Liebe verboten, küssen erwünscht - Karin Lindberg - E-Book

Liebe verboten, küssen erwünscht E-Book

Karin Lindberg

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Beschreibung

Beruflich läuft es für Curvy Model Rebecca gerade alles andere als rund. Nach einem desaströsen Shooting kehrt sie nach Hause zurück, um die Verlobung ihrer Freundin zu feiern. Als i-Tüpfelchen nach diesem miesen Tag, wird sie auch noch von einem der Gäste beleidigt. Die temperamentvolle Hamburgerin lässt das nicht auf sich sitzen und geigt dem arroganten Kerl ihre Meinung. Sie denkt, den Idioten wird sie sowieso nie wieder sehen. Leider stellt sich diese Annahme schon bald als Fehleinschätzung heraus, denn der attraktive Vinzent Voss wird ihr einige Tage später als Trauzeuge des Bräutigams vorgestellt. Während eines ungeplanten Road-Trips zur Hochzeitslocation, und bei den Trauungsvorbereitungen in der Toskana, lernt Rebecca andere Züge des Unternehmers kennen, die ihr leider viel zu gut gefallen, um ihn weiter hassen zu können ...

Eine romantische Geschichte mit Herz, Humor und Hindernissen.

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Liebe verboten, küssen erwünscht

KARIN LINDBERG

Copyright © 2022 by Karin Lindberg

Alle Rechte vorbehalten.

Lektorat: Dorothea Kenneweg

Korrektorat: Sybille Weingrill, Ruth Pöß - www.das-kleine-korrektorat.de,

Covergestaltung: Casandra Krammer - www.casandrakrammer.de

Covermotiv: © ZeninaAsya, AndreYanush, Ozerina, nadyakr – depositphotos.com, Nazarii M  – Shutterstock.com

K. Baldvinsson

Am Petersberg 6a

21407 Deutsch Evern

Jede Verwertung oder Vervielfältigung dieses Buches – auch auszugsweise – sowie die Übersetzung dieses Werkes ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Handlungen und Personen im Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhalt

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Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

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Über die Autorin

Über das Buch

Hitzige Wortgefechte, verstohlene Küsse und die ganz große Liebe: Willkommen zur Traumhochzeit des Sommers in der Toskana!

Beruflich läuft es für Curvy Model Rebecca gerade alles andere als rund. Nach einem verpatzten Shooting kehrt sie nach Hause zurück, um die Verlobung ihrer Freundin zu feiern. Als I-Tüpfelchen nach diesem miesen Tag, wird sie auch noch von einem der Gäste beleidigt. Die temperamentvolle Hamburgerin lässt das nicht auf sich sitzen und geigt dem arroganten Kerl ihre Meinung. Sie denkt, den Idioten wird sie sowieso nie wieder sehen.

Leider stellt sich diese Annahme schon bald als Fehleinschätzung heraus, denn der attraktive Vinzent Voss wird ihr einige Tage später als Trauzeuge des Bräutigams vorgestellt. Während eines ungeplanten Road-Trips zur Hochzeitslocation, und bei den Trauungsvorbereitungen in der Toskana, lernt Rebecca andere Züge des Unternehmers kennen, die ihr leider viel zu gut gefallen, um ihn weiter hassen zu können ...

Eine romantische Geschichte mit Herz, Humor und Hindernissen.

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Prolog

Es roch nach teurem Leder, Rauch und torfigem Whisky. Im Herrenzimmer des exklusiven Clubs loderte ein wärmendes Kaminfeuer, das Vinzents Innerstes nicht erreichte. Seine Laune entsprach dem trüben Januarwetter, er versuchte gar nicht erst, das zu verschleiern. Vinzent ließ den vierundsechzig Jahre alten Macallan in seinem Tumbler kreisen. Sein Vater, dessen würdevolle Erscheinung sich perfekt in die gediegene Umgebung einfügte, saß ihm gegenüber. Seine aristokratische Haltung war nicht antrainiert, sondern angeboren. Sein Vater war hier genau in seinem Element. In einem Club wie diesem traf er seinesgleichen, schon viele Geschäfte waren hier angebahnt und besiegelt worden. Hin und wieder bestand er nun darauf, dass Vinzent ihn begleitete. Sein Sohn war nach Beendigung des Studiums in die Gesellschaft eingeführt und als Nachfolger präsentiert worden. Dabei wurde von Vinzent selbstverständlich erwartet, dass er die Klappe hielt und sich im Hintergrund als würdig erwies. Wie heute. Die ältere Ausgabe seiner selbst, zumindest optisch gesehen, war von Kopf bis Fuß in edelste Stoffe gekleidet. Nicht verwunderlich, immerhin beruhte darauf ihr Familien-Business. Ihr Imperium. Eines, das Vinzent weiterführen sollte. Sein ganzes Leben war daraufhin ausgerichtet, und bald würde es so weit sein. Zumindest auf dem Papier. Vinzent zweifelte jedoch daran, dass Klaas Voss jemals in der Lage sein würde, seinem Sohn die Verantwortung tatsächlich zu überlassen. Vinzent rechnete nicht mit einem baldigen Rückzug seines Vaters aus dem Geschäft, und er wusste, dass das auf Dauer mit ihnen beiden vermutlich nicht gut gehen würde. Ihre Zukunftsvisionen unterschieden sich grundlegend, dabei war Klaas Voss noch nicht einmal bereit, sich die Ideen seines Sohnes auch nur anzuhören, geschweige denn miteinzubeziehen.

»Hast du dir die Entwürfe für die neue Kollektion und Kampagne angesehen?«, erkundigte sein Vater sich gerade.

Natürlich hatte er das. Und sie gefielen ihm nicht. Zu klassisch, zu edel, zu langweilig. Und vor allem in puncto Nachhaltigkeit gab es für das Haus Voss einiges aufzuholen. Vinzent hatte das Gefühl, der Geschäftsplan der Marke Voss steckte in Teilen noch im letzten Jahrzehnt fest. Im Westen nichts Neues, schoss es ihm durch den Kopf.

