Lebenselixier - Karl-Heinz Schmehr - E-Book

Lebenselixier E-Book

Karl-Heinz Schmehr

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Beschreibung

Commissaire Fabre wurde vor Jahren in die Provinz versetzt. Der Tagesablauf, der zusehends stupider wird, lässt ihn häufig Perpignan und seine ehemalige Sekretärin vermissen. Doch dieser Tage wurde ihm ein Leichenfund - anonym - gemeldet. Verstrickungen der übelsten Art offenbaren sich ihm und seinem Ermittler - Team. Mysteriöse Handlungen in den Pyrenäen als auch in Saint Jacques-Perpignan, führen ihn schließlich zu einer Blutsbrüderschaft und von dort zu Ermittlungen nach Marseille, wo er auf mafiöse Strukturen stößt. Das gut eingespielte Team von Commissaire Fabre und seinem Assistenten Fernand staunt nicht schlecht, als sich ihre Vermutung: "... das ist ein Insider" ..., verstärkt.

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Seitenzahl: 617

Veröffentlichungsjahr: 2016

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© 2016 Karl-Heinz Schmehr

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7345-0868-4

Hardcover:

978-3-7345-0869-1

e-Book:

978-3-7345-0870-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Karl-Heinz Schmehr

Lebenselixier

Macht und Gier

Pouvoir et la cupidité sommeil partout

Wir müssen von Zeit zu Zeit eine Rast einlegen und warten, bis unsere Seelen uns wieder eingeholt haben.

Indianische Weisheit

Pour mes enfants et petits – enfants

„Wo steckt die Leiche?“, fragte er gewohnt ungehalten. Wie stets nannte er nicht seinen Namen. Wirklich erforderlich war es allerdings auch nicht, denn alle die für die Mafia arbeiteten, kannten ihn an seiner markanten, durch dringlichen Stimmlage. Sein Ruf eilte ihm überdies sowieso voraus. Was er anordnete, duldete keinen Widerspruch. Wie Sie es wollten“, gab einer aus dem Duo auf der anderen Seite des Hörers von sich.

„Gut, gut. Das heißt also in der Gruft?“ „Wie Sie es wollten“, wiederholte der beinahe monoton, eher gelangweilt. Der stupide Gehorsam der Dienstleister, wie er sie gerne intern nannte, ging ihm plötzlich gegen den Strich. Sonst eher darauf pochend, ein devotes Verhalten zu spüren, war ihm heute nicht danach. Warum nur? War er so dünnhäutig in der Früh? Was verständlich wäre, schließlich existierten in seinem Elfenbeinturm seit Wochen viele Baustellen. Tag ein, Tag aus, musste er sich um diese kümmern, glaubte er. Dazu seinen ganz normalen Alltag meistern und umfangreiche – ein satanisches Lächeln trat auf sein Gesicht – Entscheidungen treffen! Allerdings fühlte er sich alleine als Strippenzieher befähigt. Deshalb trug er natürlich auch die Last. Wer konnte das schon begreifen? Das kommt davon, wenn du Vertrauen nicht zu seinen Stärken zählst! Aber was beschwerte er sich, dachte er. Ja, es geht mir auf die Nerven, aber ich habe diesen Kadavergehorsam allen von Beginn an antrainiert.

September 2006 –Pyrénées-Orientales – Roussillon

Bereits seit Jahren trafen sie sich alle zwei Monate - an einem abseits gelegenen Ort auf dem Gipfel des Dreitausenders. Es geschah stets in den frühen Morgenstunden und Rituale waren ihnen besonders wichtig. Heute war es mal wieder soweit. Ausgerechnet an diesem Traditionstag, wendete sich jedoch das Blatt. Das passte gar nicht in ihren gewohnten Ablauf und die Kopflosigkeit stand ihnen ins Gesicht geschrieben. In Perpignan las noch am Vormittag beim Stöbern im Journal de Paris, rein zufällig, einer aus dem Zirkel, eine versteckte, man könnte sagen Randnotiz. Zunächst wunderte er sich bloß. Dann jedoch wurde er nervös. Das war auch der Punkt, warum er anfangs noch unentschlossen blieb, wie er mit dieser Meldung umgehen sollte. Nach langem Abwägen unterrichtete er schließlich doch zwei weitere Mitglieder der Katalanischen Blutsbrüderschaft. „Ja, noch bevor es hinaufgeht“, sagte er sich, „muss es sein.“ Dorthin, wo sie sich bereits lange Jahre trafen.

*

Gerade stellten sie ihren Jeep, mit dem sie grundsätzlich zu zweit in die obere Region fuhren, auf dem Parkplatz in mittlerer Höhe ab. Es war die letzte Chance, denn ganz nach oben ging es nur noch zu Fuß. Wie immer, marschierten sie die restlichen zwei Kilometer notgedrungen, sagten sie sich, wenn dabei auch verschmitzt lächelnd, zum Pic du Canigou. Heute konnten allerdings die üblichen Themen der Tagesgeschäfte nicht im Vordergrund stehen. Nein, der anonyme Beitrag in der Tageszeitung am Vormittag, zwang sie zum Umdenken. Dabei philosophierten sie immer wieder - wer hat hiervon Wind bekommen und vor allem aus welcher Quelle? Es war gut, dass sie in einer roten und einer schwarzen bodenlangen Kutte, verkleidet waren. Dunkle Handschuhe hatten sie übergestreift und über den Kopf die Caparutxa, eine Art Spitzkappe, mit zwei furchterregenden Sehschlitzen gestülpt. Ein uralter katalanischer Brauch, den man auf den. katalanischen Dominikanerprediger, Vincent Ferrier, zurück führte. Der brachte ihn 1415 auf seiner Missionsreise mit nach Perpignan. Dort, wo seine flammenden Reden die Menschen in spontan organisierten Prozessionszügen zusammenkommen ließen. Ein Jahr später bereits, zur Erinnerung daran und nach spanischem Vorbild, war es in der Kirche Saint – Jacques schon zum Brauchtum geworden. Sie nannten sich Blutsbrüder im Büßergewand. Ihr Ziel, sich vornehmlich um soziale Randgruppen zu kümmern, stand dabei vermeintlich im Vordergrund. Ein Bruderschaftsältester wurde seitdem gewählt, der Regidor. Er war es, der in einer rot gewandeten Kutte, eine Eisenglocke in der Hand, stets voranschritt. Glockenklang, Gesang und dumpfer Trommelschlag begleiteten den merkwürdigen Umzug. Heute bleibt, die mit Gänsehaut und Mittelalterromantik einhergehende Tradition, einzig auf den Karfreitag beschränkt. Ab Ostersonntag beginnt man mit der Auferstehung bei ausgiebigen Tafelfreuden an der frischen Luft. Ganz nach uraltem katalanischem Brauch, mit viel Musik und Sardana. Das alles ging dem Politiker gerade wieder durch den Sinn.

Sie, die drei Mitglieder, allesamt aus Perpignan, schienen diese Tradition im Stillen – unbeobachtet von der Außenwelt – fortführen zu wollen. Hätte sie dort jemand erblickt, wäre der Eindruck erweckt worden, es seien Mitglieder des berühmt berüchtigten Ku Klux – Klan. Männer waren es: ausschließlich. Fein säuberlich gegenseitig ausgewählt. Sie allesamt standen im öffentlichen Leben und konnten durchaus einen guten Leumund nachweisen. Für den Notfall, hieß es stets. Der Industrielle war ebenso dabei, wie der beamtete Politiker. Beide waren schon recht lange befreundet. Hatten also Vertrauen zueinander. Dazu kam ein Investmentbanker aus Lyon, der in der Finanzbranche eine Größe und überdies anderweitig spekulativ tätig war. Es passte, irgendwie. Dieser allerdings war aus dem Dreierbund der Einzige, nicht gänzlich eingeweiht, wenn auch, wie die beiden Mitbrüder, noch heute in der Tradition lebend.

„Alles“, sagten sich der Industrielle und Politiker, stets schelmisch lächelnd, „muss der nun wirklich nicht zur Kenntnis erhalten.“ Weder Öffentlichkeit noch Familien ahnten die seltsamen Machenschaften. Das war natürlich auch der Grund, warum es quasi im Untergrund ablaufen musste. Der Banker glaubte bis heute, handele sich hier ausschließlich um übliche Finanzgeschäfte. Weitestgehend seriös. Für Topadressen, die jedoch selbst nicht in Erscheinung treten wollten. Das war auch die Triebfeder, warum er immer mit viel Enthusiasmus seine Fachkompetenzen beitrug. Nur am Rande, sie gehörten aber nicht zum engen Zirkel, gab es noch vier weitere Leute, die sich um Botengänge und administrative Aufgaben kümmerten. Berichtet wurde konsequent an den Banker. Das hatte auch triftige Gründe. „Wir müssen unsere Taktik ändern“, gab er nachdenklich von sich. „Jetzt, wo sich eine undichte Stelle auftat, bleibt uns das nicht mehr erspart.“ Als er das formulierte, blickte er den Politiker fragend an. Doch dessen Mimik konnte er so wenig einschätzen, wie dieser die Seine. Schließlich hatten sie auch bei diesen Sitzungen, dem Brauchtum folgend, die Spitzkappen längst übergezogen. Ihr Lächeln unter der Maske verbarg ihre zynischen und dunklen Gedanken. Da der Banker unmittelbar aus Lyon anfuhr, war es für sie als Drahtzieher, risikofrei. Beinahe … Mit einem Schmunzeln im Gesicht, stülpte dieser, allerdings erst auf dem Gipfel, im Beisein seiner Blutsbrüder, die seltsame Kopfbedeckung über. Er ahnte nicht die wahren Hintergründe seiner Freunde. Konnte er auch nicht. Über die Jahre war er gutgläubig und ging davon aus, dass alles der uralten Tradition folgen sollte. In dem Glauben wollten sie ihn auch weiterhin belassen. „Jetzt“, sagten sie sich, „sowieso!“

