeit. Du musst das nicht mit ansehen. Verlass den Stall.«

»Das kann ich nicht.« Sie stellte sich schützend vor ihr Pferd. Die Stute schien zu spüren, dass sich ein Unheil zusammenbraute, denn sie stampfte unruhig im Stroh. »Lass Nyx am Leben. Bitte. Sie hat das nicht mit Absicht getan.«

»Absicht oder nicht. Ich behalte kein Pferd, das meine Tochter abwirft. Das Mistvieh kommt weg.«

Gabriela spürte, wie ihre Stute ihr zutraulich von hinten den Kopf auf die Schulter legte. Sanft strich sie über das makellose schwarze Fell des Pferdes.

Warum nur war sie so leichtsinnig gewesen?

An diesem Morgen war sie ausgeritten. Mit einem der Handlanger ihres Vaters als Leibwächter. Allein durfte sie nicht hinaus. Am Waldrand hatte sie in einem unbeobachteten Moment die Gerte auf das Hinterteil ihres Pferdes geschlagen. Nyx sollte durchgehen. So war es mit Gino verabredet. Er wollte in der Nähe warten und sie retten. Damit wollte sie ihren Vater endlich für ihren Liebsten einnehmen.

Doch ihr Plan war gründlich schiefgegangen. Anstatt durchzugehen, war Nyx gestiegen und hatte sie abgeworfen!

Gabriela war mit dem Kopf gegen einen Baumstamm geprallt. Ihr war immer noch speiübel und sie hatte grässliches Kopfweh. Schwindlig war ihr auch, aber das ließ sie sich nicht anmerken, um die Lage für ihr Pferd nicht noch schlimmer zu machen.

Ihr Vater ließ sich jedoch nicht täuschen.

»Geh in dein Zimmer und leg dich hin«, sagte er in bestimmtem Ton.

Ihr Zimmer? Ihr Gefängnis, das traf es wohl eher.

Ein bitterer Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus.

Gino hatte von Anfang an Bedenken gegen ihren Plan gehabt, aber sie war davon überzeugt gewesen. Schon allein deshalb, weil sie keinen anderen mehr zur Hand hatte.

Doch sie war gescheitert. Nun sollten ihr Liebster und ihr Pferd sterben... Aber nicht, wenn es nach ihr ging!

Gabriela senkte den Kopf und lehnte die Stirn gegen die ihres Pferdes. »Lass mir noch etwas Zeit, um mich zu verabschieden, Vater«, bat sie leise. »Nyx war so viele Jahre ein Teil meines Lebens. Bitte, gib mir noch eine halbe Stunde mit ihr.«

Ihr Vater knirschte mit den Zähnen.

»Also schön. Du hast eine Viertelstunde. Danach verlässt du den Stall und gehst in dein Zimmer. Ohne Widerworte. Hast du das verstanden?«

»Ja, das habe ich.«

»Gut.« Ihr Vater strich ihr ungewohnt sanft übers Haar. Danach entfernten sich seine schweren Schritte und verklangen schließlich ganz.

Gabriela wartete noch ein paar Augenblicke ab, dann wirbelte sie herum.

Ja, sie war allein im Stall.

Jetzt war die beste und vermutlich auch letzte Gelegenheit, ihr Schicksal zu ändern.

Gabriela eilte zu der Box, in der ihr Sattel gelagert wurde. Dabei taumelte sie, weil der Boden plötzlich unter ihr zu wanken schien. Mühsam wuchtete sie den schweren Sattel auf den Rücken ihrer Stute und schnallte ihn fest. Nyx hielt still, als wüsste sie, dass jede Verzögerung ihr Ende besiegeln würde.

Eine grau gestromte Katze huschte heran und strich um Gabrielas Beine. Die junge Frau hatte sie einem fahrenden Händler abgekauft. Ein abgemagertes Bündel Fell war sie damals gewesen, kaum größer als eine Ratte. Viele Mäuse und Streicheleinheiten später war aus dem Winzling eine zutrauliche Katze geworden. Ihres stürmischen Temperaments wegen hatte Gabriela sie Miss Wirbelwind genannt. Im Lauf der Zeit war daraus kurz Windy geworden.

