Law of Love – Für immer mit dir - J.T. Sheridan - E-Book
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Law of Love – Für immer mit dir E-Book

J.T. Sheridan

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Beschreibung

Seit drei Jahren arbeitet Sarah als Anwältin in der Londoner Kanzlei "Black & Chase". Obwohl ihr die Arbeit Spaß macht und sie sich richtig reinhängt, blieb der große Karrieresprung bisher aus. Das ändert sich, als Rorik Stone in der Kanzlei auftaucht.

Der Multi-Millionär möchte gleich mehrere Immobilien in London kaufen, und Sarah erhält das Beratungsmandat. Sie stürzt sich in die Arbeit und versucht sich nicht von dem attraktiven Amerikaner ablenken zu lassen. Doch mehr und mehr fühlt sie sich zu Rorik hingezogen, der so unnahbar, stolz und arrogant wirkt. Dabei weiß sie doch genau, dass sie sich niemals auf einen Mandanten einlassen darf ...

Die neue prickelnde Anwalts-Romance von der Autorin der erfolgreichen Legal-Love-Reihe.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

1. Sarah

2. Stone

3. Sarah

4. Stone

5. Sarah

6. Stone

7. Sarah

8. Sarah

9. Stone

10. Sarah

11. Sarah

12. Sarah

13. Stone

14. Sarah

15. Stone

16. Sarah

17. Sarah

18. Stone

19. Sarah

20. Sarah

21. Stone

22. Sarah

23. Stone

24. Sarah

25. Stone

26. Sarah

27. Stone

28. Sarah

Epilog

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Sarah arbeitet bereits seit drei Jahren als Anwältin in der Londoner Kanzlei »Black & Chase«. Obwohl ihr die Arbeit Spaß macht und sie sich richtig reinhängt, blieb der große Karrieresprung bisher aus. Das ändert sich, als man ihr ein besonderes Mandat überträgt.

Der Millionär Rorik Stone möchte mehrere Immobilien in London kaufen, und Sarah ist als Fachanwältin für Immobilienrecht genau die richtige für das Beratungsmandat. Doch während sie versucht, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, fühlt sie sich immer mehr zu dem Mann hingezogen, der so unnahbar und stolz wirkt. Dabei weiß sie doch genau, dass sie sich nicht aufeinander einlassen dürfen ...

J.T. Sheridan

Für immer mit dir

1. Sarah

Das Display meines Handys leuchtete auf und erinnerte mich daran, auf dem Heimweg Brot und Käse einzukaufen. Der Feierabend befand sich allerdings noch in weiter Ferne.

Ich war erst zur Hälfte mit dem Grundbuchauszug durch, den mir der Big Boss zur Prüfung anvertraut hatte. Mr Holden hatte angedeutet, dass er bis spätestens einundzwanzig Uhr eine Beurteilung dazu vorliegen haben wollte, was bedeutete, dass ich mir den Feierabend-Drink mit meinen Kolleginnen abschminken konnte.

Eine Haarsträhne fiel mir ins Gesicht, und ich schob sie hinter mein Ohr. Dieses Kribbeln in meinen Fingern, wenn ich die Seiten durchblätterte, war es wert, auch mal auf den traditionellen Drink zum Start ins Wochenende zu verzichten. Ich war hier an einer großen Sache dran, das war mir schon in dem Moment bewusst gewesen, als Mr Holden persönlich von der Chefetage herunter in mein kleines bescheidenes Büro kam.

Der mehrseitige Grundbuchauszug gehörte zu einem kombinierten Geschäfts- und Wohnhaus. Parallel zu den Papierunterlagen betrachtete ich das Objekt im Internet. Wichtig waren mir natürlich die exakte Lage und der mögliche Immobilienwert. Außerdem fand ich einige Bilder von dem Gebäude, die mich stutzig machten.

»Klopf, klopf.«

Überrascht sah ich auf. Meine Kollegin Gillian stand schmunzelnd in der offenen Tür, die Arme vor der hellblauen Bluse verschränkt. »Sieht aus, als würdest du uns heute nicht begleiten, Sarah.«

»Spezialauftrag vom Chef«, erklärte ich und hob den Stapel Papiere in die Luft.

»Oje, benötigst du Hilfe?« Sie machte bereits einen Schritt in mein Büro.

Aber ich wollte ihr nicht ihre Zeit stehlen. Sie hatte diese Woche ebenfalls schon einige Überstunden gemacht und sich den pünktlichen Feierabend am Freitag mehr als verdient.

»Nein, alles in Ordnung. Ich schaffe das schon. Danke für das Angebot.« Ich legte den Papierstapel sorgfältig auf die Tischplatte zurück. »Aber trink gerne einen Baileys auf Eis für mich mit.«

»Dass du diesen klebrigen Kram überhaupt runterbekommst.«

Ich hob meine Kaffeetasse. »Hey, ich stehe zu meiner Sucht nach Süßem.«

Gill rückte ihre Brille zurecht und seufzte. »Vielleicht kommst du später einfach noch nach?«

»Werde mein Bestes geben.«

»Super, bis später dann.«

Gillian Hobbs und ich hatten damals zur selben Zeit bei Black & Chase angefangen. Deswegen verband uns eine besondere Freundschaft. Es war nicht einfach, sich in einer großen Kanzlei wie dieser zu behaupten, und so hatten wir ein Bündnis geschlossen und uns gegenseitig geholfen, wo es ging. Aus diesem Bündnis war eine Freundschaft erwachsen.

Und auch wenn sie mittlerweile im Familienrecht arbeitete und mein Fachgebiet das Immobilienrecht war, halfen wir uns in Krisenzeiten immer noch gegenseitig aus. Jeden Freitag gönnten wir uns zusammen mit anderen Kolleginnen und Kollegen einen Drink im »Sunshine Pub«.

Nachdenklich hob ich die Tasse an meine Lippen und merkte, dass der Inhalt längst kalt war. Ein Blick auf meine Armbanduhr offenbarte, dass ich auch besser keinen Kaffee mehr trinken sollte, um später noch irgendwann einschlafen zu können.

