Let's rock education - Deutschlands erfolgreichster Mathe-Youtuber - Daniel Jung - E-Book

Let's rock education - Deutschlands erfolgreichster Mathe-Youtuber E-Book

Daniel Jung

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Beschreibung

Das Sachbuch zur Diskussion über den Digitalen Bildungs-Pakt: Daniel Jung, der "Rockstar der Mathematik" (FAZ) kritisiert die Politik und fordert eine digitale Lern-Revolution – allein Computer in der Schule reichen nicht! Auf die Pädagogen und die Pädagogik kommt es an! Daniel Jung fordert: "Wir brauchen neue didaktische Konzepte, um aus analogen Klassenzimmern digitale Lernorte zu machen!" Seit Jahren macht er mit seinen erfolgreichen Youtube-Tutorials vor, wie Bildung heute aussehen muss – und sein Erfolg gibt ihm Recht. In seinem Buch entwirft er Konzepte für eine digitale Lern-Revolution. Sein Credo: Individuelles Lernen statt standardisierter Bildung. Beispiele dafür gibt es genug, Daniel Jung stellt sie vor. Vor allem aber macht er deutlich, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, sie umzusetzen. Denn wir müssen unsere Kinder umfassend auf die Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz vorbereiten – sonst verspielen wir unseren Wohlstand und unsere wirtschaftliche Zukunft. Daniel Jungs Youtube-Kanal Mathe by Daniel Jung umfasst 2300 Mathe-Tutorials, die von 500.000 Abonnenten mehr als 160.000 Millionen Mal aufgerufen wurden. Damit ist Daniel Jung "einer der beliebtesten Youtube-Mathelehrer Deutschlands" (Süddeutsche Zeitung). Mit seinem Aufruf zur digitalen Bildungs-Revolution erweitert er die Diskussion um die aktuelle Bildungs-Politik des Bildungs-Experten Jürgen Kaube ("Ist die Schule zu blöd für unsere Kinder?") und des Kinder- und Jugend-Psychiaters Michael Winterhoff ("Deutschland verdummt") um den Aspekt der digitalen Bildung.

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Seitenzahl: 275

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Daniel Jung

Let's rock education

Was Schule heute lernen muss

Knaur e-books

Über dieses Buch

»Digitale Bildung – das ist mehr als die Ausstattung unserer Schulen mit Hardware!«, stellt Daniel Jung fest und fordert: »Wir brauchen engagierte und sachkundige Pädagogen und neue didaktische Konzepte, um aus analogen Klassenzimmern digitale Lernorte zu machen!« Seit Jahren macht er mit seinen erfolgreichen Youtube-Tutorials vor, wie Bildung heute aussehen muss – und sein Erfolg gibt ihm Recht. In seinem Buch entwirft er Konzepte für eine digitale Bildungsrevolution. Sein Credo: Die heutigen technischen Möglichkeiten müssen genutzt werden, um individuelles Lernen statt standardisierter Bildung zu fördern. Beispiele dafür gibt es genug, Daniel Jung stellt sie vor. Vor allem aber macht er deutlich, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, sie umzusetzen. Denn wir müssen unsere Kinder umfassend auf die Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz vorbereiten – sonst verspielen wir unseren Wohlstand und unsere wirtschaftliche Zukunft.

Inhaltsübersicht

QuotesVorwortDie ganze Mathematik in KurzvideosWozu Mathematik?Vom Nachhilfelehrer zum Youtube-StarExponentialkurve, Statistik, KombinatorikDie Kunst, Mathematik verständlich zu erklärenFeedback: Wo ein Erlöser ist, gibt es offenbar ein LeidenKritik?Die Mathematik in PlaylistsSpin-offs: neue ProjekteVideos sind ein SupertoolVon #LetsRockMathe zur Plattform mathefragen.deKonkurrenz für die Schule?Die Marke Daniel JungDie Zukunft ist jetztUnser Bildungssystem: ein DschungelDie digitale GefahrJugend im Netz: Instagram, Snapchat, TikTok und Co.Schule im NetzLern- und Lehrstrukturen parallel zur SchuleParallele Lernwelten 1: OfflineDie Khan AcademyParallele Lernwelten 2: OnlineDigitale HochschulenRockstars der ErklärvideosWiedersehen im NetzDie Jugend braucht einen neuen Zugang zur MathematikWir unterrichten wie vor 100 JahrenWichtig wird sein, Zusammenhänge zu erkennen und Probleme zu lösenStatt Rechnen müssen Schüler das Interpretieren lernenRockstars an der UniWer zahlt?Wem gehören die Rechte?Schöne neue Bildungswelt?Zukunftsfragen im Angesicht des technologischen WandelsBerufe im WandelNew Learning ist der SchlüsselWir müssen Schule und Bildung neu denkenDie vierte industrielle RevolutionWas macht man eigentlich mit Daten?Daten sind das neue ÖlDie Mitarbeiter der digitalisierten JobweltDie Mathematisierung der GesellschaftWer reformiert das Schulsystem?Warum sind Schule, Universität und Ausbildung so, wie sie sind?BildungsrevolutionDas New-Learning-ÖkosystemDie frühkindliche PhaseBlended LearningArchitektur und EinrichtungOnline lernen im New-Learning-ÖkosystemOffline lernen im New-Learning-ÖkosystemOnline und offlineNugget-Learning, Bite-sized Learning, MikrolearningNanodegrees erwerbenWelche Skills braucht man in Zukunft?Welche Inhalte sind in Zukunft wichtig?Tipps für alle, die selbst zur New-Learning-Revolution beitragen wollenDie neue Schule ist überall!Manifest der BildungLet’s rock Education!Bildnachweis
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»Wenn jemand wie Daniel Jung so viele Jugendliche und Kinder dazu bringt, sich mit Mathematik zu beschäftigen und viele davon sogar Freude daran haben, dann hat er alles richtig gemacht. Auch der Schulunterricht kann davon profitieren.«