*

Whahib beobachtete die Szenen argwöhnisch. Die Menschen mit der recht gewöhnlichen Verkleidung, flößten ihm Angst ein. Was spielt sich da auf dem Pic ab?, fragte er sich. Durch Zufall entdeckte er vorhin unter der Baumgruppe diese Leute. Die Überwürfe und die Spitzkappen die sie, sicher als Schutz vor fremden Blicken, schützen sollen, verrieten nicht, ob es sich ausschließlich um Männer handelte oder auch Frauen zu dem Trio gehörten. Er bemühte sich deren Gestik zu interpretieren, Wortfetzen zu erhaschen, um einen thematischen Übergang herstellen zu können. Es gelang nicht, obwohl er sich aus sicherer Entfernung an ihre Lippen heftete. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass hier, vielleicht sogar ideologische Machenschaften, formulierte er still, ins Leben gerufen werden sollen. Eine innere Unruhe erfasste ihn. Jetzt stellten sich die Menschen auf, ordneten ihre Kleidung und machten sich auf den Weg hinunter. Er hatte gerade noch genügend Zeit, sich hinter einigen kahlen Büschen zu verbergen, so dass er beinahe bäuchlings auf der Erde lag. Es hätte nicht viel gefehlt, meinte er, dann hätten sie mich lokalisiert. Das erste Mal seit über fünfzehn Jahren, fand er diese Situation bedrohlich. Nachdem er seine Anspannung überwunden hatte, fasste er Mut und folgte in gebührendem Abstand. Ihr Weg führte bis zu dem alten Steinbruch, der vor Jahrzehnten schon stillgelegt wurde. Es war jedenfalls vor meiner Zeit, nuschelte er. Dort, in der Nähe des Waldrandes, sah er zwei Personenwagen stehen. Einen SUV und einen roten Sportwagen. Er stutzte.

Als er heute besonders früh hoch zum Pic wanderte, war hiervon noch nichts zu sehen. Der morgendliche Spaziergang, den er über Jahre pflegte, war friedlich, er hatte es hier oben nie anders erlebt. Jetzt waren sie bei den Autos angelangt. Einer stieg in den sportlich - roten Wagen, die beiden anderen in den SUV ein. Derjenige, der die rot gewandete Kutte übergestreift hatte, setzte sich zügig hinter das Steuer, wartete bis die Beifahrertür geöffnet wurde, bevor er seinen Wagen startete. Inzwischen war der Sportwagen, es könnte ein Ferrari gewesen sein, längst davon gefahren. Durch die Trockenheit der vergangenen Monaten war die Erde brüchig-staubig und der der allzu flotte Start des Fahrers,ließ die Räder so rotieren, dass kräftiger Feinstaub aufgewirbelt wurde. Whahib schüttelte seinen Kopf! Dafür hatte er noch nie Verständnis. Da er nie Interesse an Automobilien, obwohl er sich in den früheren Jahren ein schickes Auto hätte durchaus leisten können, hatte, war es selbstredend. Es ging ihm in dem Moment, ohne Neid, durch den Sinn. Dem SUV schaute er gerade mit starrem Blick hinterher. In seinem Gedächtnis brannte sich ein: „War wohl doch ein Scherz. Da habe ich mir was eingebildet.“

Doch im Hinterkopf rumorte der Gedanke, es ließ ihn nicht los: War es eine Verschwörung, eine politische Organisation, oder …? Gemächlich ging er, wie immer die vergangen Jahre, zurück in den Wald und näherte sich seiner Behausung. In der ging es zwar spartanisch zu, aber eine Marotte, die ihm stets zu eigen war, hatte er sich bewahrt. Täglich, wenn er zu der nahegelegenen Bergquelle lief, schöpfte er Wasser, ging zurück und pflegte seine Zähne. Hierbei schaute er in eine Spiegelscherbe, die halbblind war. Dann bleckte er seine Zähne so, dass sich sein Gebiss nach außen bewegte. Dabei freute er sich, dass es noch immer strahlend weiß war – sein ganzer Stolz; schon eh und je!

Donnerstag, 03. September 2009 – Céret

Mittlerweile waren bereits wieder drei Jahre vergangen. Doch nach dem neuesten Ausrutscher, wie sie es sich darlegten, stellten sie erstmals die Frage: „Wie lange noch?“ Nachdem ein gewisser Commissaire Fabre die Fäden in der Hand hielt, änderte sich das Spiel. Es wartete ein harter Job auf sie, wurde ihnen gerade bewusst. Es wurde unumgänglich, eine neue, zukunftsgerichtete Strategie auf den Weg zu bringen. Dieser Ermittler, resümierten sie, soll ein hemdsärmeliger Typ sein! Der Augenaufschlag drückte die Härchen ihrer großen Wimpern wippend, es sah beinahe grotesk aus, durch die Sehschlitzen. In solch einer Phase war es ihre Art des Lächeln, das ausnahmslos sie deuten konnten. Das war auch der Beweggrund, warum sie ihre Anonymität weiter ausbauen mussten. Doch rosig sah auch diese bislang nicht aus. Ein Zurück, zumindest für den Unternehmer und Politiker, war ausgeschlossen. Warum …? Doch dann wurden in gewissen Abständen, stets anonym, Leichenfunde gemeldet. Irgendwie war dies schrill! Das war der Augenblick, als Commissaire Fabre schließlich selbst die Ermittlungen in die Hand nahm.

*

Heute, gegen elf Uhr, wie jeden ersten Donnerstag im Monat, fand der inzwischen obligatorische Polizeisprechtag auf dem Commissariat in Céret statt. Das war eine von mehreren Neuerungen, die Fabre einführte, als er vor nunmehr vier Jahren hierher beordert wurde. Wenn es sein Zeitplan ermöglichte, nahm auch er daran teil. Sich stets im Hintergrund haltend, aber eben doch präsent. Es war seine Art einer offenen Führung. Als Commissaire der Region, so nannten ihn inzwischen auch die Bürger dieser Stadt liebevoll, war es ihm wichtig, nahe am Bürger und dessen Sicherheitsbedürfnissen zu handeln. Das pflegte er schon in Perpignan. Doch damals wurde er vom Präfekten diesbezüglich bisweilen getadelt. Wegen seiner Eigenmächtigkeit, wie der ihm, häufig übereilt, vorwarf. Was er allerdings absolut nicht nachvollziehen konnte. Schließlich sollte er das Commissariat doch selbstständig leiten. Oder etwa doch nicht? Doch beirren ließ er sich hiervon keineswegs und ordnete an, dass unverändert die Sprechtage angeboten werden sollten. Er handelte eben wie ein echter Katalane: gewandt, zielstrebig, ehrgeizig, aber auch souverän und unterstützend in der Sache. So schnell brachte ihn nichts aus der Fassung. Auch die Regional – Politiker nicht, schon gar nicht sein Chef, der Präfekt aus Perpignan. Hier oben, das war derzeit zumindest sein Trost, war er der Chef. Und das im anständigen Miteinander mit allen Kollegen. Von der Reinemachefrau bis zum ersten Offizier. Da machte er keine Ausnahmen. „Mensch ist Mensch“, sagte er dann bloß.

Neben der Präfektur Perpignan gab es im Departement Pyrénées Orientales zwei Unterpräfekturen: Prades und eben Céret. Es umfasste die historischen Provinzen Roussillon und im Norden einen Teil der Provinz Languedoc, die Fenouillèdes. Ihre Eigenständigkeit, dachte Fabre der konservative Katalane mal gerade wieder, bewahrten wir bei allen Höhen und Tiefen unserer Geschichte. Er lächelte hierbei zufrieden in sich hinein, egal ob sie zu Aragonien, Spanien oder Frankreich gehörten. Das war und ist, führte er stolz in sich, Männern wie mir zu verdanken. Waschechte Katalanen sind unverkrampft und lassen sich nicht einfach umstoßen. Der alte katalanische Name kam ihm in den Sinn: Pirineus – Orientales. „Das ist es, warum die katalanische Kultur erhalten bleiben musste“, sagte er diesmal laut, als würde er ein Zwiegespräch führen. Dann stand er nationalbewusst auf und salutierte. „Notgedrungen …“, führte er sein Selbstgespräch fort, „bin ich nun der Commissaire in Céret. Während er so sinnwandelte, betrat Madame Cantos das Büro. Sie war bereits eine etwas ältere Dame und zuständig für sein Sekretariat. Übernommen hatte er sie quasi; das missfiel ihm jedoch noch immer. Viel schlimmer, er musste sie aushalten. Das passte ihm ganz und gar nicht. Doch welche Wahl hatte er? Seinerzeit wirklich keine. Sie war überdies extrem konservativ. Dabei stieg ihm, selbstkritisch wie er durchaus auch sein konnte, in den Sinn, dass auch er konservatives Züge zeigte. „Aber so …?, mais non!“ Hinzu kam, dass sie keine Katalanin war. Was er schade fand. Das war für ihn nämlich das größte Übel. „Sie möchten bitte …“, höflich war sie unbedingt, „… den Maire anrufen“, hörte er Madame Cantos, in der ihr eigenen Stimmlage, beinahe schon im Befehlston, von sich geben. Es geschah mehrfach täglich. Gewöhnen konnte er sich an dieses Verhalten nicht. Und das mit einem Gesichtsausdruck, dass nicht von hier sein konnte. Eher missmutig blickte sie. Tagein und tagaus musste er sich dies nun antun. Manchmal ging es ihm richtig auf den Keks. Er, der positiv in den Tag blickte, konnte ihre griesgrämige Art nur schwer ertragen. Zu sich selbst durfte er schließlich so salopp reden. Aber … Die Jahre schienen sie zu einer harten Frau gemacht zu haben. Oft fragte er sich deshalb: welche Gründe dazu wohl geführt haben mochten. In keinem Falle spiegelte sie die typische katalanische Freundlichkeit. Obwohl, überlegte er, sie schon Jahrzehnte hier lebte. Damals kam sie mit ihren Eltern aus Lyon. Das hatte sie einst an einem ihrer guten Tage berichtet. Aber viel mehr über ihr Privatleben drang nie an seine Ohren. Er sinnierte, ob er sie nicht doch mal darauf ansprechen sollte. Vielleicht hilft es ja! Aber eine richtig Hiesige, wird die nie, fügte er wieder an. Laut äußerte er es nicht. So höflich war er. Eben schon ein typischer katalanischer Caballero.