Andererseits lag bereits ein langer Tag hinter mir, wenn ich also nicht riskieren wollte, dass mein Kopf auf den Tisch knallte und mich Mr Holden im Tiefschlaf vorfand, wäre eine Extraportion Koffein gar nicht verkehrt.

Ich schnappte mir meine Tasse und ging in die Teeküche am anderen Ende des Gangs. Einige der Büros, an denen ich vorbeikam, waren bereits leer, die Lichter ausgeschaltet und die darin Arbeitenden in den Feierabend gegangen. In anderen aber wurden Überstunden geschoben.

Sie alle hofften auf den großen Karrieresprung. Genau wie ich. Nur reichten manchmal Fleiß und Ehrgeiz nicht aus, um die Leiter nach oben zu steigen. Dazu gehörte auch eine große Portion Glück: das richtige Mandat zur rechten Zeit. Der gute Eindruck, den man beim Big Boss hinterlässt. Ganz besonders brauchte es diese Eigenschaft, die Gill und ich den »Glow« nannten. Man musste die anderen überstrahlen, den Kanzleipartnern auffallen, sodass man nicht mehr eine Anwältin oder ein Anwalt von vielen war.

Leider fehlte mir dieser Glow. In den letzten drei Jahren hatte ich echt mein Bestes gegeben. Ich war immer eingesprungen, hatte niemals Nein gesagt. Auf meinem Stundenkonto tummelten sich so viele Überstunden, dass ich einen Monat hätte freinehmen können.

Aber mehr als eine Zimmerpflanze zum Geburtstag und eine Karte zu Weihnachten nebst kleinem Obolus waren bisher für mich nicht drin gewesen.

In den letzten Wochen hatte ich mich tatsächlich gefragt, ob es nicht Zeit war, weiterzuziehen. Womöglich wäre ich in einer kleineren Kanzlei besser aufgehoben. Aber dann besann ich mich. Ich war nicht der Typ, der leicht aufgab. Beharrlichkeit und Geduld waren meine besten Eigenschaften.

Mein Dad sagte immer, dass ich das von meiner Mum geerbt hatte. Aber meine Mutter war schon gestorben, als ich erst zehn Jahre alt war. Sie war Sängerin an der Oper gewesen. Papa war einer der Bühnenbildner. So hatten sie sich kennen- und lieben gelernt.

Das Gesangstalent hatte ich jedenfalls nicht von ihr geerbt. Meine Stimme und Gesang passten so gut zusammen wie Backfisch zum Dessert.

Nachdem ich mir einen Kaffee mit drei Würfeln Zucker und einem Hauch Milch eingeschenkt hatte, kehrte ich zurück in mein kleines Büro. Das Fenster zeigte leider nicht in Richtung Themse. Ich hatte lediglich einen Blick auf das gegenüberliegende Bürogebäude mit seiner spiegelnden Fassade. Seufzend ließ ich mich auf meinen Bürostuhl fallen, der quietschend protestierte.

Wenn ich endlich die ersehnte Beförderung zur Senior Associate ergatterte, würde ich ein Büro mit einer besseren Aussicht in einem höheren Stockwerk erhalten. Was Hierarchien anging, war Black & Chase tatsächlich eher traditionell, egal, wie modern die Büroräume und die Ausstattung auch wirkten.

Ich klickte die Bilder durch, die ich im Internet zu dem Objekt des Grundbuchauszuges gefunden hatte. Mein Job war es, die vom Makler zur Verfügung gestellten Unterlagen rechtlich auf Herz und Nieren zu prüfen. Ein späterer Mangel am Objekt oder dem Grundstück war nach Abschluss eines Kaufvertrages nur schwer geltend zu machen und war meist mit langen Rechtsstreitigkeiten verbunden. Deswegen erhielten wir die Immobilienunterlagen, um sie schon vor Aufsetzen des Vertrages zu prüfen. Die eigentliche Arbeit, nämlich das Aushandeln des Kaufvertrages, kam später.

Nachdem ich zwei Schlucke Kaffee getrunken hatte, zoomte ich eines der Bilder des Objektes heran.

»Komisch.« Ich schaute mir noch mal die Größenangaben im Grundbuchauszug und die Grundstücksbezeichnung an. Auf den Bildern waren mehrere Balkone sowie eine große Terrasse zu sehen, die zu einem Restaurant gehörte. Die Terrasse grenzte genau an das Nebengrundstück, was den Bildern nach zu urteilen eine Lagerhalle beherbergte. Die Bilder stimmten nicht mit dem Grundriss des Grundstücks überein. Die Balkone sahen ebenfalls ziemlich neu aus. Sie waren jedenfalls jünger als das Sandsteingebäude, das aus dem neunzehnten Jahrhundert stammte.

Erneut blätterte ich die Unterlagen durch. Aber die Baugenehmigung für die Anbringung der modernen Balkone konnte ich nirgendwo finden, genauso wenig wie die für die Terrasse. Entweder waren die Unterlagen unvollständig, was dem Immobilienmakler anzulasten war ... oder es gab überhaupt keine Baugenehmigung, und der potenzielle neue Besitzer des Gebäudes durfte sich in Zukunft mit der Baubehörde herumschlagen.

Ich öffnete an meinem Computer ein neues Dokument und begann, die entsprechenden Anmerkungen einzutippen.

Keine Ahnung, wie lange ich schrieb.

Als ich fertig war, schmerzte mein Nacken, und ich lockerte mit kreisenden Bewegungen die Schultern. Der Kaffee war längst kalt. Zehn Seiten hatte ich im Flow zustande gebracht. Begonnen hatte ich mit einer Zusammenfassung der Daten des Grundstücks, also der genauen Lage, dem Baujahr des Gebäudes und so weiter. Dann hatte ich die im Grundbuch eingetragenen Lasten aufgezählt, bevor ich meine eigenen Anmerkungen zur Baugenehmigung erörterte. Mein Fazit war, dass vor dem Kauf der Immobilie unbedingt weitere Unterlagen vorliegen mussten und ich ansonsten von einem Kauf abraten würde.

Nachdem ich das Gutachten durchgelesen und Schreibfehler korrigiert hatte, speicherte ich es nochmals ab und öffnete das Mailprogramm. Mit ein paar Sätzen an unseren Big Boss übersandte ich ihm mein Gutachten.