Vinzent hingegen sprühte geradezu über vor Ideen, aber sie wurden stets als nicht markenkonform abgeschmettert. Dabei musste jedes Luxuslabel sich immer wieder neu erfinden. Und auch wenn sein Vater ihm noch nicht zustimmte, wollte Vinzent trotzdem nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg halten. »Selbstverständlich, wenn ich mir einen Kommentar erlauben darf …«, fing Vinzent daher an und räusperte sich, aber sein Vater hatte gerade einen Bekannten entdeckt und winkte dem Herrn mit der goldenen Brille zu. Es war ein Privatbankier, mit dem die Familie Voss seit Jahren verbandelt war. Vinzent atmete tief ein und spürte, wie sich alles in ihm verkrampfte.

»Entschuldige mich einen Augenblick«, fügte sein Vater höflicherweise noch an, dann erhob er sich, schloss den obersten Knopf seines Jacketts und schritt auf den Neuankömmling zu. Die beiden älteren Herren verhielten sich wie zwei Gockel, jeder streckte die Brust weiter heraus als der andere. Bloß keine Schwäche zeigen, bloß keine offene Flanke bieten. Wenn das Freundschaft bedeutete – so malte sich Vinzent seine Zukunft nicht aus.

Vinzent starrte ins Leere, während er mit den Zähnen knirschte. Dann trank er seinen Whisky in einem Zug aus und stellte das Glas mit einem Klirren auf den blank polierten Mahagonitisch. Er lehnte sich ins dunkle Leder zurück und überschlug seine Beine. Genervt guckte er ins Feuer. Gott, er hatte es so was von satt, die Nummer zwei zu sein. Noch schlimmer war nur, dass seine Zukunftsvisionen kein Gehör fanden. Er wollte die Kollektionen verjüngen, mit nachhaltigen Stoffen arbeiten und das Image der verstaubten Edelmarke aufpolieren und auch für jüngere Kunden attraktiv machen.

Nun, an diesem Tag waren Vinzents Ambitionen wieder einmal ins Leere gelaufen, er würde daran nichts ändern, also orderte er sich einen weiteren Drink. Er hatte seine Bestellung gerade aufgegeben, als sich jemand ungefragt zu ihm setzte. Vinzent wollte einen unwirschen Kommentar von sich geben, als er erkannte, dass es sich bei dem Ankömmling um seinen Freund Götz handelte. Die beiden kannten sich bereits aus Kindertagen; Götz war der Sprössling einer Kaffeedynastie und hatte mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen wie er. Allerdings hatte sein Freund dabei deutlich weniger Anpassungsprobleme als Vinzent. Götz hatte längst akzeptiert, dass es dazugehörte, in gewissen Kreisen präsent zu sein, um anerkannt und ernst genommen zu werden. Seltsam, dass der Kaffeemillionär trotzdem einer seiner besten Freunde war, andererseits auch wieder nicht. Auf Götz war Verlass, man konnte ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen, zudem war er absolut loyal und auch von lästigem Gockelgehabe war bei ihm keine Spur zu finden. Gott sei Dank.

»Moin«, grüßte Vinzent mit einem Kopfnicken und war tatsächlich erleichtert, dass er nicht länger allein in dieser düsteren Umgebung abhängen musste. Der Nachmittag konnte also doch noch eine gute Wendung nehmen.

»Hallo, mein Bester«, erwiderte sein dunkelblonder Freund.

»Du siehst genauso begeistert aus wie ich«, meinte Vinzent mit einem spöttischen Lächeln. »Darf ich dir einen Whisky anbieten?«

Die Bedienung stellte gerade sein zweites Glas ab. »Wieso nicht, ich nehme das Gleiche wie mein Freund hier«, äußerte Götz seinen Getränkewunsch selbst.

Kurz darauf stießen sie miteinander an. »Was ist los, hat dir jemand Juckpulver in deinen hübschen Kaschmirpullover geschüttet?«, stichelte Götz süffisant grinsend. Ihm war natürlich nicht entgangen, wie es um Vinzents Laune bestellt war.

Der verdrehte die Augen. »So ungefähr. Erzähl mir mal lieber etwas, was ich noch nicht weiß.«

Götz trank einen Schluck, ehe er antwortete. »Du siehst aus, als könntest du eine gute Party vertragen.«

Vinzents Stimmung hellte sich schlagartig auf. »Du kennst mich, da kann ich nicht Nein sagen.« Tatsächlich war das das Einzige, was ihn aufmuntern würde. Erst ein wenig feiern, ein paar gute Getränke, dann die Gesellschaft einer hübschen Frau. So würde er für einen Moment vergessen, wie frustrierend sein Leben manchmal sein konnte.

Götz zog ein schwarzes Samtkästchen aus seinem Jackett. Er klappte den Deckel auf, und ein riesiger Klunker funkelte im schwachen Abendlicht.

»Ach du grüne Neune«, stieß Vinzent hervor.

»Du könntest dich ruhig ein bisschen für mich freuen«, erwiderte Götz beleidigt.

»Ist es das, was ich vermute?«

Götz packte den Ring wieder weg. »In der Tat, es läuft wunderbar mit Miriam, ich möchte den nächsten Schritt wagen.«

»Wie lange kennt ihr euch? Sieben Monate?« Vinzent hob eine Augenbraue.

»Acht«, korrigierte ihn sein Gegenüber.

»Oh, natürlich, das ist ja eine halbe Ewigkeit. Bist du dir sicher, dass du dich an die Kette legen lassen möchtest?« Vinzent erschauderte allein beim Gedanken daran, das Bett nach der Hochzeit nur noch mit derselben Frau teilen zu dürfen. Von Untreue hielt er jedoch nichts, genauso wenig wie von festen Beziehungen.

