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In seinem Wissenschaftsthriller "Licht und Schatten" beschreibt Victor Weiss das Milieu an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Yiov Matzoks Laborhefte sind verschwunden. Er befürchtet deswegen, dass er sein Doktorat in physikalischer Chemie nicht beenden kann. Der Verdacht fällt auf einen Kommilitonen und Dr. Dan Keshet, letzterer Wissenschaftler an der gleichen Uni. Beide sind Konkurrenten von Yiovs Doktormutter Rivka. Yiov erleidet eine erneute Depression und weist sich selbst in eine psychiatrische Klinik ein. Nach einigen Monaten Aufenthalt entdeckt er, dass sich Keshet in derselben Klinik aufhält. Sie kommen sich näher, und Yiov erzählt ihm von seiner raffinierten Erfindung zur Nutzung von Sonnenenergie. Doch diese Idylle ist trügerisch.
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Seitenzahl: 265
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Erster Teil - An der Uni
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Zweiter Teil - Kfar Shaul
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Dritter Teil - Rückschlag und Neuanfang
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Als Yiov am Abend nach einem langen Tag, den er im Labor verbrachte, Keren in seinem Zimmer antraf, fühlte sie, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Sie versuchte mit Kitzeln ihres pechschwarzen Kraushaars an seinem Gesicht, seine Laune aufzuheitern, wie sie es auch schon in der Vergangenheit mit Erfolg getan hatte. Aber diesmal blieb seine Miene verfinstert.
„Was ist los, Yiov?“ fragte Keren.
„Ich weiß nicht, was über mich kommt", kam die zögernde Antwort.
„Hast du wieder mal über deine Mutter nachgesinnt?“
Sie hatte von ihm schon einiges über seine schwierigen Jugendjahre vernommen und wusste, dass es ihn noch immer schmerzte. Seine Eltern waren zusammen Mitte der Siebzigerjahre aus der Sowjetunion eingewandert, wo sie in ihrer neuen Heimat ihren Blondschopf und nach etwas über einem Jahr die beiden Zwillingsmädchen auf die Welt gebracht hatten. Bald nach deren Geburt, wurde die Ehe stark strapaziert, da der Vater wieder in den Alkoholismus verfiel. Seine Mutter hatte sich schließlich vom Vater scheiden lassen, als dieser ins Ausland nach Kanada abgetaucht war und sich nie mehr hatte sehen lassen. Nicht einmal Briefe hatte er geschrieben. Erst nach einem mehr als zweijährigen Verfahren, hatte das Rabbinatsgericht ihre Scheidungsklage angenommen und sie vom Status der sogenannten „Aguna", der verlassenen Ehefrau, zu befreien.
Sie konnte als Allein-Ernährerin die drei Kinder kaum mehr durchbringen, und so hatte sie nach langem Zögern und starken Gewissensbissen beschlossen, den großen Buben in ein Internat zu bringen, um die beiden kleinen Mädchen weiterhin bei sich halten zu vermögen. Der Abschied nach Ankunft im Internat war schrecklich gewesen. Für Yiov war es ein Stich mitten ins Herz gewesen. Er lief von ihr grußlos weg und weinte in einer stillen Ecke. Später, an den Wochenenden weigerte er sich, nach Hause zu kommen. Einmal, als er nach hause kam, versuchte die Mutter, ihn zu trösten:
"Begreif doch Yiov, dieser Schritt war unabwendbar gewesen. Es war ja nicht gegen dich gerichtet. Im Gegenteil, du warst ja der Große und die Mädchen wären zu klein dazu gewesen. Aber ich gebe zu, dass ich deine seelische Stärke für dein Alter überschätzt habe. Es tut mir leid, dass es dich derart verletzt hat”.
Doch diese Worte hatten ihn nicht überzeugen können. Seine Rettung bestand darin, dass er hoch intelligent war und daher gerne ins Schulstudium flüchtete. Sein Abitur war ausgezeichnet gewesen, und so wurde er in der Armee in eine Elitetruppe der Artillerie eingeteilt.
Keren machte sich Sorgen um ihn. Solche Depressionen waren in letzter Zeit immer häufiger aufgetaucht. Aber zum Glück konnte er zwischendurch auch wieder energetisch und begeistert wirken, wie zum Beispiel, wenn er im Labor einen Fortschritt in seiner Forschung erzielt oder eine Hundert in einer Prüfung erhalten hatte. Dann gingen sie aus, an eine Käse und Wein Partie, die neuerdings in den neureichen Kreisen Mode geworden war und tanzten Shake oder eng umschlungener Slow. Doch manchmal wirkte er niedergeschlagen; er hatte auch nach Erfolgserlebnissen überhaupt zu nichts Lust.
„Gehst du diese Woche wieder zur Psychologin?“, fragte Keren.
