Leben nach dem Tod - Dinesh D'Souza - E-Book

Leben nach dem Tod E-Book

Dinesh D'Souza

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  • Herausgeber: Arkana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

Gute Gründe für den Glauben an Gott und das Jenseits

Ist der Tod das Ende? Ist es vernünftig, an ein Jenseits zu glauben? Und wenn ja, welche Konsequenzen hat dieser Glaube für uns? Diesen Fragen, die die Menschen seit Jahrhunderten beschäftigen, geht Dinesh D’Souza in bisher nie dagewesener Weise nach. Er verlässt sich weder auf göttliche Offenbarung noch auf religiöse Glaubenserlebnisse oder heilige Texte, sondern nähert sich dem Thema mit Logik, Wissenschaft und außerordentlicher Gelehrsamkeit. Auf der Basis neuester Erkenntnis der Wissenschaft, Philosophie und Psychologie zeigt D’Souza, warum die atheistische Kritik an Gottes- und Jenseitsvorstellungen irrational ist – und warum es als Konsequenz daraus rational ist, an das Leben nach dem Tod zu glauben. Denn nicht zuletzt verleiht der Glaube an das Jenseits dem Leben Sinn und Tiefe, und ist zugleich ein Weg zum Glück und ein Grund zur Hoffnung.

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Seitenzahl: 408

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Für Pete Marsh,Visionär, Mentor und Freund

Inhaltsverzeichnis

WidmungVorwortKapitel 1 - Tun wir nicht mehr so, als obKapitel 2 - Marktschreier des UnglaubensKapitel 3 - Eine universelle SehnsuchtKapitel 4 - GrenzgängeKapitel 5 - Die Physik der UnsterblichkeitKapitel 6 - Unbestreitbare TeleologieKapitel 7 - Das spirituelle GehirnKapitel 8 - Das immaterielle SelbstKapitel 9 - Nicht von dieser WeltKapitel 10 - Der unparteiische BeobachterKapitel 11 - Gut für die GesellschaftKapitel 12 - Gut für uns selbstKapitel 13 - Unvergängliches LebenDankAnmerkungenRegisterCopyright

Vorwort

Wer hat sich nicht schon einmal gefragt: »Was passiert eigentlich nach dem Tod?«? Es wäre unvernünftig, ja geradezu töricht, wenn man in seinem ganzen Leben nie über diese Frage nachdächte und sich nicht auf ein Ereignis vorzubereiten versuchte, von dem wir alle wissen, dass es unvermeidlich ist. Immerhin liegt die Sterblichkeit auf Erden bei hundert Prozent!

Dieses Buch meines Freundes Dinesh D’Souza ist eine brillante Untersuchung der faszinierenden und bedeutsamen Frage, was passiert, wenn wir sterben. Seine Forschung basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und vernunftorientierten Überlegungen, und sie gibt uns eine überzeugende Antwort, deren Auswirkungen brisant sind.

Vielfach hört man, wir seien zum Leben erst bereit, wenn wir uns auf das Sterben vorbereitet hätten. Die Wahrheiten in diesem Buch sind daher nicht einfach dazu gedacht, uns möglichst gut für die Ewigkeit zu präparieren; sie sind vielmehr die Grundlagen, auf denen wir ein sinnvolles Dasein im Hier und Jetzt aufbauen können.

In meinem Buch Leben mit Vision1 habe ich auf die biblische Lehre hingewiesen, dass unsere Zeit auf Erden im Wesentlichen eine Vorbereitung auf die Ewigkeit ist. Wir sind dazu geschaffen, unvergänglich zu sein, und dieses Leben ist nur eine Runde zum Aufwärmen, sozusagen eine Kostümprobe für das eigentliche Schauspiel in der Ewigkeit. Wenn wir das erst einmal wirklich verstanden haben, verändert diese Einsicht alles und beeinflusst nachhaltig unsere Entscheidungen, Werte, Beziehungen, Ziele und die Art und Weise, wie wir mit unserer Zeit und unseren Ressourcen umgehen. Wir ordnen unsere Prioritäten neu und legen fortan mehr Wert auf das, was dauerhaft und wichtig ist, statt auf Vergängliches, das letzten Endes doch nicht zählt.

Und wo können wir die Wahrheit über das Leben nach dem Tod erfahren? Wir sind vor die Alternative gestellt: Spekulation oder Offenbarung. Seit jeher haben Philosophen darüber gemutmaßt, aber auch die klügsten Köpfe können nur raten. Deshalb ist es besser, das zu entdecken, was Gott in der Heiligen Schrift offenbart hat. Natürlich erleben wir heute das Aufkommen eines atheistischen Säkularismus, der jegliche Offenbarung leugnet. Aber die Einwände der sogenannten »neuen Atheisten« sind in Wirklichkeit gar nicht neu, sondern werden schon seit Jahrhunderten von den verschiedensten Wissenschaftlern, Philosophen, Mathematikern und Theologen vorgebracht. Leider lesen die meisten Menschen nicht die Ausführungen der klassischen Apologetik und halten die Argumente der Atheisten daher gutgläubig für neu und unabweisbar.

Deshalb ist dieses Buch so wichtig. Es entlarvt klar und unverblümt die Irrtümer, die heute oft unhinterfragt akzeptiert werden. Diese kulturelle Naivität hat gewaltige Folgen. Wenn wir nicht mehr haben als dieses Leben, dann gibt es keine Basis für Sinn, Hoffnung, Bestimmung oder Bedeutung. Alles in unserem Dasein wäre bestenfalls Zufall oder Schicksal, schlimmstenfalls ein Unfall. Unser Leben wie auch unser Tod würden nichts zählen. Das logische Ende eines solchen Lebens ist Verzweiflung. Außerdem gibt es keine Grundlage für Anstand oder Ethik, für menschliche Würde, Menschenrechte oder Freiheit. Sogar in der amerikanischen Verfassung heißt es, unsere »unveräußerlichen Rechte« seien uns »von unserem Schöpfer verliehen« – und nicht etwa von der Regierung oder irgendeiner anderen von Menschen geschaffenen Institution.

Mein Freund Dinesh D’Souza ist ein außergewöhnlicher Denker und ein höchstrangiger Gelehrter. Viele Jahre seiner beruflichen Laufbahn hat er als einflussreicher Intellektueller der weltlichen Politik gewidmet. Sein letztes Werk What’s so Great About Christianity2 schließt nahtlos an andere Autoritäten wie C. S. Lewis an. In diesem Buch hat er seine beträchtlichen Talente auf ein noch tiefgründigeres Thema konzentriert. Sogar Atheisten wie Christopher Hitchens erkennen an, dass D’Souza ein Anwalt des Theismus und christlichen Glaubens von Weltrang ist.

Dies ist zugleich ein Buch für Menschen, die wirklich auf der Suche nach der Wahrheit sind, und nicht für solche, die lediglich ihre Vorurteile bestätigt sehen wollen. Das Wort »Vorurteil« bedeutet ja, dass man im Vorhinein ein Urteil fällt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das Buch ohne vorgefasste Meinung mit der erforderlichen Offenheit lesen und die Fakten wie die Beweise, die Logik, die Argumente und Konsequenzen eines Lebens nach dem Tod bedenken – und das nicht nur im Hinblick auf unsere Kultur in ihrer Gesamtheit, sondern auch für sich persönlich.

Dr. Rick Warren

Kapitel 1

Tun wir nicht mehr so, als ob

Eine neue Sicht der großen Fragen

Doch hinter mir hör ich mich jagen der ewigen Zeit geflügelten Wagen.1

Andrew Marvell, To his Coy Mistress

Im Jahr bevor wir uns kennenlernten, hatte meine Frau Dixie einen schweren Autounfall. Bei einem unserer ersten Dates erzählte sie mir davon. Sie war neunzehn und unterwegs von North Carolina nach Washington, DC, um sich an einer Journalistenschule einzuschreiben. Ohne Vorwarnung verengte sich der Highway an einer Baustelle, ihr Wagen geriet in eine Rinne und kam ins Schleudern. Dixies Saab Sonnett schlingerte, knallte abseits der Straße gegen mehrere Bäume, überschlug sich, stürzte einen Abhang hinunter und blieb schließlich auf dem Dach liegen.