Die Uhr an meinem Computer zeigte 22:47 Uhr. Seufzend ließ ich mich auf meinem Bürostuhl zurücksinken. Ich hatte über eine Stunde länger gebraucht, als Holden mir vorgegeben hatte. Aber ich hoffte, Mr Holden würde angesichts des Umfanges des Gutachtens ein Auge zudrücken.

Gähnend schaltete ich den Computer aus und brachte meine Tasse in die Teeküche. Um zu den Mädels in den Pub zu stoßen, war ich zu erledigt. Ich sehnte mich nur noch nach einer Tasse Tee mit Schuss und meinem warmen weichen Bett.

An der Garderobe holte ich meinen Trenchcoat, wünschte unserem Abendsekretär ein schönes Wochenende und schritt zu den Aufzügen, um auf den Knopf zu drücken.

Das Telefon am Empfang klingelte. Es war nicht ungewöhnlich, dass zu dieser späten Stunde Mandanten anriefen. Als international tätige Kanzlei gab es immer irgendwen auf der Welt, der gerade wach war und ein dringendes Anliegen besprechen musste. Deswegen beschäftigte Black & Chase eine ganze Horde an Abend- und Wochenendpersonal.

Die Aufzugtür öffnete sich, und ich machte einen Schritt nach vorn.

»Ms Davies!«

Mit der Hand hielt ich die Tür davon ab, sich wieder zu schließen und mich dabei zu zerdrücken. »Ja?«

»Mr Holden möchte Sie sehen.«

»Der Boss?« Meine Frage klang, als hätten wir noch einen anderen Mr Holden in der Kanzlei.

»Ja, es ist dringend.«

Stimmte etwas mit meinem Gutachten nicht? Ich hatte doch auf »Senden« gedrückt, oder etwa nicht?

Der Aufzug gab einen protestierenden Ton von sich, und ich kam zur Besinnung. »Okay, bin auf dem Weg«, rief ich in Julians Richtung und betrat den Fahrstuhl ganz.

Sobald sich die Türen geschlossen hatten, atmete ich tief durch und drückte auf den Knopf neben der Zahl dreiundzwanzig. Meine Handflächen fühlten sich schwitzig an. Ich rieb sie unauffällig am Rock ab. Wann immer ich Mr Holden gegenübertrat, fühlte ich mich wie eine junge Studentin, nicht wie eine ausgewachsene Anwältin. Er hatte diese autoritäre Ausstrahlung. Dabei war er immer ruhig und gefasst. Aber gerade mit dieser Ruhe und dem festen Blick wirkte er einschüchternder als jeder cholerische Mensch.

Mit einem »Bing« öffneten sich die Türen auf der Chefetage. Ich räusperte den Kloß in meiner Kehle fort, hielt den Griff meiner Handtasche fest umklammert und betrat den dunkel marmorierten Boden.

Selbst unsere Etage war modern eingerichtet mit vielen Glas- und Metallelementen. Hier oben aber schien alles zu glänzen und zu schimmern.

Die persönliche Assistentin meines Chefs nickte mir freundlich lächelnd zu. »Guten Abend, Ms Davies. Mr Holden erwartet sie bereits.« Es hätte den Hinweis gar nicht gebraucht, denn durch die Glastür hatte mich der Boss bereits entdeckt.

»Danke, Ms Oliver.«

Kaum hatte ich sein Büro betreten, erhob er sich und schloss hinter mir die Tür. Was er mir zu sagen hatte, schien nicht für die Ohren seiner Assistentin bestimmt zu sein. Das war ungewöhnlich. Soweit ich wusste, arbeitete Ms Oliver bereits seit Jahrzehnten für Mr Holden und genoss sein vollstes Vertrauen.

»Schön, dass ich Sie noch vor Ihrem wohlverdienten Feierabend erwischen konnte.« Seine Stimme war dunkel und angenehm. »Setzen Sie sich doch.«

»Danke. Ist alles in Ordnung mit meinem Gutachten? Sie haben es doch erhalten, nicht wahr?« Ich setzte mich auf einen der Besucherstühle, während der Boss um seinen Schreibtisch herumging und sich auf seinem Drehstuhl niederließ. Hinter ihm befand sich ein Panoramafenster, das einen fantastischen Blick auf das nächtliche London bot.

»Mit Ihrem Gutachten ist alles bestens. Was der Anbieter der Immobilie wohl anders sehen wird. Aber keine Sorge, wir werden nicht ihn vertreten. Das Gutachten erfolgt im Auftrag eines Interessenten.«

Mr Holden musste mein erschrockenes Gesicht gesehen haben. Erleichtert atmete ich aus. »Wir können weitere Informationen zu dem Objekt einholen«, schlug ich vor, »um ein ausführlicheres Gutachten zu erstellen. Meine Anmerkungen gelten für die Unterlagen, die uns vorliegen. Es bedeutet nicht, dass es nicht doch eine Baugenehmigung für die Anbauten gibt.«

Mr Holden nickte bedächtig, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und betrachtete mich nachdenklich.

Manche Kollegin behauptete, er habe eine gewisse Ähnlichkeit mit Robert Redford in jüngeren Jahren. Ich fand eher, er hatte etwas von einem gut gealterten Brad Pitt. Aber da bestand wohl nicht so ein großer Unterschied.

»Ms Davies, ich vertraue ganz und gar auf Ihr Urteil. Deswegen habe ich einen weiteren Auftrag für Sie. Es mag ungewöhnlich klingen, aber könnten Sie Ihr Gutachten zu dem Interessenten bringen?«

Nervös spielte ich mit dem Silberring an meinem Zeigefinger und streichelte mit dem Daumen über den kleinen Saphir in Sternenform, der darin eingelassen war. Ein Erbstück meiner Mutter.