„Ja, ist geplant. Aber ich habe da so meine Zweifel, ob es mir wirklich hilft", meinte Yiov und fuhr fort: „Es störte mich das letzte Mal, dass sie mich nicht über Mama reden ließ, sondern mich über meine Forschung ausfragte. Ich meine, sie sollte es mir überlassen, zu welchen Themen ich sprechen möchte, glaubst du nicht?“
„Doch eigentlich schon; aber weißt du, vielleicht verfolgt sie einen bestimmten Zweck. Frag sie doch danach".
Er schaute nun bereits etwas zuversichtlicher in ihre schönen Mandelaugen und dann blieben sie für eine Weile stumm eng umarmt sitzen. Die Psychologin hatte ein Frühstadium einer bipolaren Störung diagnostiziert und bat ihn, doch noch mit Dr. Wechsler dem Psychiater einen Sprechstundentermin zu vereinbaren, um ihm nötigenfalls, Medikamente zu verschreiben. Daran dachte er, während sie so umschlungen saßen, und ob er ihr davon berichten sollte. Er wollte sie aber nicht verlieren, denn er brauchte sie.
Sie hatten sich auf dem Campus kennengelernt. Zuerst war es nur eine oberflächliche Bekanntschaft, die sich anfänglich mit Kopfnicken, zulächeln und dann mit unverbindlichen Gesprächen beim Kreuzen ihrer Wege zwischen der Nationalbibliothek und dem Mathematikgebäude entwickelte. Er war von Kerens exotischer Schönheit angetan – die Tochter einer Einwandererfamilie aus dem Jemen. Ihre markantes Gesicht mit den hohen Backenknochen und ihre attraktive hoch gewachsene Figur und glatte mokka-farbige Haut waren seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen. Und dass sie erst noch Mathematik studierte, beeindruckte ihn sehr. Wie es sich ihrem Fach ziemte, waren ihre Kommentare und Antworten anfänglich kurz und präzise. Es gab in ihren Gleichungen nicht mehr Unbekannte, als die Anzahl der Gleichungen. Er integrierte, sie differenzierte. Doch dann, als sie beim erneuten Gespräch stehend verweilten, gab sie endlich ihr Einverständnis, zusammen Kaffee trinken zu gehen.
Sie hörten einander mit Aufmerksamkeit zu, wenn ihre Familiengeschichten erläutert wurden. Keren erzählte, wie ihre Großeltern mütterlicherseits bereits nach dem ersten Weltkrieg, in den zwanziger Jahren eingewandert waren, und sie beschrieb – nun bereits Hände haltend in ihrem Zimmer im Studentenheim auf dem Campus – dass diese zusammen mit ihren vier Schwestern und zwei Brüdern in einem kleinen Eigenhaus in Rehovot im "She#araim”, dem “Zwei-Tore” Quartier wohnten, das hauptsächlich von dieser ethnischen Gruppe bevölkert war. Doch bis zum Erreichen dieses bescheidenen Wohlstands hatten sie die Hölle durchgemacht. Angefangen von – man kann es nicht anders nennen – sklavenähnlicher Haltung als Landwirtschaftsarbeiter bei rassistischen Gutsherren, die sie in den Kuhstall zum Nachtquartier verwiesen, dann in Zelten und in Baracken gedrängt, bis sie sich endlich aus eigener Hand ihre bescheidenen Behausungen erbauten. In diesen Anfängen litten sie unter haarsträubenden sanitären Bedingungen, mit einer horrenden Sterblichkeitsrate im Vergleich zu den aschkenasischen Nachbarn, die getrennt in besser versorgten Quartieren lebten. Ihre Eltern sowie viele ihrer Nachbarn hatten sich inzwischen gut in die Gesellschaft eingegliedert: Ihr Vater war erfolgreicher Grundstücksmakler und ihre Mutter Beamtin in der Stadtverwaltung. Diesem Quartier waren sie dennoch, wie die meisten ihrer Mitgenossen bis heute treu geblieben.
Keren kehrte an Wochenenden gerne ins Quartier ihrer Jugend zurück, und neuerdings nun stets mit Yiov. An den Freitagen ihrer Ankunft, erwartete sie dann jeweils ein lebhaftes Tun und Treiben in der Herzlstraße, dem Hauptstrang (so heißen die Hauptstraßen in fast allen Städten), der dieses Quartier mit Sauerstoff versorgt. Auf der Straße kamen hupende Autoschlangen ins Stocken, die die immer prekärer werdende Verkehrssituation Ende der Achtzigerjahre aufs deutlichste demonstrierten. Sowohl die Vernachlässigung der öffentlichen Verkehrsmittel, als auch der Ausbau der Autobahnen drängten immer mehr Leute sich ein Auto zu kaufen, was auch durch den wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht wurde. Auf den Gehsteigen rasten die Leute wie in einem Ameisennest in die kleinen Einkaufsläden, um ja den Ladenschluss vor Schabbat-Eingang nicht zu verpassen. Von der Hektik etwas entfernt, gab es in einer Seitenstraße, eine kleine ganz simple Essstube, die häusliche, mit Liebe zubereitete und scharf gewürzte jemenitische Fleischsuppen mit Knochen anboten. Keren nahm ihren Freund hie und da mal dorthin. In Gesellschaft der armen Leute, meist Einzelgänger, die sich dort verpflegten, fühlte sie sich wohl und löffelte das köstliche Essen mit Genuss. Mit der Zeit lernte es Yiov auch zu schätzen, obwohl ihm anfänglich die mit Paprika gewürzten, roten Fettaugen gewöhnungsbedürftig waren.