»Du bist ein Arsch, Vinzent. Miriam ist perfekt. Meine Eltern lieben sie, sie ist wunderschön, klug und einfach bezaubernd.«

Vinzent verdrehte die Augen. »Mich musst du nicht überzeugen.« Er behielt den nächsten Kommentar für sich, denn er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Götz sich das mit der Hochzeit gut überlegt hatte. »Meine Mutter macht auch Stress, dass ich heiraten soll. Und? Man kann den Eltern nicht alle Wünsche erfüllen«, erklärte er stattdessen und leerte sein Glas. »Vielleicht sagt Miriam ja Nein.«

Götz schnaubte. »Manchmal frage ich mich wirklich, ob ich mit dir befreundet sein möchte oder nicht. Wie auch immer. Ich muss mich nicht dafür rechtfertigen, dass ich mich bereit für die Ehe fühle.«

»Hört, hört«, witzelte Vinzent. Dann hob er abwehrend die Hände. »Tut mir leid, Götz. Ich hatte einfach einen miserablen Tag. Ich werde dir nicht in deine Beziehung reinreden. Aber irgendwie hatte ich etwas von einer Party gehört? Das ist es, was ich brauche.«

»Eben.« Götz nickte. »In Miriams WG steigt heute eine Party, komm doch mit.«

»Ui, du machst den Antrag vor allen Leuten, stimmt’s? Dann gibt es wirklich kein Zurück mehr.«

»Vinzent!«, drohte Götz mit finsterem Blick.

»Ja, ja, schon gut. Ich bestell mir noch einen Whisky. Heute lasse ich es krachen. Auch einen für dich?«

Götz grinste. »Nein, danke. Wenn ich nachher nur lallen kann, sähe das nicht gut aus.«

Vinzent schüttelte amüsiert den Kopf. »Dir ist es wirklich ernst damit, na schön, meinen Segen hast du jedenfalls.«

»Na, besten Dank auch, ich wollte dich nämlich fragen, ob du mein Trauzeuge sein möchtest.«

Damit hatte Vinzent zwar nicht gerechnet, aber er lehnte natürlich nicht ab. Fast war er jetzt sogar ein bisschen gerührt. »Wenn ich eins kann, dann ganz sicher einen genialen Junggesellenabschied für dich planen. Bin dabei!« Auf einmal war er gar nicht mehr schlecht gelaunt, sondern bester Stimmung. Mit der Aussicht auf eine Feier nahm der Abend doch noch eine angenehme Wendung.

KapitelEins

Der Tag konnte nur noch besser werden. Rebecca stand im vollgedrängten Bus und klammerte sich an ihrem Koffer fest. An der nächsten Kurve bremste der Busfahrer so scharf, dass Rebecca fast gestürzt wäre, stattdessen landete sie auf dem breiten Rücken eines ungepflegten Herrn. Sie murmelte ein »Entschuldigung« und stieg an der nächsten Haltestelle aus.

»Halleluja.« Sie schloss kurz die Augen, als sie die eiskalte Hamburger Abendluft einatmete. Mit dem nächsten Schritt platschte sie in eine dreckige Pfütze.

Auch das noch. Die teuren Wildlederschuhe waren danach garantiert nicht mehr zu retten. Verdammt.

Ganz ruhig, mahnte Rebecca sich. Sie musste die miese Laune abschütteln, ehe sie zu Hause in der WG eintraf. Miriam feierte heute ihren Geburtstag, und da waren Rebeccas Problemchen zweitrangig. Vielleicht hatte sie ihren größten Auftraggeber nach der Szene heute ja auch gar nicht verloren, dachte Rebecca und schnitt sich selbst eine Grimasse.

Die Wahrscheinlichkeit ging gegen null. Warum hatte sie ihr Temperament bloß nicht zügeln können? Es war nie eine gute Idee, wenn man in die Hand biss, die einen fütterte. Andererseits, sie hatte ihre Prinzipien, und die wollte Rebecca nun mal nicht verraten.

Sie setzte ihren Weg fort, kurz darauf stand sie vor der Tür und kramte nach ihrem Schlüssel. »Meine Güte, diese Handtaschen sind aber auch immer zu voll«, stieß sie genervt aus, als sich die Tür auf einmal wie von Zauberhand öffnete.

»Rebecca«, frohlockte Miriam mit einem breiten Lächeln. »Mir war doch, als hätte ich was gehört.« Sie trug einen Handtuchturban auf dem Kopf und ansonsten nur Unterwäsche. Zwischen den Zehen hatte sie Watte, offenbar hatte sie sich gerade die Fußnägel lackiert. Zusammen mit ihrer Freundin Nathalie bewohnten die Mädels zu dritt die alte Kapitänsvilla am Hamburger Stadtrand in Altona. Die Miete war erschwinglich, was auch daran lag, dass es im Haus einige Mängel gab, tropfende Wasserhähne und einen feuchten Keller. Sie bot aber mindestens genauso viele Vorteile: große Zimmer mit hohen Decken und einem ganz besonderen Charme, den die drei liebten. Sie hatten sogar einen kleinen Garten, der zu dieser Jahreszeit allerdings ziemlich trostlos und verwildert wirkte. In diesem Moment sprangen die Straßenlaternen an.

»Happy Birthday, Liebes«, trällerte Rebecca, umarmte ihre Mitbewohnerin fest und drückte ihr einen Schmatzer auf die Wange.

»Danke! Aber sag es nicht zu laut, ich weiß nicht, ob ich die dreißig wirklich feiern will …« Miriam trat zur Seite, und Rebecca schmiss die Tür hinter ihnen ins Schloss, nachdem sie ihr Gepäck über die Schwelle gewuchtet hatte. Dann betrachtete sie ihre ruinierten Schuhe. Ja, die waren definitiv hin. »Du bist süß, willst du die Party etwa absagen? Ist ja nicht so, als ob deine Uhr schon laut ticken würde, außerdem bist du die Einzige von uns, die einen echten Freund hat.«

Rebecca entdeckte die dritte Mitbewohnerin. Nathalie saß auf dem breiten Fenstersims und lackierte sich ebenfalls gerade die Nägel, ein Headset blinkte an ihrem Ohr. »… ooo Süßer, ja, genau so … und jetzt fass dich selbst an …«