Als sie den Raum verließ, die Tür bereits wieder geschlossen hatte, griff er gewohnheitsgemäß lässig zum Hörer. Den Tag sich durch sie vergraulen zu lassen, ließ er nicht zu. Dann hätte er ja täglich damit zu kämpfen, meinte er und gab sich die Sporen. Dabei grinste er in den blitzblank polierten Köcher auf seinem Schreibtisch, der noch aus feinstem Edelstahl kreiert war. Er wählte, der Stand der Telekommunikation war im Amt noch lange nicht in der Neuzeit angekommen, die Vorwahl des Département mit der Ordnungsnummer 66. Danach die Durchwahl. Während er darauf wartete, dass der Ruf angenommen wurde, nutzte er die Zeit und schaute, wie häufig über die Jahre, durch das große Seitenfenster des Büros. Das Wetter war trist. Es war Anfang September und erste Mistrals, Fallwinde, die aus den Bergen des Zentralmassivs Richtung Mittelmeer strömten, hatten sich bereits angekündigt. Deshalb! Stöhnte er. Ziemlich früh dieses Jahr. Zu früh! Er spürte erste Anzeichen, dass der Spätsommer bereits sein Debüt gab. Noch immer wartete er auf den Teilnehmer. Während sein Blick nach draußen schweifte, bemerkte er, wie sich am Firmament derweil dunkle Wolken bildeten. Fesselnd beobachtete er, wie einige Regenschauer auf den noch warmen Boden fielen und in hundertstel von Sekunden verdampften. So wie es eben gelegentlich im Hochsommer geschah. Er war überwältigt von der ständigen Wiederkehr dieses Schauspiels, welches für ihn über die Jahre an Faszination nichts einbüßte. In diesen Tagen würde das aber wohl für dieses Jahr ein Ende finden, begann er gerade zu sinnieren und wollte längst auflegen, als er jäh aus seinen Gedanken gerissen wurde. Der Maire meldete sich mit seiner ziemlich barschen Stimme. Nicht wirklich erstaunt war er darüber. Wusste er doch, seit er gelegentlich mit ihm zu tun hatte, dass er sich öfters so despektierlich verhielt.

„Barbot“, schnalzte es durch die Muschel. Und er schickte gleich hinterher, ihm keine Chance bietend: „was steht an?“ Da war es, das herabwürdigende Verhalten, was er grundsätzlich hasste. Mit derartigen Menschen hätte ich am liebsten nichts am Hut, lag ihm auf der Zunge, verkniff sich aber jegliche Bemerkung. Stattdessen artikulierte er besonders präzise: „Sie baten um dringenden Rückruf, erfahre ich von Madame Cantos.“ Ein Grußwort, wie er es sonst wie selbstverständlich und aus anerzogener Höflichkeit an den Anfang stellte, unterdrückte er. Schließlich hatte der Maire es ebenso ignoriert. „Habe ich in der Eile doch vergessen“, röhrte der Maire schnell und wurde ungeduldig. Fabre, der innerlich aufgebracht war, dachte: Schließlich wollte er was von mir! „Da fällt mir ein, ja, es geht um ihren Antrag Restaurierung“, begann er umständlich. „Sie wissen sicher noch, dass sie diesen über die Präfektur Perpignan stellten“, gab er sich nun gar schnöselhaft. Beinahe schon perfide klang es … „… ja, ja …“, gab Fabre schnörkellos von sich. Ließ sich von dem Gedanken leiten, dass der heute wohl seinen rationalen Tag pflegte. Das kannst du haben, murmelte er in sich hinein … „… der wurde abgelehnt“, hörte er dann durch den Äther. „Der Präfekt hat es an mich verwiesen. Ich soll entscheiden. Also: abgelehnt.“ Wiederholte er mit Spitzfindigkeit und einer gewissen Ironie, gepaart mit einer Portion Schadenfreude. Fabre spürte es, kannte seine unmögliche Art über die Jahre. Gewöhnt hatte er sich nie dran, bis heute nicht. „Was spricht dagegen?“, hakte er deshalb ein. Einfach einlenken wollte er nun auch wieder nicht. „Die Präfektur hat kein Geld“, gab er genervt zur Antwort. „Und Sie, als Maire, Vertreter der Stadt Céret. Wie sehen Sie es? Wäre doch auch für das Stadtbild eine Bereicherung, oder? Das Haus hat doch die besten Jahre längst hinter sich. Muss dringend renoviert werden. An manchen Ecken gar restauriert …“, schob er nach. Noch immer sachlich und ruhig, aber jetzt mit Nachdruck.

Seine Lesebrille auf den Höcker seiner Nase, schaute Fabre plötzlich nachdenklich ins Leere. Schließlich stellte er abrupt fest, dass er besseres zu tun hätte: mit solchen Kinkerlitzchen muss ich mich nicht befassen! Nicht zuletzt deshalb, weil ein weiterer wichtiger Fall, zumindest aus Sicht seines Chefs, auf ihn wartete. Und dieser machte ihm unmissverständlich deutlich, dass er sich schleunigst darum kümmern sollte. In diesen abschweifenden Überlegungen drang erneut die unangenehme Stimme: „Das sehe ich anders. Oder wollen Sie in einem Palast arbeiten?“ Er war zurück in der Realität. Der Maire war noch immer in der Leitung, fuhr, ohne Fabre auch bloß den Hauch einer Chance zu bieten, fort: „… das wird nichts. Basta!“ Der Commissaire hatte endgültig die Nase voll, verlor seine Contenance. Das war ihm doch zu perfide. Ohne auch nur ein Sterbenswörtchen zu äußern, knallte er den Hörer final auf die alte schwarze Gabel und beendete, zumindest aus seiner Sicht, das Gespräch mit dem schrulligen Maire. Abwarten was der noch sagen wollte, kam ihm nicht mehr in den Sinn. Und sein dummes Geschwätz anhören …, nein, wollte er schon gar nicht, … nicht mehr, sprangen seine Gedanken konsequent einen Satz weiter. Auch so konnte sich ein Katalane, wenn er sich respektlos behandelt fühlte, verhalten. Als er an das immer noch halbgeöffnete Fenster trat, atmete er tief durch. Er brauchte es um sich zu beruhigen. „Es müsste nicht sein!“, entfuhr es ihm dabei. So, als wolle er mit dem Raum einen Dialog beginnen. Entrüstet war er. Die etwas kühlere Spätsommerluft, die durch die Herbstpassatwinde herein geweht wurde, empfand er in dem Moment gar willkommen. Ein frischer Wind muss wehen. Ja! Mit Wehmut dachte er in dem Moment an seine über fünfzehnjährige Zeit in der Zentrale Perpignan, zurück.

Erneut griff er zum Hörer. Diesmal um Renard anzurufen. Lust darauf hatte er weiß Gott keine, aber es musste eben sein. Ergänzende Fragen, die er sich aufgrund des Gesprächs am Vormittag notierte, wollte er nicht länger aufschieben. Welche näheren Hinweise zu den Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik konnte er ihm noch geben? Dabei graute ihm, dass er seinen Chef immer mit Monsieur Renard ansprechen musste. Noch lieber würde der sich mit Don ansprechen lassen, Don Renard, setzte er gedanklich nach und lachte in sich hinein. Das war der Fall seit der ihn nach Céret beorderte. Das Wort versetzt, ließ er, stets geflissentlich, offiziell unter den Tisch fallen. „Ich sagte ihnen doch: schleunigste Aufklärung. Mehr habe ich derzeit auch nicht parat.“, speiste er ihn lapidar ab. Dann wollte er, ohne auch nur ein Erklärung zu den Verdächtigungen zu geben, wissen, wie er nun den Fall gedenke endgültig voranzutreiben. Das hatte ihm noch gefehlt. Und er murrte: fordern, aber nicht fördern.“Was sagten Sie Fabre?“ „Nichts!“ Das kurze, ertragsarme Telefonat, kam ihm verdammt merkwürdig vor. Der Präfekt so unsicher? Ja, sein Verhalten schien ihm gar eher eine Art Ablenkung zu signalisieren. Oder irrte er sich? Interpretierte zu viel Negatives in das belanglose Gespräch? Sicher, seit er nicht mehr in Perpignan arbeitete, war das Verhältnis mehr als abgekühlt. Er musste gegenüber anderen Kollegen in der Provinz doppelt zulegen, um, zumindest eine gewisse Anerkennung zu ernten, dachte er enttäuscht. Aber deshalb könnte er ihn doch nicht unter Generalverdacht stellen … versuchte er sich zu läutern.

