Leni Behrendt Bestseller 53 – Liebesroman - Leni Behrendt - E-Book

Leni Behrendt Bestseller 53 – Liebesroman E-Book

Leni Behrendt

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Beschreibung

Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können. »Do – Re – Mi – Fa – So – La – Si!« schallte eine Baßstimme über den kleinen Bauernhof, auf dem es darob lebendig wurde. Die beiden Schweine, die voll Behagen auf dem Dunghaufen wühlten, sprangen grunzend zurück. Der Hahn krähte unwillig, die Hühner gackerten empört, der prächtige Truthahn kollerte wutentbrannt über diese unerhörte Störung, und dazwischen grollte der Baß des hünenhaften Mannes, der bei dem Spektakel unerschütterlich wie ein Fels inmitten des Hofes stand und so lange die Tonleiter sang, bis sie ein Echo fand. »Si – La – So – Fa – Mi – Re – Do –!« antworteten von allen Ecken die hellen und dunklen Notenköpflein und standen gleich darauf vor dem Sänger, der die blitzenden Augen über seine strammstehende Tonleiter huschen ließ. »Dolores, Regina, Mira, Fatme, Solveig, Lalia, Sidonie!« kommandierte er mit großem Stimmaufwand. »Rechtsum!« Ein einziges Klappern der derbbeschuhten Füßchen. »Marsch, marsch, Essen fassen!« In gleichem Schritt und Tritt, der einem strammen Grenadier Ehre gemacht hätte, marschierte die Tonleiter, teils Harke, teils Forke geschultert, zu der alten Linde und stand dort unbeweglich, bis die Kommandostimme Rühren gebot. Da erst flogen die landwirtschaftlichen Geräte von den Schultern, wurden aufgereiht in eine Ecke gestellt. Sieben fröhliche Mädchen huschten zu der Bank, die rund um die Linde lief, und nahmen dort geruhsam Platz, während der riesenhafte Vater in das Haus eilte. Bald darauf erschien er wieder bei der lustig schwatzenden Gesellschaft, stellte Schüsseln mit knusprig gebratenen Kartoffeln, mit Räucherspeck und dicker Milch auf den sauber gedeckten Tisch und ließ sich dann behaglich nieder. »Nun haut tüchtig rein«, ermunterte er und sah schmunzelnd zu, mit welch froher Lust es ans Schmausen ging. Er selbst füllte seinen Teller mit einer doppelten Portion, und es dauerte nicht lange, bis die Schüsseln restlos geleert waren. »Satt?« fragte er dann.

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Leni Behrendt Bestseller – 53 –

Sieben Töchter und kein Geld

Leni Behrendt

»Do – Re – Mi – Fa – So – La – Si!« schallte eine Baßstimme über den kleinen Bauernhof, auf dem es darob lebendig wurde. Die beiden Schweine, die voll Behagen auf dem Dunghaufen wühlten, sprangen grunzend zurück. Der Hahn krähte unwillig, die Hühner gackerten empört, der prächtige Truthahn kollerte wutentbrannt über diese unerhörte Störung, und dazwischen grollte der Baß des hünenhaften Mannes, der bei dem Spektakel unerschütterlich wie ein Fels inmitten des Hofes stand und so lange die Tonleiter sang, bis sie ein Echo fand.

»Si – La – So – Fa – Mi – Re – Do –!« antworteten von allen Ecken die hellen und dunklen Notenköpflein und standen gleich darauf vor dem Sänger, der die blitzenden Augen über seine strammstehende Tonleiter huschen ließ. »Dolores, Regina, Mira, Fatme, Solveig, Lalia, Sidonie!« kommandierte er mit großem Stimmaufwand. »Rechtsum!«

Ein einziges Klappern der derbbeschuhten Füßchen.

»Marsch, marsch, Essen fassen!«

In gleichem Schritt und Tritt, der einem strammen Grenadier Ehre gemacht hätte, marschierte die Tonleiter, teils Harke, teils Forke geschultert, zu der alten Linde und stand dort unbeweglich, bis die Kommandostimme Rühren gebot. Da erst flogen die landwirtschaftlichen Geräte von den Schultern, wurden aufgereiht in eine Ecke gestellt.