»Ich kann jetzt nicht mit dir spielen, Windy«, flüsterte Gabriela. »Ich muss die Ranch verlassen.«

Ihr Kätzchen schnurrte.

Gabriela füllte einen Lederbeutel mit Wasser. Den schob sie in eine Ledertasche und hing sich den Riemen quer um. Dann schwang sie sich in den Sattel.

Windy maunzte.

»Es tut mir leid, aber es ist unmöglich, dich mitzunehmen.«

Ihre Katze schien das anders zu sehen, denn sie sprang mit einem Satz direkt vor Gabriela in den Sattel!

»Du willst mich also wirklich begleiten? Nun, warum eigentlich nicht. Hier gibt es nichts Gutes mehr. Für keinen von uns.« Entschlossen öffnete Gabriela die Tasche noch einmal und setzte ihre Katze hinein. Dann nahm sie den Zügel und schnalzte mit der Zunge. »Lass uns hier verschwinden, Nyx.«

Die Stute schnaubte und setzte sich in Bewegung.

Kaum hatten sie das Stalltor hinter sich gebracht, drückte die junge Frau ihrem Pferd die Fersen in die Flanken.

»Lauf, Nyx! Zeig, was du kannst!«

Die Stute reagierte sofort. Sie machte sich lang und jagte über den Vorplatz auf den Trail, der von der Ranch wegführte. Wie ein Pfeil von der Sehne flog sie dahin, dem schwarzen Schatten eines Vogels gleich. Gabrielas Herz jubelte.

Jäh erklang hinter ihnen Gebrüll.

Ihre Flucht war bereits bemerkt worden! Ihr Vater würde nicht zögern, ihr mit seinen Handlangern zu folgen und alles zu tun, um sie zurückzuholen. Was ihr blühen würde, sollte er sie tatsächlich einholen, wollte sie sich lieber nicht vorstellen.

Sie hatte seinen Zorn schon früher zu spüren bekommen...

Unwillkürlich duckte sich Gabriela tiefer über den Rücken ihrer Stute, verschmolz förmlich mit ihr.

»Schneller, Nyx, schneller!«

Ihr Pferd verstand und nahm noch mehr Tempo auf. Gabriela wagte es nicht, sich nach ihren Verfolgern umzublicken, um nicht eine wertvolle Sekunde ihres Vorsprungs zu verlieren.

Der bitterkalte Nordwind schnitt in ihre Wangen wie unsichtbare Klingen. Die ersten Schneeflocken dieses Winters wirbelten vor ihren Augen. Ihre Sicht verschwamm. Gabriela klammerte sich an die Zügel, weil das Stechen in ihrem Kopf schlimmer wurde. Sie musste es ihrer Stute überlassen, den Weg zu finden.

Ich muss Gino finden und mit ihm fliehen, dachte sie bang. Sonst ist unser aller Leben verwirkt!

Der Winter kam zeitig in diesem Jahr.

Am frühen Morgen war die Luft kalt und schneidend gewesen. Im Verlauf des Tages hatten sich dunkelgraue Wolken am Himmel zusammengeschoben. Später war aus dem Wind ein Sturm geworden, der nun über die Berge fauchte wie eine hungrige Wildkatze und Bäume umknickte, als wären es Strohhalme! Dazu fiel der Schnee so dicht, dass ein Mann einen Arm ausstrecken und kaum seine Finger sehen konnte.

Lassiter hielt den Kopf gesenkt und stemmte sich gegen das wirbelnde Weiß, das ihn immer wieder umzureißen drohte. Der Trail vor ihm war längst schon nicht mehr erkennbar, deshalb führte er sein Pferd am Zügel. Der Pinto trottete ihm nach und schnaubte, wenn ihm der Schnee in die Nüstern geriet.

