Lenny und der Rest der Welt - Antoine Levy - E-Book

Lenny und der Rest der Welt E-Book

Antoine Levy

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Beschreibung

Es ist ein absurd komischer Versuch, die Existenz der Erwachsenen, erfasst mit den sensiblen Augen eines naiven, kleinen Jungen Namens Lenny, das Universum, das ihm so völlig fremd erscheint, zu beschreiben. Lenny begibt sich auf seine Irrfahrt des Lebens, um die Verbindungen zu entdecken, die ihn vereinen - diese bunte Welt - wie auch ein schöner Sommertag.

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Antoine Levy

Lenny und der Rest der Welt

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Lenny und der Rest der Welt

Impressum neobooks

Vorwort

Für alle, deren Refugium, vorausgesetzt die Jugend wurde nicht allzu sehr von Lehrern und Eltern, oder wie es in der Fachsprache heißt, Pädagogen und Erziehungsberechtigten, voreingenommen, wenn nicht gar, ohne theatralisch zu dramatisieren, oder gleich im Vorfeld ausfallend in Erscheinung zu treten, traumatisiert, zumal jenes schwere Folgen auf das Unterbewusstsein haben kann und den Teufelskreis gebären lässt und sich alles wieder auf die zwei wesentlichen Faktoren zurückschließen lassen kann, Lehrer und Eltern, Humor ist und hoffentlich, wenn nicht etwas allzu Unangenehmes, ich wünsche es keinem, dazwischenkommt, bleibt.

Antoine Levy, Nizza, 2000

Lenny und der Rest der Welt

Es war wieder einmal einer dieser gottverdammten Tage, an denen man sich die Griffel abfror. Noch diese letzte Steigung und dann ging es endlich bergab. Im Winter war alles tot, vor allem aber dunkel und da ich immer noch keine Fahrradbeleuchtung hatte, hatte ich manchmal Angst, obwohl der Klugscheißer Tony, wenn Besuch zu uns kam nannten ihn meine Eltern meinen großen Bruder, mich jedes Mal ermahnte, „...weißt Du eigentlich wie gefährlich das ist?“, jeder der einen großen Bruder hatte, kennt wahrscheinlich schon die verkratze Platte, die wohl keiner noch einmal hören möchte. Nicht etwa, dass ich Angst vor irgendwelchen Aliens, die mir nachts in den wildesten Träumen begegneten, sondern Angst davor, das eventuell ein Baum umgefallen war, das passierte hier im tiefen Schwarzwald öfters, ich ihn zu spät erkennen und mir daraufhin alle Knochen brechen würde. Na bitte, es ging bergab. Ich sah von weitem wie gerade der Schulbus anhielt, die ersten Chaoten stiegen schon aus, unter anderem auch Peggy, sie war zwar vier Jahre älter als ich, aber hatte richtig geile Titten. Ihre Brüste waren so spitz, dass sie selbst ohne Büstenhalter jedem stolz mit der ungebändigten Aufforderung „bitte fummeln“ entgegentrotzten. Sie und Andere galt es nun zu beeindrucken, dass ich mit dem Fahrrad weitaus schneller war, als dieser versiffte Schulbus, in dem man sowieso nur einstieg, weil man dort die jüngeren Nachbarskinder verprügeln konnte, Andere meist mitmachten und so die Schuld auf Mehrere verteilt war. Das war unheimlich praktisch, denn wenn die Eltern der Nachbarn zu den Meinen kamen, konnte ich immer sagen der und der waren aber auch dabei und haben eigentlich angefangen. Ich frage mich bis heute noch, ob meine Eltern mir wirklich abgekauft hatten, dass immer die Anderen die Schuld hatten. Nun galt es aber die Gruppe von „Aussteigern“ rasant mit meinem Rad zu überholen. So kam es auch, wenn nicht dieser blöde Depp von Oskar gewesen wäre, der immer was zu sagen hatte,

„..na Lenny willst Du uns etwas beweisen?“, schrie er mir hinterher.