Sekunden später rief er seinen Assistenten zu sich. „Also …“, er machte eine Sekundenpause …, „Fernand. Wir arbeiten nun vier Jahre zusammen. Sind ein eingespieltes Team. Die Aufklärungsquote konnte sich bislang wirklich sehen lassen. Oder? „Mais Qui“, nickte der. „Dann lassen Sie uns mal den neuesten Fall endgültig angehen.“ „Neuester Fall?“ Er grinste. „Woher diese klare Linie? Sicher gab dies le Préfet mal wieder von sich. Wundern würde es mich jedenfalls nicht“, wagte er, was sonst ganz und gar nicht seine Art war, sich vor. In Céret aber auch in der Unterpräfektur Prades war bekannt, dass der Präfekt stets konstruierte: das sei ein Fall! Und das selbst dann, wenn nicht mal klare Ansätze greifbar waren. So wie jetzt! Logische Gegenargumente fegte er grundsätzlich flott vom Tisch. Papperlapapp war dabei noch eine weiche Art seiner Ignoranz. Fabre schilderte nun seinem Assistenten die Details. Ging auf die namenlose Verdächtigten ein, die der Präfekt erwähnte. Und ergänzte die von ihm skizzierten Verbrechen. Schon an dieser Stelle schüttelte Fernand bedenklich seinen Kopf. „Namenlose Verdächtige. Was für ein Schwachsinn!“, schlummerte in ihm, aber er unterdrückte es. „Ein Industrieller aus Céret soll es sein“, fuhr Fabre fort. „Dazu ein Beamter und oder Politiker aus Perpignan. Betrügereien und Finanzspekulation würden denen zur Last gelegt. Und, so sagte er zum Abschluss, mindestens ein Mord, wäre an seine Ohren gedrungen, solle im Spiel sein! „Ein Mord?“, sagte Fernand stirnrunzelnd. „Das ist ja ein ganz anderes Kaliber als ich zunächst ahnte.“ „Was heißt ahnte, Fernand?“, reagierte Fabre verblüfft. „Tja, ich habe da schon etwas Läuten hören.“ „Etwas Läuten hören? Was heißt das denn nun wieder?“ Commissaire Fabre rang nach Worten. Was allerdings nicht erstaunlich sein konnte. Denn er wurde vom Präfekten schließlich, jetzt musste er sagen angeblich vertrauensvoll, gebrieft. Und nun sagte sein Assistent, dass er schon … Also da läuft doch was schief, resümierte er. Er ging zwar nicht in Details, aber aus seinem Kopf ging es ihm absolut nicht mehr. Woher könnte Fernand etwas wissen? Jetzt war sein Vorschlag spitzfindig. „Wir müssen“, meinte er, „diskret und sensitiv vorgehen. Ich ahne dubiose Verstrickungen. So, wie Renard, ich meine Monsieur Renard es zuvor formulierte, keine Frage.“ Er lächelte süffisant. Sein Assistent wollte eben einstimmen, kniff aber schnell seinen Mund zusammen und fragte sich, ernsthaft anscheinend, ob er dazu berechtigt sei. So entschieden sie, zunächst herum zuhören, ob Gerüchte im Umlauf seien, die derartiges überhaupt vermuten ließen. „Bevor wir die Pferde scheu machen“, murmelte Fabre. Er schaute irritiert drein, als er sich nochmals daran erinnerte, dass der Präfekt genau den Hinweis gab. Es kam ihm ziemlich verbal und unstrukturiert vor. Aber …, c’est la Vie! „Schon dubios“, nuschelte er wieder, ohne seinen Kopf zu heben, zu seinem Assistenten. Fernand unterließ allerdings jeglichen Kommentar. Obwohl, da flossen ihm gerade einige Worte auf die Zunge … Diesmal nicht. Wenn er auch sonst durchaus eine Art Esprit Équipe vorzog und auch mal gerne eine flotte Lippe riskierte.

Für ihn war das Verhalten des Präfekten so neu nicht. Auf der anderen Seite mochte er seinen neuen Chef, den er über die Jahre schätzen lernte. Fühlte sich gut bei ihm aufgehoben und anständig behandelt. Da konnte er, wie er oft sagte, über kleine Macken hinwegsehen. Sein rotes Gesicht grinste. Das war bei dem Vorgänger absolut nicht der Fall, besänftigte er sich. Das Stutzen des Commissaires war nachvoll ziehbar! Fabre fabulierte zunächst in seinen Gedanken. Er wollte seinen Assistenten in keinem Falle in Verlegenheit bringen. Dann allerdings sagte er spontan: „Wen sollten wir noch einweihen, Fernand. Was meinen Sie?“, und gab sich auch gleich die Antwort: „Am besten in den kommenden Tagen keinen!“ Fernand wollte eben widersprechen. Unterdrückte es aber unversehens: vermutlich hat er ja recht! „Ist das ihre Zustimmung? Die wortlose Gestik?“ „Ja“, hörte Fabre wenigen Sekunden später und war froh, dass er sich auf keine tiefschürfenden Diskussionen einlassen musste. Heute nicht mehr, dachte er. Fürs Erste war es entschieden. Fabre und sein Assistent Fernand waren Geheimnisträger. „Na also. Lassen Sie uns die Feldversuche starten“, begann der Commissaire. Seine diametral geänderte Meinung nötigte Fernand ein Erstaunen ab. Was meint der nun mit na also …? Mit Telefonaten in Céret und den umliegenden Villages eröffneten sie, trotz aller widersinnigen Deutungen, den Fall. Noch immer grübelte Fabre, ob es denn überhaupt einer sein würde.

Freitag, 04. September 2009 – Céret

Schon recht früh saß Fabre an diesem Morgen an seinem Schreibtisch. Wie immer, das war in Perpignan eben anders, dachte er, musste er bei seiner Sekretärin den Frühkaffee anmahnen. Dabei erinnerte er sich mal wieder an die brüskierende Situation. Als er damals Hals über Kopf hierher beordert wurde, war es ihm leider verwehrt, seine dortige Sekretärin, Claire, mit der er bestens vernetzt war, mitzunehmen. Das hatte zwei Gründe. Erstens, der Präfekt lehnte es kategorisch ab und zweitens, sie wollte partout, obwohl sie den Commissaire mochte, in der Großstadt bleiben. Für ihn war sie seinerzeit beides, Sekretärin und Assistentin, lobte er heute noch etwas wehmütig. Gleichzeitig dachte er: Wenn ich bloß an diese Can … Wollte er eben los wettern … ‚ unterließ es aber. Es hatte eh keinen Zweck … Sie managte in Perpigan, wenn er von unterwegs anrief, in einen Fall verstrickt war und hielt ihm den Rücken frei. Lächelte er. Sie recherchierte, sandte ihm Mails mit Daten, übernahm eilige Telefonate, stets in seinem Auftrag und Sinne. Ja, sie kümmerte sich gar um das Personal. Mitunter hatte sie äußerst gute Ratschläge, nicht zu vergessen. Auch das braucht ein Commissaire, gab sich Fabre mal wieder betrübt. Was gäbe er drum, sie wäre in seiner Nähe … „Aber hier …“, raunzte er verdrießlich und beherrschte sich. Er bedankte sich bei Madame Cantos, höflich wollte er sein, für den Kaffee und wartete, bevor er an der Tasse, kein Porzellan, dickes Steingut, was er hasste, nippte, bis sie die Bürotür hinter sich wieder geschlossen hatte. Dann trank er, ganz vorsichtig, einen Schluck. Was stets so aussah, als wolle er die Qualität prüfen. An manchen Tagen, heute war solch einer, rümpfte er schließlich die Nase und meinte: „Das ist einfach nicht Claires Kaffee.“