Im Flockenwirbel schien der Mann der Brigade Sieben ganz allein auf der Welt zu sein. Längst schon war die Kälte in seine Stiefel und unter seine Garderobe gekrochen. Schnee lastete auf seinem Hut, und er sank bei jedem Schritt bis zu den Knien ein und musste mühsam weiterstapfen.

Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, um sich zu orientieren.

War er nicht schon viel zu weit gelaufen? Er hätte längst eine Siedlung erreichen müssen. Vor ihm sollte eine Siedlung liegen, die so einsam in den Wäldern von Montana lag, dass sie nicht einmal einen Namen hatte. Ringsum gab es jedoch nichts als Schnee und die anbrechende Dunkelheit.

Hatte er sein Ziel verfehlt?

Nachts im Schneesturm weiterzugehen, konnte seinen sicheren Tod bedeuten. Wenn er nicht bald eine Ortschaft fand, würde er eine Schneehöhle als Unterschlupf für sein Pferd und sich selbst bauen. Darin würden sie es zwar nicht sonderlich bequem haben, aber immerhin die Nacht überstehen.

Lassiter hatte schon viele solcher Nächte hinter sich.

Eine halbe Stunde gehe ich weiter, entschied er. Wenn ich dann immer noch keine Siedlung erreicht habe, schlage ich hier draußen mein Lager auf.

Grimmig entschlossen stapfte er weiter.

Nach dem stundenlangen Marsch knurrte ihm der Magen. Sein Gesicht und seine Hände waren taub vor Kälte. An seiner Hutkrempe und in seinen Augenbrauen hafteten Eiszapfen.

Sein Ziel war die Ranch von Senator De La Cruz im Westen von Montana. Dorthin war es noch mindestens ein Tagesritt. Bei dem vielen Schnee vermutlich mehr.

Lassiter ritt seit vielen Jahren für eine geheime Organisation. Die Brigade Sieben schickte ihn immer dorthin, wo das Verbrechen wütete und sich örtliche Sternträger die Zähne ausbissen. Er hatte schon viele Outlaws hinter Gitter gebracht. Lassiter arbeitete für das Gesetz, jedoch ohne Stern und ohne Papiere. Und er ritt allein...

Vor ihm schimmerten mit einem Mal Lichter durch das wirbelnde Weiß. Die Siedlung! Er hatte es geschafft!

Lassiter nahm den Zügel fester.

»Komm, Großer«, murmelte er. »Das letzte Wegstück schaffen wir auch noch.«

Der Pinto schnaufte. Ob als Antwort oder weil er am Ende seiner Kräfte war, war schwer abzuschätzen. Womöglich war es ein wenig von beidem.

Blockhäuser und windschiefe Hütten säumten die einzige Straße des Ortes. Es roch nach Holzfeuern und Pferdemist. Gleich das erste Gebäude war ein Mietstall. Hier brachte Lassiter sein Pferd unter. Er gab dem Stallburschen einen Dollar extra, damit er seinen Pinto trockenrieb und ihm reichlich Futter gab. Das hatte sich sein Reittier redlich verdient.

Lassiter ließ sich den Weg zum Saloon beschreiben und stiefelte die Mainstreet hinunter. Er musste sich vorbeugen, weil ihm der Sturm entgegenwehte und ihn beinahe aus den Stiefeln pustete. Kaum atmen ließ ihn elende Sturm, und erkennen konnte er auch nichts. Nur Weiß. Die wenigen Yards zum Saloon wollten kein Ende nehmen.

Da! Vor ihm zeichneten sich die Umrisse des Saloons ab.

Einen Schwall Schnee mitbringend, strebte der große Mann durch die Schwingtür. Im Inneren des Lokals begrüßten ihn Wärme und der Duft von gebratenem Fleisch. Schlagartig meldete sein Magen mit einem vernehmlichen Knurren seine Rechte an.