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes

 

 

»Als Botschafter der digitalen Bildungsinitiative ›Roberta – Lernen mit Robotern‹ bringt Daniel Jung unsere innovativen Lerninhalte rund um die Programmierplattform Open Roberta mit der Welt der Mathematik zusammen und zeigt einmal mehr: Digitalisierung ist themenübergreifend und durchdringt die Welt in allen Bereichen.«

Thorsten Leimbach‚ Leiter Roberta Initiative, Fraunhofer IAIS

 

 

»Daniel Jung redet nicht nur über die Zukunft der Bildung, er treibt sie selbst aktiv voran und liefert klare Handlungsempfehlungen, was jetzt zu tun ist.«

Philipp Depiereux, Gründer und Geschäftsführer etventure & ChangeRider, Partner EY

 

 

»Hunderte Millionen Views sprechen für sich – Daniel Jung zeigt, warum Mathe cool ist und wie man mit New Learning Schüler und Studenten begeistert!«

Philipp Justus, VP Central Europe at Google

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Vorwort

Ich liebe meinen Neffen. Er ist jetzt zwei, und wenn ich mit ihm im Wald bin oder auf einem Spielplatz, dann fasziniert mich seine Bereitschaft, Neues zu entdecken. Seine Fähigkeit, zu lernen. Wie er in dieser unnachahmlichen Art von Zweijährigen mit seinen kurzen Beinen über einen Ast stolpert, wieder aufsteht und weitergeht. Alles anfasst, um es zu be-greifen und mit allen Sinnen aufzunehmen.

Ich glaube, es gibt für meinen Neffen keine bessere Umgebung als den Wald und den Spielplatz. Hier, in der Natur und mit anderen Menschen zusammen, kann er alles lernen, was er braucht, um sich in Zukunft zurechtzufinden. Egal wie diese Zukunft aussehen wird. Ob er anstelle eines Führerscheins mal eine App bedienen können muss, um sein autonom fahrendes Auto zu steuern. Ob er als Programmierer künstliche Intelligenzen mit neuronalen Netzen ausstattet. Oder Manager eines Flugtaxiunternehmens wird. All dies kann er später lernen. Und wer weiß, vielleicht zeigt sich bei ihm in ein paar Jahren schon eine ähnliche Liebe zur Mathematik wie bei mir. Auch das würde ihn für die Zukunft stärken.

Die Mathematik ist die Lehre von Strukturen und Mustern. Sie zu erkennen und zu verstehen wird in der global vernetzten Welt angesichts von Big Data und sich rasend schnell verändernden Lebensverhältnissen immer wichtiger.

Dass mein Neffe als Digital Native schon früh mit den Technologien des 21. Jahrhunderts vertraut sein wird, spielt dabei keine Rolle. Im Gegenteil, ich bin fest davon überzeugt, dass er (und alle anderen Kinder) in den ersten Jahren seines Heranwachsens so wenig wie möglich mit elektronischen Geräten in Berührung kommen sollte. Kein Handy, kein Tablet. Am besten gar nichts Elektronisches.

Hoppla! Keine Devices – dieser Rat kommt ausgerechnet von mir? Dem Mathe-Youtuber, der inzwischen gut 2500 Youtube-Videos produziert hat und damit bekannt geworden ist? Der in allen sozialen Netzwerken unterwegs ist? Wie kann ausgerechnet ich fordern, dass Kinder am besten ganz ohne elektronische Geräte aufwachsen sollen?

Über die Digitalisierung wird heftig gestritten. Viele halten Smartphones und Tablets für den Teufel. So wie der Psychiater und Hirnforscher Manfred Spitzer oder der Pädagoge Ken Robinson, der eine weltweite Studie durchgeführt hat mit einem erschreckenden Ergebnis. Robinson und seine Kollegen fanden heraus, dass viele Kinder sich täglich weniger im Freien aufhalten, als die Vereinten Nationen für Gefängnisinsassen vorschreiben. Selbst die Insassen von Hochsicherheitstrakten bekommen mehr frische Luft als manche Kids, die ihre Freizeit vor Bildschirmen verbringen.

Das Verrückte ist, dass die Gegner der Devices sich keineswegs nur unter Wissenschaftlern, Politkern oder auch Lehrern finden. Bei dieser Gruppe könnte man vielleicht noch sagen, dass die meisten unter ihnen keine Digital Natives sind. Ihnen könnte man entgegenhalten: Ihr seid in einer Zeit aufgewachsen, als es das Internet und soziale Netzwerke noch nicht gab – ihr versteht einfach nicht, wovon ihr da redet. Aber überraschenderweise kommt die Kritik an den digitalen Medien nicht nur von medienfernen Oldtimern, sondern auch von den Tech-Leuten selbst. Von denen also, die sie erfunden haben und die mit ihrem Verkauf sehr reich geworden sind.