Von diesem Moment an entwickelte sich die Geschichte etwas seltsam. Dixie sah einen Mann zu ihrem Auto rennen; es war der Fahrer eines Trucks, der den Unfall offenbar beobachtet hatte. Er klopfte ans Fenster und rief ihr etwas zu. Bald darauf hatten sich Schaulustige an der Unfallstelle versammelt. Dixie hörte jemanden fragen: »Was ist denn los mit ihr? Ist sie tot?« Das war der Moment, in dem Dixie von Panik befallen wurde: »Das Unheimliche daran war, dass ich die ganze Szene von außen sah. Ich befand mich nicht mehr in meinem Körper, sondern irgendwo darüber, und von dort sah ich die Leute, das Auto und mich selbst. Ich versuchte, meinen Mund aufzumachen und zu schreien, dass ich noch lebte, aber mein Körper bewegte sich nicht, und aus meinem Mund kam kein Ton.« Schließlich traf der Krankenwagen ein, und sie wurde aus dem Auto befreit. Sie überlebte mit einigen Knochenbrüchen und einer Gehirnerschütterung. »Aber eigentlich hätte ich tot sein sollen«, sagte sie. Sogar wenn sie sich heute an den Unfall erinnert, meint sie: »Ich denke, es ist ein Wunder, dass ich überlebt habe.« Damals kam mir die Geschichte ebenfalls ziemlich eigenartig vor, und es dauerte viele Jahre, bis mir klar wurde, dass meine Frau einen »außerkörperlichen Zustand« erlebt hatte. Rückblickend denke ich jedoch, dass dies einer der ersten Anlässe war, die mein Interesse an der Frage weckten, was eigentlich passiert, wenn wir sterben.

Zwei andere dramatische Ereignisse haben mich gezwungen, mich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Das erste war im Jahr 2000. An einem ganz gewöhnlichen Tag erhielt ich plötzlich einen Anruf und erfuhr, dass mein Vater im Krankenhaus lag und mit Elektroschocks reanimiert worden war. Wenige Stunden später starb er. Mein Vater war mein Held, und sogar ein Jahrzehnt später habe ich den Schock seines plötzlichen Todes noch nicht ganz überwunden. Ein paar Jahre danach ließ sich mein Freund Bruce wegen ganz alltäglicher Beschwerden untersuchen und erfuhr, dass er Nierenkrebs hatte. »Mann, darauf war ich in keiner Weise vorbereitet«, erzählte er. »Niemand ist auf so was vorbereitet. Alles, was ich davor getan hatte, all meine Pläne fürs Geschäft und unsere Investitionen, unser Haus und alles andere wurden mit einem Mal völlig bedeutungslos. Als ich die Diagnose erfahren hatte, konnte ich zwei Tage lang nicht essen und nicht schlafen. Ich bin wie betäubt durchs Haus gegeistert.«

Diese Erlebnisse haben für mich die Frage in den Mittelpunkt gerückt, was nach dem Tod kommt – wenn denn überhaupt etwas kommt. Ich habe viele Jahre darüber nachgedacht. Mir ist bewusst, dass es sich dabei weithin um ein großes Tabu handelt, aber ich denke, wir müssen uns diesem Thema stellen. Ist der Tod das Ende – oder kommt danach noch etwas? So lautet die entscheidende Frage. Sie war das bestimmende Thema für ganze Kulturen, von den alten Ägyptern bis in unsere Gegenwart. Und in der Tat gibt es keine wichtigere Frage, die sich einem Menschen stellen könnte. Dies ist das Thema, das jedes andere trivial erscheinen lässt. Sollten Sie Zweifel daran haben, brauchen Sie nur einmal ins Krankenhaus zu kommen, an einer Beerdigung teilzunehmen oder mit Eltern zu sprechen, die vor kurzem ein Kind verloren haben. Sie werden sehr rasch feststellen, dass die Normalität des alltäglichen Lebens nur eine Täuschung ist. Der Tod ist eine gewaltige Abrissbirne, die alles zerstört. Alles, was wir getan haben, alles, was wir gegenwärtig tun, und alle unsere Pläne für die Zukunft werden vollständig und unwiderruflich vernichtet, wenn wir sterben. Im Grunde wissen wir das natürlich. Nur manche Teenager scheinen sich in einem vorübergehenden Zustand der Geistesverwirrung für unsterblich zu halten. Aber wenn wir älter werden und vor allem wenn wir die Mitte des Lebens hinter uns haben und es allmählich »abwärtsgeht«, werden wir uns unserer eigenen Sterblichkeit immer deutlicher bewusst. »Der Schlaf borgt vom Tode zur Aufrechterhaltung des Lebens«, schreibt Arthur Schopenhauer. »Oder: Er ist der einstweilige Zins des Todes, welcher selbst die Kapitalabzahlung ist.«2

Seltsamerweise behaupten manche Leute, sie interessierten sich nicht dafür, was nach dem Tod kommt. Ich habe einen guten Freund in San Francisco. Er ist erfolgreicher Unternehmer, und ich respektiere ihn sehr. Neulich sagte er mir, er würde mein Buch gern lesen, aber nur, um »ein intellektuelles Rätsel zu lösen«. Er behauptete steif und fest, er habe noch nie einen ernsthaften Gedanken an die Frage verschwendet, ob er jenseits des Grabes weiterleben würde. »Warum sollte ich?«, fragte er mit dem Pragmatismus eines Geschäftsmanns. »Selbst wenn es stimmte, hätte es nicht den geringsten Einfluss auf mein Leben. Da ich nichts daran ändern kann, brauche ich mir auch keine Sorgen darüber zu machen.« Vielleicht, so fuhr er fort, sollten wir uns mit realistischeren Formen des Überlebens zufriedengeben, beispielsweise dass wir in unseren Kindern weiterleben oder in den Erinnerungen von Freunden oder in den dauerhaften Werken, die wir als Künstler oder Unternehmer schaffen.

Ich gestehe, dass ich das alles nicht besonders tröstlich finde. Ja, ich würde gern in der Erinnerung der Menschen weiterexistieren, deren Leben ich beeinflusse, vor allem in der Erinnerung meiner Frau und meiner Tochter. George Eliot hat ein wunderbares Gedicht geschrieben, in dem sie ihre Hoffnung ausdrückt, Mitglied im »unsichtbaren Chor der unsterblichen Toten« zu werden, »die in den Gedanken jener wieder leben, die durch ihre Gegenwart besser gemacht wurden«. Doch diese Art des Weiterlebens kann nur von kurzer Dauer sein, sogar in den Erinnerungen unserer Nachfahren. Immerhin wissen wir längst nicht alles über unsere Eltern, noch viel weniger über unsere Großeltern und kaum etwas oder gar nichts über die Generationen vor ihnen. Die Aussichten auf Unsterblichkeit bessern sich, wenn wir Bücher schreiben oder Kunstwerke schaffen, die dafür sorgen, dass unser Name in den Geschichtsbüchern steht, oder wenn eine Universität, ein Museum oder sogar eine Stadt nach uns benannt wird. Doch leider sind das trügerische Formen von Unsterblichkeit, denn wir selbst sind nicht mehr da, um uns daran zu freuen. Ich fühle genauso wie der Schauspieler Woody Allen, der einmal gesagt hat: »Ich will keine Unsterblichkeit durch meine Arbeit erlangen. Ich will Unsterblichkeit erlangen, indem ich nicht sterbe. Ich will nicht in den Herzen meiner Landsleute weiterleben, sondern lieber in meiner Wohnung.«3