Miriam und Rebecca grinsten. »Kundschaft …«

»Manchmal frage ich mich, ob ich bei einer Sexhotline nicht auch besser aufgehoben wäre als im Modelbusiness.« Rebecca seufzte. »Ich hätte nie gedacht, dass man mit ein bisschen am Telefon stöhnen und Sextalk so viel verdienen würde. Nathalie hat anscheinend alles richtig gemacht.«

Miriam zuckte die Schultern. »Ich könnte das nicht. Aber sag mal, was ist los mit dir? Du siehst total gestresst aus. Lief es nicht gut beim Shooting in Frankfurt?«

»Es war alles gut, bis zu dem Moment, als ich gefordert habe, dass sie meine Bilder nicht zu Tode photoshoppen.«

»Oh. Das haben sie nicht akzeptiert? War doch nie ein Problem bis jetzt?« Miriam schaute mitfühlend, sie wusste, dass Rebecca gerade deswegen Model geworden war – um zu zeigen, dass auch kurvige Frauen, die nach gängigem Ideal nicht perfekt waren, hübsch waren. Nicht nur einmal hatte Miriam sich Rebeccas flammende Reden über wahre Schönheit anhören müssen.

»Tja, da sitzt ein neuer Typ auf der Stelle – und der mag es anscheinend nicht natürlich. Darauf kommt gleich die nächste Frage: Warum buchen sie ein Curvy Model, wenn sie doch an meiner Figur herumbasteln wollen? Etwas weniger an den Hüften, schlankere Oberschenkel, aber die Titten dürfen ruhig groß bleiben. Solche Arschlöcher.«

»Ja, das ist blöd, ich verstehe dich, dass dir das nicht gefällt, wenn deine Fotos retuschiert werden. Und was ist dann passiert? Bist du etwa ausgeflippt?«, wollte Miriam wissen. Sie wusste, dass Rebecca ihr hitziges Temperament oft nicht bändigen konnte und ihr Herz auf der Zunge trug.

Rebecca fuhr sich mit der Hand über die Stirn und atmete geräuschvoll aus. »Tja, die wollten einfach nicht akzeptieren, dass ich natürlich dargestellt werden möchte und nicht verbessert bis zum Geht-nicht-mehr.« Sie malte Gänsefüßchen in die Luft. »Ich habe nun mal ein paar Dellen am Hintern und Röllchen am Bauch und stehe dazu. Das habe ich denen auch so gesagt – und dass sie sich die Bilder in die Haare schmieren können, wenn sie doch etwas daran verändern. Ich habe allerdings keine Ahnung, was in meinem Vertrag steht, da muss ich noch mal nachlesen. Ich glaube, dass ich beim Abschluss darauf bestanden habe, ein Mitspracherecht zu haben, aber ich weiß es nicht mehr genau. Jedenfalls …« Sie räusperte sich und merkte, dass ihre Wangen heiß wurden. »Ich habe ziemlich getobt … Das war nicht klug von mir. Ganz und gar nicht.«

»Ich bin so stolz auf dich.« Miriam drückte sie fest. »Dass du für das, was dir wichtig ist, einstehst, ist großartig und richtig! Scheiß auf den Auftrag!«

Rebecca wollte es auch so sehen, aber Rechnungen zahlten sich leider nicht von selbst, sie war auf die Einnahmen angewiesen. »Danke – aber gerade weiß ich nicht, ob ich nicht einfach nur blöd bin. Wenn ich diesen Kunden verliere, habe ich ein Problem. So rosig läuft es ansonsten gerade nämlich nicht. Die Modelabel tun alle so, als ob sie was ändern wollten, und dann sind es doch wieder nur die viel zu Mageren, die die Entwürfe präsentieren und auf den Covern der Magazine abgebildet werden. Es ist so mühsam, Miriam. Aber egal, heute ist dein Tag, ich will nicht die ganze Zeit jammern. Was kann ich helfen? Ist doch sicher noch was vorzubereiten.«

»Ja, du böser Junge, genau so. Ah, das ist so gut, ah …«, stöhnte Nathalie gerade am Ende des Raums ins Headset und zwinkerte Rebecca und Miriam zu. Dabei wedelte sie mit ihren frisch lackierten Nägeln in der Luft, um sie zu trocknen.

Miriam schüttelte amüsiert den Kopf und machte eine obszöne Geste. Rebecca grinste und hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht loszugackern. Sie liebte ihre verrückten Freundinnen und das gemeinsame Leben in ihrer kleinen Wohngemeinschaft.

»Die Getränke stehen schon im Garten, ist ja kalt genug, Essen wurde auch geliefert, es gibt eh nur ein paar Häppchen. Und ansonsten? Alles schick würde ich sagen.« Miriam zuckte die Achseln. »Nur ich noch nicht.«

»Oh, ich bin mir sicher, dass Götz dich so leiden mag – aber was sagen die anderen Gäste, wenn du in Unterwäsche auftauchst?«

»Eben. Ich schmeiß mich gleich in ein Kleid, das wird schon.«

»Dann ist also alles fertig? Nur ich komme zu spät. Mist.« Rebecca guckte sich um. In der offenen Küche standen eine Menge Gläser in Kisten vom Caterer herum. Miriams Freund war reich und mochte nicht aus Plastikbechern trinken. Sie hatten schon öfter darüber gescherzt, dass ab sofort nur noch Kaviar gut genug war, wenn Götz zu Besuch kam. Aber Miriam lachte darüber, sie guckte noch immer durch die rosarote Brille, dabei war sie keine Luxusschnitte, die sich aushalten lassen wollte oder Wert auf all den Kram legte. Vielleicht ging Rebecca mit Götz auch zu hart ins Gericht, sie kannten sich nicht wirklich gut. Trotzdem kam es ihr so vor, als ob Miriam manches nur ihm zuliebe machte, andererseits, Rebecca begrüßte es, dass sie den Wein aus echten Gläsern trinken würden … also war Götz’ Einfluss vielleicht doch nicht so verkehrt …

»Genau, ich finde, wir könnten schon mal ein Fläschchen aufmachen«, schlug Miriam gut gelaunt vor. Sie betrieb einen kleinen Hundefriseursalon um die Ecke in Blankenese. Über die Schoßhündchen von Götz’ Mutter hatte das Paar sich kennen- und lieben gelernt. Götz hatte daraufhin sogar das Haus gekauft, in dem Miriam ihren Laden hatte, um seine Herzensdame vor ihrem aufdringlichen Vermieter zu beschützen.