„Fernand. Guten Morgen. Wir sollten uns umgehend zusammensetzen. Passt es jetzt?“, begann er, wie immer, wenn er mit seinem Assis tenten sprach, gut gelaunt. Ja, bin schon auf dem Weg. Soll ich was Bestimmtes mitbringen?“, sagte er engagiert. Ja, sie waren über die Jahre ein gutes Team geworden. Harmonierten aufgrund ihrer gegenseitigen Offenheit, Zuverlässigkeit und nicht zuletzt guter Laune, bestens miteinander.Das war eben auch der Kern, dass sie gemeinsam den überwiegenden Teil der Kriminalfälle aufklären konnten. Beide hatten dies, unabhängig voneinander, so verinnerlicht. Was diesen Punkt betraf, war Fabre wenigstens zufrieden. Nicht zuletzt deshalb, weil er schließlich, noch immer unverheiratet, die meiste Zeit in der Behörde oder bei Recherchen unterwegs verbrachte. Dann wollte Fabre, und das möglichst schnell, an den gestern begonnen Einstieg des neuesten Falls anknüpfen. Immerhin, bedachte er zuvor, hatte er noch einige ungeklärte Fälle, sogenannte Altlasten, wie er sich stets ausdrückte, auf dem Tisch. Nein, besser, in dem Körbchen mit dem Aufkleber unerledigt. Ein gewisser Zweifel, wie er dies zeitnah bewältigen könnte, setzte ihn unter Druck. „Was konnten Sie gestern noch erreichen. Fernand?“, stieg er direkt, nachdem sein Assistent vor ihm stand, in den Fall ein. Anstatt auf die Frage zu antworten, reagierte dieser, für Fabre ungewohnt, am Thema vorbei. Das soll ein Fall sein? Nie und nimmer. Die vielen Gespräche die ich jedenfalls schon führte, endeten allesamt in einer Sackgasse. Ergebnislos war es eben. Bei Ihnen mon Commissaire?“, gab er sich plötzlich doch dialogbereit und lächelte. „Na ja, kein besseres Resultat. Wenn ich ehrlich bin. Hatte ich auch zu dieser Zeit nicht erwartet.“ Man sah ihm an, dass, locker wie er es rüber brachte, sicher der Tatsache entsprach. „Deshalb müssen wir den vor uns liegenden Tag vollumfänglich nutzen“, gab er sich geschäftsmäßig, um eine konsequente Linie zu entwickeln. „Das da heißt?“, nahm Fernand das Wort. „Nun, dass wir im Umfeld der hier angesiedelten Firmen, auch bei Behörden, die Augen und Ohren öffnen. Erinnern sie sich daran, der Präfekt gab es doch, wenn auch in diffuser Form, könnte man sagen, als einzig bekannte Größen vor. Wir sind doch keine Mathematiker!“ Er wartete auf Unterstützung seines Assistenten. Die tatsächlich kam! „Mon Commissaire …“, tröstete er ihn. Das war aus seinem Munde stets die vertrauliche Anrede gegenüber seinem Chef. „… so ging es mir auch durch den Kopf. Aber, faselte Monsieur Renard nicht etwas von einem Mord, der in dem Zusammenhang eine Rolle spielen soll?“, wagte er zu äußern. Bei dem Vorgänger, streiften seine Gedanken in die Vergangenheit, hätte dies mit Sicherheit eine Disziplinarstrafe gegeben. Jetzt erntete er zwar in solchen Situationen nicht immer Beifall, aber er sah in ruhige Gesichtszüge. Ohne, dass einer von ihnen es aussprach, lagen sie eben auf einer Wellenlänge.

Pic du Canigou

Noch am Vortag unterrichte er seinen langjährigen Freund, ein Mitglied der Bruderschaft des engen Zirkels, dass er in einer Randnotiz im Journal de Paris, wie bereits vor drei Jahren, erneut las, dass in der Provinz Politiker und oder Beamte, so genau wisse man es nicht, sowie Leute aus der freien Wirtschaft, sich mit kriminellen Machenschaften beschäftigten. „Genau so wurde es formuliert“, sagte er noch immer sichtlich nervös. Den Dritten im Bunde wollten sie nicht weiter einweihen. „Alles“, sagten sich der Industrielle und Politiker, stets schelmisch anlächelnd, „muss der nun wirklich nicht erfahren.“ Deshalb blieb der Banker auch in dem Glauben, dass es sich ausschließlich um übliche Finanzgeschäft handelte. Also weites gehend seriös. Das war der Grund, weshalb sein Enthusiasmus dazu führte, sich mit seiner hohen Fachkompetenz zu beteiligen.

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Gerade stellten sie ihren Jeep auf dem Parkplatz ab. Gut und gerne hätten sie auch die Bezeichnung Steinbruch dafür verwenden können. Lediglich die gewohnten zwei Kilometer mussten die Beiden jetzt noch zurücklegen. Dann würden sie den Gipfel des Dreitausenders erreicht haben. Über die Jahre war es bereits geübte Praxis. Wie immer, alle zwei Monate, in den frühen Morgenstunden des Tages, wollten sie den höchstgelegen Punkt der vorderen Pyrenäen besteigen. Es wurde zur Tradition. Die Rituale umgaben sie mit einem katalanischen Zauber. Die Sagen ihrer Vorfahren waren für sie zwar kein Glaubensbekenntnis, aber doch willkommene Geschichten die, anders wie in Märchen, einen gewissen Realitätsanspruch hatten. Und da dies in der katalanischen Volksgruppe noch tief verwurzelt, machten sie sich das zu nutze. Sie wollten Macht ausüben und reich werden. So reich, dass sie zu den Reichsten des Landes gehörten. Dann, so sagten sie sich des Öfteren, hätten sie endgültig ihre Freiheit; Macht und Geld. Aber wie? Zunächst, sie wussten es selbst, klang es ziemlich utopisch. Beinahe verwegen kamen sie sich vor. Große Chancen räumten sie sich zudem auch nicht ein. Wenigstens hier waren sie mal verdammt ehrlich. Nun stülpten sie sich eilig, denn der dritte Mann musste gleich zu ihnen stoßen, dem katalanischen Brauchtum folgend, ihre Spitzkappen über. Die langen Kutten mit dem schwarzen Überwurf hatten sie bereits zuvor übergestreift. Dazu die schwarzen langen Handschuhe. Dann schauten sie sich nur noch durch Seeschlitzen an. In der Tat sah es furchterregend aus. Aber nur so war ihre wahre Anonymität dauerhaft gewahrt. Davon waren sie überzeugt. Schließlich kannte der Banker aus Lyon ihre Identität nicht. Sollte und durfte er auch nicht. Darüber waren sie sich stets einig. Der Investmentbanker ging seinerzeit darauf ein und ließ sich alleine davon leiten, dass er ihr Finanzberater und Fondsmanager sein sollte. Anonym, wie sie nochmals bestätigten. Trotzdem war auch er Mitglied der Bruderschaft in Perpignan. Und dort war es, wo sie vor Jahren den Kontakt knüpften; ebenfalls in Kutten. Das war der Tag an dem sie den Banker erstmals trafen. Der Regidor kannte als Einzigen seinen Freund und Mitbruder, den Industriellen. Anders war es für den Rest der Bruderschaft. Wer in Wirklichkeit darunter steckte, blieb schon Jahrhunderte geheim. Bis heute. Und noch in Verkleidung verhandelten sie einen Deal, der Regidor und der Industrielle, mit dem Banker. Und sie nutzten die spontane Öffnung des Investmentbankersfür ihr Spiel! Der hatte sich allzu schnell, vertrauensselig wie er war, geöffnet; trotz des geschlossenen Visier seiner Mitbrüder. Das können ausschließlich Ehrenmänner sein, sagte er sich und warf Befürchtungen, dass es unseriös zugehen könnte, unreflektiert über Bord. Er fühlte sich ausschließlich von ehrbaren Bürgern der Bußbruderschaft umgeben. Warum also sollte er kein Vertrauen haben? Und natürlich wussten alle eins: In der rot gewandeten Kutte schritt der Regidor. Mehr aber auch nicht. Kurzerhand wurden Pseudonamen und anonyme Nummernkonten festgelegt. Später folgten Zugangsdaten und Codes. Der Plan schien aufzugehen. In der späteren Feier, am Ostersonntag, der Tradition folgend, als sie mit der Auferstehung ausgiebig tafelten – ganz nach uraltem katalanischem Brauch – ertönte Musik und Sardana wurde getanzt. Hier kannten sich die Menschen, zumindest mehrheitlich. Doch wer unter der Kutte steckte und sein Spiel trieb, ahnte keiner. Zumal nach außen ihr Ziel, sich vornehmlich um soziale Randgruppen zu kümmern, publiziert war. Bis heute.

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Der Investmentbanker trat an das Gipfelkreuz. Sie waren vollzählig. Sein Gesicht kannten sie schon lange. Er aber nicht das Ihre. Sie wussten, so blauäugig waren sie nicht, dass es ein Ungleichgewicht darstellte. Aber er wollte es so. Gab damals seine Anonymität auf. Wie stets lächelnd, streifte er jetzt die Kutte mit dem schwarzen Talar über. Dazu zog er die Handschuhe an und, wie üblich, als letztes die Spitzkappe. Es schien ihn, auch nach den Jahren nicht zu stören, dass er nicht wusste, welche Gesichter hinter den anderen Verkleidungen steckten. Nur er gab sich preis! Das operative Geschäft, wie sie es nannten, arbeiteten sie zügig ab. Erfolg an allen Fronten, konnte der Banker, vermelden. Das war solch ein Augenblick, wo er gerne die strahlenden Gesichter seiner Blutsbrüder gesehen hätte. An dessen Stelle gab er locker von sich: „Nun, meine Herren, was sagen Sie hierzu? Finanzkrise und topp Profite. Fünfundzwanzig Prozent alleine auf die Spekulation mit drittklassigen Währungen. Wie soll ich es weiter verwenden? Oder wollen Sie die Auszahlung der Profite?“ Zunächst vernahm er bloß Schweigen. Ahnen konnte er nicht, dass seine Blutsbrüder von anderen Problemen gefesselt waren. Doch dann entschieden sie, sich zwanzig Millionen EURO abzuschöpfen. Wie sie sich ausdrückten. „Den größten Teil wollen wir in soziale Projekte stecken“, hörte er den Mann mit der roten Kutte erklären. Das Ku – Klux – Klan – Trio schwieg sich wieder an! Meckern brauchte der Banker wirklich nicht. Mit fünf Prozent Provision war er fürstlich bedient worden. Immerhin satte 1.000.000 EURO Cash. Steuerfrei!, versteht sich. Und genau das war die Falle, in die er vor einigen Jahren tappte. So schnell gab es für ihn kein Zurück. Sie hatten ihn in der Hand. Kannten seinen Namen, wussten wie er aussah und bei welchem Institut er tätig war. Was er bis heute nicht nicht nachvollziehen konnte, dass das viele Geld all die Jahre aus dubiosen Geschäften stammte. Auch aus dem Rotlichtmilieu oder wie sie in der Region sagen: De Milieu lumiére rouge. Eine Geheimwaffe meinten sie und nutzten selbst ziemlich oft ihre eigenen Geschäfte der Prostitution. „Was soll ich den Administratoren und Boten geben?“, unterbrach er nun die Stille. „Was meinen Sie? Jedem zehntausend? Oder?“ „Sie werden begeistert sein, Loup, Garnier, Lorence und Rochelle. Ich bin sicher. Machen wir es so!“, schloss Brunion das Thema final ab. Der zielorientierte Investmentbanker trat dabei wieder hervor.