Lassiter nahm seinen Stetson ab. Schnee wirbelte von dem Hut auf den Boden. Ein Tisch am Fenster war frei. Den steuerte er an und ließ sich nieder.

»Was darf's denn sein, Sir?« Ein kugelbäuchiger Salooner wieselte heran und stellte ungefragt einen Becher mit Kaffee vor Lassiter hin.

»Was können Sie mir heute denn empfehlen?«

»Steak und grüne Bohnen. Das ist wirklich gut, Sir.«

»Bringen Sie mir bitte eine Portion.« Lassiter setzte den Becher an die Lippen und trank. Der Kaffee war heiß und süß wie die Lippen einer feurigen Frau. »Und ich hätte auch gern noch mehr Kaffee.«

»Kommt sofort.« Der Salooner strebte davon, um die Bestellung weiterzugeben.

Lassiter streckte die Beine aus, genoss die Wärme des Ofens und ließ den Blick durch das Lokal wandern. Trotz oder gerade wegen des Wetters waren fast alle Tische besetzt. Da wurde gepokert, getrunken und geredet. Ein Pianospieler hieb in die Tasten und entlockte seinem Instrument eine passable Melodie.

Schräg gegenüber von Lassiter saß eine bildschöne Blondine mit vier Männern beisammen. Die Münzen und Spielkarten auf dem Tisch verrieten, dass hier eine Pokerrunde im Gange war.

Etwas an der Schönen zog Lassiters Blick auf sich.

Das dunkelgrüne Kleid der Frau war bis zum Hals geschlossen, aber der Stoff schmiegte sich atemberaubend eng um ihre Figur. Schlank war sie, aber an den Stellen üppig gerundet, die einem Mann gut gefielen. Ihr Anblick fesselte ihn.

Sie schien seinen Blick zu spüren, denn sie schaute in seine Richtung. Was sie sah, schien ihr zu gefallen, denn sie sandte ihm über den Rand ihrer Spielkarten hinweg ein Lächeln, das ihm unter die Haut ging. Ihre Lippen waren dunkelrot und voll und ließen ihn wünschen, sie auf seinem Körper zu spüren.

Überall.

Plötzlich waren Schnee und Kälte vergessen. Lassiter zupfte an seinem Beinkleid, das auf einmal mächtig spannte.

Die Blondine zwinkerte ihm zu, dann wandte sie sich wieder ihren Mitspielern zu.

Dafür kam der Salooner mit einem Tablett zurück und stellte einen Teller mit Steak und Bohnen vor Lassiter hin.

»Lassen Sie es sich schmecken, Sir«, wünschte er und strich die Münzen ein, die ihm der große Mann dankend hinlegte.

Lassiter ließ sich nicht zweimal bitten. Hungrig schaufelte er das Essen in sich hinein. Reichlich war es bemessen, aber nach dem stundenlangen Ritt und der Kälte leerte er den Teller im Handumdrehen.

Wenig später war er satt und aufgewärmt.

Gerade, als er erwog, sich als krönenden Abschluss ein Glas Whiskey zu bestellen, gab es am Nebentisch plötzlich Tumult.

»Sie spielen falsch, Sir!« Die Blondine ließ ihrer Anschuldigung sogleich Taten folgen: Sie sprang von ihrem Platz auf, nagelte den rechten Arm ihres Mitspielers mit der Hand auf der Tischplatte fest und zog ihm vor aller Augen mehrere Spielkarten aus dem Ärmel!

Wutschnaubend stieß der Falschspieler ihr seine Faust vor die Brust, dass sie rückwärts taumelte und auf den Bretterboden fiel! Er kümmerte sich nicht weiter um sie, raffte die Dollarscheine und Münzen vom Tisch, wirbelte herum und rannte auf und davon!

So aber nicht, Freundchen!

Lassiter strebte zu der Blonden hinüber und streckte ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen.

»Ist Ihnen etwas passiert, Miss?«

»Das nicht, aber dieser falschspielende Halunke hat sich mit meinem Gewinn aus dem Staub gemacht!«