»Ist er ein Mandant von uns?«

»Noch nicht. Aber Ihr Gutachten könnte dazu beitragen, dass er es wird. Ich würde das Überbringen selbst übernehmen. Doch in fünfzehn Minuten erwarte ich einen Anruf aus Chicago.«

Ich schluckte. »Das Gutachten soll jetzt gleich überbracht werden?«

»Normalerweise könnte ein Bote damit beauftragt werden, doch in Anbetracht der späten Uhrzeit und der Dringlichkeit der Aufgabe ... Nur falls Sie nichts vorhaben. Es ist immerhin Freitagabend. Vermutlich haben Sie eine Verabredung. Ich werde Ms Oliver darum bitten, einen Eilboten zu beauftragen.« Mr Holden griff bereits nach dem Hörer, doch der Ton in seiner Stimme hatte mir vermittelt, dass er den Vorschlag eher rhetorisch meinte. Er hatte immerhin ziemlich deutlich gemacht, wie wichtig ihm dieses mögliche Mandat war.

Ich hob die Hand. »Nein, ich übernehme die Aufgabe. Ich hatte ohnehin nichts vor, außer, es mir auf dem Sofa gemütlich zu machen und durch die Fernsehprogramme zu zappen.«

Der Boss schmunzelte und lehnte sich zurück. »Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann.«

»Wohin soll ich die Unterlagen bringen?«

Er griff nach einem Klebezettel und notierte eine Adresse. Stirnrunzelnd versuchte ich, diese zuzuordnen. »Covent Garden?«

»Richtig. In der Kunstgalerie LIGHTness findet heute Abend eine Charity-Veranstaltung statt. Unser potenzieller Mandant hält sich dort auf und wartet auf unsere Nachricht. Das Gutachten muss ihm bis spätestens Mitternacht vorliegen.«

Ich schaute auf meine Armbanduhr. Noch eine Stunde. Das sollte zu schaffen sein, sofern ich direkt ein Taxi erwischte und der Verkehr es zuließ. Eine Info fehlte mir allerdings noch. »Wie heißt mein Ansprechpartner?«

»Es ist der potenzielle Mandant selbst: Rorik Stone.« Er schaute mich mit hochgezogenen Brauen an, als müssten bei mir nun sämtliche Glocken von Westminster läuten.

Der Name klang wie das Pseudonym eines Möchtegernrockstars. Ich räusperte mich dezent. »Rorik Stone, okay, das ist eingängig. Kann ich mir merken.«

Mr Holden lachte leise. »Er ist ein Millionär aus den USA. Die Kanzlei wäre hocherfreut, ihn als neuen Mandanten begrüßen zu dürfen.« Er klappte eine Ledermappe zusammen, in der sich zuoberst ein Ausdruck meines Gutachtens befand, was ich sofort an dem von mir erstellten Deckblatt erkannte.

»Verstehe.« Ich nickte und nahm die Unterlagen entgegen, die er mir zuschob.

»Danke, Ms Davies. Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet.«

Ich lächelte erfreut und erhob mich. »Dann sehen wir uns am Montag?«

»Haben Sie ein gutes Wochenende.«

»Danke, Mr Holden, das wünsche ich Ihnen ebenfalls.«

Das Glück war mir nicht hold. Das erste Taxi wurde mir von einem angetrunkenen Kerl in zerknittertem Businessanzug weggeschnappt, der den Start ins Wochenende wohl etwas zu heftig angegangen war. Danach fing es auch noch an zu nieseln. Ich schlug den Kragen meines Trenchcoats hoch und steckte die Ledermappe in meine Handtasche.

Geschlagene zehn Minuten später saß ich endlich in einem der schwarzen Londoner Gefährte und nannte dem Fahrer die Zieladresse. »Bitte beeilen Sie sich«, fügte ich hinzu. »Ich muss bis Mitternacht dort sein.«

»Wie Cinderella?«, erwiderte der Fahrer schmunzelnd und fädelte sich in den Verkehr ein.

»Ja, so ähnlich.«

Während der Fahrt überlegte ich, ob ich den Namen unseres Auftraggebers nicht schon einmal gehört hatte. Rorik Stone. Womöglich hatte ich in den Nachrichten von ihm gelesen. Ein weiterer Millionär, der in Londons Immobilienwelt investieren wollte. Das konnte wirklich ein großartiges Mandat für uns werden, wenn er uns damit beauftragte, die Kaufverträge auszuhandeln.

Immer wieder schaute ich auf die Uhr. Es war zwanzig vor zwölf, als das Taxi schließlich vor einem hell erleuchteten Gebäude hielt. Durch die breite Fensterfront sah ich, dass die Galerie trotz der späten Uhrzeit gut gefüllt war. Das Event war also noch in vollem Gange.

Nachdem ich den Fahrer bezahlt hatte und ausgestiegen war, huschte ich zum Eingang der Galerie, um nicht noch nasser zu werden.

Ein Security-Mitarbeiter musterte mich kritisch. »Guten Abend, Ms, haben Sie eine Einladung?«

Ich klammerte meine Handtasche an mich, als könnte sie mir Halt und Schutz spenden. »Nein, ich bin auf der Suche nach Rorik Stone.«

Nun wurde der Blick des breitschultrigen Kerls noch strenger. »Madam, ich kann Sie nicht reinlassen.«

»Es ist dringend«, sagte ich, wobei meine Stimme in meinen Ohren viel zu hoch klang. Diese ganze Situation war neu für mich. Auf diesem Event hielten sich die Reichen der Reichen auf. In der Liga hatte ich noch nie mitgespielt. Doch ich besann mich darauf, dass ich schon unangenehmere Gegebenheiten gemeistert hatte. »Ich habe wichtige Unterlagen für Mr Stone.«

»Sie sehen aus, als wären Sie von der Presse. Ich kann Sie nicht reinlassen ohne Einladung.«

Vorsichtig schielte ich an dem Typen vorbei. Schick gekleidete Menschen in Abendkleidern und Smokings tummelten sich zwischen den Kunstwerken. Wenn ich doch nur wüsste, wie Rorik Stone aussah.

»Hören Sie, ich bleibe brav hier stehen. Aber könnten Sie Mr Stone bitte sagen, dass ich hier bin?«

Der Mann hob eine Braue. »Und wer sind Sie bitte?«

Ich kramte in meiner Handtasche und brachte eine Visitenkarte zum Vorschein. »Sarah Davies.« Außerdem stand der Name unserer Kanzlei darauf.