Ich erzählte dieses Bonmot meinem Unternehmerfreund, und wir mussten beide darüber lachen. Aber ich habe es mir verkniffen, ihm zu sagen, dass ich seine Einstellung zu diesem Thema völlig unverständlich finde. Für mich geht es dabei nicht nur um ein intellektuelles Rätsel, sondern buchstäblich um eine Frage von Leben und Tod! Wie kann es jemandem gleichgültig sein, ob wir eines Tages ausgelöscht werden oder nicht? Wenn Sie erführen, dass Sie nur noch sechs Monate auf diesem Planeten hätten, dann würden Sie zweifellos an Ihrem jetzigen Leben einige grundlegende Änderungen vornehmen. Oder gesetzt den Fall, Sie könnten Ihre Lebenszeit verdoppeln: Würde das Wissen darum nicht Ihre Pläne für den Ruhestand und viele andere Prioritäten ändern? Natürlich würde es das. Ebenso kann uns die Frage nicht kaltlassen, ob es ein Leben jenseits des Grabes gibt. Wenn ja, dann haben wir Grund zur Hoffnung; wenn nein, dann müssen wir uns mit unserer hoffnungslosen und verzweifelten Lage abfinden. Die Verzweiflung scheint unvermeidlich, denn wenn wir über unser Leben in dieser Welt nachdenken, lässt sich unsere Lage mit der eines Menschen in einem brennenden Haus vergleichen. Wir wissen, dass uns das Feuer verzehren wird, und wir können der Auslöschung nur entgehen, wenn wir aus dem geöffneten Fenster springen. Damit stellt sich die Frage: Hält die Feuerwehr dort unten ein sicheres Sprungtuch bereit? Es wäre doch merkwürdig, wenn jemand in dieser Situation sagte: »Das ist mir ganz egal.«

Auf den ersten Blick wirkt ein solcher Starrsinn einfach beschränkt, aber wahrscheinlich ist er die Folge einer tiefen Verleugnung. Die Vorstellung, aus dem Fenster zu springen, ist so traumatisch, dass es uns einfacher erscheint, so zu tun, als würde das Feuer uns nie erreichen. Dasselbe gilt für den Tod: Wir wissen, dass er näher rückt, aber wir handeln so, als träte er niemals ein. Ungeachtet der pragmatischen Haltung meines Freundes ist Verleugnung in dieser Situation die am wenigsten brauchbare Einstellung. Dennoch steht er damit nicht allein; die große Mehrheit der Menschen, besonders hier im Westen, gründet ihr Leben auf einer Verleugnung des Todes. Wir leben, als könnten wir nicht schon am folgenden Tag oder sogar auf der Stelle tot sein, und dann trifft uns eines Tages die bestürzende Erkenntnis: »Ich werde bald sterben.« Die Unvermeidlichkeit des Endes und die Unvorhersehbarkeit seines Zeitpunkts führen dazu, dass wir in aller Regel den Gedanken an den Tod beiseiteschieben und weithin nach dem Motto leben: »Lass uns so tun, als ob.« Es gibt sogar religiös Gläubige, die das Thema ausblenden. Da ist beispielsweise die Geschichte eines englischen Vikars, der gefragt wurde, ob er damit rechne, in den Himmel zu kommen, und was er dort vorzufinden erwarte. »Nun, was das angeht, denke ich doch, dass ich an ewige Glückseligkeit glaube«, erwiderte er, »aber es wäre mir lieber, Sie würden nicht solche deprimierenden Themen anschneiden.«4

Sogar unsere kulturellen Institutionen setzen voll und ganz auf Leugnung. In seiner Untersuchung Geschichte des Todes5 merkt der Historiker Philippe Ariès an, dass der Tod früher als Teil des Lebens betrachtet wurde. Sogar die Jungen waren vollständig damit vertraut. Die Menschen starben typischerweise zu Hause, und Leichenzüge waren in den Gemeinden ein fast alltäglicher Anblick, wobei der Tote offen zur Schau gestellt wurde und die Trauernden lauthals klagten und heulten. So ist es in anderen Kulturen immer noch, auch in meinem Geburtsland Indien. Aber im Westen, so schreibt Ariès, gibt es heutzutage eine ausgeklügelte Prozedur zur »Vertuschung« des Todes. In Amerika und Europa sterben die Menschen nicht mehr zu Hause vor den Augen der Familie. Sie sterben in Krankenhäusern, abgeschnitten von ihrer vertrauten Umgebung. Sogar die engsten Angehörigen kommen nur zu Besuch und erleben den Tod nicht mehr aus nächster Nähe. In der letzten Szene dieses nüchternen Dramas erscheint der Arzt und informiert uns feierlich: »Er ist dahingeschieden.« Oder: »Er ist heimgegangen.« Die Euphemismen sind zahlreich; man hat nicht einmal mehr den Mut, um zu sagen: »Er ist tot.«

Wenn man die Nachricht erhält, darf man trauern, aber die Trauer darf nicht öffentlich zur Schau gestellt werden. Schreien und hysterische Anfälle sind bei der Beerdigung nicht erlaubt, nicht mal der Frau oder den Kindern. Ariès nennt das die »Unschicklichkeit der Trauer«. Im Westen nehmen die Menschen an Beerdigungen teil, weil sie sich dazu verpflichtet fühlen, aber niemand will wirklich mitgehen. Man fühlt sich unbehaglich dabei, die Leiche oder den Sarg zu sehen. Wir tun uns das nicht gern an, und wir können das Ende der Zeremonie kaum erwarten, um wieder zu unserem normalen Alltag zurückzukehren. Ich bemerke oft, dass die Leute sogar in Gesprächen nur ungern die Namen von Toten nennen. Fast ist es so, als hätten sie ihre Rolle ausgespielt und man würde nun von ihnen erwarten, dass sie die Bühne dauerhaft verlassen haben. Im Westen sterben die Menschen nicht, sondern sie verschwinden einfach. Und die Fragen, was der Tod bedeutet und ob es irgendetwas danach gibt, werden kaum öffentlich diskutiert. Bei aller morbiden Neugier unserer Boulevardblätter und Fernsehshows scheint dieses Thema dort niemals aufzutauchen. Das Leben nach dem Tod ist ein heißes Eisen, das wir nicht anfassen dürfen. Unsere Kultur rühmt sich zwar stolz ihrer Aufgeschlossenheit und Freimütigkeit, zeigt jedoch eine intensive Abneigung davor, sich mit der größten aller Menschheitsfragen auseinanderzusetzen.

Interessanterweise wurde ebendiese Frage in der Vergangenheit meist nicht einmal als eine offene betrachtet. Die Antwort schien vielmehr auf der Hand zu liegen. In allen Kulturen der Welt, im Osten wie im Westen, und zu allen Zeiten waren sich die Menschen sicher, dass dieses Leben nur ein Kapitel in einer umfassenderen Geschichte der Existenz darstellt und dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Wir halten diese Einstellung für religiös, propagiert vor allem vom Klerus, und das war und ist sie im überwiegenden Maße auch. Aber viele der größten Wissenschaftler und Philosophen der Welt, von Sokrates und Cicero über Galileo und John Locke bis zu Isaac Newton haben ebenfalls ihren Glauben an ein Leben nach dem Tod bestätigt. Sogar Skeptiker der Aufklärung wie Thomas Paine, Thomas Jefferson und Benjamin Franklin gaben ähnliche Ansichten zu. Europa ist der einzige Kontinent, auf dem nur wenig mehr als die Hälfte aller Menschen an ein Leben nach dem Tod glauben. In Amerika sind es fast achtzig und in nichtwestlichen Kulturen nahezu hundert Prozent.6

Manch einer findet es verblüffend, dass immer noch so viele Menschen an ein Leben nach dem Tod glauben. Wie können sie, obwohl doch noch nie jemand zurückgekehrt ist, an der Idee eines Weiterlebens jenseits des Grabes festhalten? Woher haben sie diese verrückte Vorstellung? Ich werde diese Fragen später beantworten, aber vorher bedarf unser kopfschüttelndes Unverständnis selbst noch einer Erklärung. Wir sind unserer eigenen Vergangenheit inzwischen so weit entfremdet, dass unsere Vorfahren zu völlig Unbekannten geworden sind. Zudem verstehen wir auch heute noch nicht, dass es in den Kulturen außerhalb der westlichen Welt im Kern denselben Glauben an ein Leben nach dem Tod gibt, der früher auch in unserer Gesellschaft allgegenwärtig war.