»Oh – gern! Ich brauche wirklich einen Drink. Ich gehe davon aus, dass der Wein heute nicht wie üblich aus Kanistern fließt?« Rebecca lachte, und Miriam boxte ihrer Freundin an den Oberarm.

»Wir haben nie Pappkartons in diesem Haus gehabt – jedenfalls nicht mit Alkohol. Aber ich gebe zu, dass Götz ein paar Kisten Champagner, Bordeaux und Sauvignon Blanc hat liefern lassen. Er meint es nur gut damit.« Miriam guckte ein wenig beleidigt. Weil Rebecca ihr die Stimmung nicht verderben wollte, umarmte sie Miriam. Im Grunde war sie dankbar, dass sie guten Wein hatten und nicht den Billigfusel, von dem man Kopfschmerzen bekam. »Ich mache doch nur Spaß, Süße. Warte, ich habe noch was für dich.« Rebecca lief zu ihrem Koffer, klappte ihn auf und zog einen rot gestreiften Bikini hervor. »Happy Birthday!«

Miriams Augen leuchteten auf. »Ist der aus der neuen Kollektion?«

»Und wie! Den habe ich für dich mitgehen … äh, den habe ich für dich als Musterstück bekommen.«

Natürlich hatte Rebecca nichts gestohlen, einige Teile der Musterkollektion konnte sie tatsächlich nach Rücksprache mitnehmen. Letztlich war es kein gekauftes Geschenk, aber darum ging es in ihrer Freundschaft nicht. Es zählte die Geste, und das wusste Miriam. Die fiel ihr dankbar um den Hals. »Ich hab dich so lieb.«

»Ich dich auch.«

Miriam schnüffelte. »Und … jetzt, wo ich dir so nahe bin, merke ich, du könntest eine Dusche vertragen.«

Rebecca zog eine Schnute. »Ja, das kann sein – die Fahrt war ätzend. Ich musste beim Umsteigen rennen, damit ich den Anschlusszug noch erwische, und überhaupt … Danke für den Hinweis!« Sie kicherte. »So, ich mache mich frisch.«

Dann verzog sich Rebecca nach oben in ihr Zimmer, packte in Ruhe aus und ließ sich erst einmal ein Bad ein. Nach dem stressigen Tag hatte sie sich etwas Entspannung verdient.

Sie hatte sich gerade genüsslich ausgestreckt und wackelte mit den Zehen im Schaum, als die Tür aufging und Nathalie hereintrottete. »Hey, Topmodel«, grüßte sie, zog sich die Jogginghose herunter und pflanzte sich auf die Toilette.

Rebecca verdrehte die Augen und schloss sie dann. »Ich hätte abschließen sollen!«

Nathalie kicherte. »Stell dich nicht so an! Wie war es in Frankfurt?«

Die Klospülung rauschte.

»Ich möchte nicht darüber reden.« Wollte sie wirklich nicht, sie wollte das Desaster verdrängen.

»Oje, so schlimm? Schade.«

»Egal.« Rebecca machte eine wegwerfende Handbewegung. »Bring mir lieber ein Glas Wein, Schlumpfine.«

»Jawohl, Sir, äh, Miss!« Nathalie wusch sich die Hände, dann erfüllte sie den Wunsch ihrer Freundin.

Endlich allein, dachte Rebecca kurz darauf leise lächelnd und schloss die Augen. Sie trank einen Schluck, dann noch einen und stellte das Glas ab. Herrlich. Daran könnte sie sich gewöhnen.

Als sie aufwachte, stand Miriam im Bad und schminkte sich die Lippen.

»Du musst doch bald Schwimmhäute bekommen«, kommentierte ihre Freundin.

»Was, wieso? Bin doch eben erst … O nein. Wie spät ist es?« Sie richtete sich ruckartig auf. Das Wasser war nur noch lauwarm. Verdammt.

»Die ersten Gäste sind schon da.«

Rebecca sprang aus dem Wasser und spritzte dabei alles nass. »Scheiße. Ich muss eingeschlafen sein!«

»Weil das ja das erste Mal passiert …«, neckte Miriam sie.

»Sorry! Ich beeile mich.« Hektisch trocknete Rebecca sich ab und drückte die Haare im Handtuch aus. Dann wickelte sie sich darin ein und hastete in ihr Zimmer. Zum Glück befanden sich die Schlafzimmer oben und nicht im Erdgeschoss. Sie war zwar nicht prüde, aber nackig musste sie vor der Geburtstagsgesellschaft auch nicht herumturnen.

Als Rebecca wenig später nach unten kam, war die Party schon in vollem Gange. Leise Chill-out-Musik dudelte aus den Lautsprechern. Das Murmeln und Lachen der Gäste erfüllte das gesamte Erdgeschoss. Rebecca blieb kurz vor dem Spiegel in der Diele stehen. Sie war zufrieden mit sich. Sie hatte sich nach dem ersten Schreck über ihr Nickerchen in der Badewanne, doch noch die Zeit genommen, um sich in Ruhe fertig zu machen. Vielleicht landeten sie nachher in einem Club – da wollte sie nicht wie eine Vogelscheuche herumlaufen. Nun, zu Hause auch nicht – und Styling brauchte etwas Zeit, auch wenn sie es mit dem Make-up selten übertrieb. Heute jedoch hatte sie die Augen dramatisch betont, im Gegenzug aber nur ein wenig farblosen Lipgloss aufgetragen, um nicht zu aufgedonnert zu wirken. Mit einem überteuerten Stylinggerät hatte sie in ihr dunkelbraunes Haar sanfte Wellen gezaubert, die ihr locker auf die Schultern fielen. Produkte, für die Rebecca modelte, bekam sie oftmals geschenkt, auch ohne sie auf Instagram wie Sauerbier bewerben zu müssen.