Sieben fröhliche Mädchen huschten zu der Bank, die rund um die Linde lief, und nahmen dort geruhsam Platz, während der riesenhafte Vater in das Haus eilte. Bald darauf erschien er wieder bei der lustig schwatzenden Gesellschaft, stellte Schüsseln mit knusprig gebratenen Kartoffeln, mit Räucherspeck und dicker Milch auf den sauber gedeckten Tisch und ließ sich dann behaglich nieder.

»Nun haut tüchtig rein«, ermunterte er und sah schmunzelnd zu, mit welch froher Lust es ans Schmausen ging. Er selbst füllte seinen Teller mit einer doppelten Portion, und es dauerte nicht lange, bis die Schüsseln restlos geleert waren.

»Satt?« fragte er dann.

»Nein!« war die siebenstimmige Antwort.

»Bande!« strich er sich in komischer Verzweiflung durch seinen Haarwust. »Ihr tilgt mir noch meine Haare vom Kopf. Bei so einem Riesenappetit muß ja ein Millionär Pleite machen!«

»Dann können wir also ruhig drauflos tilgen, Paps«, lachte die dunkellockige Do. »Bis deine Haare alle werden…«

»Frechdachs«, grollte es schon von der Haustür her, durch die der Riese verschwand, um nach erstaunlich kurzer Zeit mit einem Tablett aufzutauchen, auf dem Teller mit Brot, Butter und Schinken standen. Auch eine Kanne mit Tee fehlte nicht.

Wieder machte man sich vergnügt ans Schmausen, bis man dann endlich gesättigt nach der Zigarette griff. Der Vater steckte seine Pfeife in Brand, und restlos zufrieden plauderte man noch eine Weile, bis die Kommandostimme zur Arbeit aufforderte.

Der Vater räumte den Tisch ab; denn es war seine »Küchenschimmelwoche«, von der er sich niemals ausschloß. Während die Töchter zu zweit wöchentlich diesen Dienst versahen, bewältigte er ihn allein, worauf er mächtig stolz war.

Er kochte wie eine sorgsame Hausfrau, säuberte die Küche, und es war erstaunlich, daß das Geschirr unter seinen Pranken ganz blieb. Trug Holz herbei, schleppte Wasser von der Hofpumpe, stand den Mädchen in keiner Beziehung nach.

So werkte er denn auch jetzt in der Küche herum, während seine Tonleiter ihrer eingeteilten Arbeit nachging, die in dieser Abendstunde allerdings schon fast getan war. Pferd und Kuh wurden von der Weide geholt und im Stall untergebracht. Wurden dort getränkt und erhielten anschließend die abendlichen Leckerbissen von Zucker und Ölkuchen. Die Schweine bezogen ihre Boxen, und das säumige Geflügel mit den prallgefüllten Kröpfen mußte wohl oder übel das Nachtquartier beziehen.

»Legt den Karo an die Kette!« zeigte der Herr vom Ganzen auf den großen zottigen Hund, der mitten im Hof saß und das fröhliche Tun der Tonleiter mit aufmerksamen Augen verfolgte. Der Vater wußte zwar genau, daß seinem Gebot nicht Folge geleistet werden würde, aber er mußte doch so tun als ob. Denn ein Hofhund gehörte an die Kette und damit holla!

Der kluge Karo, der jedes Wort einzeln verstand, wie man allgemein behauptete, begriff sehr wohl, welch eine Gefahr ihm da drohte. Spottete ihrer jedoch in aller Seelenruhe, da er genau wußte, daß sie nicht ernstlich an ihn herantreten würde. Und als man sich wieder unter der Linde zusammenfand, trottete er gemächlich auch dorthin. Streckte sich mit befriedigtem Seufzer unter den Tisch, dabei seinen Herrn, der allabendlich seine Freiheit bedrohte, genauso ignorierend wie dieser ihn.

Nun stieg der Abendgesang, der hier genauso notwendig war wie das tägliche Brot, zum wolkenlosen Himmel empor. Wunderbar vermischte sich der herrliche Baß des Vaters mit den klaren, wohlgeschulten Stimmen seiner Töchter, begleitet von den verschiedensten Instrumenten wie Zieh- und Mundharmonika, Laute, Zither und Harfe. Weithin war in der Abendstille dieses harmonische Konzert hörbar, und alle, die auf den umliegenden Höfen wohnten, lauschten ihm mit Genuß.