Mr Security hielt die Karte etwas weiter von sich, um sie zu lesen. Eine Brille wäre sicher hilfreich gewesen, aber das hätte den Gesamteindruck des bulligen Sicherheitswachmanns wohl geschmälert.

Dann seufzte er und winkte eine Kellnerin herbei. Er flüsterte ihr ein paar Worte zu und legte die Karte auf ihr Tablett zwischen die gefüllten Champagnergläser.

Sie betrachtete mich genauso kritisch, nickte dann aber und verschwand zwischen den Gästen.

Innerlich jubelte ich und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihren Weg zu verfolgen.

»Sie warten hier«, erinnerte mich der Türsteher.

»Natürlich.« Ich ließ mich auf die Ballen zurücksinken und presste fest die Lippen aufeinander. Es war in der Galerie ziemlich warm, und ich öffnete die Knöpfe meines Trenchcoats. Mir rannte allmählich die Zeit davon. Ich stand mit dem Typen sicher schon fünf Minuten hier.

Schließlich kehrte die Kellnerin zurück. »Bitte folgen Sie mir.«

Triumphierend grinste ich den Wachmann an und trat an ihm vorbei.

Ich spürte die neugierigen Blicke der noblen Gäste, während ich die Frau durch die Galerie begleitete. Nervös zupfte ich an meinem karierten Rock. Selten hatte ich mich so underdressed gefühlt wie in diesem Moment. Zwischen den schillernden Menschen wirkte ich wie ein Nachtfalter unter Schmetterlingen.

Die Kellnerin brachte mich zu einem Mann, der den Rücken zu uns gewandt hatte und ein deckenhohes Gemälde betrachtete. Er trug einen schwarzen Smoking, soweit ich das von hinten sehen konnte, der jedoch ziemlich genau auf seinen Körper zugeschnitten war, denn er betonte seine breiten Schultern und die Taille. Sein blondes Haar trug er zu einem strengen Dutt gebunden.

»Mr Stone, Ms Davies«, erklärte die junge Frau und huschte davon.

Der blonde Mann drehte sich langsam um und musterte mich aufmerksam aus blauen Augen, deren Farbe dem Meer der Antarktis glich. Sein Teint hingegen wirkte wie von der Sonne geküsst. Sein markantes Kinn war von einem gepflegten Dreitagebart bedeckt. Er hielt meine Visitenkarte in der rechten Hand, in der anderen befand sich ein Tumbler mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit.

Ihm gegenüber fühlte ich mich für einen Moment zerbrechlich und schwach. Räuspernd richtete ich mich zu voller Größe auf. Ich reichte immer noch lediglich bis zu seiner Schulter.

»Mr Stone, ich habe Ihre Unterlagen dabei. So, wie Sie es gewünscht haben.«

Er steckte langsam die Visitenkarte in die Brusttasche seines Jacketts. »Gerade noch rechtzeitig«, sprach er mit einer Stimme, die mir einen wohligen Schauer verursachte. Der Typ sah nicht nur gut aus, er hatte auch noch eine sexy Stimme.

Rasch holte ich die Ledermappe aus meiner übergroßen Handtasche und reichte sie ihm. »Mit besten Grüßen von Mr Holden.«

Er zog eine Braue hoch, trank den Rest seines Drinks und stellte das Glas auf einer Säule ab, die eine nackte Frauenbüste trug. Dann nahm er die Mappe entgegen und öffnete sie. Sein Gesicht wirkte ernst, während er die Seiten durchblätterte, irgendwie auch unnahbar. Schließlich entfuhr ihm ein grollend hervorgebrachtes »Verdammt!«. Er warf einen Blick auf seine Smart Watch, dann auf mich. »Ich muss dringend telefonieren.«

»Sicher. Ich ... wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.« Ich wollte mich abwenden, doch er berührte mich kurz am Ellbogen.

»Nein, kommen Sie mit mir.« Er warf mir einen Blick über die Schulter zu. »Bitte.« Das »Bitte« kam zwar verspätet, aber zeitig genug, sodass seine Aufforderung nicht wie ein Befehl klang.

Ich hatte Mühe, mit seinen ausgreifenden Schritten mitzuhalten. Die anderen Gäste machten ihm automatisch Platz, sodass es zu keinen Zusammenstößen kam. Erneut richteten sich die Blicke in unsere Richtung, diesmal galten sie aber eindeutig Mr Stone.

Währenddessen telefonierte er kurz, und als uns der Security-Mitarbeiter die Tür öffnete, wartete bereits ein schwarzer Rolls Royce auf uns. Die Fahrerin trug einen schwarzen Anzug mit Schlips. Sie lächelte freundlich, als wir herauskamen und öffnete die Beifahrertür hinten. Ihr silber gefärbtes Haar stand im Gegensatz zu ihrem jungen Gesicht.

»Danke, Elizabeth.« Mr Stone trat zur Seite und bedeutete mir mit einer Handbewegung einzusteigen.

»Ähm, das ist nicht nötig, ich nehme ein Taxi.«

»Für die Mühe, sich mitten in der Nacht durch London zu quälen, bin ich es Ihnen zumindest schuldig, Sie nach Hause zu fahren.«

Er wollte mich nach Hause fahren? Das war sicher nur ein höfliches Angebot, das ich besser ablehnte.

Sein Gesicht war ernst. Er meinte es also wirklich so. Außerdem wandelte sich der Nieselregen gerade in einen heftigen Schauer. Nach einem kurzen Blick zur Chauffeurin begab ich mich auf die Rückbank.

Das Innere war luxuriös ausgestattet, natürlich mit Ledersitzen, aber auch mit einer Minibar. Der Millionär stieg nach mir ein und nahm auf einem der beiden gegenüberliegenden Sitze Platz, sodass er nun rückwärts zur Fahrtrichtung saß. Die Fahrerin schloss die Tür hinter uns und eilte hinter das Lenkrad.

»Meine Güte, das ist bestes Londoner Wetter, nicht wahr?« Ihr Cockney-Akzent war unüberhörbar.