Weil Miriam heute die Hauptrolle spielte, hatte Rebecca ein schlichtes schwarzes Kleid angezogen, das am Bauch gerafft war und nur einen sehr dezenten V-Ausschnitt hatte. Mit ihrem Busen konnte sie sich definitiv sehen lassen, es waren keine extra Tricks oder Push-ups nötig. Rebecca drehte sich zur Seite, zupfte noch ein wenig hier und da, dann besorgte sie sich einen Drink. Die meisten Leute kannte sie nicht, was nicht so überraschend war, denn mit Götz waren eine Menge neue Leute in Miriams Leben gekommen, denen Rebecca vorher nie zuvor begegnet war, aber das machte eine gute Party ja gerade aus. Sie merkte, wie sehr sie sich nach dem ätzenden Shooting auf einen unbeschwerten Abend freute.

In der Küche standen silberne Tabletts mit kleinen Leckereien und eine überdimensionale Geburtstagstorte, die sicher eine Million Kalorien haben musste. Pro Stück!

Rebecca goss sich gerade Wein in ein langstieliges Glas, als sie Fetzen eines Gesprächs mitbekam.

»Von dem Kuchen solltest du deinen Models lieber kein Stück geben, sonst passen die Kleider bald nicht mehr«, witzelte ein Mann in näselndem Tonfall.

»Da könntest du recht haben«, antwortete ein anderer. Rebecca guckte sich verstohlen um.

Sie kannte beide nicht, aber die zweite Stimme klang irgendwie angenehm, dunkel und ein wenig rauchig, auch wenn sie den Tonfall nicht einordnen konnte. Vielleicht ein wenig … gelangweilt? Resigniert?

Rebecca schaute sich ihn genauer an und nippte dabei an ihrem Getränk.

»Wer will schon große Ärsche?«, fragte der erste, und Rebeccas Puls stieg. Sie war kurz davor, ihm ihren Wein ins Gesicht zu kippen. Selbst war er natürlich kein Adonis, im Gegenteil, die näselnde Stimme kam von einem moppeligen Typen mit schütterem Haar. Typisch! Diese Kerle waren doch die schlimmsten. Sahen selbst aus wie Quasimodo aus Wuppertal, aber Frauen wollten sie erzählen, dass sie nur Salat essen durften.

Der zweite war attraktiv. Sehr attraktiv sogar. Sie schätzte ihn auf Anfang dreißig. Er wirkte sportlich, beinahe drahtig. Er war ungefähr eins neunzig groß, hatte breite Schultern und schmale Hüften. Er trug ein dunkles Hemd zu einer lässigen Chino. Sein dunkelbraunes Haar war zu lang, um noch als Frisur durchgehen zu können. Es wirkte, als hätte der Wind es völlig zerzaust – oder als hätte jemand ausgiebig darin gewühlt. Gerade hob er gelangweilt eine Augenbraue. Oder spöttisch? Sie konnte es nicht ganz deuten. Vielleicht wollte er sich auch nicht in die Karten schauen lassen. Leider bekam Rebecca nicht alles von dem Gespräch mit, nur ein paar Fetzen, in denen es weiter um Tratsch und Trends ging, weil die Musik nebenan lauter aufgedreht worden war. Der Hässliche spöttelte über die modischen Vorlieben seines Vaters. Oder war der Vater des anderen gemeint? Es war einfach zu laut. Der hochgewachsene Schönling erklärte gerade: »Was ich will, spielt sowieso keine Rolle. … es geht um die Marke, und da ist die Linie klar: Size Zero muss es sein.«

Size Zero muss es sein? Rebecca kniff ihre Augen zusammen, sie merkte, dass sich etwas in ihr zusammenzog.

Dass diese Aussage über diese sinnlichen Lippen gekommen war, enttäuschte sie. Es enttäuschte sie sogar sehr. Also gehörte der Kerl auch zu den Oberflächlichen, die nichts begriffen hatten.

Sie wandte sich ab. Natürlich, Männer, die so aussahen wie er, suchten nach ihresgleichen: sportlich, elegant und schlank. Vor allem das.

Wieso hatte Rebecca auch nur eine Sekunde etwas anderes annehmen können? Annehmen wollen vielleicht. Sie bedauerte es tatsächlich, denn irgendwas an dem Kerl hatte sie gut gefunden. Das hatte sich nach der Aussage natürlich mit einem Puff aufgelöst.

Rebecca hakte den Idioten direkt ab und stopfte ihn in ihre gedankliche Schublade: heiß wie die Sünde, aber ein Arschloch. Mit solchen Menschen wollte sie sich keine Sekunde abgeben. Es wäre klug, einfach zu gehen, um sich in einem anderen Teil des Hauses zu amüsieren, aber sie ärgerte sich zu sehr über die ätzenden Kommentare der beiden Kerle. Männer wie diese waren der Grund, warum viele Frauen mit ihrem Selbstvertrauen zu kämpfen hatten oder – schlimmer noch – in ihren Selbstzweifeln untergingen und krank davon wurden.

Rebecca straffte sich. Dann stellte sie ihr Weinglas ab und griff nach einer Gabel. Langsam schritt sie auf die Torte zu wie eine Königin auf dem Weg zu ihrem Thron. Sie wusste um die Wirkung ihres sinnlich schwingenden Ganges. Tausendmal geübt. Dabei glotzte sie die beiden stumm an, sie lächelte nicht, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Vermutlich sah sie arrogant aus. Genau das wollte sie auch.

Rebecca stach zu, ohne Rücksicht darauf, dass sie das Meisterwerk des Konditormeisters zerstörte – oder zumindest ramponierte – und schob sich dann langsam, ganz genüsslich eine Gabel voll mit Torte in den Mund.

»Ist was?«, fragte sie mit vollem Mund in Richtung der beiden und kaute demonstrativ, während sie den Blick nicht abwandte.

Der untersetzte Blasse guckte sie an wie ein Schaf. Der andere hob eine Braue, ein Mundwinkel verzog sich spöttisch nach oben. Er hatte blaugraue Augen, wie sie jetzt feststellte. Sein Blick war durchdringend und intensiv. Er neigte seinen Kopf ein wenig zur Seite, ganz so, als ob er gespannt wäre, was jetzt gleich noch passierte.