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Der Regidor atmete schwer. Vorhin, noch bevor Brunion eintraf, stimmte er es mit seinem langjährigen Freund und Blutsbruder das Vorgehen mit ihm ab. Heute wollten sie ihm die ganze Wahrheit sagen. „Beinahe die ganze Wahrheit“, meinten sie dann. „Natürlich, um Gottes Willen“, bloß ja nicht unsere Namen ins Spiel bringen. Es wäre tödlich!“, regte sich der Unternehmer tierisch auf. „Das würde noch fehlen“, musste er nochmals nachsetzen, so fahrig wurde er plötzlich. „Nun, wir müssen unsere Taktik ändern. Irgendwo in der Provinz muss es wohl eine undichte Stelle geben“, holte der Regidor weitläufig, aber bewusst ruhig, aus. Er erinnerte an den anonymen Pressebeitrag. Dann begann er: „Genau wie vor etwa drei Jahren. Da ging es ähnlich los. Bloß seinerzeit verlief es, warum auch immer, von heute auf Morgen, im Sande. Wir bewahrten Ruhe, das war gut so, und folgten konsequent unserem System. Aber dieses Mal! Da stellt es sich anders dar. Hier muss jemand Wind davon bekommen haben und will was von dem Kuchen abbekommen. Der Mensch ist hartnäckig und scheint es auf die Spitze treiben zu wollen.“ Brunion war schockiert. Was waren das für raue neue Töne, meinte er. Für ihn galt stets: Seriöse Geschäfte für die Männer, bei guter Provision. Insoweit war er natürlich auch ein Junkie der Finanzwelt. Aber dabei spürte er keinesfalls eine innere Unruhe in den Jahren. Erst jetzt, nach diesen Äußerungen, fühlte er unter seiner Kutte extreme Hitzewallungen. Er hatte gerade die fünfzig überschritten. Das Gefühl, als wären die Wechseljahre im Galopp angekommen, machte sich nun breit. Die Diskussion, die sich nun anschloss, führte zu keinem wirklichen Ergebnis. Gegenseitige Unterstellungen halfen nicht weiter. Einer verdächtigte den Anderen bei Fremden womöglich doch geplaudert zu haben. Schnell wurde Brunion in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt. War es also ein abgekartetes Spiel? Er hätte vermutlich seine Mittelsmänner, Boten und Administratoren, ins Vertrauen gezogen, suggerierten sie ihm unter massivem Druck. Bislang war er diesen Umgang von ihnen nicht gewohnt. Alles lief ruhig und sachlich ab. Und dann, wie aus heiterem Himmel, ahnte er: es muss um Machenschaften größeren Ausmaßes gehen! „Anders kann ich mir das nicht erklären.“ Laut traute er sich es nun nicht mehr zu äußern. Sein Vertrauen war innerhalb dieser wenigen Minuten einfach dahin. Naiv war er, sagte er sich. Hatte über die Jahre nichts in Frage gestellt. Aber dumm war er absolut nicht. Und er überlegte weiter: Wie komme ich aus dem Schlamassel nur raus? Sie waren es, die ihn in der Hand hatten. Geschwind wurde er sich dessen bewusst. „Das wäre tödlich, lieber Brunion“, gab sich der Regidor nun angriffslustig und wechselte spontan ins vertrauliche Du! Kaum hatte dieser auch bloß eine Chance die ganze Tragweite der Drohungen zu erfassen. Dabei schürzte der Regidor seine Lippen, die jetzt durch den Schlitz der Spitzkappe sichtbar wurden. Es war ihm eigen, in solch prekären Situationen es stets auf diese Art zu tun. Sein perfider Charakter trat dabei erstmals zum Vorschein. Ein Hochmut der den Anderen, in dem Falle Brunion, klein machen sollte. Der Grund war in diesem Moment einleuchtend. Jetzt schließlich galt es, bloß noch seine eigene Haut zu retten. Sein Freund hielt sich zurück. Er war zwar auch ein Profiteur, aber kein Fiesling. Soweit ging seine Charakterschwäche nicht. Aber auch ihm blieb jetzt nur noch mit den Wölfen zu heulen. Ein Glück, dass, durch die Verkleidung bedingt, niemanden seine Mimik einschätzen konnte. Schnell wurde ihm deutlich, dass der Investmentbanker nicht mehr als ein Mittelsmann sein sollte. Von Anfang an, eine Art Alibifunktion. Aber warum? Damals hatten sie schon vorgebaut. Heute zeigte es sich, dass es richtig war. Ja, der fragte nicht, wo das viele Geld herkam. Er legte an. Das äußerst professionell, wie sie fortan merkten und sogar sehr profitabel. Das musste er ihm als Industriemanager wohl oder übel zugestehen. Eben ein exzellenter Fachmann seiner Branche, schmunzelte er all die Jahre bereits. Auch heute wieder. Schwarzgeld wurde auf diese Art gewaschen und Geld aus dem Rotlichtmilieu unversteuert angelegt. „Mehr Netto vom Brutto“, war ihre Devise. Dabei gaben sie sich spöttisch. Wohl wissend, dass dieser Sachverhalt immer brisant bleiben würde. Schritt für Schritt kamen sie ihrem großen Ziel, reich und mächtig zu werden, näher. Insofern gab ihnen der bisherige Erfolg absolut Recht. Öffentlichkeit und Familien waren ahnungslos. „Gott sei Dank. Dann haben wir auch keine Querelen damit“, waren sie überzeugt. Sie lobten, so egomanisch wie sie veranlagt waren, ihre ausgetüftelte Strategie aufs Neue.

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„Wir haben uns sicher verstanden. Brunion! Oder?“ Insofern legten sie verbal die Schlinge immer enger um seinen Hals. „Daran denken, dass die vier Anderen davon nichts erfahren! Wir müssen eben alle noch sensibler werden. Sollten für zwei, drei Wochen die Geschichte erst mal aufs Eis legen. Abtauchen! Was meint ihr?“, gab sich der Industrielle versöhnlich. „In keinem Falle wollen wir, dabei schaute er zum Regidor, „die Polizei aufmerksam machen. Also, lassen wir zunächst mal Gras darüber wachsen. D’accord? Ein stummes Nicken war das Zeichen ihres Einverständnisses. Bevor sie an diesem Tag, es war bereits zehn Uhr Vormittag, auseinander gingen, vereinbarten sie Kontakt aufzunehmen. „Immer die Geheimnummer verwenden“, gab der Regidor vor. Es klang beinahe wie ein Befehl. Kurz danach verabschiedete sich Brunion. Im Gegensatz zu den Traditionsterminen der zurückliegenden Jahre, ließ er heute allerdings seine Kutte und Spitzkappe übergestreift. Die freie, offene Art, das Vertrauen, dass er in die Blutsbrüderschaft hegte, war plötzlich dahin. Jetzt fiel ihm der ergänzende Titel der Verbindung wieder ein, der vor vielen Jahren häufig benutzt wurde: >> Blutsbrüder im Büßergewand. << „Im Büßergewand“, murmelt er, als er den Berg hinunter ging und empfand es als Spott! Um nach einigen Hundert Metern lauthals festzustellen: „Weit gefehlt, das Gegenteil trifft zu.“ Das Tragische war, dass er im Grunde ein viel größeres Problem als die Beiden hatte, dachte er. Sie kannten sein Äußeres. Er nicht das Ihrige. Zudem war denen der Name der Bank bekannt. Dort, wo er schon mehr als zwanzig Jahre als hochangesehener Investmentbanker agierte, damit in die Riege der Leitenden Angestellten vorstieß. „Ja“, meinte er, „man könnte bald sagen, ich jongliere.“ Was die Beiden beruflich, was sie sonst überhaupt taten, konnte er nicht mal ahnen. Stark verunsichert trottete er vom Gipfel zurück. Sein Wagen stand viel weiter abseits als der seiner seltsamen Freunde, vermutete er. Wo, wusste er nicht. Danach gefragt hatte er allerdings nie. Damals war Vertrauen die Basis des Miteinanders! Angeblich! Und heute?