Der berühmte Baß des Vaters hatte ihnen zu einem sorglosen Wohlleben verholfen. Hatte ihm so viel Geld eingebracht, daß er mit seiner Familie leben konnte, ohne rechnen zu müssen. Voll heißer Liebe hatte er seine zarte, sanfte Frau heimgeführt. Hatte sie verwöhnt, wie ein Mann seine herzallerliebste Frau nur verwöhnen kann. Das Töchterchen, das nach knapp einjähriger Ehe eintraf, wurde Dolores genannt, weil der Name den Eltern gefiel. Daß das zweite, das sich nach einem weiteren Jahr ins Leben schrie, Regina hieß, war Zufall. Als jedoch wiederum nach Jahresfrist das dritte Mädchen seinen Lebenslauf begann, kam der glückliche Vater, der sich über das Eintreffen jedes Kindes immer so herzlich freute, auf den Gedanken, die begonnene Tonleiter fortzusetzen und das dritte Töchterlein Mira zu nennen. Pünktlich jedes Jahr trudelten ferner noch die Fatme, die Solveig, die Lalia, die Sidonie ein, und da machte die zarte Mutter nicht mehr länger mit. Als das siebente Notenköpflein den ersten Ton gab, schloß sie lächelnd die Augen zum letzten Schlaf.

Nun stand der Vater mit seinem Tonleiterchen, von dem das erste Tönlein erst sechs Jahre zählte, hilflos da. War halb wahnsinnig vor Schmerz über das unerwartete Hinscheiden seines tapferen, herzensfrohen Ehekameraden. Und wären seine so herzlich geliebten Kinder nicht gewesen, wer weiß, ob er über diesen herbsten Verlust jemals hinweggekommen wäre.

So nahm er denn sein Herz in beide Hände und zwang sich um seiner Kinder willen wieder ins Leben zurück. Daß er sie über Gebühr verwöhnte, war nur verständlich, und er konnte von Glück sagen, daß die Töchter durchweg gutgeartete Geschöpfe waren, denen die Verwöhnung nichts schadete.

Da er das nötige Geld hatte, konnte er seinen Kindern erstklassige Erzieher geben, in deren Händen er sie gut aufgehoben wußte. Trotzdem kümmerte er sich um seine »Sieben«, wie eine liebevolle, pflichttreue Mutter es nicht besser gekonnt hätte. Trennte sich nie von ihnen, nahm sie selbst zu den weitesten Konzertreisen mit.

Diese Haushaltsführung verschlang natürlich das ganze Geld, das er sich ersang. Aber es reichte immer, und das genügte ihm. Solange er lebte, was er recht lange zu tun gedachte, wollte er schon für seine geliebten »Sieben« sorgen. Wenn sie nun schon die Mutter entbehren mußten, so sollten sie wenigstens alles andere haben, das ihre Herzen nur begehrten.

Aber der Mensch denkt.

Eine schwere Krankheit warf ihn nieder. Und als er nach knapper Not genas, da hatte er seine Stimme eingebüßt. Zwar war sie immer noch gut genug, allein zum öffentlichen Auftreten und zur Erhaltung seines Ruhms reichte sie nicht mehr aus.

Und was nun? Nun stand er wieder einmal hilflos da. Keine Aussicht auf den Verdienst, der es ihm gestattete, das gewohnte Leben mit seinen Kindern fortzuführen. Dreiundzwanzig Jahre zählte seine Älteste, siebzehn die Jüngste. Alle hatten sie sorglos in den Tag hineingelebt, von Wohlleben umgeben.

Und nun? Nun hatte er sieben Töchter und kein Geld.

Doch diese fröhliche »Sieben« wurde dem Vater zum Segen. Sie zerbrachen sich ihre hellockigen und dunkellockigen Köpfchen, wie ihrem geliebten Paps und ihnen selber wohl zu helfen wäre. Sie verkauften alles, was sie nur entbehren konnten, so daß eine nette Summe zusammenkam.