Blödes Arschloch, ich glaube Peggy hat es auch gehört, aber wahrscheinlich nicht weiter darüber nachgedacht, denn sie unterhielt sich gerade mit Dennis, einem Typ übersäht mit eitrigen Pickeln, die ich am liebsten höchstpersönlich ausgedrückt hätte, indem ich mit jedem Faustschlag durch den anfallenden Druck den Eiter zum Platzen brächte und das Pickel für Pickel. Auch hatte er eine fürchterlich lange Nase, die wahrscheinlich als Rutschbahn für den anfallenden Stirnschweiß beim Anblick von Peggys Titten diente. Eigentlich brauchte ich mich erst gar nicht aufzuregen, denn sie war ja älter und weitaus schöner als ich. Meine Chancen standen also eins zu einer Millionen. Dennoch eine Chance hatte ich und damals glaubte ich noch an Wunder. In weit ausgeholtem Bogen nahm ich die anstehende Kurve, um mein Rad am überdachten Stellplatz abzustellen. Ich hatte einen Zahlencode am Schloss und meine Griffel waren so durchgefroren, dass mir die Anreihung der richtigen Zahlen schwer fiel. Ich hätte es mir mit größter Wahrscheinlichkeit mit Handschuhen leichter gemacht, aber das war für mein Empfinden ziemlich uncool und mein Motto lautete schon damals:

„Was Dich nicht umbringt, härtet Dich ab.“

Langsam schlurfte ich über den Hof, so dass die Truppe der Busfahrenden noch hinter mir ging. Durch die Tür und runter zu den Schließfächern, kein schlechter Service, aber das kann man ja auch von einer Anstalt wie dieser verlangen. Mein Schließfach war immer vollgestopft, denn ich nahm nur selten ein Schulbuch mit nach Hause, wozu auch, das wäre doch nur unnötiger und zudem schwerer Ballast auf der alltäglichen Heimfahrt gewesen. Auf der Türinnenseite las ich den heutigen Stundenplan ab, um die dazugehörigen Schulbücher Widerwillen mitzunehmen, doch schweifte mein Blick meist etliche Zentimeter tiefer, wo ich ein Poster von Samanta Fox befestigt hatte, das war damals die Sexbombe mit Riesentitten schlechthin, also noch größer als die von Peggy, leider nicht splitternackt, denn das war erstens unheimlich schwierig zu besorgen, und zweitens hätte mir das zu viel Ärger bei meinem Schuldirektor gekostet, dem Herr Auer, einem altem Sack mit langem weißen Bart, dessen einzige Lebensaufgabe war, eine artengerechte Haltung von Flöhen und Zecken zu gewährleisten, aufgrund der Tatsache, dass die Essensreste noch an seinem Bart baumelten und bei Dunkelheit wahrscheinlich die Viecher aus dem Inneren des Bartes und aus seiner Nase sich an die Leckerbissen heranmachen konnten, dabei versehentlich aber jedes Mal ein Stückchen von seinem Bart abbissen, was den unregelmäßigen Verlauf seines Wuchses erklärte. Schon oft wurde ich in seinem Büro „eingeladen“, weigerte mich aber stets entschlossen durch die Nase zu atmen, um mir noch ein bisschen Lebensglück zu bewahren. Florian, mein schlauester Mitschüler, ein Indiz dafür war zumindest, dass er eine Brille trug, nannte ihn immer Marx. Mit dem Unterschied, dass Marx wenigstens tot war, was man von unserem Direktor nicht gerade behaupten konnte. Beim Zuschlagen der Schließfachtür wurde ich von Oskar, der fetten Sau überrascht. Eigentlich war er ein guter Kumpel, aber er hatte mich einmal schwer enttäuscht. Ich hatte ihn mal zu meiner Geburtstagsparty eingeladen, als wir noch zur Grundschule gingen, und als sein Geburtstag war, lud er mich nicht ein. Das habe ich ihm bis heute nicht verziehen, obwohl wir damals erst elf Jahre alt waren.

„Na Lenny warst Du schneller als der Bus?“, grinste er höhnisch, hätte ich doch bloß einen Vorschlaghammer gehabt.

„Warum hältst Du nicht einfach Dein Maul?“

„Hast Du Deine Hausaufgaben gemacht? Du weißt doch, dass Du der Liebling von der Kollwitz bist?“.