Yiov fühlte sich unwohl. Er hatte Kopfschmerzen und auch im Magen hatte er ein ungutes Gefühl. Ob er wohl eine Erkältung oder gar eine Grippe eingefangen hatte, vielleicht weil er während der kühlen Nacht beim offenen Fenster geschlafen hatte. Er beschloss deshalb, sich an diesem Tag eine Ruhepause zu gönnen. Keren machte ihm noch einen heißen Tee, bevor sie an die Uni ging. Alleine im Zimmer seinen Tee schlürfend wanderten seine Gedanken zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er dachte an Mucki, seinen Jugendbegleiter im Internat. Er war seine Rettung gewesen. Mucki war im Grunde genommen zu seinem Ersatzvater geworden, hatte ihm den Glauben an sich selbst zurück gegeben und ihn ermutigt, an seine schöne Zukunft zu träumen. Wenn er schlecht gelaunt und trotzig gewesen war, so hatte ihn Mucki verstehen lassen, dass er ihn so akzeptiere, wie er war, und es nicht seine Schuld gewesen sei, dass ihn sein Vater verlassen und dass seine Mutter ihn hierher gebracht habe. Mucki gab ihm positives Feedback und allemal eine Umarmung, die Yiov mit der Zeit zu schätzten lernte.
Und heute war er Doktorand. Er war mit seinen Forschungsresultaten zufrieden, was ihm auch von Rivka Bar Eithan, seiner Doktormutter bestätigt worden war. Er war kurz vor Beendigung seiner experimentellen Arbeit und bald ging#s daran, seine These zu schreiben. Gleichzeitig hatte Rivka vorgeschlagen, dass sie bald auch einen wissenschaftlichen Artikel seiner Ergebnisse zur Publikation in einem lukrativen Journal verfassen würden. Darauf freute er sich und war stolz. Auch Keren machte ihm Komplimente und nannte ihn „mein Chemiker". Im Gegenzug nannte er sie „meine Determinante“ auf Anspielung ihrer guten Kenntnisse in der Manipulation von Matrizen.
Keren war bereits auf dem Weg zur Mathematik, als sie von weitem Rivka in einem dunkelgrünem Hosendress Richtung Chemie marschieren sah, und so beschleunigte sie ihre Schritte, bis sie sie eingeholt hatte.
„Guten Morgen Professor Bar Eithan. Ich bin die Freundin von Yiov", sagte sie außer Atem.
„Sehr angenehm. Er hat mir schon von dir erzählt. Was gibt#s?“
„Gut, dass ich dich treffe. Yiov hat sich heute Morgen schlecht gefühlt und lässt ausrichten, dass er heute zuhause bleibt."
„OK, kein Problem, Keren. Wie fühlt er sich in letzter Zeit? Also mich dünkt er relativ stabil, oder?"
„Ja, Rivka, das finde ich eigentlich auch. Hoffen wir, dass es so bleibt."
Am nächsten Tag hatte sich Yiov wieder erholt und schritt durch das Uni-Gelände vom Studentenheim am entfernten Ende des Campus durch den Fußpfad, der durch wildes Gelände an Büschen und Gesteinsbrocken vorbei, die Geologie passierend bis zum Chemiegebäude führte. Auf dem Weg hatte er einige Salamander sich wohlig sonnend auf warmen Felsen beobachtet, die dann jeweils ins Dickicht flüchteten, wenn sie die annähernde Gefahr witterten. Er selber fühlte sich zuversichtlich und Herr der Lage. Nun war er bei der Chemie angelangt, nahm die Treppe in den zweiten Stock und betrat sein Labor. Er setzte sich auf den Stuhl und begann, den Versuchsverlauf der letzten Phase seiner Doktorarbeit im Kopf gedanklich vorzubereiten. Er dachte daran, seine hergestellten Verbindungen als Nanoteilchen auf Substrate aufzutragen, die an ein Voltmeter durch Kupferkontakte angehängt werden sollten. Die Sonnenenergie würde er mittels einer hochintensiven Xenonlampe simulieren. Er wollte alles im Laborjournal festhalten, und so öffnete er seine Schublade und griff in Gedanken hinein. Aber die Schublade war leer.