Wie konnten wir auf derart seltsame Abwege geraten? Wie konnte sich zwischen dem Denken unserer Vorfahren und der übrigen Welt auf der einen Seite und uns auf der anderen eine solche Kluft auftun? Der Grund dafür ist eine neue Art des Denkens in Amerika und Europa. Diese Anschauung vertreten heute viele intelligente Menschen in unserer Gesellschaft und auch die Vertreter ihrer einflussreichsten Institutionen. Der Philosoph Charles Taylor spricht von einem säkularen Ethos, aber man könnte es auch genauso treffend als »aufgeklärtes Denken« bezeichnen. Es beherrscht die Lehre an Hochschulen und Universitäten, die Exponate in unseren Museen, die Aussagen unserer technischen Experten und führenden Politiker und alles, was uns die einschlägigen Magazine, Zeitungen und elektronischen Medien als Wahrheit verkünden. Es bildet heute die dominante Ideologie des öffentlichen Diskurses im Westen, und es formt die Denkweise unserer Kinder.

Aufgeklärtes Denken besagt, dass es kein Leben nach dem Tod gibt und jede gegenteilige Behauptung unsinnig ist. Wir haben dieses eine Leben, und das war’s. Wir sind uns dessen sicher, weil die Wissenschaft uns unsere wahre Natur gezeigt hat – und wie auch bei Tieren ist unsere wahre Natur sterblich. Außerdem sind wir materielle Geschöpfe – Wesen mit materiellen Körpern –, und wenn diese Körper zerfallen, verliert das Leben seine Grundlage. »Wenn wir sterben«, schreibt der Philosoph Owen Flanagan, »sind wir weg.«7 Was die Seele angeht, nun ja, nach der hat die Wissenschaft immer wieder gesucht, aber in unserem Inneren nichts dergleichen gefunden. Auch haben wir keinen freien Willen, obwohl wir uns dieser Illusion gern hingeben. »Freier Wille«, schreibt der Biologe Peter Atkins, »ist nicht mehr als das organisierte Zusammenspiel beweglicher Atome … wenn der Zufall sie zunächst mit Energie ausstattet und sie dann in neuen Anordnungen festhält, sobald ihre Energie auf natürliche Weise und wieder dem Zufallsprinzip gehorchend geringer wird.«8 Sicher können wir den Wunsch verspüren, diese Fakten aus religiösen oder moralischen Gründen abzulehnen, aber Vernunft und Beweise nötigen uns, sie zu akzeptieren.

Das aufgeklärte Denken bezieht seine Selbstsicherheit aus den Ergebnissen der modernen Wissenschaft. Wissenschaft gilt ihm als die beste, wenn nicht einzige Möglichkeit, zuverlässige Erkenntnisse zu gewinnen. Religiöse Behauptungen basieren auf Glauben, aber wissenschaftliche Behauptungen gründen sich auf Vernunft. Während die Religionen der Welt konkurrierende und widersprüchliche Grundsätze von sich geben, erinnert uns das aufgeklärte Denken daran, dass es keine chinesische oder indische und auch keine Wissenschaft des Mittleren Ostens gibt, sondern dass sie universell ist. Sogar religiösen Menschen scheint klar zu sein, dass Wissenschaft funktioniert. »Wer das bestreiten wollte«, schreibt der Physiker Victor Stenger, »sollte es lieber auf Schiefertafeln statt auf gedrucktem Papier tun oder mittels Rauchzeichen statt im Internet.«9 Aufgeklärtes Denken ist sich bewusst, dass wir unser Leben der Wissenschaft anvertrauen, sobald wir ein Flugzeug besteigen. Folglich vertritt es die Meinung, wir sollten wissenschaftliche Erkenntnisse akzeptieren, denn sie kommen echtem Wissen so nah wie nichts anderes.

Religion stellt für das aufgeklärte Denken ein großes öffentliches Ärgernis dar. Aufgeklärte Menschen verurteilen die Religion nicht nur, weil sie falsche Behauptungen wie jene über ein Leben nach dem Tod aufstellt, sondern auch, weil sie mit diesen Behauptungen den Weltfrieden gefährdet. Sie beschuldigen die Religion, nicht nur Ignoranz zu nähren, sondern auch Intoleranz, soziale Spaltungen und Konflikte zu fördern. Denken Sie beispielsweise an die verrückten Anhänger von Jim Jones, die seinen Anweisungen folgten, mit vergiftetem Kool-Aid Selbstmord zu begehen, alle in der Hoffnung, dadurch auf direktem Weg ins Paradies zu kommen. Aktueller, aber genauso wahnsinnig sind die Attentate der Terroristen vom 11. September 2001 und anderer radikaler Islamisten. In diesen Fällen war die Gewalt ebenso selbstmörderisch wie mörderisch, aber auch hier scheint bei der Motivation die himmlische Belohnung entscheidend zu sein. Wie Richard Dawkins ein paar Tage vor dem 11. September schrieb: »Die Religion lehrt den gefährlichen Unsinn, dass der Tod nicht das Ende ist.«10 Es sei an der Zeit, so sagt man uns, der Hoffnung auf die nächste Welt nicht mehr zu erlauben, dass sie unser Leben in dieser Welt ruiniert. Statt uns auf ein Leben nach dem Tod zu konzentrieren, drängt uns das aufgeklärte Denken, unseren Blick auf die Probleme zu richten, mit denen uns die Welt hier und jetzt konfrontiert.

Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, solche Aussagen von Leuten zu hören, die man gewöhnlich »Atheisten« oder »radikale Säkularisten« nennt. In den letzten Jahren hat eine Reihe neuer Atheisten das aufgeklärte Denken aggressiv einem Massenpublikum verkündet. Ich meine damit Leute wie den Biologen Richard Dawkins, den Sozialkritiker Christopher Hitchens, den Neurowissenschaftler Sam Harris, den Philosophen Daniel Dennett, den Physiker Steven Weinberg, den Chemiker Peter Atkins und den Kognitionspsychologen Steven Pinker. Diese Männer nutzen geschickt die Welle aktueller Ereignisse und haben im Bildungswesen und in den Medien bereitwillige Unterstützer gefunden. Aber die neuen Atheisten stehen im Schatten der großen Atheisten und Agnostiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Zu dieser Gruppe gehören einige der herausragendsten Philosophen, Wissenschaftler und Sozialkritiker ihrer Zeit wie Charles Darwin, Thomas Huxley, Friedrich Nietzsche, Karl Marx, Bertrand Russell, Sigmund Freud, Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre. Die heutigen neuen Atheisten führen die Vorstellungen ihrer angesehenen Vorläufer näher aus und verpassen ihnen ein Update. Gemeinsam haben beide Gruppen unsere öffentliche Kultur des Unglaubens geprägt.

In einem negativen Sinne kann man diese Kultur so interpretieren, dass sie Gott und ein Leben nach dem Tod leugnet. Positiv betrachtet, ist sie einer mächtigen Philosophie verpflichtet, die im Laufe der letzten Jahrhunderte immer mehr Einfluss gewonnen hat – der Philosophie des reduktionistischen Materialismus. Ich beziehe den Ausdruck »Materialismus« nicht auf eine extreme Konsumneigung, sondern auf die philosophische Position, die allein die materielle Realität als Wirklichkeit gelten lässt. Materialisten gehen davon aus, dass nur eine einzige Art von Dingen existiert – materielle. Wir wissen das, weil materielle Objekte eben objektiv sind; ihre Existenz kann durch wissenschaftliche Techniken nachgewiesen werden. Sogar Menschen und andere Lebewesen sind letztlich Ansammlungen von Atomen und Molekülen oder, noch weiter heruntergebrochen, von Quarks und Elektronen. Quarks und Elektronen sind alles, was im Universum existiert; etwas anderes gibt es nicht.