Außerdem kam weitere Hilfe, mit der sie nie gerechnet hatten. Eine uralte Großtante schied dahin und hinterließ ihnen ihre Habe, die aus einer guteingerichteten Wohnung und so viel Geld bestand, wie ihnen zum Erwerb eines Bauernhofes gerade noch fehlte. Daß dieser unglaublich verwahrlost war, kümmerte sie wenig. Dafür war er auch billig zu haben.

Man kann nicht sagen, daß es den Mädchen leicht fiel, ihr verwöhntes Leben aufzugeben und in Verhältnisse zu kommen, die sie kaum vom Hörensagen kannten. Aber sie nahmen um des Vaters willen ihre Herzen fest in beide Hände, wie er es vor Jahren um ihretwillen mit dem seinen getan. Frohgemut nahmen sie das Ungewohnte und oft auch Widerwärtige auf sich und siehe da, es ging besser, als sie gehofft hatten; zumal sie eine Aufgabe zu erfüllen hatten, nämlich, aus dem verlotterten Anwesen ein blitzsauberes zu machen.

Jedoch dazu gehörte Geld, über das sie nicht verfügten. Kurz entschlossen wurde der Nachlaß der Großtante verkauft und so manches aus eignem Besitz noch dazu. Nur einen Teil der Möbel ihres einst so glanzvollen Heims behielten sie fürsorglich.

Bald schwamm das verdreckte Haus in Seifenwasser, die zerfetzten Tapeten wurden durch neue ersetzt. Die kostbaren Möbel wurden geschmackvoll gruppiert, und der nicht minder kostbare Flügel erhielt einen bevorzugten Platz. Damit schufen sie sich ein urbehagliches Heim, in dem es sich schon leben ließ.

Ferner erhielt das Haus einen schneeweißen Anstrich. Wie geübte Pinsler stand die fröhliche »Sieben« auf den hohen Leitern, und es machte ihr gar nichts aus, wenn ein Teil der Farbe auf die mit bunten Tüchern geschützten Köpfe und die hellen Waschkleider lief. Fensterrahmen und Fensterläden wurden grün lackiert, und so stand das Haus dann bald schmuck und sauber wie im Feiertagsgewand da.

Dann ging es mit leisem Grauen aber frischem Mut an das Säubern der Ställe. Das war allerdings scheußlich, aber schließlich ganz amüsant, als die Ställe immer leerer und dafür der Dunghaufen, das Wahrzeichen jedes Bauernhofes, immer stattlicher wurde. Das einzige Pferd und die einzige Kuh, die man auf dem Gehöft vorgefunden, waren erbärmlich mager und total ungepflegt. Sie wurden gewaschen und gestriegelt, die Hufe gewichst. Die Tiere ließen sich diese Prozedur geduldig gefallen, fühlten sich hinterher mordsbehaglich in ihrer frischen Streu.

Und dann die beiden Schweine! Wahr und wahrhaftig, kein Schwein konnte schweinischer sein! Aber auch gar nichts Rosiges hatten sie an sich. Auch sie ließen es sich grunzend gefallen, daß man ihnen mit Bürste, Wasser und Seife energisch zu Leibe ging.

Das wenige Geflügel konnte man leider nicht scheuern. Allein der saubere, frischgekalkte Stall verhalf ihnen bald zum Gepflegtsein.

Zuletzt kam der Hund, der arme Hund! Halbverhungert hatte man ihn an der Kette vorgefunden. An ihm konnte man seine Scheuerwut nach Herzenslust auslassen. Schön gebürstet und glatt wie ein Aal ging er unter den zärtlichen Mädchenhänden hervor.

An die Kette kam er nie mehr, obgleich Herrchen das jeden Abend für richtig hielt. Trotzdem tat der brave Karo stets seine Hundepflicht. Wenn man von einem Hundelächeln überhaupt sprechen kann, so ließ Karo freundlich lächelnd jeden Unbefugten in Hof und Haus, aber nie wieder heraus. Er legte ihm ganz gemütlich die zottigen Pranken auf die Schultern und zeigte wie spielend sein prachtvolles Gebiß. Erst ein »Gib Ruhe, Karo!« von Herrchen oder einem der geliebten Frauchen ließ ihn von seinem Opfer Abstand nehmen.