“Wie kann das sein?”, fragte er sich, da er sich genau erinnerte, es wieder in die Schublade zurückgelegt zu haben. “Oder habe ich die Schublade verwechselt?” Nervös öffnete er nun auch die unterste Schublade, aber die war auch leer. „Also, der Teufel soll mich holen. Spielt da jemand mit mir einen schlechten Streich?“, rief er vor sich hin. Er fing an das Labor nach den Heften abzusuchen, ging ans Nebenpult, öffnete die Schubladen heftig, so heftig, dass eine auf den Boden fiel. Nichts. Dann nahm er einen Laborhocker und stieg bei den Bücherregalen hinauf und durchkämmte sie. Lief rasch ans andere Laborende, schaute sich herum, kam wieder zu den Pulten zurück und schaute nochmals in alle Schubladen und auf allen Arbeitsflächen. Nichts. Atmend setzte er sich schließlich auf seinen Laborsessel, lehnte sich zurück und verschränkte seine Arme im Nacken. „Jetzt ruhig bleiben Yiov", sprach er zu sich und überlegte, wohin seine Dokumentation hingekommen sein könnte. Die Idee, dass jemand sie geklaut haben mochte, flackerte kurz in seinem Gehirn auf, aber er verwarf diese sofort wieder - sowas hatte er noch nie gehört.
Dann kam ihm der Gedanke, dass Rivka wahrscheinlich eine Information für ihren Artikel gebraucht hatte und dass sie deshalb während seiner Abwesenheit die Hefte zu sich genommen hatte. Er lief den Flur entlang zu ihrem Office, klopfte an und öffnete vorsichtig die Tür. Doch der Raum war leer. Da erinnerte er sich, dass sie an diesem Wochentag jeweils eine Vorlesung in „Allgemeiner Chemie“ für Bachelor Studenten gab. Also musste er sich noch für eine knappe Stunde gedulden. Mit nagender Ungewissheit kehrte er an seinen Arbeitsplatz zurück. Er hatte nun den Kopf nicht mehr bei der Sache, um den Versuch fertig zu planen. Auf dem Pult mit den Fingern trommelnd, versuchte er auf andere Gedanken zu kommen, als sich die Türe öffnete und Schlomi eintrat. Er war der Masterand von Dr. Dan Keshet, der konkurrenzierenden Gruppe von Rivka.
„Hallo Yiov, habe dich gestern vermisst, alles ok?"
„Ja, alles ok", antwortete Yiov unfreundlich.
„Was ist denn dir über die Leber gekrochen?", fragte Schlomi erstaunt.
„Ich bin etwas sauer, weil ich den Versuch nicht starten kann, bevor ich ihn mit Rivka besprochen habe.” Die letzte Aussage hatte er gewählt, um vorzubeugen, dass Schlomi ihm noch weitere unangenehme Fragen stellte. Er wollte das Verschwinden der Journale noch niemandem bekannt geben, bevor er dies seiner Doktormutter gemeldet hatte. Schlomis Anwesenheit erweckten in ihm jetzt doch die Frage nach einem Verdacht. Er hatte sich im Laufe seiner Masterarbeit mehrere Male bei Yiov beklagt und zwar über die zermürbende Kritik Dan Keshets, dem er es nie recht machen konnte. Seine Resultate seien unbefriedigend und völlig ungenügend für eine Masterthese. Er hatte Yiov auch schon gebeten, ob er nicht von seinen Resultaten Gebrauch machen könne. Yiov hatte ihm seinen unethischen Wunsch natürlich verweigert, aber ihm versprochen, wann immer das möglich sei, ihm mit Ratschlägen zur Seite zu stehen. Schlomi war von da an öfters in Yiovs (also Rivkas) Labor anzutreffen, manchmal sogar auch wenn Yiov abwesend war, wie ihm seine Kollegen berichtet hatten. "Yiov, was macht dieser Schlomi eigentlich ständig in unserm Labor?”, hatte ihn Shulamit mal beiläufig gefragt.
Schlomi wünschte ihm viel Glück beim Versuch, fragte ihn noch, ob er zurechtkomme, und verabschiedete sich dann.
Schlomi ging nun selber in sein Labor, motiviert ebenfalls einen Versuch zum Abrunden seiner Resultate anzusetzen, wie ihm Keshet ja empfohlen, oder besser gesagt, befohlen hatte. Er war etwas erstaunt, Keshet weder in seinem Büro noch im Labor vorzufinden, wie er sich beim Vorbeigehen vergewissert hatte. Als er so dasaß und anfing den Versuch vorzubereiten, klopfte es an der Tür. Da trat eine junge Frau ein und stellte sich als Chava vor und fragte, ob er wisse, wo sie Professor Keshet finden könne. Ob sie denn in seinem Büro nachgeschaut habe, was sie bejahte. Jemand habe sie darauf hierher verwiesen. Nein, also heute habe er ihn noch nicht gesichtet, ob sie eventuell später oder morgen wiederkommen wolle, fragte Schlomi. Er war von der Erscheinung des schönen Mädchens geblendet. Sie hatte dunkelblondes Haar in einem Reif zusammengehalten, große blaue Augen und trug ein hellblaues luftiges Kleid, mit einer dunkelblauen Kordel, die ihre äußerst enge Taille betonte. Er dachte sich, "was will so ein Filmstar in der Chemie?” Auch ihr nordeuropäisches Aussehen, das hierzulande im allgemeinen und speziell hier in der Mathematik, der Physik und Chemie eher selten war, trug zu ihrem Reiz zusätzlich bei.