Die Kollwitz. Die alte Jungfer. Eine Zicke die so sehr schielte, dass sie immer zwei Leute gleichzeitig beobachten konnte. Wenn sie eine Frage stellte, musste sie den Namen immer dazu sagen, sonst bekam sie zwei Antworten, außer von mir, da bekam sie außer ein automatisiertes Achselzucken wenig zu sehen. Das alte Weib schaute mich immer so an, als sei ich ein wildes Reh, das gerade vom Jäger angeschossen wurde und mit flehendem Blick um einen Gnadenschuss winselte und sie nicht wusste ob sie nun abdrücken sollte, oder nicht. Das lag wahrscheinlich daran, dass wir einmal eine Zusammenfassung über eine Kurzgeschichte schreiben mussten, da ich aber nicht zugehört hatte, kannte ich auch diese Geschichte nicht. Ich war schon ganz traurig, dass ich wieder einmal eine lebensnotwendige Anekdote verpasst hatte, also tat ich so als würde ich eifrig schreiben, schrieb meinen Namen in Schönschrift nieder, als mein Nebensitzer Gerd, äußerlich war er sehr schüchtern, psychisch aber musste sich wahrscheinlich selbst Stephen King in Acht vor ihn nehmen, ein Herz um meinen Namen malte und schrieb:

„ + Horst“

Ich schmunzelte bloß und dachte, wie kann man nur einen so bescheuerten und abgründigen Namen wie den haben. Doch mein Schmunzeln verriet mich und schon kam die alte Zicke auf mich zu.

„Lenny, wie weit bist Du denn schon?“, ich spürte, wie Gerd sich schwer zusammenreißen musste, um nicht in schallendes Gelächter zu fallen, meine Birne hingegen lief rot an und alles was mir einfiel war, meinen Ellenbogen auf das Papier gegen den Tisch zu drücken, denn sie hatte schon bereits die Ecke an ihren krummen Fingern und zerrte daran, bis ich schließlich nachgeben musste. Sie blickte auf das Papier. Ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, aber als das Blatt langsam sank, ihr verstörtes Schielen mich anstarrte und aus Ihren Lippen fiel:

„ ...wer ist denn Horst?“, wurde mir ganz schön mulmig zumute. Sie wusste ja nicht, ob das nun Spaß oder Ernst war, legte das Blatt nieder, verfolgte weiter Ihren Unterricht, war aber dennoch bis zum Ende der Stunde sehr verstört. Die arme Alte. Wahrscheinlich glaubte sie wirklich, ich hätte Liebeskummer mit Horst. Wahrscheinlich erzählte sie im Lehrerzimmer, dass ich in Horst, den keiner kannte, verliebt war und deswegen auch immer so schlechte Noten mit nach Hause bringen musste, denn mein Liebeskummer musste doch schließlich unendlich groß sein.

Es war gerade einmal sieben Uhr dreißig und dann musste man sich so eine Zicke reinziehen. Gemeinsam gingen wir zu unserem Klassenraum. Dabei stellte ich mir vor, den Oskar vor mir her zu rollen, denn sein Übergewicht nahm von Tag zu Tag bedrohlich zu. Aber wahrscheinlich würde ich ihn lieber vor mir her treten. Vor dem Klassenraum war schon die ganze Mannschaft versammelt. Der Klassenraum war abgeschlossen und wir mussten wie jeden Morgen auf die Zicke warten. Da kam sie auch schon angehumpelt. Sie hatte einst einen schweren Autounfall, sagte man zumindest. Vielleicht aber humpelte sie bloß, um Mitleid bei den Männern zu erregen, um doch noch einen abzukriegen. Andere Erfolgsmethoden konnte ich mir bei der nun wirklich nicht erklären. Sie begann ihren Unterricht und ich wusste, der Tag war gelaufen, zumindest für den Rest des Morgens.