Rebeccas Herz fing an, wild zu pochen.

Gott, warum hatte sie das tun müssen?

Leider ließ sie sich bei diesem Thema nur allzu leicht provozieren. Sie hatte einen langen Weg hinter sich, es war nicht immer so gewesen, dass sie sich und ihre Figur gut leiden mochte. Daher reagierte sie stets allergisch, wenn Männer im Speziellen generelle Meinungen über die Körper von Frauen äußerten.

Size Zero muss es sein, erinnerte sie sich noch einmal an die Worte aus seinem Mund und bereute nichts. Sie legte die Gabel sanft in die Spüle, dann wischte sie sich mit dem Zeigefinger einen Rest Sahne von den Lippen und leckte ihn noch einmal ab. Dabei ließ sie den Attraktiven nicht aus dem Blick. Seine Pupillen weiteten sich, aber er schwieg.

»Köstlich«, trällerte Rebecca. Ohne ein weiteres Wort stolzierte sie an den beiden, die ihr mit großen Augen nachstarrten, vorbei. Zum Glück dachte sie noch an ihr Weinglas, denn das brauchte sie jetzt dringend.

Etwas später an diesem Abend – sie hatte aufgepasst, dass sie diesen beiden Kerlen nicht noch einmal zu nahe kam – entdeckte sie den Dunkelhaarigen. Er stand mit einer Frau in einer Ecke und flüsterte ihr gerade etwas ins Ohr, woraufhin sie lachte und ihren Kopf in den Nacken warf.

Natürlich, dachte Rebecca angewidert. Das ist genau sein Beuteschema. Blond. Schlank. Endlos lange Beine. Da konnte sie nicht mithalten. Wollte sie auch gar nicht.

Gut, dass sie sich das noch mal in Erinnerung gerufen hatte. Sie fächelte sich Luft zu, als sie merkte, wie der Ärger über seinen Kommentar wieder in ihr hochkochte.

»Alles okay?« Nathalie trat neben sie.

»Ja, sicher. Ist nur irre heiß hier drin.«

»Du siehst aus, als würdest du jemanden ermorden wollen.«

»Ich?« Rebeccas Stimme klang viel zu hoch. »Nee.«

Nathalie lachte und gab ihr einen schmatzenden Kuss. Ihre Freundin war betrunken. Es war ja auch eine gute Party; wenn sich Rebecca nur nicht von so einem Ereignis die Laune hätte verhageln lassen, wäre sie sicher nicht noch bei ihrem ersten Getränk. Nathalie wollte gerade etwas sagen, als Götz mit einem Löffel gegen sein Glas schlug, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Jemand drehte die Musik ab. »Ähem«, räusperte er sich. »Miriam, kommst du mal kurz zu mir, bitte?«

»Was hat er vor?«, flüsterte Nathalie in Rebeccas Ohr.

»Vielleicht eine Geburtstagsrede?«, mutmaßte Rebecca.

Was dann passierte, verfolgten die beiden Freundinnen mit offen stehenden Mündern.

Götz ging vor Miriam auf die Knie und machte ihr einen Antrag. Wow! Das war krass. »Miriam, meine Liebe, mein größter Schatz. Als ich dir zum ersten Mal begegnet bin, wusste ich gleich, dass ich die Eine getroffen habe! Die Eine, mit der ich für immer zusammen sein möchte. Miriam, du bist die Frau meines Lebens, möchtest du mich heiraten?«

Miriam schwieg eine Sekunde. Zwei Sekunden. Dann schluckte sie trocken. Rebecca glaubte einen Moment, dass Miriam Nein sagen würde, doch dann nickte sie langsam, beinahe zögerlich. »J-ja?« Ihre Mundwinkel bogen sich ein wenig nach oben.

»Ja?«, wiederholte Götz unsicher.

Die Spannung im Raum war geradezu spürbar, alle warteten auf ihre Reaktion.

»Ja!« Miriam lächelte und fing an zu weinen.

Rebecca und Nathalie tauschten einen Blick aus. Miriam hatte gezögert, ganz so, als ob sie überrascht und nicht sicher wäre, ob sie wirklich heiraten wollte. »Hast du das auch gesehen?«, flüsterte Nathalie.

Rebecca nickte. »Ja!«

Vielleicht täuschten sie sich ja auch. Miriam war total in Götz verschossen, vermutlich rührte ihre Reaktion nur vom Knalleffekt seines Antrags her. Niemand von ihnen hatte das geahnt. Nathalie jubelte ihrer Freundin zu. Jetzt war Rebecca sicher, dass Miriam nur überrascht gewesen war, denn sie küsste Götz inbrünstig und schluchzte gleichzeitig vor Glück. Rebecca atmete erleichtert aus.

Die Partygäste kreischten, klatschten, irgendwoher kam auf einmal eine Menge Champagner. Von dem Trubel bekam Rebecca nicht mehr viel mit, sie hielt sich abseits, weil ihre Laune unterirdisch war. Die sank noch tiefer, als sie sah, dass der attraktive dunkelhaarige Arsch mit dieser Blondine die Feier verließ. Ein Glück, dass sie den nie wiedersehen musste. Rebecca verzog ihre Lippen. Sie würde jetzt ins Bett gehen, irgendwie hatte dieser Kerl ihr die Feierlaune verdorben. Aber so was von.

Mistkerl!

Eiskalte Januarluft schlug Vinzent entgegen, als er mit seiner Eroberung die Party verließ. Er hatte schon vor zehn Minuten ein Taxi gerufen, aber es war noch nicht eingetroffen. Die Blondine schmiegte sich an ihn und ließ ihre Finger unter sein Hemd gleiten. Aus dem Haus hörte man gedämpfte Musik und Gelächter. Vinzent schaute noch einmal zurück und dachte an die rassige Brünette und die merkwürdige Szene in der Küche zurück. Er hatte nicht mit ihr gesprochen, aber mehr als einmal hatte er ihr Gesicht wieder vor seinem geistigen Auge gehabt, ihren herausfordernden Blick, als sie von der Torte genascht hatte. Wie sie ihre Zunge sinnlich über ihre Lippen hatte gleiten lassen. Und dann war sie verschwunden, wie eine Fata Morgana.