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Heute war Whahib besonders früh auf den Beinen. Der Tag schien heiß zu werden. Deshalb nahm er sich vor, das Essen für den Mittag und den Abend zeitig zu sammeln. Sein Weg führte ihn vorbei an den Beerensträuchern, hinüber zu den Gräsern, unweit des stillgelegten Steinbruchs. Später wollte er, wie beinahe täglich, bis zum Plateau des Pic du Canigou. Mit einem Male sah er, gerade seinen Kopf von den Gräsern hebend, ein nobles Fahrzeug dort stehen. Eben setzte er an, den schmalen Pfad in der Nähe zu überqueren, um die Richtung zum Pic zu nehmen, als er auf ein Motorengeräusch aufmerksam wurde. Er hielt inne, suchte Schutz hinter den Sträuchern und wartete ab. Ein elegant gekleideter Herr, sein Alter schätzte er auf ca. fünfundvierzig bis fünfzig Jahren, stand vor dem Wagen. Er schaute in seine Richtung, als würde er ihn dort vermuten. Über seinem linken Arm trug er einen langen Rock, es musste noch was drauf liegen, aber er konnte es nicht deutlich erkennen. Trotz seiner Neugierde, entschied er, sich nicht in Gefahr zu begeben. So verharrte er in seiner unbequemen Stellung. Der Mann nahm genau den Pfad, nur wenige Meter vorbei an dem Strauch, hinter dem er kauerte, und ging flott nach oben. Jetzt musste er abwarten. Es wurde zu brisant! Er erinnerte er sich, damals, drei Jahre mochten es hin sein, hatte er doch diese mysteriöse Beobachtung gemacht. Als sich alles in Luft auflöste, er sich keinen Reim darauf machen konnte, verdrängte er es. Es schlummerte bis heute, dem 04. September 2009! Wenige Minuten später folgte er dem Unbekannten auf einem bloß ihm bekannten Schleichweg. Vielleicht nach fünfzehn Minuten, sah er ihn unter einem der zwei Gipfelkreuze verschwinden. Der sonst kahle Pic hat dort eine kleine Baumgruppe, die in der Frühe des Morgens die Kühle erträglich machte. Er hörte ärgerliche Stimmen. Lärm entstand. Diskussionen und Vorhaltungen folgten. Er schlich sich näher heran, um den Inhalt der Gespräche zu verfolgen. Aus geschützter Entfernung nahm er wahr, dass es um eine Leiche gehen musste, aus dem Zusammenhang gerissen - aber da war was, meinte er. Dann sah er drei Personen, die, wie vor Jahren bereits, die eigenartigen Gewänder mit den Kappen trugen. Über ihre Hände hatten sie schwarze Handschuhe gestreift. Der Mann von vorhin, war außer sich, während er nun ebenfalls eine solche Montur überstreifte. Dann folgten Erläuterungen über Investments. Viel Geld wurde verteilt. Bis einer aus der Runde, der hatte ein rotes Gewand an, erneut mit Vorwürfe begann. Es artete derart aus, dass sie, nachdem noch irgendwelche Termine diskutiert wurden, auseinander gingen. Der elegant gekleidete Herr, der als letzter eintraf, verließ als Erster den Ort. Er folgte ihm auf dem Fuße. Dann sah er ihn, nachdem der seine Maskerade abstreifte, erzürnt in den Wagen steigen und davon fahren. Er fragte sich, ob die Personen bewaffnet seien, verwarf es aber sofort wieder. Gerade wollte er in den engen Waldweg einbiegen, als laute Stimmen an sein Ohr drangen.Mit einem Satz nach links, warf er sich in das Moosfeld, verweilte und bemühte sich seinen schnellen Atem zu bändigen. Dann sah er zwei weitere Männer, er schätzte den einen auf fünfzig und den anderen auf Mitte fünfzig. Sie drehten sich um, ihre Verkleidung hatten sie nicht mehr übergestreift, doch sie blickten aufgeregt nach allen Seiten. Er duckte sich! Hatten sie ihn bemerkt? Er kroch ein kleines Stückchen nach unten, rutschte und ein Knacken und Krächzen entstand in der Stille des frühen morgens. Verdammt, wollt er eben fluchen, als er sich schnell die Hände vor seinen Mund drückte. Er nahm Atemgeräusche war, sie hatten ihn entdeckt. Mucksmäuschenstill musste er sich nun verhalten. Da die ihn suchten, bestätigte sich seine Vermutung, dass hier eine seltsame Geschichte abläuft. Dann sah er von seinem Versteck aus, das Gesicht des etwas älteren Herrn. Er trägt eine Waffe, fuchtelt herum … und plötzlich gab es einen Aufschrei. Er stürzte den Hang hinunter, schrie jämmerlich, die Pistole lag irgendwo herum, er fasste sich an seinen Fuß. Dann hörte er Rufe seines Freundes: „wo bist du, ich sehe dich nicht.“ Es kam keine Antwort. Whahib, dachte er, hatte Glück, die Häscher hätten ihn sicher erledigt. Er kümmerte sich nur noch um seine eigene Haut. Nahm den Pfad auf kürzestem Weg zu seiner Eremitage, um sich von seinem Schrecken zu erholen. Jetzt fiel es ihm wieder ein: Genau im September 2006, also vor drei Jahren, hatte er das Trio ja schon mal gesehen. Gut, es passierte nichts tragisches, wenn es ihm auch seinerzeit bereits ziemlich suspekt vorkam.

Später erblickte er sie alle paar Monate aus sicherer Entfernung, aber er kam nicht auf den Gedanken, den Förster oder gar Monsieur Laroche, in den Wochen danach hierauf anzusprechen. Doch jetzt würde er nicht mehr umhinkommen … ‚ und es prägte sich bei ihm ein: Da muss doch eine Verschwörung oder …, dahinterstecken. Ein gewisser Rhythmus war wohl nicht mehr von der Hand zu weisen …

Lyon

Die Rückfahrt nach Lyon zog sich an diesem Tag extrem in die Länge. Immer wieder musste er seine Gedanken ordnen und seine Zähne zusammenbeißen. Einfach war es für ihn nicht, am liebsten hätte er los gebrüllt. Aber er musste Haltung bewahren, schließlich stand sein privates Glück auch auf der Kippe .., suggerierte er sich … Manche Minute stand er kurz davor seine Fassung zu verlieren. Dazu kam auf halber Strecke noch die Müdigkeit, der er bald nicht mehr Herr werden konnte. Höllisch achtgeben musste er nun, dass er nicht vom Schlaf der Ermattung ergriffen würde. Seine Psyche strangulierte seinen ganzen Körper und seine Seele obendrein. Er spürte es … „So“, sagte er laut in den Innenraum des Wagens, um einer zunehmende Müdigkeit entgegenzuwirken, beinahe schon eher weinerlich, „habe ich mir das alles nicht vorgestellt. Wer sind diese Spitzbuben, die angeblich meine Blutsbrüder aus Perpignan sein wollen?“ Er schüttelte ungläubig seinen Kopf. Die Blutleere erschwerte seine Denkprozesse …

Nach etwa fünf Stunden Autofahrt lagen die knapp 550 Kilometerstrecke hinter ihm. Sonst schätzte er seine Luxuslimousine. War stolz, dass er sich das leisten konnte. Doch heute, nach den Querelen und bei der unsicheren Zukunft, schwand selbst der Reiz dafür. Ab jetzt ging es nur noch darum, sich möglichst heil aus der prekären Lage heraus zu manövrieren. „Aber wie?“, fragte er sich. Erschöpft blieb er noch eine Weile im Auto sitzen. Seine Kleidung war durchnässt vom Angstschweiß der Stunden. Minuten später, nachdem er sich endgültig aufrappelte, öffnete er in der Tiefgarage der Bank die Autotür. Sein üblicher Schwung fehlte. Mechanisch lief alles ab. Ohne Verve vollzog sich jede seiner Bewegung. Nicht wie sonst … Sein Elan, bekannt bei allen Kollegen und Mitarbeitenden, war hinüber. Eine deprimierte Stimmung machte sich bei ihm breit. Da juckte ihn auch nicht mehr, dass ihm in seiner Funktion als Leitenden Angestellter, ein reservierter Parkplatz zur Verfügung stand.

Céret

Der Regidor bremste seinen Jeep ab. Sie standen in der Innenstadt Cérets. Natürlich hatten sie, nachdem Brunion gegangen war, flott ihre Verkleidung abgestreift. Die knapp einstündige Fahrt vom Pic du Canigou hierher nutzen sie, ihre strategische Ausrichtung zu überdenken. „Zumindest“, brüstete sich der Regidor, „haben wir dem Brunion kräftig eingeheizt. Der wird seine Zunge im Zaum halten. Da bin ich sicher.“ „Abwarten.“, hörte er seinen Freund, den Unternehmer, weniger enthusiastisch als sonst, reagieren. Zudem war dieser mit seinen Gedanken längst bei weiteren Terminen und Produktbesprechungen seines Industrieimperiums. Der Regidor dagegen hatte einen relativ lockeren Job. Als Beamter, wenn auch im höheren Dienst, hatte er sich vorsorglich für den Rest des Tages keine Termine eintragen lassen. Insofern schaute er gelassen drein. Und ein sorgloser Typ war der eh schon immer. Ließ alles auf sich zukommen. „Das tat ich schon seit frühester Jugend nicht“, dachte er, „im Grunde ärgerlich.“ Und er fragte sich, warum er nicht in der Lage war sich so leger zu verhalten? Ein kurzes Grübeln überfiel ihn. Dann erst schlug er die Wagentür heftig zu. Es war zwar unbeabsichtigt, aber er empfand dabei doch eine gewisse Genugtuung. Flott ging er seines Weges. Gut, sagte er sich im Stillen, dass wir uns die kommenden zwei Wochen nicht über den Weg laufen müssen. Zorn hatte er auf seinen Freund. Er wäre mit dem Brunion nicht so umgesprungen. „Im Grunde war das ein feiner Kerl. Immer kooperativ und eine ehrliche Haut. Er vertraute uns. Stellte keinerlei Fragen. War wohl wegen der Blutsbrüderschaft“, artikulierte er nachdenklich. Und es tat ihm im Innern leid, dass der Regidor sich so pharisäerhaft gegenüber ihm verhielt. Schließlich waren sie doch, allen voran der Regidor, die Triebfeder des … Er unterdrückte die auf seine Zunge geflossene Vokabel. Ja, da hatte er sich vor fünfzehn Jahren einlullen lassen, überkam es ihn an dessen Stelle. „Reich und mächtig wollte ich werden!“, gab er sich das erste Mal seit Jahren selbstkritisch.