Endlich, das Klingeln der Schule ertönte und schallte noch lange in mir weiter, denn das war das Zeichen, der himmlische, dankbare Hinweis, nun nach Hause gehen zu dürfen. Schnell machte ich mich auf die Socken, um wieder früher als der Bus zu Hause anzukommen. Ich durfte keine Zeit mit unnötigen Gesprächen verlieren, der Zahlencode musste auf Anhieb stimmen und der Start musste erfolgreich beginnen, sonst wäre es zu knapp gewesen, den Bus zu übertrumpfen und es war stets mein eigener Ehrgeiz schneller zu sein als der Bus. Oft hatte ich das Gefühl, dass mein größter Feind in mir selbst steckte, ich ständig beweisen musste stärker zu sein als er. Natürlich und wie so oft gelang es mir auch diesmal. Garage auf, Rad rein, Garage zu.

In unserem Haus, eigentlich war es gar nicht unser Haus, sondern das meiner Eltern, angekommen, begrüßte mich meine Mutter. Sie zu beschreiben war äußerst schwierig, denn meist sah ich sie nur von hinten. Beim Kochen, beim Abspülen, beim Wäsche waschen, beim Boden Schrubben. Ach, da kam mir auch schon mein Bruder Tony, dieser unterentwickelte Yeti, das noch in der präpubertären Phase steckengeblieben war, entgegen. Seine Haare waren so lang und fusselig, dass es schwierig war zu bestimmen, wo vorne und wo hinten war, ich ging zumindest davon aus, dass es das gab.

„Hi!“

„Mmmhh.“

Mehr war auch selten aus ihm herauszubekommen. Seltsamerweise behielt er das meiste für sich. Aber ich war im Prinzip auch nicht viel besser. Ich ging gleich auf mein Zimmer, schmiss den Computer an und spielte wie so oft „Universal Man“. In dem Spiel ging es darum, die blöden angreifenden Außerirdischen abzuknallen. Zugegeben, es war ein stupides Spiel, doch ich stellte mir immer wieder vor, es seien meine Lehrer, gefolgt von ihrem Oberhäuptling Auer, der leider immer noch dem Kampf gegen Flöhen und Zecken standhielt. Gewonnen hatte ich bei diesem Spiel nie, wie sollte es auch anders sein, in der Realität war es doch auch nicht besser. Die Tür ging auf, Tony spähte zwischen seinem fettigen Haarvorhang durch.

„Essen kommen.“

„Hey, das Yeti beherrscht unsere Sprache.“

„Wie war das?“, er hob die Faust, wahrscheinlich ein Zeichen der Ermahnung.

„Ich wollte nur wissen, wie Du das machst, dass alle Frauen auf Dich stehen.“

Er grinste und fing an, „Also, das ist so...“

Ich schnellte an ihn vorbei und rannte die Treppen hoch. Am Tisch angekommen triumphierte ich:

„Erster!“

Mein Vater saß schon am Tisch, zumindest nahm ich das an, denn meist waren nur seine Hände zu sehen, die versuchten die Tageszeitung so zu halten, dass man ihn nicht mehr sehen konnte.

„Ja, ja wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

So, so dachte ich mir, das war ja klar, dass irgendeine Bemerkung kommen musste, es hätte ja sonst auch etwas gefehlt. Alltäglichen Fragen konnte ich mich auch heute nicht entziehen.

„Wie läuft es in der Schule?“

„Ich weiß auch nicht, ich bin eingeschlafen, aber glücklicherweise wurde eine Klingel installiert, um mich am Ende des Unterrichts zu wecken.“

Die Zeitung senkte sich und ein nicht gerade einladendes Gesicht warnte mich mit folgenden Worten:

„Hör mal zu Junge,“, wenn man zuhören musste, so war das in der Regel ein schlechtes Zeichen, „ wenn Du glaubst der Stärkere zu sein, beenden wir gleich das Spiel. Wenn Du dieses Jahr wieder sitzen bleibst, verschenke ich Deinen Computer an den Heiner, ..klar?“

Ach du Scheiße, der Junge von nebenan, ein inzüchtiger Mutant mit einer typischen, saublöden Dorffresse. Das Dumme war wirklich, dass mein Vater immer genau wusste, wie er mich rankriegen konnte. Ob das wohl an den Genen lag? In der Schule hatten wir mal gelernt, dass sich Gene weitervererben und die sich auf das Aussehen und auf den Charakter bemerkbar machen. Das würde aber heißen, dass ich eines Tages meinem Vater ähnlich wäre. Mir blieb nur die Hoffnung, dass der Postmann nicht nur für die Post zuständig war, sonst wären eventuelle Ähnlichkeiten, welcher Art auch immer, nicht auszuschließen. Andererseits, wenn ich aber an unseren Postmann dachte, wusste ich nicht genau was schlimmer wäre.