Reduktionistische Materialisten leugnen nicht, dass es subjektive oder immaterielle Erfahrungen und Wesen gibt. Sie beharren jedoch darauf, dass diese sich bei genauerer Überprüfung als Ergebnis und Ausdruck rein materieller Kräfte erwiesen. Liebe fühlt sich beispielsweise immateriell an, ist jedoch nichts weiter als das Ergebnis elektrochemischer Impulse, die die Evolution in unser Gehirn und Nervensystem eingepflanzt hat. Auch unsere Seele ist lediglich ein anderer Name für das Wirken von Neuronen im präfrontalen Kortex. So reduziert sich letzten Endes alles auf die materielle Realität – ebendeshalb passt der Ausdruck »reduktionistischer Materialismus«. Es ist leicht zu erkennen, warum eine solche Philosophie keinen Raum für Behauptungen lässt, dass es eine Realität gibt, die wir mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen können und die außerhalb der Reichweite unserer modernen Wissenschaft liegt. Falls der reduktionistische Materialismus recht hat, dann ist der Glaube an einen immateriellen Gott reine Fiktion und ein Leben nach dem Tod ausgeschlossen.

Der reduktionistische Materialismus versorgt die Atheisten nicht nur mit Argumenten, sondern auch mit dem philosophischen Rahmenwerk zum Verständnis der Realität. Viele Atheisten assoziieren den reduktionistischen Materialismus mit Vernunft und Wissenschaft, und es gibt zahlreiche Philosophen und Wissenschaftler, die ihnen zustimmen. Außerdem gibt diese Form des Materialismus den modernen Atheisten die Selbstsicherheit, einen großen Teil dessen, was religiöse Menschen in aller Welt heute glauben, einfach zu verlachen. Solche Überzeugungen, so heißt es, hätten keine wissenschaftliche Basis und könnten deshalb nur das Produkt eines Wunschdenkens sein. So schreibt Sam Harris: »Die Tatsache des Todes ist zweifellos unerträglich … und Glaube ist wenig mehr als der Schatten, den die Hoffnung auf ein besseres Leben jenseits des Grabes wirft.«11 Der reduktionistische Materialismus gibt Atheisten wie Harris die Gewissheit, dass sie recht und alle anderen unrecht haben. Atheisten sind wirklich überzeugt, dass sie im reduktionistischen Materialismus über die Waffe verfügen, die sie brauchen, um die Religion zu vernichten und den Glauben an Gott und ein Leben nach dem Tod als Illusionen zu entlarven.

Obwohl der reduktionistische Materialismus ein so mächtiger Feind des religiösen Glaubens ist, bleibt er in der Öffentlichkeit doch weitgehend unangefochten. Im eher säkularen Europa mag das nicht so überraschen, in den Vereinigten Staaten dagegen ist es doch sehr erstaunlich. Das Leben nach dem Tod liefert dafür einen ganz klassischen Fall. Der Glaube daran existiert in allen Religionen, aber im Christentum spielt er eine besonders zentrale Rolle. Immerhin ist die Auferstehung Jesu das Ereignis, auf dem das Christentum basiert und ohne das es die Christenheit heute nicht gäbe. Aber hören Sie Christen – oder wenigstens Pfarrer und hochrangige Vertreter der christlichen Kirche – die Auferstehung oder das Leben nach dem Tod in der Öffentlichkeit verteidigen? Nun, ich auch nicht.

Christen reagieren in der Tat nur selten auf irgendwelche Behauptungen atheistischer Natur, die sich auf Wissenschaft und Vernunft berufen. Wenn sie von Atheisten angegriffen werden, sagen sie nichts. Gewiss sprechen einige christliche Gruppen darauf an, wenn sie ihre religiösen Überzeugungen als direkt bedroht sehen, wie etwa bei den Versuchen von Atheisten, die Evolution als Argument gegen die göttliche Schöpfung ins Feld zu führen. Aber sogar in diesem Fall gibt es eine Tendenz, Vernunft und Wissenschaft abzulehnen, wodurch die Christen beschränkt und antiintellektuell erscheinen. Wie einer meiner atheistischen Freunde stichelt: »Wie können diese Christen gegen Logik und Erfindungen sein?« Tatsächlich sind sie weder gegen das eine noch das andere. Vielmehr ist ihnen klar, dass Wissenschaft und Vernunft zu einem weitgehend feindlich besetzten Territorium geworden sind. Wissenschaft und Vernunft werden von den »bösen Buben« für sich beansprucht. Und mit der Unterstützung vieler Gelehrter benutzen die bösen Buben nun Wissenschaft und Vernunft, um die Reichweite der Wirklichkeit immer stärker einzuengen, indem sie argumentieren, dass »die Wissenschaft dies und das beweist« und »die Vernunft uns zwingt, dies und das zu akzeptieren«. Christen glauben, dass die Wirklichkeit sehr viel größer ist und dass es Möglichkeiten gibt, jene Realität zu verstehen, die über rationale Syllogismen und wissenschaftliche Experimente hinausgeht. Was vordergründig nach Antiintellektualismus der Christen aussieht, ist in vielen Fällen eigentlich ein Protest gegen die zurechtgestutzte Realitätsbetrachtung des reduktionistischen Materialismus.

Die Grundlage von Wissenschaft und Vernunft zu verlassen birgt jedoch die Gefahr, dass Christen dann gezwungen sind, mit zwei Wahrheiten zu leben. Die eine Wahrheit hören wir in der Kirche, die andere im allgemeinen sozialen Umfeld. Die Offenbarung – die Sprache des religiösen Glaubens – wird von der Vernunft getrennt, welche die Sprache des Bildungssystems, der Arbeitswelt und der säkularen Gesellschaft ist. Das führt zu einer Art Schizophrenie, vor allem unter christlichen Studenten und Christen, die im Bereich von Wissenschaft und Technologie arbeiten. Ihre Arbeit gründet sich auf Wissenschaft, während ihr Glaube darauf basiert, dass ebendiese Wissenschaft ignoriert wird. Oder man steht vor dem peinlichen Dilemma, entweder seinem Pfarrer oder seinen Professoren zu vertrauen. Der eine spricht über die Heilige Schrift, der andere über Gelehrsamkeit, und es gibt keine Möglichkeit, beiden zu glauben.

Das ist frustrierend, und es ist noch frustrierender, wenn man versucht, auf diese Weise mit anderen über den christlichen Glauben zu sprechen. Immerhin leben wir heute in einer säkularen Kultur, in der christliche Thesen nicht mehr als selbstverständlich akzeptiert werden. Viele Menschen praktizieren andere Religionen und einige überhaupt keine. Die Bibel ist eine verbindliche Grundlage für das Gespräch unter Christen, aber sie hat wenig Überzeugungskraft für Nichtchristen, ehemalige Christen oder Atheisten. In einer säkularen Kultur überzeugen wahrscheinlich nur säkulare Argumente, und die können sich allein auf Wissenschaft und Vernunft gründen. Wissenschaft und Vernunft beherrschen zudem das Bildungssystem und die Medien, und diese Institutionen haben einen enormen Einfluss auf die Entwicklung unserer Kinder. Wenn wir Wissenschaft und Vernunft preisgeben, dann überlassen wir den Atheisten kostbaren kulturellen Boden und laufen Gefahr, unsere Kinder an den Atheismus und radikalen Säkularismus zu verlieren. Der Meinungsforscher George Barna hat gezeigt, dass viele junge Christen den Glauben ihrer Kindheit aufgeben und zu Skeptikern und Ungläubigen werden. 12 Alles in allem ist eine Strategie der Ablehnung nicht nur deshalb fatal, weil sie Christen in die Defensive drängt, sondern auch, weil sie den Atheisten in die Hände spielt.