In einem Gespräch mit einem Journalisten der New York Times gab Apple-Gründer Steve Jobs im Jahr 2010 freimütig zu Protokoll, dass er den Umgang seiner Kinder mit Devices streng überwachte (der Artikel »Steve Jobs Was a Low-Tech Parent« erschien 2014, das Gespräch fand jedoch Ende 2010 statt). Der Journalist konnte es kaum fassen: Das erste iPad war seit einem halben Jahr auf dem Markt, und Steve Jobs erklärte ihm, seine Kinder hätten es noch nicht in der Hand gehabt.[1]

Auch wenn der Apple-Gründer für seine Extravaganzen bekannt war – in Bezug auf den Umgang seiner Kinder mit digitalen Medien befand Jobs sich in bester Gesellschaft. Die CEOs nahezu aller großen Tech-Unternehmen regulieren strengstens, wie viel Zeit der Nachwuchs mit Elektronik verbringt – nämlich so wenig wie möglich. Einem Bericht des amerikanischen Fernsehsenders Fox News zufolge schicken die meisten Tech-Executives ihre Kinder auf Waldorfschulen im Silicon Valley.[2] Schulen, an denen jede Art elektronischer Geräte verboten und außer Papier und Stift keine Lernmittel zugelassen sind. Angeblich, so der Bericht, handelt es sich bei 70 Prozent der Waldorfschüler um den Nachwuchs großer Tech-Unternehmer. Dabei haben dieselben Unternehmer in den USA landesweit propagiert, amerikanische Schulen seien unbedingt mit Tablets auszustatten, das werde die Bildung um ein Vielfaches verbessern. Und doch schützen sie ihre eigenen Kinder vor ebendiesen Mitteln. Der Journalist der New York Times berichtet, nahezu alle Tech-Eltern stellen auch für zu Hause eine Hauptregel auf: Keine Devices im Schlafzimmer. Nie.

Und wie sieht es in Deutschland aus? Wie viele Erwachsene und Kinder verbannen hierzulande Smartphones und Tablets aus ihren Schlafzimmern? Ich gehe sicher davon aus, dass es nicht viele sind.

Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite bestreitet kaum jemand, dass wir uns auf die Digitalisierung einstellen müssen – in allen Lebensbereichen. In privat geführten Unternehmen, in der öffentlichen Verwaltung, in Krankenhäusern, Hochschulen etc. Und natürlich auch in den Schulen. Die digitale Bildungsreform ist beschlossene Sache. »DigitalPakt Schule« lautet der offizielle Name des Programms, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung zusammen mit den Ländern 2018 aufgelegt hat. Die Mehrheit der Parteien unterstützt dieses Ziel. Allein über das Wie gibt es Diskussionen.

Wie aber passt das alles zusammen? Wenn die übermäßige Nutzung von elektronischen Geräten wirklich zu gesundheitlichen und psychischen Schäden führt und uns alle verdummen lässt, wieso wird dann überall beklagt, Deutschland hänge mit der Digitalisierung hinterher? Warum wird mehr Digitalisierung gefordert – und gleichzeitig immer lauter vor den Folgen gewarnt?

Dieser Widerspruch, in den uns die neue Technologie verwickelt, ist selbst sehr alt. In der griechischen Mythologie wird erzählt, Prometheus, der als Titan eine Art Halbgott war, habe seinem Vater Zeus das Feuer gestohlen und es den Menschen gegeben. Sie nutzten das Feuer, um ihre Häuser zu wärmen, Brot zu backen und Tongefäße zu brennen. Doch sie setzten es auch als Waffe ein, um zu brandschatzen und zu morden. Seither wird bei jeder neuen Erfindung darüber debattiert, ob wir mit der Technik, die wir in den Händen halten, mehr Nutzen oder Schaden anrichten. Oder, um es etwas moderner auszudrücken: »There is always a good use and a bad use«, wie Sebastian Thrun sagt, Pionier vieler Google-Technologien und Gründer einer Online-Universität.[3] Wir müssen uns gegen den Schaden wehren und dem Nutzen folgen.

Wenn über die Gefahren der Digitalisierung diskutiert wird, geht es meistens um ganz bestimmte Anwendungen: Facebook, Instagram und Co. – Social Media. Sie stehen in der Kritik, weil Hate-Postings und das Mobbing von Internet-Trollen zu einem Problem geworden sind, das in den USA, Europa und vielen anderen Ländern der Welt sogar die Justizministerien beschäftigt.

Der Skandal um das Unternehmen Cambridge Analytica hat gezeigt: Bei Wahlen in den USA und bei der Abstimmung zum Brexit in Großbritannien wurden massenhaft Daten von Facebook-Accounts missbraucht, um die Ergebnisse zu manipulieren. Psychotherapeuten berichten von einer wachsenden Zahl von Teenagern, die depressiv werden, weil ihr Leben nicht so glänzt und glitzert wie auf Instagram. Wer dazu mehr wissen will, kann sich ein Video von Simon Sinek anschauen, er ist einer meiner Lieblingsvortragenden bei Youtube.[4] All das sind Dinge, die einen zweifeln lassen, ob die kleinen Supercomputer in unseren Händen wirklich ein so großer Segen sind. Ob das Feuer der Digitalisierung uns also mehr nutzt oder schadet.

Allerdings habe ich noch nie jemanden getroffen, der davor gewarnt hat, mit einem Smartphone Hörbücher anzuhören. Oder eine Sprache zu lernen. Worin wir also unterscheiden sollten, ist: Sind die Smartphones und Tablets das Übel, oder kommt es darauf an, was wir damit machen?