Erst nachdem das lebende Inventar und dessen Behausung blitzblank waren, die Außenwände der Ställe vor frischgekalkter Weiße förmlich strahlten, kam der Hof an die Reihe. Altes Gerümpel wurde verbrannt, es wurde geordnet und gepflegt mit pedantischer Gründlichkeit.

Und dann besah man sein Werk. Und siehe da, es war sehr gut.

All dem emsigen Treiben hatten die Bewohner der umliegenden Höfe mit brennendem Interesse zugeschaut. Diese zimperlichen Stadtdämchen mit ihrem vornehmen Herrn Papa würden da schon was Schönes zusammenwurschteln! Der Eifer, mit dem sie ans Werk gingen, würde ihnen bald vergehen.

Aber nach und nach verschwand das schadenfrohe Lachen und machte einem anerkennenden Schmunzeln Platz. Potztausend, waren das Marjellchen! Die gingen ja ran wie Blücher! Alle Achtung, wahrhaftig, alle Achtung!

Allmählich fanden sich die Nachbarn ein, um den Neulingen in der Landwirtschaft mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, was stets mit Dank angenommen wurde. Die Feldbestellung ging unter fachmännischer Leitung vor sich. Und da der schier unerschöpfliche Dunghaufen seinen Segen unermüdlich an die Felder abgab, so kam es im Herbst zu einer Rekordernte.

Auch die Bauernfrauen fanden sich ein, um den Mädchen zu zeigen, wie man für Nachwuchs des Geflügels sorgte. Flaumige Hähnchen, Puten, Gänse und Enten schlupften aus den Eiern, jedes mit jubelndem Entzücken von den eifrigen Betreuerinnen begrüßt.

Zum Weihnachtsschlachtfest mußten die beiden fetten Schweine ihr Leben lassen, und im Frühjahr bezogen vier rosige Ferkelchen die leere Box. Zwei davon wurden für das nächste Schlachtfest fett gemacht, die andern beiden verkauft, damit die leere Kasse ein wenig gefüllt werden konnte.

Nach einem Jahr war man dann so gut eingewirtschaftet, wie es sich gehörte. Zu essen hatte man reichlich, allein an den Bedürfnissen haperte es.

Da entdeckten die tapferen Mädchen die in ihnen schlummernden Talente, die auszubeuten sie bisher nicht nötig gehabt. Dolores, schon immer geschickt mit der Nadel, machte einen Kursus mit und war mit der Kunst des Schneiderhandwerks rasch so vertraut, daß sie sich mutig an die Anfertigung von Kleidern und Wäsche wagte. Das sprach sich herum, und schon erhielt sie Aufträge von allen Ecken und Enden.

Selbst die zuerst so Mißtrauischen wagten sich an sie heran, und bald war sie so mit Arbeit überhäuft, daß die Schwestern mithelfen mußten.

Regina malte kleine Bildchen, die sie reißend loswurde. Man wetteiferte in der Umgegend förmlich, die »gute Stube« mit diesen allerliebsten Gemälden zu schmücken.

Mira und Fatme konnten fabelhaft schnell und sauber Strümpfe stricken, die anderen webten und spannen.

So floß so manche Mark in die schmale Kasse, daß man sich manches, woran es fehlte, nach und nach anschaffen konnte. Selbst zu Kino und Konditorei langte es. Und als zwei Jahre vergangen waren, saß man so fest im Sattel, daß man getrost in die Zukunft schauen konnte. Zwar hatte man noch immer wenig Geld, denn acht Personen wollten ja gefüttert und gekleidet sein. Jedoch die Ausgaben hatten sich immer noch mit den Einnahmen gedeckt, was ja schließlich Hauptsache blieb.

*

Am nächsten Morgen um sechs Uhr schmetterte Justus Vallensen seine Tonleiter durch das stille Haus, und husch, husch kamen die Notenköpflein angepurzelt. Entzückend anzuschauen in ihren blitzsauberen, schmucken Waschkleidern, den gepflegten Haaren und lachenden Augen in den samthäutigen Gesichtern. Frohgemut gesellte man sich um den Frühstücks­tisch, auf dem die Kaffeemaschine traulich sang. Schneeigen Dammast, gutes Porzellan, zierliche angerichtete Speisen wies der Tisch auf; denn auf gute Lebensart brauchte man ja nicht zu verzichten. Die hatte man aus der Glanzzeit herüber gerettet und blieb ihr trotz aller Arbeit treu.