Um das verlorene Terrain zurückzuerobern, müssen die Christen einen neuen Blick auf Wissenschaft und Vernunft werfen. Wenn sie das tun, werden sie erkennen, dass beide auf verblüffende Weise die ursprünglichen christlichen Überzeugungen bestätigen. Was wir auf der Grundlage des Glaubens angenommen haben, wird jetzt auf der Grundlage von Beweisen untermauert, und das gilt ganz besonders für das Leben nach dem Tod. Ausgerechnet Vernunft und Wissenschaft liefern neue und überzeugende Beweise dafür – und zwar solche, die es vorher nicht gab. Die größte Ironie liegt darin, dass die Strategie, die den religiösen Standpunkt vernichten sollte, ihn schließlich bestätigt. Der Atheist, der im Begriff war, den Christen in den in den Hintern zu treten, versetzt am Ende sich selbst diesen Tritt!

Genau darum geht es in diesem Buch. Ich schreibe es als Christ, auch wenn ich in Wirklichkeit nicht immer ein überzeugter Christ war. Ich wurde als Katholik im indischen Mumbai geboren. Meine Familie stammt aus einer Gegend in Indien, die Goa heißt und bis 1961 eine portugiesische Kolonie war. Vor einigen Jahrhunderten wurden meine Vorfahren von portugiesischen Missionaren zum Katholizismus bekehrt. Mein Großvater begründete das damit, dass die Familie vorher zu den Brahmanen gehörte, einer hohen Hindu-Kaste, die mit den herrschenden Portugiesen Kontakte auf höchster Ebene pflegten. Diese Überlieferung der D’Souza-Familiengeschichte ist höchstwahrscheinlich falsch. Historisch belegt ist, dass gerade die Hindus der untersten Kasten besonders bereitwillig waren, sich zum Christentum bekehren zu lassen. Was unsere Familie also anscheinend auszeichnete, war ihr Mangel an Auszeichnung.

Außerdem waren hochtrabende Diskussionen nicht unbedingt typisch für eine Bekehrung durch die Portugiesen, denn damals war die Zeit der portugiesischen Inquisition, und die bewährte Technik zur Herbeiführung eines Sinneswandels bestand darin, die Leute zusammenzutreiben und ihnen einen Hieb über den Kopf zu geben. Anschließend nahmen die verstörten Konvertiten prompt die christlichen Namen ihrer Invasoren an. (Nun wissen Sie, wie ich zu dem portugiesischen Namen D’Souza gekommen bin.) Aber obwohl sie ein herber Schlag für die Familienehre ist, hat diese Geschichte etwas Ergreifendes. Nicht alle Bekehrungen waren erzwungen. Viele Inder strömten freiwillig zu den Missionaren und baten um die Taufe, weil es im hinduistischen Kastensystem ungeachtet aller Verdienste keine Aufstiegsmöglichkeiten gab. Viele Unberührbare und Hindus aus anderen niederen Kasten nahmen eilig den Glauben an, der ihnen Gleichheit vor den Augen Gottes und eine universelle Idee der Brüderlichkeit versprach. So brachte das Christentum etwas Neues nach Indien. Das gilt übrigens genauso für den Islam und ist der Grund, warum viele Hindus aus den niederen Kasten sich auch in diese Richtung orientierten. In Anerkennung der Würde, die das Christentum unserer Familie verliehen hat, war ich diesen unbarmherzigen portugiesischen Missionaren jedenfalls immer dankbar.

Obwohl mir die kulturellen Vorzüge des Christentums klar waren, war ich jedoch kaum mehr als ein sozialer Christ. Mit diesem Bekenntnis kam ich 1978 als Austauschschüler nach Amerika. Das war das Christentum, mit dem ich mein Studium am Dartmouth College aufnahm und später in Princeton studierte und arbeitete. Zur Amtszeit von Präsident Reagan lernte ich meine Frau Dixie, eine engagierte bibeltreue Christin, im Weißen Haus kennen, aber sogar nach unserer Hochzeit blieben meine religiösen Überzeugungen lau, und das wirkte sich auch auf meine Arbeit als Autor aus. Zwei Jahrzehnte lang war ich ein weltlicher Wissenschaftler und Autor.

Erst als unsere Familie nach dem Tod meines Vaters vor sieben Jahren nach Kalifornien zog, begannen meine Frau und ich die Gottesdienste einer Calvary-Chapel-Gemeinde in San Diego zu besuchen. Hier fand ich Christen, die nicht aus sozialen Gründen in die Kirche gingen. Sie wollten dorthin gehen, und sie gingen häufiger als einmal pro Woche. Ihr Christentum hatte nicht primär mit der Teilnahme an Gottesdiensten zu tun, sondern sie lebten es leidenschaftlich in ihrem Alltag. Ich stellte fest, dass mein eigener Glaube tiefer wurde. Als dann der neue Atheismus in Erscheinung trat, sah ich eine Gelegenheit, meine religiösen Überzeugungen und meine akademische Arbeit zu verbinden. Das Ergebnis war mein Buch What’s so Great About Christianity, das die Grundlage für mehr als ein Dutzend Debatten wurde, die ich mit namhaften Atheisten in aller Welt geführt habe, darunter der Journalist Christopher Hitchens, der Herausgeber des Magazins Skeptic Michael Schermer, der Bibelforscher Bart Ehrman, der Bioethiker Peter Singer und der Philosoph Daniel Dennett. Es bereitet mir große Freude, Atheisten in ihrer eigenen Arena entgegenzutreten, sie mit ihren eigenen Argumenten zu schlagen und sie zur Aufgabe zu zwingen. Dieses Buch ist die Fortsetzung meiner Versuche, mich in den christlichen Kampfkünsten zu üben.

Dem christlichen Gladiator macht es Spaß, sich seinem Gegner mit einer auf dem Rücken gefesselten Hand zu stellen. Ich tue dies hier, indem ich auf alle Behauptungen über biblische Wahrheiten oder Ofenbarungen verzichte. Das geschieht nicht, weil ich solche Arten von Wahrheit ablehne. Weit gefehlt! Vielmehr will ich den Atheismus und den reduktionistischen Materialismus zu ihren eigenen Bedingungen herausfordern und nach ihren eigenen Spielregeln besiegen. Der Philosoph Immanuel Kant hat einmal ein Buch unter dem Titel Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft13 geschrieben. Das entspricht ziemlich genau meinem Ansatz, denn ich will das Leben nach dem Tod ausschließlich auf der Grundlage der Einsicht darstellen. Ich werde nicht an göttliche Interventionen oder Wunder appellieren, weil ich in einer säkularen Kultur ausschließlich säkular argumentiere. Um sich zu vergegenwärtigen, worauf ich hinauswill, betrachten Sie das Leben nach dem Tod als eine große Verwandlung, ähnlich wie bei einer Raupe, die zum Schmetterling wird. Stellen Sie sich vor, Sie würden die Raupe fragen, ob sie wisse, dass sie eines Tages ein Schmetterling sein wird. Die Antwort würde natürlich »Nein« lauten: »Das ist unmöglich, das ist lächerlich. Wie kann eine Raupe zum Schmetterling werden?« Aber natürlich lässt sich auch ohne göttliche Intervention oder Wunder zeigen, wie eine Raupe sich in einen Schmetterling verwandelt, allein durch das Wirken der Natur und die Gesetze der Wissenschaft. Ich werde demonstrieren, dass für die Existenz des Lebens nach dem Tod genau dasselbe gilt. Wenn ich später in diesem Buch über Himmel und Hölle schreibe, werde ich Gottes zentrale Rolle bei diesem ganzen transzendenten Plan darstellen.