Die Antwort liegt auf der Hand. Trotzdem ärgern sich manche darüber, dass ich Mathe in Videos erkläre und sie auf Youtube zur Verfügung stelle. Nicht wenige Lehrer, aber auch Bildungsexperten regen sich darüber auf, dass immer mehr Schüler auf solche Youtube-Videos zurückgreifen, um Lerninhalte, die sie im Schulunterricht oder Studium nicht ausreichend verstanden haben, aufzubereiten. Weil Facebook und Co. uns zu Konsumenten machen, zu Klick-und-Likes-Süchtigen, weil sie Trollen und Hatern eine Plattform bieten, reagieren manche Bildungsexperten mit reflexhafter Abwehr auf alles Digitale. Auch dann, wenn es sich um hochwertigen Content handelt.

Mathe-Youtuber. Für die einen klingt das cool. Die anderen sagen es abwertend. Auch darin spiegelt sich diese Mischung aus Technikbegeisterung und Zukunftsangst wider, die in so vielen Diskussionen über Smartphones, soziale Netzwerke und künstliche Intelligenz mitschwingt. Youtuber werden bewundert für ihren Erfolg, und wenn Regierungschefs von Barack Obama bis Angela Merkel sich vor Wahlen mit ihnen treffen, dann ist das ein Zeichen höchster gesellschaftlicher Anerkennung. Doch wenn mich manche Lehrer und Bildungsexperten »Mathe-Youtuber« nennen, nutzen sie das als scheinbares »Argument«, um mich in der Diskussion über Bildung und Digitalisierung anzugreifen und zu diskreditieren: Der ist ein Youtuber. Was der zur Mathematik und zur Bildung zu sagen hat, ist unseriös. Den nehmen wir nicht ernst. Offenbar kommt es nicht allein darauf an, was jemand kann. Sondern auch darauf, dass ihm jemand ein Zertifikat dafür ausgestellt hat. Und das fehlt mir, zugegebenermaßen. Ich habe mein Studium früh abgebrochen. Wie übrigens auch Mark Zuckerberg, Steve Jobs und viele andere …

Steve Jobs hat der Welt das Smartphone und das Tablet gegeben. Er träumte von einer Technik, die uns nicht stört oder belästigt, sondern mehr Möglichkeiten an die Hand gibt. Schon mit dem ersten Personal Computer sollte jeder ein Gerät zu Hause haben, das es ihm erlaubt, kreativ zu sein. Als Steve Jobs 1984 den ersten Apple Macintosh präsentierte, war dieser mit Zeichenprogrammen und anderer Software ausgestattet, für mehr künstlerische Kreativität. Jahre später hatte er die große Vision, den Menschen ein Gerät in die Hand zu geben, mit dem sie ständig unterwegs sein konnten. Dafür wollte er das iPad entwickeln. Aber aufgrund der Technologie – damals konnte man noch nicht so viel Speicherplatz auf kleinem Raum zur Verfügung stellen – hat er dann mit seinem Team entschieden, zuerst das iPhone rauszubringen. Das war kleiner und von der Kostenstruktur her einfacher zu verwirklichen. All diese Geräte, vor allem die tragbaren Smartphones und Tablets, enthielten vor allem ein Versprechen: Sie sollten den Alltag erleichtern.

Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen der Vision von Steve Jobs und dem Geschäftsmodell, das Technologie-Konzerne wie Facebook reich gemacht hat. Für Jobs waren die Geräte Werkzeuge. Mit Werkzeugen kann man tolle Sachen bauen, sie sind ein Hilfsmittel, das den Menschen dient. Für Zuckerberg sind die Menschen Konsumenten, mit ihren Daten kann er sehr viel Geld verdienen. Je häufiger sie eine Seite anklicken, je länger sie sich auf Facebook aufhalten, je mehr WhatsApp-Nachrichten und Instagram-Posts sie in den digitalen Äther pusten, desto mehr steigt der Wert von Zuckerbergs Unternehmen. Damit will ich nicht sagen, Apple sei ein gutes und Facebook ein böses Unternehmen (und natürlich wirbt auch Apple um möglichst viele Konsumenten). An beiden gibt es berechtigte Kritik. Es geht hier nicht um die moralische Bewertung der großen Tech-Konzerne, sondern um den Unterschied zwischen sinnvollen und schädlichen Anwendungen von elektronischen Geräten. Darum also, ob wir die digitalen Werkzeuge nutzen oder uns zu hirnlosen Konsumenten machen lassen.

Das Versprechen, den Alltag zu erleichtern, haben viele Geräte mehr als eingelöst. Vor der Erfindung des Internets mussten wir, wenn wir eine Information suchten, mindestens ans Regal gehen und in einem Lexikon nachschlagen – sofern wir eins hatten. Oder in eine Bibliothek gehen. Bibliotheken haben Öffnungs- und Wartezeiten. Es konnte Tage, manchmal Wochen dauern, bis man an eine Information kam. Wir können uns das heute kaum noch vorstellen. Egal ob wir das Bild eines bestimmten Malers sehen oder ein Musikstück hören wollen, ob wir uns einen Überblick über die aktuellen Wohnungsangebote oder die Restaurants in unserer Stadt verschaffen wollen – all das war noch bis vor einigen Jahren mit ziemlich viel Aufwand verbunden. Wie hat man sich früher als Ortsfremder ohne Navigationssystem in einer Stadt wie Hamburg oder München zurechtgefunden? Heute leitet das Navi uns entspannt durch den Verkehr, und das Aufrufen einer Information dauert ein paar Sekunden. Das Internet, mobile Endgeräte und eine gigantische Produktion von Content haben dazu geführt, dass wir ständig und überall auf Wissen zugreifen können – egal wo wir uns aufhalten.