Himmel, ein Schauder war über seinen Rücken gelaufen, und seine Lenden hatten mit einem lustvollen Pochen reagiert. Er war so perplex gewesen, dass er kein Wort mehr hervorgebracht hatte. Als sie mit diesem wiegenden Schritt an ihm vorbei in Richtung Tanzfläche gegangen war, hatte er den Hauch ihres Parfums abbekommen. Sie roch auch noch teuflisch gut.

»Zu dir oder zu mir?«, riss ihn seine Begleitung aus den Erinnerungen an eine andere Frau.

Vinzent blinzelte in die Scheinwerfer des heranrollenden Taxis. Was mache ich hier eigentlich?, dachte er und trat zurück, um ihr die Autotür zu öffnen. Er war der Blonden, deren Namen er sich nicht gemerkt hatte, heute zum ersten Mal begegnet, und bis eben hatte er sie näher kennenlernen wollen. Nun, zumindest für eine Nacht, aber auf einmal war er sich nicht sicher, ob er noch Lust dazu hatte.

Nein, er musste sich nichts vormachen. Er wollte nicht mit dieser Frau zusammen sein – er wollte eine andere. Die Blondine stieg gerade auf die Rücksitzbank.

Vinzent zögerte.

»Kommst du?«, lockte sie ihn mit einem breiten Lächeln.

»Tut mir leid, fahr doch schon mal vor.« Dann schlug er die Autotür zu und wandte sich ab. Ihm war klar, dass er die Frau im Taxi eiskalt sitzen ließ, aber das war ihm gerade egal, denn versprochen hatte er ihr nichts.

Vinzent marschierte schnurstracks zurück zum Haus, die Tür war glücklicherweise nur angelehnt, weil immer wieder jemand zum Rauchen raus- und reinging. Warme Luft schlug ihm entgegen, ein Unbekannter rempelte ihn an. Vinzent schlängelte sich durch die vielen Grüppchen, um sie zu suchen, aber er konnte die Brünette nirgends entdecken. Vielleicht war er völlig verrückt geworden, aber auf einmal hatte er das Bedürfnis, sie unbedingt kennenlernen zu müssen. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er den ganzen Abend immer wieder unbewusst nach ihr geschaut hatte – bis die Blondine sich ihm quasi an den Hals geworfen hatte. Vinzent war kein Kostverächter, und normalerweise sagte er bei so einer Gelegenheit nicht Nein, aber etwas war heute anders. Dumm nur, dass er das erst so spät gemerkt hatte. Zu spät vielleicht?

Das könnte auch an den vielen vorausgegangenen Drinks liegen. Er war betrunken, aber nicht so sehr, dass er nicht mehr wüsste, was er tat. Gerade kam es ihm so vor, als könnte er zum ersten Mal überhaupt klar erkennen, was er wirklich wollte: sie.

Wo war sie nur, die unbekannte Schönheit? Er erinnerte sich an ihren provokanten Augenaufschlag, während sie sich die Sahne von den Lippen geleckt hatte.

Herrgott, der Gedanke genügte, um seine Libido zum Leben zu erwecken. Vinzent schaute in der Küche nach, aber auch hier war sie nicht. Es gab nur noch eine Möglichkeit – die Toilette. Oder sie war gegangen. Letzteres strich er sofort von seiner Liste, denn dann würde er nie erfahren, wer sie war. Der Gedanke war zu niederschmetternd, so leicht wollte er nicht aufgeben. Irgendwer musste sie kennen oder gesehen haben.

Vinzent suchte sogar die Gästetoilette auf, aber auch hier war niemand. »Scheiße«, murmelte er genervt. Dann schaute er die Treppe entlang nach oben. Dort war alles dunkel.

Sollte er? Normalerweise würde er eine Grenze wie diese nicht überschreiten. Das war keine Verbindungsparty, bei der man sich nach Herzenslust in den Zimmern anderer austobte. Aber es war quasi ein Notfall – er musste wissen, wer sie war und wie er sie erreichen konnte. Ohne noch einmal darüber nachzudenken, nahm er die Stufen nach oben. Aus einem Zimmer drang ein schwacher Lichtschein. Die Tür war nicht verschlossen, er lugte vorsichtig hinein. Es war das Badezimmer, aber auch hier war niemand.

Vinzent rieb sich mit der Hand über das Gesicht. Er ließ die Schultern hängen.

Super, das war’s dann also. Chance vertan. Traumfrau verpasst. Er seufzte leise und wandte sich ab.

Eine weitere Tür öffnete sich quietschend, und das Licht im Flur ging an.

Jemand schrie leise auf und ein Handy fiel polternd auf den alten Dielenboden.

Vinzents Mundwinkel bogen sich nach oben, als er begriff, wer hier vor ihm stand. Sie war es … und sie trug einen Hauch von nichts, nur ein helles Spitzenhemdchen mit dünnen Trägern, unter dem sich ihre rosigen Brustwarzen deutlich abzeichneten. Herrgott im Himmel – diese Frau hatte Kurven!

Sein Mund wurde plötzlich so trocken wie die Sahara nach einer langen Dürreperiode. Vinzents Puls schnellte in die Höhe. Er wollte gerade nach ihrem Namen fragen, als sie wütend die Hände vor ihrem üppigen Busen verschränkte.

»Was willst du hier oben? Der fetten Tussi hinterherspannen? Ekelhaft!«

Vinzents Grinsen erstarb. Einen Augenblick lang wusste er nicht, worauf sie hinauswollte. Nun, es schien jedenfalls, als wäre das Interesse nicht gegenseitig. Definitiv nicht. »Spannen? Als ob ich das nötig hätte«, verteidigte er sich.

Sie lachte humorlos und tippte ungeduldig mit den Zehenspitzen auf den Boden.

---ENDE DER LESEPROBE---