Der Millionär grinste schief. »Allerdings, Elizabeth.«

»Zu welcher Adresse darf ich fahren?«

Nach einem kurzen Moment der Stille bemerkte ich, dass mich die Frau über den Rückspiegel ansah, während ihr Chef mit den Unterlagen beschäftigt war, die ich ihm überreicht hatte. Also nannte ich ihr meine Adresse, und sie startete den Motor.

Mr Stone schüttelte den Kopf über irgendetwas, was er in den Papieren gelesen hatte und schnappte sich erneut sein Handy. Während er darauf wartete, dass sein Telefonpartner antwortete, verhärtete sich seine Mine. Meine Güte, für diese Kinnlinie hätte sich mancher Hollywoodstar unters Messer gelegt.

Schnell wandte ich den Blick ab, bevor ich mir noch anmerken ließ, dass ich ihn anschmachtete. Es war schon peinlich genug, dass ich mit ihm in einem Luxusschlitten saß und mich nach Hause fahren ließ.

2. Stone

Erst nach dem fünften Tuten ging Thompson an sein Handy. »Hallo?«

Ich konnte den Groll, der sich in meiner Mitte gesammelt hatte, gerade noch beherrschen, um nicht ins Telefon zu brüllen. »Stone hier. Hören Sie, Mr Thompson, Sie können den Deal vergessen. Das Exposé, das Sie mir überlassen haben, war absoluter Mist.« Ich wandte den Blick zur Decke, während ich mir anhörte, was der Typ zu sagen hatte. Aber eigentlich war mir seine Erklärung auch egal. Er hatte mich betrogen, und das war alles, was zählte.

»Nein, ich habe kein Interesse mehr an dem Objekt. Vergessen Sie es einfach, okay? ... Nein, Sie brauchen mich nicht zu kontaktieren ... Nein!« Schon hatte ich aufgelegt und warf das Handy auf den freien Sessel neben mir. Mein Blick fiel auf die Kanzleiangestellte, die das Gespräch natürlich mitbekommen hatte. »Sie kennen nicht zufällig eine gute Immobilienfirma?«

»Meine Kanzlei kann Ihnen gerne passende Kontakte zukommen lassen«, antwortete sie mit einem Ton in der Stimme, der alles andere als zuvorkommend wirkte. War sie etwa genervt?

Irgendwie amüsierte mich ihre Antwort. »Das denke ich mir.« Dann rutschte ich zur Minibar und nahm eine Halbliterflasche Wasser heraus. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Wir haben auch Champagner, Scotch ...«

»Ähm, nein, danke.«

»Lehnen Sie jedes freundliche Angebot erst einmal ab?«

»Nein.« Sie hielt meinem Blick unbeirrt stand.

Ich lehnte mich zurück und sah aus dem Fenster ins nächtliche London. »Holden entlohnt Sie hoffentlich angemessen für die Überstunden. Er hätte doch auch einen Boten schicken können.«

»Keine Sorge, Mr Stone. Ich war ohnehin auf dem Heimweg, und es bedeutete keine Umstände.«

Ich nickte nachdenklich. »Wissen Sie, ich hätte diese Immobilie fast gekauft. Aber ich hatte auch ein merkwürdiges Gefühl dabei. Ich konnte es nur nicht zuordnen. Ihre Kanzlei hat mir einen Haufen Ärger und finanzielle Einbußen erspart.«

»Freut mich, dass wir Ihnen dienlich sein konnten.« Nun zeigte sie zum ersten Mal ein leichtes Lächeln.

So ganz konnte ich die Engländerin noch nicht einschätzen. Als ich mich in der Galerie zu ihr umgedreht hatte, war sie mir im ersten Augenblick wie eine zarte, zerbrechliche Person vorgekommen. Doch dann hatte sie meinem Blick jederzeit standgehalten, was nicht viele Menschen schafften. In ihren Augen, die zugegebenermaßen in einer faszinierenden Mischung aus Grün und Blau schimmerten, lag außerdem ein gewisser Stolz. Nein, eine zerbrechliche Person war sie ganz sicher nicht, mochte sie mir auch nur knapp bis zur Schulter reichen.

Ich wandte den Blick ab, wieder hinaus ins verregnete London.

»Mist«, hörte ich plötzlich aus ihrer Richtung.

»Wie bitte?«

»Ich habe nur gerade bemerkt, dass ich etwas vergessen habe.« Sie rutschte auf der Bank nach vorn und wandte sich an Elizabeth. »Verzeihen Sie, könnten Sie mich vielleicht an einer anderen Adresse rauslassen? Ich muss noch etwas einkaufen.«

Ich hatte mich wohl verhört. »Zu so später Stunde?«

»Ich kenne einen Shop, der rund um die Uhr geöffnet hat«, erklärte Ms Davies unbekümmert.

Mochte sie auch selbstbewusst und eigenständig sein, ich würde ganz sicher nicht zulassen, sie mitten in der Nacht in einer Großstadt allein einkaufen zu lassen. »Elizabeth«, rief ich nach vorn. »Wir werden einen kleinen Umweg einlegen.«

»Das ist wirklich nicht notwendig«, wandte Ms Davies ein. Schon wieder hatte sie ein freundlich gemeintes Angebot abgelehnt.

»Ich bestehe darauf.«

Es war dunkel, es war nass, ich hatte keine Ahnung, wo sie wohnte. Vielleicht war es eine nette Gegend, vielleicht aber auch nicht. Außerdem war ich es ihr gewissermaßen schuldig. Sie war gerade noch rechtzeitig gekommen, damit ich den Deal absagen konnte. Sie war meine Retterin, und so konnte ich mich revanchieren.

»Also gut.« Sie nannte Elizabeth die Adresse, und ich schaffte es, mich ein wenig zu entspannen.

Die Fahrt dauerte eine Weile, und ich fragte mich, ob sie überhaupt in London wohnte und nicht in Oxford oder sonst wo. Sie schien damit zufrieden, aus dem Fenster zu sehen. Das Schweigen zwischen uns war nicht unangenehm. Im Gegenteil. Ms Davies strahlte eine Ruhe aus, die sehr entspannend wirkte. Und obwohl ich die Stille genoss, wurde ich neugierig. Wer war Sarah Davies? Warum schickte Holden ausgerechnet sie mitten in der Nacht?