„Bist du ein Student von Keshet?", erkundigte sie sich.
„Ja, ich bin sein Masterand. Mit was kann ich behilflich sein?“ strahlte er sie an.
„Man hat mir auf der Fakultät einige Namen genannt, bei denen ich den Master machen könnte. Die Themen von Keshet und auch die von Professor Bar Eithan fand ich interessant. Sag mal, wie ist Keshet?“
Er hielt inne und zögerte mit der Antwort, denn er zweifelte, ob er ihr die ganze Wahrheit sagen sollte. Er wollte seinen Vorgesetzten eigentlich nicht schlecht machen, und die Möglichkeit, die letzten Monate mit so einer attraktiven Kollegin verbringen zu dürfen, wäre ein schönes Abschiedsgeschenk für ihn gewesen.
„Also, er ist ein guter Wissenschaftler mit solidem theoretischen und praktischem Wissen, und originellen Ideen", antwortete er fürs erste.
„Aber? Du hast etwas gezögert. Wie ist er als Mensch, hm, als Boss?“ bohrte sie nach.
„Was ich dir hier sage, ist sehr delikat. Kannst du es für dich behalten?"
„Na klar, mach’ dir wirklich keine Sorgen", antwortete sie zuversichtlich.
Er erforschte ihre Augen und fand, dass sie einen ehrlichen Eindruck machte. „Im großen Ganzen sehr nett und unterstützend. Nur manchmal, wenn er eine schlechte Laune hat, dann kann es etwas brenzlig werden."
„Ok, verstehe. Und sag mir bitte. Kennst du Bar Eithan? Wie ist sie?"
„Ich kenne sie recht gut, aber natürlich nicht als ihr Student. Bei den Seminaren der Abteilung macht sie mir stets einen guten Eindruck. Aber frage doch mal einen ihrer Studenten, zum Beispiel ihren Doktorand Yiov. Der ist sehr nett und kann dir sicher Auskunft geben."
„Vielen Dank, das ist sehr lieb von dir", bedankte sie sich aufrichtig und war im Begriff, sich zu verabschieden, als Schlomi noch nachfragte, ob er Keshet was ausrichten solle. Nein, meinte sie, das sei nicht nötig. Sie werde ihn morgen nochmals aufsuchen.
Dann, in der zweiten Etage, fand sie Yiov, nachdem sie auch Rivkas Office leer angefunden hatte. Er schaute von seinem Pult fragend auf, als sie eintrat. Er war immer noch in nachdenklichem Zustand und hatte für die Schönheit gar keine Augen. Er bat sie später oder an einem andern Tag nochmals vorbeizuschauen, da er bald an eine Besprechung müsse. Etwas erstaunt, verabschiedete sie sich von diesem als „sehr nett“ bezeichneten jungen Mann.
Yiov sah auf seine Uhr und sah, dass es bereits viertel nach Elf war und so begab er sich zu Rivkas Office, da sie nun eigentlich von der Vorlesung zurückgekehrt sein sollte. Er fand die Tür zu, machte nach kurzem Klopfen auf und sah Rivka tatsächlich an ihrem Pult sitzen. Aber sie war nicht alleine, denn bei ihr saß die Blondine beim Interview, dieselbe, die er gerade noch aus dem Labor geschickt hatte.
„Ah, Yiov, komm nur rein. Das trifft sich gerade gut. Das ist Chava, die sich bei uns für einen Masterplatz interessiert. Du könntest sie dann durch unsere Labors führen. Geht das dir jetzt?“
„Gerne, aber kannst du mir bitte noch meine Laborjournale zurückgeben, denn ich wollte gerade ein Experiment vorbereiten", platzte Yiov raus.
„Deine Laborjournale? Die habe ich nicht. Wieso sollten die bei mir sein?“ fragte Rivka. Yiov wurde kreideweiß. Er musste sich setzen.
„Sie sind verschwunden. Ich kann sie nicht mehr finden, ich habe im ganzen Labor gesucht!“
Chava schien die Krisensituation erkannt zu haben und schlug vor, am Nachmittag oder morgen wieder vorbeizukommen, was Rivka mit Kopfnicken bestätigte.
„Komm Yiov, trinke zuerst mal ein Glas Wasser und dann denken wir in Ruhe nach.“ Sie trat an ihren kleinen Kühlschrank und goss ihm aus der Flasche ein. „Also, seit wann vermisst du deine Journale?"
„Seit heute Morgen. Vor ein paar Tagen, bevor ich mich krankmeldete, habe ich noch einen Eintrag darin gemacht. Da waren sie, also zumindest das laufende, noch da.“
„Hast du sie eventuell mit nachhause genommen?", fragte die Professorin.
„Nein, sicher nicht, denn ich hatte ja nicht geplant, zuhause zu arbeiten", sagte Yiov mit Bestimmtheit.