Natürlich besteht gleichzeitig die Gefahr, dass man ständig auf die Geräte schaut und abgelenkt ist. Es ist eine Tatsache, dass sie uns vielen Eindrücken, Bildern und Informationen aussetzen, für deren Verarbeitung das menschliche Gehirn gar nicht entwickelt ist. Ich verstehe deshalb die Kritik und die Warnungen vor den Folgen der Digitalisierung. Ich sehe die Gefahren, und ich teile die Bedenken, vor allem angesichts der Auswirkungen des Medienkonsums auf die psychische und geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Aber das ist für mich kein Grund, Devices nicht auf sinnvolle Art einzusetzen. Im Gegenteil: Wir können das Internet, Tablets und Smartphones dazu nutzen, Wissenslücken zu schließen, Dinge zu lernen und eigenes Wissen zu teilen. Wir können uns auf unkomplizierte Weise mit Menschen vernetzen, die dieselben Fragen haben wie wir, und mit anderen, die sie uns beantworten können. Und hier stehen wir erst ganz am Anfang. Wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen, können wir in den nächsten Jahrzehnten eine Bildungsrevolution beginnen, zu der ich beitragen möchte, was ich kann.

Ich möchte alle, die sich für Social Media interessieren, über den Nutzen aufklären, zeigen, wie Kommunikation auf den verschiedenen Kanälen funktioniert und wie sie sich selbst auf den unterschiedlichen Plattformen am besten bewegen. Dazu gebe ich im Verlauf des Buches detailliert Einblick: Wie habe ich es gemacht – wie bin ich mit den Mathevideos so erfolgreich geworden? Und was könnt ihr tun (und was solltet ihr lassen), um euren eigenen Content erfolgreich in sozialen Netzwerken zu verbreiten? Ich will alle dazu ermutigen, digitale Hilfsmittel kompetent und selbstbestimmt einzusetzen. Wir sollten die Chancen erkennen, die sich uns durch die Digitalisierung bieten, um uns gemeinsam optimal zu bilden und auf die Zukunft vorzubereiten. Fangen wir an, die Medien nicht als Social, sondern als Educational Media zu nutzen.

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Die ganze Mathematik in Kurzvideos

Wozu Mathematik?

Die Mathematik durchdringt die gesamte moderne Welt. Ihre wichtigste Funktion bestand lange Zeit darin, Phänomene der Naturwissenschaften zu beschreiben und auszudrücken.

Abb. 1

Die Mathematik leistet aber heute noch viel mehr. Sie dient auf den Finanzmärkten dazu, Annahmen über die Zukunft zu treffen – hier werden auf der Grundlage von Informationen mithilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung Prognosen erstellt.

Vor allem aber ist die Mathematik Grundlage der modernen Computertechnologie und damit Voraussetzung für jedes technische Studium in einer zunehmend digitalisierten Welt.

Heute werden in nahezu allen Lebensbereichen riesige Mengen von Daten gesammelt. Mathematische Algorithmen spielen eine fundamentale Rolle, wenn es darum geht, diese Datenmengen zu strukturieren, um Prozesse zu optimieren und Anwendungen für Datensätze zu modellieren.

Die Mathematik hilft aber auch, die immer komplexeren Zusammenhänge in der Wirtschaft vereinfacht darzustellen. Egal ob wir auf Finanzmathematik schauen, auf Raumflüge, das autonome Fahren, Hochleistungsbatterien, das Klickverhalten von Nutzern im Internet oder auf die Vernetzung von alltäglichen Gebrauchsgegenständen wie Zahnbürste oder Toaster im Internet der Dinge: Überall ist Mathematik drin.

Wir brauchen ein Verständnis für digitale Technologie, etwa darüber, was passiert, wenn ich Textnachrichten versende oder mich durch Webseiten klicke. Wir müssen verstehen, wie man Algorithmen einsetzt, um Probleme zu lösen.

Und dann ist da noch das große Zukunftsthema: Mathematische Lösungskraft und Kreativität haben den Aufbau von künstlichen Intelligenzen möglich gemacht. Von Maschinen, die in der Lage sind, menschliche Denkprozesse auszuführen.

Wenn etwa 80 Prozent der künftigen Jobs erst noch erfunden und mit hoher Wahrscheinlichkeit immer digitaler werden, dann wird es immer notwendiger, schnell Zusammenhänge zu erkennen und Probleme zu lösen. Das gelingt nur mithilfe der Mathematik und entsprechenden Algorithmen.

Mathematik ist die Kunst des klaren Denkens und Sprechens, es ist die Schlüsselkompetenz, die uns als Individuen wie als Gesellschaft zukunftsfähig macht.

In der Schule jedoch begegnet Mathematik heute immer noch als eine äußerst abstrakte Disziplin, eine Sache für Nerds, ohne konkreten Anwendungsbezug. Viele fragen sich: Wozu brauche ich diese Formel jemals? Mit Sprachen kann ich mich im Ausland verständigen, mit Erdkunde finde ich mich geografisch zurecht etc. … Aber Mathe?