»Arbeiten Sie schon lange für Mr Holden?«, fragte ich, bevor ich weiter darüber nachdenken konnte.

»Seit bald drei Jahren.«

»Sind sie zufrieden dort?«

Sie lachte leise, was mein Herz kurz stolpern ließ. Ihr Lachen war entzückend.

»Wenn ich nicht zufrieden wäre, hätte ich längst die Kanzlei gewechselt.«

Touché. »Und London? Leben Sie schon lange hier? Ihr Akzent klingt nicht typisch nach London.«

Jetzt lachte sie nochmals. »Mr Stone, London ist sehr vielfältig. Elizabeth, Ihre Chauffeurin, könnte man anhand ihres Cockney-Dialekts durchaus als waschechte Londonerin identifizieren. Aber nur weil ich einen anderen Akzent habe, heißt das nicht, dass ich nicht hier geboren bin.«

Da hatte sie natürlich recht, und ich hätte mich für den Blödsinn selbst ohrfeigen können. Aber ich wollte wirklich gern mehr über Ms Davies erfahren. »Verzeihung.«

»Schon in Ordnung.« Sie zeigte ein verschmitztes Lächeln. »Im Grunde stimmt es sogar irgendwie. Ich bin zwar in London geboren, aber mein Vater kommt aus Wales, und wir haben viel Zeit bei der Familie meines Vaters verbracht, als ich noch ein Kind war. Also hat sich wohl der ein oder andere walisische Ton bei mir eingeschlichen.« Sie legte den Kopf leicht schief. »Und Sie? Aus welchem Bundesstaat kommen Sie?«

»Kalifornien. Geboren und aufgewachsen in L.A.« Ich trank einen Schluck Wasser und fragte mich, was sie wohl schon über mich gelesen hatte. Sie war mir gegenüber im Vorteil, wenn sie sich im Internet über mich informiert hatte. Aber was dort stand, waren nur Oberflächlichkeiten. »Mein Urgroßvater kam aus England«, sagte ich schließlich. »Zumindest wurde das so in der Familie erzählt.«

Sie nickte, dann schaute sie wieder aus dem Fenster. »Oh, sehen Sie, wir überqueren gerade die Themse.«

Es hatte aufgehört zu regnen, und die Straßenlaternen spiegelten sich auf der Oberfläche des Flusses. Wir schwiegen eine Weile, bis wir einen schier endlos wirkenden Park passierten.

Ich hatte jede Orientierung verloren. »In welchem Stadtteil sind wir hier?«

»Richmond. Sie haben wohl noch nicht viel von London gesehen?«

»Nein, nicht wirklich. Meine Termine haben es bisher nicht zugelassen.« Dabei hätte ich liebend gern ein wenig Zeit aufgebracht, um die üblichen Sightseeing Spots abzuklappern: Spaziergang an der Themse, Besuch des Towers, Selfies vor Big Ben ... Nun, vielleicht würde ich in ein paar Wochen die Zeit dafür finden.

Elizabeth lenkte den Wagen in eine schmale Straße und hielt vor einem kleinen hell erleuchteten Laden.

»Es dauert nicht lange«, versprach Ms Davies und löste den Anschnallgurt.

»Warten Sie, ich komme mit.« Ich stellte die Wasserflasche zurück und rückte nach vorn, um ebenfalls auszusteigen.

»Ich bin durchaus in der Lage, allein einkaufen zu gehen.« Sie klang weniger echauffiert als amüsiert.

»Natürlich. Aber mir ist eingefallen, dass ich Zahnpasta und Duschgel brauche. Oder wollen Sie für mich mit einkaufen?«

Sie kicherte. »Nein, lieber nicht.«

Ich folgte ihr in das aufgeräumte und ordentliche Innere des Geschäftes. Für einen Supermarkt war das ein ziemlich kleiner Laden. Ein älterer Herr mit Halbglatze begrüßte sie freundlich.

»Guten Abend, Sarah. Hast du heute deinen Freund mitgebracht?« Der Herr kannte Ms Davies, also ging sie hier öfter einkaufen.

»Guten Abend, Mr Jackson. Das ist Mr Stone, und nein, er ist nicht mein Freund, aber ein ... Bekannter. Er benötigt Zahnpasta und Duschgel.«

Der ältere Mann begrüßte ihn freundlich. »Schauen Sie gleich da vorn im Regal links. Wir haben eine kleine, aber feine Auswahl der gängigsten Marken.«

Ich dankte ihm und ging in die angewiesene Richtung. Meine Mum hätte mir die Leviten gelesen, wenn sie erfahren hätte, dass ich nicht die Bioprodukte kaufte, die sie vertrieb. Aber sie war zum Glück nicht hier. Also griff ich nach einer beliebigen Zahncreme mit Minzgeschmack und einem Duschgel, das nach der Arktis benannt war. Wobei ich mich fragte, wie die Arktis wohl riechen mochte. Eis war geruchlos, oder etwa nicht?

Als ich mich umdrehte, um zur Kasse zu gehen, prallte ich gegen Sarah Davies. Instinktiv legte ich einen Arm um ihre Schultern, damit sie nicht umfiel.

»Himmel noch mal.« Sie stützte sich an meiner Brust ab. Dann sah sie auf, und für einen Moment verfingen sich unsere Blicke.

Ihre Augen waren nicht nur blau und grün, er entdeckte auch Grau und Türkis darin. Ich war von ihrem Blick gefangen.

Sie war es, die den Abstand suchte, und sie nahm ihre Hand von meinem Hemd. »Die Gänge sind etwas eng«, murmelte sie und lächelte.

Ich musste mich räuspern, um meine Stimme wiederzufinden. »Stimmt.«

Ihre Sachen waren bei dem Zusammenstoß auf den Boden gefallen. Ich bückte mich, hob das Päckchen Brot und den Cheddar auf und reichte sie ihr.

»Zum Glück keine Eier«, scherzte ich.

Sie presste fest die Lippen aufeinander. »Mhmhm«, machte sie und wandte sich von mir ab.

An der Kasse hielt sie noch ein kleines Schwätzchen mit dem Verkäufer und erkundigte sich nach dessen Tochter, die wohl Ärztin in einem Krankenhaus war.