„Also, ich schlage vor, warten wir noch etwas zu, bevor wir Alarm schlagen. Wer weiß, vielleicht kommen sie ja doch noch zum Vorschein", sagte Rivka.
„Gut, wenn du meinst. Ich bin ratlos. Falls sie nicht auftauchen, was soll ich dann tun? Meine ganze Doktorarbeit ist doch dort drin enthalten!“ sagte Yiov, und die Verzweiflung war ihm ins Gesicht geschrieben.
Rivka betrachtete ihn mitfühlend und fuhr fort: „Ich verstehe deine Sorge gut. Aber ich denke, wir sollten es nicht so tragisch sehen; etliches wird sich aus dem Gedächtnis rekonstruieren lassen. Also, gehe dich einstweilen ausruhen und morgen besprechen wir unsere Vorgangsweise in Ruhe. Heute hattest du genug Strapazen."
Yiov verabschiedete sich. Er war seiner Doktormutter dankbar für ihre ausgestrahlte Ruhe und tröstenden Worte. Er nahm seinen Rucksack und Jacke und machte sich auf den Weg in sein Studentenzimmer. Er war jetzt doppelt froh, dass er das Privileg hatte, ein Einzelzimmer zu halten, wie es denn älteren Semestern zustand. Nachdem er seine Sachen dort deponiert hatte, ging er zum Zimmer von Keren, fand sie aber nicht. Sie hatte offenbar beschlossen, noch in der Bibliothek zu studieren, und so hinterließ er einen Zettel mit der Bitte, dass sie ihn sofort aufsuche. Zurück im Zimmer legte er sich erschöpft aufs Bett und schlief bald ein.
Yiov schritt einen langen Flur entlang, der nicht enden wollte. Endlich kam er an eine mit einer kleinen Glasluke versehene Türe, die verschlossen war. Als er umkehren wollte, sah er, dass sich auch hinter ihm eine verschlossene Glastür befand. Dort, woher er gekommen war, herrschte nun Dunkelheit. Er spähte durchs Fenster vor ihm, und dort sah er in der Ferne ein schwaches Licht. Er musste vorwärts kommen. Also nahm er seine Faust und schlug gegen das Glasfenster, das zersplitterte. Er hatte sich leicht verwundet, und etwas Blut tropfte auf den Boden. Er langte hindurch und fühlte dort den Schlüssel im Schloss. Diesen drehte er um, und die Tür öffnete sich. Nun lief er auf einem Weg in Richtung des Lichts, doch dieses schien sich mit jedem Schritt weiter zu entfernen; er lief und lief. Dann plötzlich hörte er Rufe – er glaubte Keren zu vernehmen. Dann wachte er auf und Keren stand neben ihm am Bett.
„Du bist ja schweißgebadet. Ich war vor zwei Stunden hier und als ich dich in tiefem Schlaf vorfand, ging ich wieder weg", sagte Keren.
„Wieviel Uhr ist es?“
„Es ist bald Mitternacht. Du sagtest, ich soll dringend kommen. Also, da bin ich", sagte sie erwartungsvoll.
„Ich hatte gerade einen Albtraum. Aber heute Morgen geschah was in Wirklichkeit. Meine Laborjournale sind abhanden gekommen.“
Sie starrte ihn ungläubig an.
„Ja, weißt du, was das heißt? Mein ganzes Doktorat ist im Eimer!“ rief Yiov seiner Freundin zu.
„Yiovi", so nannte sie ihn manchmal liebevoll, „Yiovi, also mal langsam. Wohin sollten den die hingekommen sein?“
„Also, wenn ich das wüsste, dann hätten wir dieses Gespräch sicher nicht", erläuterte Yiov etwas barsch.
„Also, sei mir nicht so ein Klugscheißer. Hast du denn wirklich schon alle Möglichkeiten durchgedacht?“
„Entschuldige bitte. Es war nicht gegen dich gerichtet. Aber das ganze Labor habe ich bereits mehrmals abgesucht. War keine Spur davon.“
„Wer könnte denn deine Hefte gebraucht haben? Hast du schon bei Rivka oder deinen Kollegen in der Gruppe nachgefragt?“ erkundigte sich Keren.
„Ja, mit Rivka habe ich heute gesprochen. Sie meinte, dass ich ein paar Tage abwarten solle. Vielleicht kämen sie noch zum Vorschein. Aber stimmt, die Kommilitonen habe ich noch nicht gefragt. Werde mal diskret nachfragen. Danke Liebling für deine Unterstützung. “ Er nahm sie in die Arme und sie küssten sich. Dann ließen sie ihre Hüllen fallen, eine nach der andern. Das war das beste Mittel gewesen, um Yiov auf andere Gedanken gebracht zu haben.