Es war ein großes, geschmackvoll möbliertes Gemach, das der Familie als Wohn- und Speiseraum diente. Ungemein behaglich war es darin.

»Alle gesund?« forschte der Vater und erhielt als Antwort ein siebenstimmiges Ja.

»Euer Glück; denn heute heißt es: ran an den Speck! Unser verehrter Nachbar Endrulat war bereits hier und hat verkündet, daß in ungefähr zwei Stunden mit dem Einfahren des Heues begonnen werden kann, da in der Nacht so gut wie kein Tau gefallen ist. Dazu gibt es einen sonnigen Tag.«

»Hoffentlich gehst du bei der mittäglichen Erbsensuppe auch tüchtig ›ran an den Speck‹, Paps«, lachte Sidonie, die kecke und stets schlagfertige Jüngste, spitzbübisch, indem sie ihre Zähne in das gutbelegte Schinkenbrot grub.

»Nun seht euch bloß diesen Vielfraß an«, schmunzelte der Vater. »Kaut mit vollen Backen und giert schon nach dem Mittagessen. Bist gut in Form, Marjellchen, kann nicht anders sagen.«

Wohlgefällig ließ er die Blicke über seine »Tonleiter« schweifen. Was war er doch für ein glücklicher Vater mit diesen prächtigen Töchtern! Schön waren sie alle sieben, jede auf ihre Art, wenn ihre Namen auch nicht überall am Platze waren. Die schwarzbraune Dolores trug den ihren wohl zu Recht, eben so die goldlockige Solveig. Doch bei Fatme hatte der Vater vorbeigetippt. Sie war die Blondeste von allen.

Einzigartig war das Haar Reginas. Bernsteinhell umlockte es das stolze, ein wenig herbe Antlitz. Dann kamen die hellbraune Lalia, die rostbraune Mira und die kastanienbraune Sidonie.

Die Haarfarbe der Schwestern war somit verschieden, die Gesichtchen jedoch wiesen große Familienähnlichkeit auf. Alle waren sie feingeschnitten, ein wenig hochmütig im Ausdruck, zart und samtig wie Pfirsichblüten.

Auch die schlanke, ranke Gestalt war ihnen gemein, dazu die blauen Augen. Die hellsten hatte Dolores, die zu dem dunklen Haar wunderbar kontrastierten. Groß und langbewimpert leuchteten sie aus den klaren Gesichtern, waren der Spiegel einer reinen Seele.

Also konnte Justus Vallensen mit Recht stolz auf seine schönen Töchter sein. Was ihn jedoch mehr freute als ihre aparte Schönheit, war ihr guter, vornehmer Charakter. Nicht ein einziges schwarzes Schaf befand sich unter seiner geliebten »Sieben«.

Man hatte das Frühstück gerade beendet, als der Drücker der Tür geräuschvoll heruntergeschlagen wurde und Karo ins Zimmer wedelte. Es sah tatsächlich aus, als ob er lachte, selbst in den blitzenden Augen schien ein Lächeln zu liegen. Freundschaftlich legte er seinem Widersacher die zottige Pfote auf das Knie und wünschte ihm fröhlich blaffend guten Morgen.

»Na, so was«, sagte Herr Justus verblüfft, während es um den Mund der Töchter verdächtig zuckte. »Da hat sich der Kerl doch wieder von der Kette losgerissen. Die ist aber auch gar zu schadhaft und muß unbedingt erneuert werden. Verstehst du, Hundevieh?«

»Wwwufff«, zeigte sich Karo einverstanden, dabei nach dem fetten Happen schnappend, den sein Widersacher ihm gewährte. Dann ging er reihum zu den Mädchen, um dort noch ein paar Extrahappen einzuheimsen, und trottete dann in die Ecke, wo sein Frühstück bereitstand.

Dieses kleine Intermezzo wiederholte sich jeden Morgen. Immer aufs neu von dem Hausherrn angestaunt, von der fröhlichen »Sieben« heimlich belacht.

Ihr guter Paps! Der hätte sich eher selbst an die Kette gelegt als den Hund. Aber er mußte doch so tun als ob.