Ich gewöhnte mir an, immer den Mund voll zu stopfen, denn mit vollem Mund durfte ja nicht geredet werden, somit konnte ich jeglichen Fragen, die meist unangenehm waren, ausweichen. Besonders störten mich Fragen wie:

„ Hast Du eigentlich schon eine Freundin?“

Was sollte ich darauf antworten, wenn ich eine hätte, wäre ich doch wohl nicht hier, oder? Abgesehen davon, was wissen „die“ denn schon von Gefühlen, außer den Noten und den lebenswichtigen Informationen wie zum Beispiel:

„Weißt Du, wen ich heute gesehen habe?“, kannten die doch sowieso nichts. Mein Bruder grinste dann immer nur. In einem James Bond Film hatte ich einmal gesehen, wie Mr. Bond einen Schuh hatte, wo man an der Schuhspitze eine Stahlnadel ausfahren konnte. Die hätte ich am Tisch häufig gebrauchen können, schließlich saß mir mein Bruder täglich gegenüber. Oder ich hätte den großen „Beißer“ gebrauchen können, den zwei Meter zwanzig großen Mann, mit seinen riesigen Stahlzähnen, der auf ein abgesprochenes Zeichen jedem eins in die Fresse haute. Das hätte mir viel Ärger und Nerven erspart. Vor allem aber wäre das in Schule eine praktische Hilfe gewesen, bei den Klausuren, beim Morgenschlaf, mit dem Kopf auf der Schulbank, womöglich rührt daher meine heute fliehende Stirn, beim Anbaggern von Mädchen und beim Bäcker auf dem Schulhof, wo sich ständig Typen aus höheren Klassen vordrängten. Stattdessen aber hatte ihn so ein Typ, null null sieben, der immer alle Frauen rum bekam, nur weil er so charmant lächelte. Bei mir klappte das nie, auch wenn ich schon viele Nachmittage vor dem Spiegel geübt hatte. Doch im Schulbus drehten sich entweder die Mädchen weg, oder streckten mir die Zunge raus, die meist gelb oder violett war, vom vielen Lutschen der Bonbons.

Das Essen bei uns verlief meistens schneller, als der alltägliche Streit nach dem Essen, wenn es darum ging, ob mein Bruder mit dem Abräumen vom Tisch an der Reihe war, oder ich. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht hatte, aber häufig blieb die Arbeit an mir kleben. Im Prinzip war mir das aber auch egal, denn ich hatte im Fernsehen gesehen, dass die Leute im Gefängnis auch arbeiten mussten. Ich hatte also dieselbe Strafe. Am schlimmsten aber war, das alltägliche Aufstehen um sechs Uhr dreißig. Ich fühlte mich jeden Morgen wie ein neugeborenes Kätzchen, das eine Woche brauchte, seine verschleimten Augen zu öffnen, um zu sehen was hier eigentlich abging. Mit Freunden hatten wir uns schon häufig gefragt, wer eigentlich der Erfinder der Schule war. Wir waren uns nach wochenlangen Diskussionen, mit häufigen Prügeleinlagen einig, dass es sich um eine Erfinderin handeln musste. Die Frauen hatten sich gedacht, warum diese Bälge schon am Morgen zu Hause haben? Wir schicken sie an einem Ort, wo frustrierte, unverheiratete Frauen und Männer versuchen können, Ihnen Lebensweisheiten zu vermitteln, weil sie es selber nicht geschafft hatten, ihr Leben vernünftig auf die Reihe zu bekommen. Einige hatten diese Strafe sicherlich verdient, aber warum zum Teufel gerade ich?