»Richte Ben beste Grüße aus«, bat der ältere Herr noch.

Ein warmes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, was mich zum Nachdenken brachte.

»Werde ich machen. Danke, Mr Jackson.«

Ich zahlte und bedankte mich ebenfalls bei dem netten älteren Herrn.

Es gab also einen Ben in ihrem Leben. Ich hatte keinen Ehering an ihrem Finger gesehen, nur diesen Silberring an ihrem Zeigefinger. Womöglich hatte der eine tiefere Bedeutung. Aber, verdammt, warum machte ich mir überhaupt Gedanken darüber? Sie war nur eine Kanzleiangestellte, die mir aus der Patsche geholfen hatte. Wir würden einander höchstens noch auf den Fluren von Black & Chase begegnen.

Elizabeth hielt uns die Tür auf, damit wir einsteigen konnten. Ich hatte ihr schon öfter erklärt, dass sie das nicht zu machen brauchte. Doch sie hatte nur gezwinkert und gemeint, das sei im Service inbegriffen.

Das Zuhause von Ms Davies war eines dieser kleinen schmalen Häuser, das sich Seite an Seite mit anderen Häuschen in eine enge Straße mit Kopfsteinpflaster schmiegte. Im Erdgeschoss brannte noch Licht, das durch Spitzenvorhänge nach draußen fiel.

»Sie werden erwartet«, sagte ich möglichst unverfänglich.

Sie zögerte kurz und senkte den Blick. Dann trat wieder dieses warme Lächeln auf ihr Gesicht, und sie sah mich direkt an. »Ja, das werde ich. Vielen Dank für die Fahrt nach Hause, das war sehr freundlich. Danke auch an Sie, Ms ...?«

»Elizabeth reicht vollkommen. Es war mir ein Vergnügen, Ms Davies.«

»Wenn Elizabeth reicht, dann reicht auch Sarah.« Die beiden Engländerinnen schienen direkt einen Draht zueinander gefunden zu haben.

Ich nickte der Kanzleiangestellten nachdenklich zu. »Danke nochmals für Ihren Einsatz.« Gott, das hörte sich so gestelzt an. Wieso brachte ich keine normale Verabschiedung zustande?

»Es ist mein Job.« Ms Davies hob die Schultern und verließ die Limousine. »Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.«

»Vielen Dank.«

Ich wartete noch, dass Ms Davies das Innere ihres Häuschens betrat, dann lehnte ich mich auf dem Sitz zurück.

»Wohin darf ich Sie nun fahren?«, fragte meine Chauffeurin.

»Einfach nur zu meinem Appartement.« Ich gähnte herzhaft. »War ein verdammt langer Tag.«

»Das stimmt.«

»Nehmen Sie sich das Wochenende frei.«

»Ganz sicher, dass Sie mich nicht brauchen?«

»Ganz sicher.« Notfalls würde ich mir ein Taxi rufen.

Während der nächtlichen Fahrt zurück ins Innere Londons bekam ich Sarah Davies nicht aus dem Kopf. Der Moment, als ich den Arm um sie gelegt hatte, um sie abzustützen, hatte all meine Beschützerinstinkte geweckt. Dabei wäre das gar nicht notwendig gewesen. Sie schien sehr gut auf sich aufpassen zu können. Außerdem war sie nicht allein.

Ich musste sie aus dem Kopf bekommen. Nun, jetzt hatte ich ein ganzes Wochenende dafür Zeit.

3. Sarah

Leise schloss ich die Tür hinter mir, legte meine Tasche auf der weißen Kommode ab, streifte die Ballerinas von meinen Füßen und hängte den Trenchcoat auf den antiken Ständer, den wir erst kürzlich auf einem Trödelmarkt ergattert hatten.

Im Wohnzimmer gleich zur Linken des schmalen Flurs brannte Licht. Schmunzelnd blieb ich in der Tür stehen und betrachtete den schlafenden Mann auf dem dunkelroten Sofa.

Auf seiner Brust lag ein aufgeschlagener Thriller, eine halbe Tasse Tee stand noch auf dem Beistelltisch. Wenigstens trug er bereits seinen Pyjama.

Leise tapste ich zu ihm, nahm die bunte Häkeldecke von der Sofalehne und breitete sie über den Schlafenden aus. Dann ging ich in die Knie und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.

»Dad, ich bin jetzt daheim.«

Er reagierte mit einem Blinzeln und einem leichten Lächeln. »Bin wohl eingeschlummert.«

»Möchtest du nicht nach oben gehen?«

»Hmm?«, gab er von sich, wurde aber nicht wirklich wach.

Das Sofa war ziemlich breit und gemütlich. Also ließ ich meinen Vater weiterschlafen und schlich mich aus dem Wohnzimmer, wobei ich das Licht löschte.

Egal, wie erwachsen ich war, wie erfolgreich im Job, Dad würde stets auf mich warten. Genau wie ich auf ihn. Wir passten aufeinander auf, so wie wir es schon immer getan hatten.

Hungrig ging ich in die schmale Küche. Auf dem kleinen Tisch, der gerade einmal zwei Personen Platz bot, stand ein Gedeck bereit, und auf dem Teller klebte ein Zettel.

»Lasagne ist im Ofen. Hab dich lieb, Dad.«

Ich gab eine ordentliche Portion auf meinen Teller und schenkte mir ein Glas Rotwein ein. Nachdem ich meinen Hunger mit Dads köstlicher Lasagne gestillt hatte, füllte ich mein Glas auf und nahm es mit nach oben in mein Zimmer.

Einst hatten die Wände Pink getragen und waren mit Postern von Boybands und Filmstars plakatiert gewesen. Heute waren Taubenblau und Weiß die vorherrschenden Farben, und über dem Bett hingen gerahmte Postkarten und ein Kunstdruck mit Gänseblümchen und Vergissmeinnicht, den Lieblingsblumen meiner verstorbenen Mutter.

Ich stellte das Weinglas auf dem Nachttisch ab, schlüpfte in ein XL-Shirt, das ich am liebsten zum Schlafen trug und kuschelte mich in mein Bett.

Was für ein Tag! Was für ein Abend!