Als sie aufwachten, war schon neun Uhr und Keren bat Yiov, sich zu beeilen, denn um zehn Uhr hätte sie eine Vorlesung, und er sagte, dass er nun heute seine Kommilitonen ausfragen werde. Also machten sie sich auf den gut bekannten Weg durch das wilde Gelände. Es schien eine angenehm wärmende Morgensonne, und als sie sich verabschiedeten war ihnen buchstäblich warm ums Herz. Doch Yiovs Laune sollte sich bald wieder verdüstern. Nachdem er im Labor angekommen war, seine Tasche auf seinen Stuhl gelegt hatte, trat er ins Nachbarslabor ein und fand dort Shulamit, eine schwarzhaarige junge Frau, mit der Sicherheitsbrille aufgesetzt und ihren weißen Labormantel tragend, fleißig am Abzug hantieren. Die Studenten von Rivka wussten, dass sie sich peinlichst genau an die Sicherheitsvorschriften zu halten hatten, ansonsten sie von ihr einen Rüffel einfangen würden, was etlichen von ihnen anfänglich auch schon passiert war. Shulamit war wie er eine Doktorandin von Rivka, aber erst in den Anfängen. Weiter hinten saß Carlo ein Masterand, der durch den Studentenaustausch für ein Jahr gekommen war. Er verstand noch kein Hebräisch, und er kommunizierte auf Englisch mit schwerem italienischem Akzent. Yiov begrüßte Shulamit mit kurzem Gruß, welchen sie erwiderte. Er begann sie nun auszufragen, ob sie eventuell wisse, ob jemand seine Laborjournale gebraucht habe, während seiner Abwesenheit vor ein paar Tagen. Sie blickte ihn erstaunt an und antwortete kurz und bündig mit nein. Wieso er sie das frage, wollte sie wissen. Er klärte sie über die Angelegenheit auf. Dann zeigte er Richtung Carlo, ob er vielleicht was gesagt habe. Nein, das habe er nicht, aber er soll ihn ruhig selber fragen. Das tat er, indem er sich neben ihn stellte und fragte:
"Hi Carlo, how are you? How is your research going?"
"Fine thank you. I am doing some literature search. I actually found an interesting article by the well-known Swiss group from Lausanne. And yourself?"
"Listen, have you by any chance borrowed my lab books, or any idea, who might have?"
"Oh no, certainly not. I wouldn't dare to touch such personal material without asking you. I really do not have any idea. Do you want me to help to look for them?" Carlo war wirklich ein netter Kerl und hatte sich gut eingelebt. Yiov bedankte sich bei den beiden und schritt nun den langen Flur entlang zu Rivkas Office. Sie war gerade am Telefon, als er in der Öffnung stand, winkte sie ihn mit schwenkendem Arm rein und wies ihn mit offener Hand an, abzusitzen. Das Gespräch dauerte noch eine Weile – sie schien mit dem Dekan zu sprechen, wie er aus dem Inhalt und dem Vornamen, mit dem sie ihn ansprach, entschlüsselte. Er hörte gespannt zu, jedoch vernahm er nichts, was sein Fall anbelangte. Dann legte sie auf und erkundigte sich nach seinem Wohlergehen.
"Hast du die Laborjournale inzwischen gefunden?", war ihre zu erwartende Frage.
"Nein leider nicht. Ich habe mal ganz diskret in unserer Gruppe nachgefragt. Weder Shulamit noch Carlo wussten was davon. Ich schaute sicherheitshalber auch noch im Zimmer des Studentenheims. Mir sind die Ideen ausgegangen. Ich weiß wirklich nicht, wie ich die Arbeit von ganzen vier Jahren wieder rekonstruieren soll", klagte Yiov und saß im Stuhl, wie wenn einem Ballon die Luft entwichen wäre.
"Das ist schon eine verdammt dumme Situation. Wohin könnten denn die Journale hingekommen sein. Wer könnte sie entwendet haben?” Sie schien intensiv zu denken und dann plötzlich sperrte sie ihre Augen auf. "Ich habe da so eine Idee, wer daran Interesse haben dürfte. Aber ich will sie vorläufig noch nicht aussprechen; denn das wäre eine schlimme Unterstellung von mir. Also, das bleibt vorläufig unter uns. Du kannst dich ja inzwischen diskret umhören", deutete sie an. Nach einer Verschnaufpause fuhr sie weiter: "Ich möchte, dass wir optimistisch bleiben. Jedoch, wenn sie nicht hervorkommen sollten, dann werden wir einen Rekonstruktionsplan ausarbeiten, indem wir gewisse Experimente, an die du dich genau erinnern kannst, rekonstruieren und fehlendes halt in wenigen Versuchen wiederholen. Du bist ja jetzt schon erfahren, und das sollte dir mit Leichtigkeit gelingen".
Dann verabschiedete er sich und ging in Gedanken vertieft an seinen Laborplatz. “Was hatte Rivka da angedeutet”, fragte er sich. “Doch nicht etwa die Gruppe von Keshet?” Als er so sinnierend dasaß, öffnete sich die Tür und Schlomi trat ein. „Dem hatten wohl die Ohren geläutet", dachte Yiov.
“Ahalan, Yiov, geht es dir heute besser? Du warst ja schon ziemlich verpisst gestern”, grinste Schlomi.