Auch wenn dieser säkulare, rein »faktische« Ansatz ungewöhnlich erscheinen mag, ist er doch ein wesentlicher Teil dessen, was man als »christliche Zweisprachigkeit« bezeichnen könnte. In der Kirche sprechen wir eine bestimmte Sprache, und wenn wir unsere Position in der säkularen Gesellschaft vertreten, müssen wir dafür eine andere Sprache lernen. Besonders effektiv erreichen wir mit dem säkularen Vokabular zwei Gruppen, die in dieser Debatte oft ignoriert werden: die »Suchenden« und die »Unentschlossenen«. Die Suchenden wollen wirklich die Wahrheit wissen, haben sie jedoch bisher noch nicht gefunden. Die Unentschlossenen sind der traditionellen Religion entfremdet, besonders dem Christentum herkömmlicher Prägung, können sich aber auch nicht zum direkten Atheismus überwinden. Beide Gruppen sind in unserer Gesellschaft sehr groß geworden, und gemeinsam bilden sie eine Schar einflussreicher »Wechselwähler«. Die Atheisten sind überzeugt, dass Vernunft und Wissenschaft die Suchenden und die Unentschlossenen bewegen werden, in ihr Lager überzuwechseln, und tatsächlich reagieren viele dieser Leute nicht besonders positiv auf das übliche Arsenal von Bibelzitaten. Sie wollen nichts vom Garten Eden hören und auch nichts von Feuer und Schwefel. Der »Gott als Lückenbüßer« weckt ihren Argwohn. Oder anders gesagt: Sie lehnen den bei manchen Christen beliebten Ansatz ab, unerklärliche Naturphänomene routinemäßig als Eingriffe des Übernatürlichen zu deuten. Aber diese Menschen fragen sich doch, ob nach dem Tod noch etwas kommt, und sie sind offen für jedes Argument, das sie dort abholt, wo sie stehen, Fakten anführt, die sie verifizieren können, und nicht schon die Schlussfolgerung vorwegnimmt, zu der es hinführen will.

Vielleicht sind einige Atheisten sogar offen für eine derartige Debatte. Wenn ich mit ihnen diskutiere, besonders mit meinen Freunden Michael Shermer und Christopher Hitchens, dann berücksichtige ich immer, dass es auch für sie um ein Thema geht, bei dem sie sich nicht sicher sein können – und wenn sie noch so überzeugt behaupten, es gäbe kein Leben nach dem Tod. Der aufrichtige und nachdenkliche Atheist muss die Möglichkeit einkalkulieren, dass er sich täuscht, und das macht ihn vielleicht aufgeschlossen für rationale Argumente. In diesem Buch wende ich mich auch an Atheisten, die bereit sind, ihren eigenen Standpunkt skeptisch zu hinterfragen und ihre Annahmen zu prüfen.

Gegen Ende des ersten Kapitels noch ein Wort über den Aufbau des Buchs: Ich sammle die Argumente, ausgehend von der Bedeutung des Themas und der Möglichkeit eines Lebens nach dem Tod über dessen Wahrscheinlichkeit und die praktischen Vorzüge bis hin zu der Schlussfolgerung, warum wir uns für die Annahme entscheiden sollten. Ich untersuche die wichtigsten rivalisierenden Vorstellungen über ein Leben nach dem Tod, einschließlich jener aus den östlichen Religionen. Ich gehe auf die verschiedensten Forschungsbereiche ein – Hirnforschung, Physik, Biologie, Psychologie, Geschichte und Philosophie – : Die interdisziplinäre Behandlung des Themas sorgt dafür, dass niemand ein Experte ist. Ich versuche so vorzugehen, wie ein Staatsanwalt es in einem Fall täte, bei dem es keine Augenzeugen gibt. Der Staatsanwalt selbst ist kein Fachmann für ballistische Untersuchungen, Schrift- oder DNA-Analysen. Bei Bedarf ruft er solche Experten in den Zeugenstand. Seine Aufgabe besteht darin, die Stücke des Puzzles zusammenzusetzen und den Geschworenen die Argumente in einer kohärenten und verständlichen Form darzulegen. Genauso gehe ich hier vor, und Sie sind einer der Geschworenen. Ich spreche Sie als einen Schöffen an, der intelligent ist, aber bei der Sache, die verhandelt wird, keine Gewissheit hat. Mir ist klar, dass dies eine unübliche Vorgehensweise ist. Mir ist auch klar, dass wir hier ein komplexes Thema behandeln, das eine Herausforderung für das Denken bedeutet. Um die Sache bekömmlicher und vielleicht auch etwas vergnüglicher zu machen, habe ich mir vorgenommen, in einem allgemein verständlichen und manchmal lockeren Stil zu schreiben, der die Bedeutung und das Gewicht unserer Ermittlung dennoch nicht Lügen strafen soll.

Ein Hinweis noch vorweg: In diesem Buch gibt es keine Schauergeschichten – keine Gespenster, keine Levitationen, keinen Exorzismus, keine Medien, keine Gespräche mit den Toten. Ich will das Paranormale nicht abtun, aber ich habe meine Zweifel daran, und deshalb verzichte ich in diesem Buch völlig darauf. Meine Ermittlung beschränkt sich ausschließlich auf rationale Argumente und konventionelle Wissenschaft.

Im Mittelpunkt des Buches stehen drei unabhängige Argumente für das Leben nach dem Tod: Das erste kommt aus der Neurowissenschaft, das zweite aus der Philosophie, und das dritte ist ein moralisches. Jedes dieser Argumente ist eindeutig, und gemeinsam ergeben sie eine sehr überzeugende Begründung für das Leben nach dem Tod. Gleichwohl liegt es in der Natur der Sache, dass wir nicht sicher sein können. Wenn wir uns dies als eine Gerichtsverhandlung vorstellen, dann behaupte ich nicht, dass ich damit den kriminalistischen Standard erfüllt habe. Ich werde keinen unzweifelhaften Beweis für das Leben nach dem Tod erbringen. Ich behaupte jedoch, dass ich den Standard des bürgerlichen Rechts erfüllt und meinen Fall mit überlegenen Beweisen vertreten habe. Ich zeige außerdem, warum es gut für uns ist, auch ohne absolute Gewissheit zu glauben, und welche Version des Lebens nach dem Tod die plausibelste ist. Im letzten Kapitel gibt es schließlich noch eine Überraschung! Ich präsentiere eine Fallstudie – die einzige in der Geschichte –, die zeigt, wie das Leben nach dem Tod mehr als nur eine Zukunftsaussicht darstellt; für einen einzelnen Menschen ist es bereits eingetreten. Dieses Ereignis eröffnet uns eine verblüffende neue Möglichkeit: nicht nur das Leben nach dem Tod, sondern ewiges Leben hier und jetzt.

Kapitel 2

Marktschreier des Unglaubens

Der Werbebetrug der Atheisten

Tod – das unentdeckte Land, von des Bezirk kein Wandrer wiederkehrt.1

Shakespeare, Hamlet

Am 7. Juli 1776 besuchte der Schriftsteller James Boswell den Philosophen David Hume, der im Sterben lag. Boswell hat die beste Biografie in englischer Sprache geschrieben: über das Leben des Samuel Johnson. Wie Boswell selbst berichtet, diente sein Besuch bei Hume der Befriedigung einer »perversen Neugier«. Boswell hatte oft gehört, im Schützengraben gebe es keine Atheisten – mit anderen Worten, im Angesicht des Todes würden wir alle zu Gläubigen – , und er wollte sehen, ob der große Skeptiker Hume auf seinem Totenbett konvertierte. Er tat es nicht. Und damit nicht genug, Boswell fand ihn »gelassen und sogar heiter«. Der Ökonom Adam Smith schreibt in seinem Bericht über Humes Tod, der Sterbende habe über seinen Streit mit dem Tod sinniert, bei dem er den Tod gebeten hatte, ihm noch ein wenig Zeit zu lassen, damit er ein Manuskript überarbeiten könne. Der Tod hatte listig erwidert, Manuskripte bedürften stets einer weiteren Überarbeitung, hatte ihn einen »herumtrödelnden Gauner« genannt und ihn aufgefordert, ins Boot zu steigen. Im Gespräch mit Boswell sagte Hume, seit seiner Kindheit habe er die Vorstellung der Unsterblichkeit niemals ernst genommen. Als Christ fühlte sich Boswell durch diese Aussage verunsichert, aber er war zugleich seltsam beeindruckt davon, wie Hume seinem Ende ruhig und getrost entgegensah.2