Zudem basiert der Mathematikunterricht in der breiten Fläche noch stark auf der Prä-Computer-Ära, wo man riesige Tabellen brauchte, um Dinge zu berechnen. Hier wird immer noch viel gerechnet, was in der Tiefe ermüdend, langweilig und fehleranfällig für die meisten ist und den Spaß an der eigentlichen Mathematik verdirbt.

Vom Nachhilfelehrer zum Youtube-Star

Seit ich in die Schule gehe, erkläre ich anderen Mathe. Damals kamen meine Mitschüler morgens vor der Stunde zu mir und ließen sich ihre Hausaufgaben korrigieren. Viel später gründete ich ein kleines Nachhilfeunternehmen für Schüler und Studenten. Das war parallel zum Studium, ich hatte mich an der Universität eingeschrieben und bereits die ersten Semester hinter mir. Als Studienfächer hatte ich Mathe gewählt und Sport, meine zweite Leidenschaft. Seit meiner Kindheit spiele ich Tennis im Remscheider SV. In meinem Heimatverein leitete ich neben dem Studium auch Tenniscamps, in denen ich bis zu 45 Kids im Alter von 5 bis 18 Jahren betreute. Ich war und bin also auch in der Offline-Welt unterwegs. Und ich hoffe, dass mir der Sport geholfen hat, mich nicht zu einem digitalen Nerd zu entwickeln.

Ich lernte für die Uni, während ich in meinem Nachhilfeunternehmen fortsetzte, was mir schon in der Schule Spaß gemacht hatte, und mein Wissen so gut ich konnte an andere weitergab. Allerdings waren die Vorlesungen, in denen Professoren in kürzester Zeit endlose Tafelbilder vollschrieben, nicht immer der pure Mathegenuss für mich. Schon gar nicht montags morgens um acht. Deshalb recherchierte ich hin und wieder im Internet nach Mathe-Inhalten.

Eines Tages entdeckte ich beim Surfen Vorlesungen, die Mathematik-Professoren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und in Stanford hielten. Sie hatten das, was sie den wenigen privilegierten Studierenden an ihren Elite-Universitäten beibrachten, einfach auf Youtube hochgeladen. Der Videokanal war damals noch ziemlich jung – er wurde im Jahr 2005 gegründet und 2006 von Google gekauft. Die Universität Stanford ist dem Kanal bereits 2006 beigetreten, das MIT 2009 – was die beiden Universitäten da machten, war ziemlich ungewöhnlich. Das MIT und Stanford, die zu den renommiertesten US-amerikanischen Einrichtungen gehören, ließen mich kostenlos an den Vorlesungen berühmter Professoren teilnehmen! Man kann sich ungefähr vorstellen, was das bedeutete, wenn man weiß, wie viel Geld die Studierenden vor Ort in ihr Studium am College investieren und mit welchen Krediten sich viele dafür verschulden müssen. Knapp zwei Jahre später gründete ein Professor für künstliche Intelligenz aus Stanford Udacity, einen Online-Streamingdienst für Universitätskurse, ein Jahr später zogen zwei Informatikprofessoren von Stanford mit Coursera nach. So entstanden die beiden namhaftesten Online-Universitäten der Welt. Die ersten Partner: Stanford und das MIT. Aber das ahnte ich damals natürlich noch nicht. Ich war einfach nur begeistert über das kostenlose Studienangebot. Und darüber, dass amerikanische Professoren kein Problem damit hatten, auch als Youtuber aktiv zu sein.

Das Beste an den gestreamten Vorlesungen war: Ich konnte selbst entscheiden, wann und wo ich mir den Stoff zu Gemüte führte. Am liebsten sonntagabends auf der Couch. Ich weiß nicht genau, warum, aber für mich erhöhte das den Spaßfaktor enorm. Vielleicht war es nicht nur die Couch. Vielleicht lag es auch daran, dass ich nicht gezwungen war, dem Tempo des Professors zu folgen, sondern das Video anhalten und zurücklaufen lassen konnte, wenn ich etwas nicht verstanden hatte. Oder mir zwischendurch etwas zu essen holen, falls ich Hunger bekam. Statt 90 Minuten Druckbetankung konnte ich alles schön in Ruhe aufnehmen.

Die Videos von Stanford und MIT erinnerten mich ein bisschen an die Sendung Telekolleg, die ich während meiner Schulzeit oft schaute. Vielleicht zeichnete sich hier schon meine Affinität zu Lernvideos ab … Seit 1967 gab es dieses Angebot des öffentlichen Rundfunks. Im Telekolleg erklärten Lehrer vor laufender Kamera Unterrichtsstoff, die Sendungen wurden dann im Fernsehprogramm ausgestrahlt. Dazu gab es schriftliches Lehrmaterial und regelmäßige Unterrichtsstunden vor Ort, die es Erwachsenen ermöglichten, die Mittlere Reife oder das Fachabitur nachzuholen. Das Telekolleg war also eine Mischung aus Selbststudium und Präsenzunterricht. Mit dem einen Unterschied, dass man die Fernsehsendungen nicht an jedem beliebigen Ort und zu jeder beliebigen Uhrzeit anschauen konnte, und dass man sie nicht anhalten und zurückspulen konnte (es sei denn, man hatte einen Videorekorder – die in Europa allerdings erst in den 1980er-Jahren aufkamen).

Ich fand die Youtube-Vorlesungen sensationell. Ich merkte, dass ich im Internet nur lange genug suchen musste, um ein Problem zu verstehen. Wenn ich auf einen Professor oder Lehrer stieß, dessen Erklärungen mir nicht zusagten, suchte ich mir ein anderes Video zum selben Problem. Mit Glück fand ich eins.