“Hi Schlomi, ja tut mir leid. Schön dich zu sehen”, versuchte Yiov es gut zu machen, und fuhr fort: “Siehst du, alle meine Laborjournale, das ganze Doktorat, sind verschwunden”.
“Oj wej, das ist ja schrecklich!”
Yiov sah, dass er es ernst meinte, und fuhr fort:
“Zuerst dachte ich, dass sie Rivka gebraucht hat. Dann fragte ich meine Kommilitonen unserer Gruppe, aber die wissen auch nichts. Hast du irgendeine Idee, wohin sie gekommen sein könnten?”
Schlomi langte in seinen Blondschopf und kratzte sich am Kopf. "Das ist mir ein Rätsel. Werde die Ohren steif halten", versprach er und verschwand. In seinem Labor angelangt, suchte er immer noch vergeblich nach Keshet. “Schon merkwürdig”, dachte sich Schlomi, da Keshet nicht berichtet hatte, dass er abwesend sei. “Gibt es da möglicherweise einen Zusammenhang mit Yiovs vermissten Journalen?”, fragte er sich im Stillen. Der Gedanke, dass Dan sich da einen Streich geleistet haben könnte, kam in ihm plötzlich auf und ließ ihn nicht mehr los. Er erinnerte sich an seine gereizte Reaktion, als er Rivkas Gruppe erwähnt hatte. Aber wie er diesen Verdacht verifizieren könnte, wusste er nicht. Er konnte es ja sicherlich nicht wagen, Dan darüber direkt anzusprechen. Das würde quasi “Selbstmord” bedeuten.
Yiov lag auf seinem Bett und war eingenickt, als Keren am Abend von ihren Studien zurückkehrte und ihn besuchte. Sie trug wie immer ein T-Shirt – diesmal war es eines, das sie selber mit der Batik Technik gedruckt hatte – mit rosa und marineblauen Farben, die ineinander flossen. Das Farbmuster mahnte etwas an ein Bild aus einem Rorschach Test. Sie trug es über ihren engen Bluejeans, die sie noch schlanker aussehen ließ. Yiov betrachtete sie und ihr Oberteil eine Weile, fand sie bildhübsch und fragte dann nach ihrem Wohlergehen.
„Wie war dein Tag, Keren?“
„Ganz gut. Heute war ich ja wieder Übungsinstruktorin. Schon bemerkenswert, was für ein riesiges Gefälle da bei diesen Bachelorstudenten vorherrscht. Stell dir vor, ich habe einen Abschreiber erwischt, als ich die Übungen korrigierte. Wie ich das entdeckt habe, möchtest du sicher fragen? Beim Durchlesen kamen mir seine Formulierungen bekannt vor und tatsächlich hat ein anderer Student die Übung inklusive Erklärungen genauso gelöst. Aber dem Abschreiber sind einige Fehler eingeschlichen und kurioserweise anstelle der Abkürzung für 'was zu beweisen war#, schrieb er $w36w#. Natürlich musste ich ihm dafür eine Null schreiben”. Sie war zufrieden, dass ihre Erzählung bei Yiov ein Schmunzeln hervorbrachte. "Und du, wie war dein Tag?", fragte sie, obwohl sie ahnte was seine Antwort sein würde.
„Heute fühlte ich mich so schlapp, dass ich beschloss im Zimmer zu bleiben."
„Yiovi", sagte sie in ruhigem Ton, wobei sie ihm liebevoll durch sein Haar strich. „Yiovi, glaubst du denn nicht, dass deine in letzter Zeit häufigen Absenzen dir schaden könnten?"
„Höre mal Keren, ich brauche diese Auszeit, um mit mir ins Reine zu kommen. Ich weiß nicht, ob es überhaupt einen Wert hat, die Doktorarbeit zu beenden. Ich habe wirklich keine Motivation, alles nochmals nachzuholen", meint er mit weinerlichem Ton.
„Also Yiovi, nimm es doch nicht so tragisch. Du hast ja selber erzählt, dass Rivka dir helfen wird. Aber komm, ich habe Hunger. Machen wir uns was zu essen”.
„Ich hab gar keinen Appetit", antwortete Yiov und schaute trotzig drein. Sie ignorierte ihn einfach, stand auf und ging in die Gemeinschaftsküche, um ein leichtes Nachtessen vorzubereiten. Sie machte sich daran, „Shakshuka“ zu kochen, nahm Zwiebeln, Knoblauch, Petersilie, Tomaten, und Peperoni aus ihrem Kühlfach und hackte alles in kleine Stücke. Dann gab sie Salz, Pfeffer und Kumin dazu und gärte es in der Bratpfanne. Nach etwa fünfzehn Minuten sah sie, dass alles zu einer weichen Masse geworden war, und so gab sie zwei rohe Eier hinein und ließ diese in der bedeckten Pfanne, ohne zu rühren, fertig kochen. Dann ging sie mit der Pfanne zu Yiov zurück, deckte das kleine niedere Tischchen und servierte das farbenfrohe Mahl.