Hume scheint einige unserer atheistischen Zeitgenossen inspiriert zu haben. Kürzlich erklärte Richard Dawkins in Bill Mahers Fernsehshow, er wolle sein eigenes Sterben auf Video aufgenommen haben. Auf die Frage nach dem Grund für diesen seltsamen Wunsch antwortete Dawkins, religiöse Menschen würden wahrscheinlich Gerüchte darüber verbreiten, er sei auf seinem Totenbett konvertiert, und die Aufzeichnung solle der Beweis für das Gegenteil sein. Auch der Philosoph Daniel Dennett beharrt darauf, er werde im Angesicht des Todes bei seinem Unglauben bleiben. Vor einigen Jahren musste sich Dennett einer lebensgefährlichen, neun Stunden dauernden Herzoperation unterziehen. Er räumt ein, das sei eine »grauenvolle Erfahrung« gewesen, die seinen Atheismus auf die Probe gestellt habe. In einem Essay unter dem Titel »Thank Goodness!« erklärte er nach seiner Genesung, sein Atheismus sei unterdessen völlig intakt geblieben und in gewisser Weise sogar gestärkt worden. Sein Überleben sei nicht Gottes Verdienst, sondern das der Mediziner, und ihnen gelte folglich all seine Dankbarkeit. Dass ein Teil seiner Verwandten und Freunde Gott ins Spiel gebracht hatten, wusste er überhaupt nicht zu schätzen. Als er von anderen erfuhr, dass sie für ihn beteten, ließ er sie wissen, er »vergebe ihnen bereitwillig« diese Torheit. Dennett sagt, er habe sich die Antwort verkniffen, dass sie genauso gut eine Ziege hätten opfern oder einen Voodoo-Priester beauftragen können, seine Genesung mit Hilfe von Zaubersprüchen herbeizuführen.3

Wenn ich über diese Episoden nachdenke, widerstrebt mir die Arroganz von Dawkins und Dennett, die Umgänglichkeit Humes dagegen finde ich durchaus reizvoll. Worauf es mir hier jedoch ankommt, ist das, was diese Vorfälle gemeinsam haben. Alle drei Atheisten sind ofenbar bereit, in den Tod zu gehen, ohne die Möglichkeit eines Lebens danach ernsthaft in Betracht zu ziehen. Mit anderen Worten: Sie tun so, als wüssten sie, dass es ein solches Leben nicht gibt. Und genau dieses »Wissen« ist es, das Dawkins und Dennett in unserer Gesellschaft und in unseren Klassenzimmern verbreiten. Was also wissen sie, das uns unbekannt ist, und wie sind sie zu ihrem Wissen gekommen?

Der atheistischen Überzeugung, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, entspricht natürlich eine gleich starke gegenteilige Überzeugung der religiös Gläubigen. Fragt man einen Christen, ob es ein Leben jenseits des Grabes gibt, wird er antworten: »Aber sicher.« Und schon bald erfährt man in allen Einzelheiten, wie ein solches Leben im Himmel und in der Hölle aussieht. Fragt man dann nach den Quellen für einen so genauen Bericht, wird die Bibel genannt: das Alte Testament, die Evangelien, die Offenbarung. Als ich mit einem Mitglied meiner Kirche über dieses Thema sprach, wies er auf einen Sticker hin, den er auf dem Parkplatz gesehen hatte: »Die Bibel sagt es. Ich glaube es. Das genügt.«

Begründungen dieser Art bringen Atheisten auf die Palme. In seinem Buch Das Ende des Glaubens schreibt Sam Harris: »Sag einem gläubigen Christen, dass seine Frau ihn betrügt oder dass gefrorener Joghurt einen Menschen unsichtbar machen kann, dann wird er wahrscheinlich wie jeder andere Mensch Beweise fordern und die Behauptung nur glauben, wenn ihn diese Beweise überzeugen. Sag ihm, dass das Buch auf seinem Nachttisch von einer unsichtbaren Gottheit geschrieben wurde, die ihn mit ewigem Feuer bestrafen wird, wenn er nicht jede darin enthaltene unglaubliche Behauptung über das Universum glaubt, dann braucht er dafür anscheinend nicht den geringsten Beweis.« Harris behauptet standhaft, man könne sich »kaum irgendwelche Überzeugungen vorstellen, die stärker auf eine Geisteskrankheit hindeuten«.4

Wir sollten nicht übersehen, dass Harris, ungeachtet seines verdrießlichen Tonfalls, bis zu einem gewissen Grad dem gesunden Menschenverstand Ausdruck verleiht. Ihm geht es darum, dass der Christ hier eine Art hausinterner Logik anwendet. Woher wissen wir, dass es ein Leben nach dem Tod gibt? Weil die Bibel das sagt. Woher wissen wir, dass die Bibel recht hat? Weil Gott sie geschrieben hat. Woher wissen wir, dass Gott sie geschrieben hat? Weil das in der Bibel steht. Ja, wir müssen zugeben, dass es sich hier um einen Zirkelschluss handelt, den außerhalb des Zirkels Stehende wahrscheinlich nicht akzeptieren werden. Der Atheist Michael Shermer, Herausgeber des Magazins Skeptic, geht sogar noch weiter. Niemand, so schreibt er, habe je einen Toten getroffen, der zurückgekommen sei, um über das Leben nach dem Tod zu berichten. Jede Menge Leute seien gestorben, und keiner habe irgendwelche Formulare ausgefüllt oder im Fernsehen Interviews gegeben, um uns fesselnde Details darüber zu berichten, was uns auf der anderen Seite erwartet.5 Shermer vertritt den Standpunkt, der Gläubige habe keine guten Argumente, wenn er uns versichere, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Der Gläubige hat für seine Ansicht nicht den geringsten Beweis, und seine Versicherung beruht nicht auf Vernunft, sondern allein auf Glauben.

Mit diesem Argument kann Shermer zwar punkten, aber es lässt sich genauso gut umkehren. Was weiß der Atheist, was der Gläubige nicht weiß? Gar nichts. Atheisten haben ebenso wenig mit Toten gesprochen wie Gläubige. Auch gibt es keine Atheisten, die selbst auf der anderen Seite waren, um in Erfahrung zu bringen, was es dort gibt. Der Tod bleibt, wie Hamlet uns sagt, ein unentdecktes Land, und wir haben nicht einmal den Geist von Hamlets Vater, der uns irgendwelche Hinweise geben könnte. Und sogar dieser Geist, obwohl er eine gute Story zu erzählen hätte, erklärt Hamlet, es sei ihm »untersagt, das Innre meines Kerkers zu enthüllen«. Also kein Wort darüber von der anderen Seite, und das müssen Atheisten ebenso wie Gläubige akzeptieren. Der Atheist kann die Nichtexistenz eines Lebens nach dem Tod ebenso wenig beweisen wie der Gläubige dessen Existenz. Beide behaupten, sie besäßen ein Wissen, über das keiner von ihnen wirklich verfügt. Es ist alles eine Sache des Glaubens – für den Atheisten ebenso wie für die Gläubigen.

Dieses Gleichgewicht zwischen Atheismus und religiösem Glauben könnte für beide Positionen gleich schädlich erscheinen, doch tatsächlich stellt es für den Atheismus ein sehr viel größeres Problem dar. Erstens hat die Überzeugung des Gläubigen zumindest eine plausible Quelle. Diese Quelle ist die göttliche Offenbarung, wie sie in einem heiligen Text ausgeführt wird. Also vertraut der Gläubige auf etwas, was als unanfechtbare Quelle gilt, nämlich Gott. Worauf gründet der Atheist im Gegensatz dazu seinen Glauben? Wer oder was ist seine Legitimation? Darauf antwortet der Atheist gewöhnlich, dass er auf die Vernunft vertraut. Sam Harris schreibt, dass der wirklich rationale Mensch »bei religiösen Fragen dieselben Beweise fordert wie bei allen anderen«.6Richard Dawkins schreibt, er glaube nicht, weil er »ein heiliges Buch gelesen hätte, sondern weil ich die Belege untersucht habe«.7