Das galt natürlich auch umgekehrt. Die Professoren, die am MIT und in Stanford unterrichteten, erreichten auf einmal mich, Daniel Jung aus Remscheid. Und das, ohne mir je begegnet zu sein. Die Zahl der Studierenden, mit denen sie ihr Wissen teilten, wuchs exponentiell von ein paar Hundert im Semester auf eine unüberschaubar große Menge. Sie erreichten nicht mehr nur die, die sich auf dem Campus ihrer Universität aufhielten, sondern Menschen in der ganzen Welt.

Da ich selbst als Nachhilfelehrer aktiv war, dachte ich: Wie wäre es, wenn ich das genauso mache? Wenn ich das, was ich meinen Nachhilfeschülern und -studenten erkläre, in Videos zur Verfügung stelle? Bei diesem Gedanken machte es in meinem Kopf »Peng!«. Ich dachte: Videolernen – das wird die Bildung revolutionieren. Und ich sah sofort eine Chance, mich an dieser Revolution zu beteiligen und sie mitzugestalten. Ich nahm mir vor, den Stoff, egal wie kompliziert, einfach zu erklären, so, dass möglichst jeder in der Lage ist, ihn zu verstehen. Denn eins wusste ich aus meinem Nachhilfeunternehmen genau: Schüler brauchen oft schnell Hilfe, in Bezug auf ganz spezielle Fragen oder ganz spezifische Wissenslücken. Sie müssen am nächsten Tag in einem Test oder einer Arbeit eine bestimmte Art von Gleichung lösen. Und was für meine Nachhilfeschüler galt, das galt vermutlich für viele Schüler und Studierende überall auf der Welt.

Ich ging los, kaufte mir eine Videokamera und produzierte mein erstes Mathevideo. Das war im Jahr 2011. Nur einen Stift in der Hand, stellte ich mich vor eine weiße Tafel, erklärte ein mathematisches Problem und zeichnete das Ganze mit der Kamera auf. Vier bis sechs Minuten. Länger nicht. Mir war klar, dass diese Länge sinnvoll ist. Vom Rest hatte ich keine Ahnung. Ich wusste nicht, wie man schneidet, also musste ich fehlerfrei erklären, solange die Kamera lief. So mache ich es heute noch, und man sieht das auf den Videos auch: Ich schalte die Kamera ein, die auf die weiße Tafel gerichtet ist, und dann dauert es zwei, drei Sekunden, bis ich selbst im Bild erscheine und mit meiner Erklärung beginne. Und am Ende sieht man, wie ich zur Kamera zurückgehe und sie ausschalte.

Als ich das erste Video auf diese Art aufgezeichnet hatte, lud ich es bei Youtube hoch. Auf das erste folgten die nächsten kurzen Videos. Filmen, erklären, hochladen. Woche für Woche.

Zunächst passierte eine Zeit lang nichts. Dann kamen vereinzelt ein paar Rückmeldungen von Nutzern. Sie schrieben, dass sie mithilfe der kleinen Einheiten, die ich gemacht hatte, hier und da Lücken schließen konnten, ja sogar Themen zum ersten Mal verstanden. Einige meiner Schüler scherzten, dass sie mit den Videos besser lernten als mit mir persönlich. Vielleicht war es genau richtig, mich vor die Kamera zu stellen und genauso zu filmen, wie ich auch in der Präsenzphase zu erleben bin. Rückblickend würde ich es wieder so machen, da es den Erklärsequenzen meines Erachtens eine persönliche Note verleiht, wenn man den Tutor sieht. Auch wenn andere Produzenten (Creators) auch ohne die eigene Person im Bild auskommen (dazu später mehr).

Irgendwann verbreiteten sich die Videos stärker, wohl auch, weil immer mehr Menschen begannen, mobile Geräte zu nutzen, und die Internetleitungen an vielen Orten immer besser wurden. Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Boom von Smartphones und Tablets im Jahr 2011 einsetzte, in dem Jahr also, in dem ich mein erstes Video auf Youtube veröffentlichte. Jedenfalls schoss die Zahl der Nutzer irgendwann in die Höhe. Am Anfang, als junger Schüler, erklärte ich einem einzigen, manchmal auch zwei oder drei Mitschülern Mathe. Heute sind es Millionen pro Monat.

Seit dem ersten Video von 2011 habe ich jede Woche ein Mathevideo produziert. Stur und regelmäßig, ohne Unterbrechung. Daraus ist in den vergangenen acht Jahren ein ständig wachsendes Archiv entstanden, mit über 2500 Videos, in denen ausschließlich Mathematik erklärt wird. Ein Nutzer postete mal den Kommentar: »Daniel Jungs Videos sind wie Wikipedia für Mathe in Videoform.« Schöne Formulierung. Man könnte auch sagen, ich habe eine Art Mathevideopedia gebaut – die ganze Mathematik in Kurzvideos.