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In seinem Dienstfahrzeug bog er gerade um die Ecke der Altstadt. Unweit der Teufelsbrücke, oder, wie die Katalanen sie nennen, die Pont du Diable, fuhr er rechts ab in Richtung des Industrieviertels von Céret – dem Parc Industrial. Seine Gedanken konnten sich noch immer nicht von den Ereignissen des Vormittages befreien. So gefangen fühlte er sich seitdem durch die aufgeputschte Situation. Aber nun musste er, ob ihm danach war oder nicht, schleunigst in die Firma. Der erste Termin mit einem wichtigen Kunden stand bevor. Es ging um Millionenaufträge! Vor wenigen Minuten hatte ihn seine Sekretärin freundlicherweise nochmals dran erinnert. Madame Rousseau war, was das betraf, die Zuverlässigkeit in Person. Natürlich wusste er es. Und wenn er ehrlich war, lobte er sie viel zu selten. „Das muss ich unbedingt ändern“, stieg ihm in den Sinn. Gerade deshalb meldete sich wohl sein schlechtes Gewissen mit dem Hinweis, alle sind ordentlich, nur du nicht! Irritiert horchte er in sich hinein, als ihm das in den Kopf stieg. War er wirklich so beeinflussbar von seinem Ego? Und von seinem Freund? Setzte er etwas verhaltener nach. Dieser Tagesbeginn hat ihn mehr als strapa ziert. Schon Jahre war dies nicht mehr der Fall. Von weitem sah er seinen Parkplatz und las, heute ziemlich abwesend, auf dem Schild: Libre pour le Gérant. Bevor er seinen Wagen auf dem Firmenparkplatz abstellte missbilligte er erneut, als eine Art eigene Maßregelung, sein schäbiges Verhalten. Das war wirklich keine Glanzleistung. Entfuhr es ihm. Warum bloß, hatte er nicht den Schneid, seinem Regidor Einhalt zu gebieten. Warum? Stellte er sich immer und immer wieder die Frage. War er ein solcher Feigling? Oder was verbarg sich hinter seinem devoten und oft memmenhaften Benehmen? Er drückte auf den kleinen roten Knopf der Fernbedienung und verschloss sein Fahrzeug. Dann durchschritt er das Portal, welches schon sein Großvater vor Jahrzehnten, als dieser mit dem Aufbau des Imperiums begann, konstruieren ließ. Das Firmenlogo glänzte noch immer in glanzvollen Edelstahl, wie am ersten Tag. Diesmal allerdings war sein Gang nicht wie die Jahre zuvor, voller Energie. Heute war er ohne Schwung und Elan. Im Gegenteil zu seinen Gründungsvätern. Die stets selbstbewusst auftraten. Daran erinnerte er sich häufig. Diesmal war er verhalten, oder besser niedergedrückt. Ein Gefühl, dass ihm alle, an denen er vorbeihuschte, seine Unsicherheit ansahen, manifestierte sich. Dabei bemühte er sich gerade dies zu verbergen. Oder ist genau das der Grund? Stellte er sich die Frage. Und dann durchzuckte es ihn wie ein Blitz: Was wäre, wenn meine Hunderten von Mitarbeitenden dies beobachten würden? Ängste stiegen plötzlich in ihm hoch. Bewegt war er. Würde er dann noch ihr Vorbild verkörpern? Zweifel machten sich breit. Er fasste sich an die Schläfe, die nervös pochte. Schleunigst musste er sich, trotz aller Konflikte, endgültig auf das anstehende Gespräch vorbereiten. Zumindest moralisch, sagte er sich. Was sonst mit flinker Hand ablief, fiel ihm heute besonders schwer. Aber er musste von dem trübsinnigen Geschehen des Tages Abstand gewinnen. Eine andere Wahl hätte er eh nicht, durchfuhr es ihn. „Guten Tag Madame Rousseau“, bemühte er sich, als er durch das Sekretariat schritt, einen möglichst normalen Eindruck zu erwecken. „Bonjour Patron“, erwiderte sie entspannt. Sichtlich erfreut, dass sie ihn mal wieder zu Gesicht bekam. Gleich setzte er es in die Tat um, was er vor einigen Augenblicken noch gedanklich formulierte: „danke für ihre hilfreichen Hände. In jeder Phase“, setzte er dann, wenn auch ziemlich unbeholfen, nach. Lächelnd, wenn auch überrascht ob des Lobes, bedankte sie sich. Eine Erklärung, nach all den Jahren der Zusammenarbeit, konnte sie in diesem Moment nicht wirklich erkennen. Was war passiert? Oder war es bloß die typische Art des Junggesellen, der sich in der Midlifecrisis sieht?

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Bereits am Morgen hatten Commissaire Fabre und sein Assistent, sich zum Mittagessen verabredet. Ein Arbeitsessen im Lokal mochten sie ab und an, beide. Jetzt war es kurz vor dreizehn Uhr. Es passte, meinte Fabre, als er den Türknauf des Cheval Blanc drückte. Den freien Tisch in der hintersten Ecke, ganz in der Nähe des Fensters mit Blick zur Altstadt, hatte er durch seine Sekretärin reservieren lassen. Er ergriff gerade den Stuhl, wollte sich hinsetzen, als die Glocke der Kirchturmuhr von Saint Jacques zur vollen Stunde schlug. Fernand trat ein, pünktlich wie all die Jahre. Das gemütliche Lokal hatte es ihnen seit Jahren angetan. „Was bestellen wir heute?“, begann Fabre das Gespräch. „Ich nehme jedenfalls Hirschragout, gerade in dieser Zeit ein Leckerbissen. Sie Fernand?“ „Für mich …“, er zögerte Sekunden, lachte verschmitzt, „… auch. Dazu gönne ich mir ein Gläschen Rotwein. Heute mal aus der Bourgogne“, outete er sich als Rotweinkenner. „Passt mir ebenso“, schmunzelte Fabre. „Bitte eine Flasche Mineralwasser, mit …“, „und zwei Gläser bitte“, ergänzte Fernand gegenüber der Bedienung schelmisch. Bei dem Chef brauchte er sich nicht zu verstellen. Durfte sein, wie er als Mensch war, unkompliziert, gradlinig, eben natürlich. Es tat ihm gut. Alors“, so Fernand. „Es ist schwierig der Sache auf die Spur zu kommen. Bei von mir ausgesuchten Behörden und Firmen, ergab sich keinerlei Ansatz. Nicht im Entferntesten“, meinte er schon etwas verlegen. Erwartungsvoll blickte er zu seinem Chef. Noch bevor er einen weiteren Satz anfügen konnte, begann Fabre: „das ging mir nicht anders. Bon. Dann allerdings traf ich zufällig Henri Laroche. Sie wissen, der Großwaldbesitzer. Er ist auch Unternehmer. Hat diverse Produktionszweige. Aber bloß auf Basis seines eigenen Holzbestandes. Dazu Wild, was er und natürlich seine Jäger erlegen. Gut, ein Sägewerk gehört auch noch dazu“, holte er, diesmal ziemlich langatmig, was sonst absolut nicht seine Art war, aus. „Die Quintessenz mon Commissaire?“, konnte Fernand sich nicht verkneifen zu fragen. „Abwarten ist heute nicht ihre Stärke. Wie? Aber jetzt kommt es: Henri, wir sind seit einigen Jahren gut bekannt“, sagt er nicht ohne Stolz, „erinnerte sich plötzlich, dass vor Monaten einer seiner Förster mit dem Einsiedler sprach, einem Monsieur Whahib Metri, genannt Whahib. Übrigens, ein gebildeter Mann, promovierter Historiker. Ausführlicher später. Bloß noch soweit: Der lebt schon mehr als fünfzehn Jahre im Umfeld des Pic du Canigou. Von Region zu Region wandert er. Das passt ihm, da sich in dieser Höhe selten Menschen begegnen. Aber der Förster, die Jäger und auch Laroche, kennt er über die Jahre. Er erzählte weiter, dass er mehrfach beobachtete, dass Treffen auf dem Pic stattgefunden hätten. Eine kleine Gruppe, fügte er noch hinzu. Unvergleichlich, beinahe schon aus dem Rahmen fallend, wären sie bekleidet gewesen. Sonst wäre es ihm natürlich nie aufgefallen. Die furchterregenden Kutten mit der Spitzkappe und den besonders mysteriös aussehenden Augenschlitzen, wären ihm besonders markant vorgekommen. Bei seinen üblichen Touren schaute er, sollte er mal Lebewesen treffen, im Grunde nicht weiter hinterher. Aber hier, na ja, da wurde er eben doch stutzig. Wie gesagt… Es hätte ihn länger beschäftigt, aber dann ignorierte er es schließlich. Als er die ihm bekannten Jäger mal wieder traf, kam es ihm doch wieder in den Sinn. Für glaubhaft hätten die es damals jedoch nicht befunden. Dies läge nun bereits längere Zeit zurück. Erst später, als Monsieur Rochellier, der Förster, es selbst beobachtete, kam Bewegung in die Sache. Zumindest, meinte er, hätten in gewissen zeitlichen Abständen drei Männer den Gipfel bestiegen. Zwei wären stets ge