Ein Weilchen plauderte man noch, dann erhob man sich, um frohgelaunt an die Arbeit zu gehen.

Der Vater Küchenschimmel machte die Küche blank. La und Si, die Stubendienst hatten, räumten die Zimmer auf.

Re und Mi besorgten Pferd und Kuh, Fa und Sol das Geflügel. Re molk dann die Milchspenderin und brachte sie auf die Weide, während Mi mit dem Eimer schäumender Milch zur Küche ging, um sie durch den Separator zu drehen.

So hatten alle ihre zugeteilte Arbeit, die jede Woche wechselte. Daher ging alles stets reibungslos vor sich. Nur Do saß an der Nähmaschine und tat die letzten Stiche an einem Sommerkleid, das ein Bauernmädchen in der nächsten Stunde abholen wollte. Als es jedoch auf das Feld ging, war auch sie zur Stelle. Jetzt folgten Stunden angestrengtester Arbeit. Der Nachbar erschien mit drei Pferden, als viertes kam der fette Braune des Spektakelhofes heran. Alle zusammen wurden vor den Leiterwagen gespannt. Die Vesperstunde überging man ganz, machte erst Schluß, als das letzte Fuder hochgetürmt stand.

»Bleibt hier und labt euch zuerst einmal!« gebot der Vater den fleißigen Töchtern. »Das habt ihr euch verdient. Unser lieber Nachbar und ich laden die Fuhre schon allein ab.«

Wie gern kam man diesem Gebot nach! Unter einer alten Linde fand man schattigen Platz. Neugierig hob Dolores den Deckel des großen Korbes hoch, den der Vater auf das Feld gebracht.

»Schaut her«, lachte sie fröhlich. »Unser braver Küchenschimmel hat bei all der Arbeit noch Zeit gefunden, Krapfen zu backen. Ist er nicht rührend, unser guter Paps?«

Aus vollem Herzen stimmte man ihr bei. Hurtig griffen die Hände nach dem goldbraunen knusprigen Gebäck, auf dem der Zucker kristallen glitzerte. Die Becher wurden aus der großen Emaillekanne mit Kaffee gefüllt, und fröhlich ging es ans Schmausen.

Sie bemerkten auch jetzt noch nicht den schlanken Reiter, der unweit von ihnen hielt und schon eine gute Weile dem frohen Treiben der Mädchen zugeschaut hatte. Erst als der Gaul dicht vor ihnen stand, da sahen sie erstaunt auf.

»Guten Tag, ihr schmucken Maiden«, grüßte der Mann galant. »Darf ich mich Ihnen zu Füßen legen?«

»Kommt und labet Euch, Fremdling«, gab Dolores mutwillig Antwort. »Denen vom Spektakelhof ist Gastfreundschaft höchstes Gesetz.«

Lachend schauten sieben Augenpaare auf den Mann, der nun absaß und in seiner imponierenden Männlichkeit frisch und frei vor ihnen stand und sich ritterlich verneigte.

»Habt Dank, o schönste Herrin, die Ihr einem wegmüden Wanderer Herz und Magen laben wollt.«

»Nehmt Platz«, wurde ihm gnädig bedeutet, worauf der Fremde sich zu Füßen der schmucken Maiden niederließ. Flinke Hände füllten einen Becher mit Kaffee, hielten ihm den Kuchenteller hin. Einträchtig schmauste man, als hätte man schon einen Scheffel Salz zusammen verzehrt.

Als der Fremde gesättigt, ließ er sein wohlgefülltes Zigarettenetui herumgehen, wobei er nirgends auf Ablehnung stieß. Reichte sein Feuerzeug höflich hin und her und bediente sich dann selber. Immer wieder ließ er seine Blicke verstohlen über die Mädchen schweifen und geriet dabei ernstlich in die Qual der Wahl. Wenn er Preisrichter einer Schönheitskonkurrenz wäre, dann wüßte er wirklich nicht, welcher der sieben Schönheiten er den ersten Preis zusprechen sollte. Bis beim längeren diskreten Anblick der goldlockigen Solveig sein so lange behütetes Herz gar närrische Sprünge machte, da war er endlich aus der Qual der Wahl. Kopf und Herz entschieden sich friedfertig zu der Parole: Die oder keine.