Exponentialkurve, Statistik, Kombinatorik

Eins will ich hier gleich betonen, und ich werde das im Verlauf des Buches wiederholen: Ich erhebe keinen Alleinstellungsanspruch, und natürlich ist meine Mathevideopedia nicht allumfassend. Auch wenn ich inzwischen einen sehr großen Teil der für Schule, Ausbildung und Studium relevanten Mathematik in Form von Videos abgedreht habe. Ich habe von Anfang an andere dazu aufgefordert, selbst Videos zu produzieren, und ich freue mich über den tollen Content, den es im Internet gibt, zum Beispiel von Lehrern, die das Videoformat als zusätzlichen Weg entdeckt haben, ihren Schülern Mathematik zu erklären. Der im Moment erfolgreichste ist vielleicht ein Youtuber, der seinen Kanal unter dem Namen Lehrerschmidt betreibt. Ich bin ein riesiger Fan von ihm – seine Videos muss man gesehen haben! Es gibt die Jungs von Simpleclub, die eine App zum Mathelernen programmiert haben. Oder die Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim, die mit einem Youtube-Kanal angefangen hat und inzwischen im öffentlichen Rundfunk unter anderem als Nachfolgerin von Ranga Yogeshwar die Wissenssendung Quarks moderiert. Und viele andere, einige von ihnen werde ich in Kapitel zwei vorstellen. So wie an der Wikipedia viele verschiedene Autoren mitarbeiten, stelle ich mir das auch für die Mathematik vor. Je mehr (gute) Videos es von engagierten Erklärern gibt, desto besser!

Wenn ich versuche, meine Geschichte mithilfe der Mathematik zu erzählen, fällt mir die Exponentialfunktion ein. Mit ihr kann ich darstellen, wie etwas zunächst langsam und dann immer schneller wächst. So wie die Zugriffe auf meine Youtube-Videos, die irgendwann rasant in die Höhe gingen.

Abb. 2

Abb. 3

Am Anfang verlief die Kurve relativ gerade, es wurden Tag für Tag ein paar Nutzer mehr – diese Art der langsamen, stetigen Zunahme nennt man »lineares Wachstum«. Dann aber schnellte die Zahl der Views plötzlich rasant in die Höhe: Die letzten 60 Millionen zusätzlicher Klicks kamen allein innerhalb des letzten Jahres dazu. Eine Kurve, bei der eine langsame, fast horizontale Steigerung an einem bestimmten Punkt plötzlich beinahe senkrecht nach oben geht, ist die Exponentialkurve. Sie ist ein gutes Beispiel, um zu zeigen, auf welche Weise die Mathematik Strukturen und Muster sichtbar macht.

Die statistischen Daten, die aus dem hier abgebildeten exponentiellen Wachstum hervorgehen, sehen in Wort und Zahl so aus: Derzeit gelte ich als der meistgesehene Mathe-Online-Educator in Europa und einer der meistgesehenen weltweit, mit 180 Millionen Views (im Sommer 2019); prognostiziert werden für das Jahr 2022 eine Milliarde Views. Seit meinem ersten Video sind rund 2500 Erklärvideos entstanden, mit einer Gesamtlaufzeit von mehr als 12000 Minuten oder 200 Stunden. Ein User schrieb mir mal in einem Kommentar: »Daniel, ich habe nachgerechnet: Wenn ich mich jetzt dransetze und acht Tage nonstop schaue, habe ich die Mathematik komplett drauf.«

Ich kann meine Geschichte mithilfe von Exponentialkurven und Statistik erzählen – zwei wichtige Tools, die uns die Mathematik zur Verfügung stellt. Und wenn wir schon einmal dabei sind, könnte ich hier noch die Kombinatorik anführen. Denn oft sind es mehrere unterschiedliche Entwicklungen, die durch ihre Kombination dazu führen, dass sich unser Leben verändert.

Die Entstehung des Internets sollte die Welt in revolutionärer Weise verändern, das sahen kluge Medientheoretiker schon in den 1960er-Jahren voraus. Heute kann man nicht nur mit seinem Nachbarn, sondern auch mit einem Verwandten oder Freund auf der anderen Seite des Erdballs in Echtzeit kommunizieren. Aber erst durch die Erfindung des Smartphones wurde Wissen überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit zugänglich. Ich werde darauf noch zurückkommen, was die kombinatorische Verbindung solcher Entwicklungen für unsere Gegenwart bedeutet.

Views machen bekannt. Da ich auf den Videos als Erklärender zu sehen bin, werde ich auf der Straße wiedererkannt. Ich werde von Universitäten oder auf Messen zu sogenannten Meet & Greets eingeladen. Dort halten mir Schüler und Studenten ihre Notizbücher, T-Shirts oder sogar Skateboards hin und bitten mich um Autogramme. Oder um ein gemeinsames Selfie – ein digitales Autogramm. Mir kommt das oft noch surreal vor, weil man das eher von Musikern oder Schauspielern kennt. Aber ich freue mich, dass so etwas mit Bildung möglich ist! Natürlich schütteln viele über diesen Erfolg verwundert den Kopf. Wie kann es sein, dass jemand mit Mathe einen derartigen Hype erzeugt?

Die Kunst, Mathematik verständlich zu erklären

Was in den acht Jahren seit meinem ersten Online-Video entstanden ist, hat mich selbst überrascht. Denn ich habe ja am Anfang eigentlich nichts anderes gemacht, als meinem Nebenjob und meiner Leidenschaft nachzugehen: Mathe erklären. Ich habe mich beim Erklären vor eine Kamera gestellt, das Video auf der führenden Online-Plattform für Video-Content hochgeladen und das jede Woche wiederholt. Mehr nicht. Auch wenn die Angelegenheit mit der Zeit komplizierter wurde, weil ich mir überlegen musste, wie man die vielen unendlich komplexen Themengebiete der Mathematik in die kleinen Einheiten von Kurzvideos runterbricht, und wie man die Videos am besten ordnet.

Wie aber lässt sich dieser Erfolg erklären?