»Warum fragt lhr, schönste Herrin, mich nicht nach Nam’ und Art?« richtete er sein Wort an Dolores.

»Weil man auf dem Spektakelhof das Warten gelernt hat«, kam die schlagfertige Antwort. Lachend blitzte es in den blauen Männeraugen auf. Mit der Hand rückwärts zeigend, verneigte er sich wieder ritterlich.

»Dort von der Sonnenhöhe komme ich her, allergnädigste Herrin. Man heißt mich Volker Harderhoff.«

Und: »Do – Re – Mi – Fa – Sol – La – Si!« klang es melodisch zurück, wobei sich jedes Notenköpflein gar zierlich neigte. Sieben Augenpaare hingen an der kleinen Anhöhe, auf der sich das stattliche Gut Sonnenhöhe trutzig erhob, das seinen Namen nicht zu Unrecht führte. Sonne funkelte darüber im Spätnachmittagslicht, spiegelte sich in den Fenstern, die durch die Parkbäume blitzten wie eitel Gold.

Und Sonnenstrahlen flirrten auch über den Kopf des Erben all der Herrlichkeit da droben, schienen sich in den lachenden Augen verfangen zu haben.

Wohlgefällig bemerkten es die sieben Schwestern – doch banges Herzklopfen spürte allein nur die goldhaarige Solveig, was natürlich nicht geduldet werden durfte.

Was fiel dem Mann eigentlich ein, sie so unverweilt anzustrahlen? Trotzig flog das Köpfchen in den Nacken.

»Sagen Sie mal, Herr Hardershoff, haben Sie denn so viel Zeit, so müßig zu sein?« kam es schnippisch von den jungroten Lippen.

»Ich meine, daß es in der Heuernte für den Landwirt alle Hände voll zu tun geben dürfte.«

Die Rüge schien den Mann absolut nicht zu treffen; denn seelenruhig blies er den Zigarettenrauch von sich.

»In Gesellschaft so schöner Maiden flieht Zeit und Stunde für mich dahin wie ein Traum. Da wird mein Herz stets seßhaft, meine kleine Ungnädige. Es ist bestimmt nicht sehr gastfreundlich, mir dieses warme Plätzchen zu mißgönnen.«

»Aber wirklich, Sol, was fällt dir ein!« wies Regina die Schwester zurecht. »Lassen Sie die Kleine nur, Herr Hardershoff, sie meint es bestimmt nicht so. Trinken Sie noch einen Kaffee?«

»Ich bitte darum. Wer versteht den Trank so wunderbar zu brauen?«

»Unser Küchenschimmel«, lachte die kecke Sidonie ihn vergnügt an.

»Küchenschimmel?«

»Ja. Das ist in dieser Woche unser guter Paps.«

»Dunkel ist Ihrer Rede Sinn…«

»Den unsere Do Ihnen gleich erhellen wird«, lachte der kleine Unband.

»Sie ist die Älteste, und daher unsere Wortführerin.«

Dolores gab denn auch über die Bräuche auf dem Spektakelhof bereitwillig Auskunft, und da lachte der Mann sein warmes tiefes Lachen. »Das ist ja köstlich! Wie schön muß es sein, in so trautem Geschwisterkreis zu leben. Diese Freude ist mir versagt, da ich der Einzige meiner Eltern bin.«

»Ach, Sie Armer!« bedauerte ihn die blonde Fatme. »So ein Leben kann ich mir gar nicht vorstellen. Da müssen Sie also eine Frau heiraten, die viele Geschwister hat«, setzte sie treuherzig hinzu.

»Den Rat werde ich prompt befolgen«, lachte er übermütig und sah dabei Solveig an, die unter seinem sprechenden Blick heiß errötete.

»Wem mag das Heu gehören?« zeigte sie ablenkend auf das hochgetürmte Fuder, das dicht neben ihnen vorüberschwankte.

»Das gehört Sonnenhöhe«, gab der Mann zu verstehen. »Es ist das letzte, mein gnädiges Fräulein. Daher mein müßiges Verweilen hier.«

»Was geht mich Ihr Müßiggang an?«

»Nanu, den haben Sie vor einer kleinen Weile doch so scharf gerügt.«