Lieblingsplätze Lahntal - Andrea Reidt - E-Book

Lieblingsplätze Lahntal E-Book

Andrea Reidt

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Beschreibung

Wo warf Goethe sein Taschenmesser in die Lahn? Und wo steht das hessische Neuschwanstein? Kannten Sie die Wiege der modernen Fotografie? Ahnten Sie, wo das Backpulver erfunden wurde? Andrea Reidt nimmt Sie mit auf eine Entdeckungsreise durch das Lahntal von der sickernden Quelle bis zur Mündung in den Rhein, zeigt ihre Lieblingsplätze in lauschiger Landschaft, quirligen Städten, erzählt von Tüftlern und Fantasten. Kommen Sie mit nach Bad Laasphe, Biedenkopf, Marburg, Gießen, Wetzlar, Weilburg, Limburg, Diez, Nassau, Bad Ems und Lahnstein.

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Seitenzahl: 127

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Lieblingsplätze Lahntal

Andrea Reidt

Impressum

 

In memoriam

Hermann Reidt (1916–1993)

und Ursula Reidt, geborene Stönner (1934–2019)

Autor und Verlag haben alle Informationen geprüft. Gleichwohl wissen wir, dass sich Gegebenheiten im Verlauf der Zeit ändern, daher erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Sollten Sie Feedback haben, bitte schreiben Sie uns! Über Ihre Rückmeldung zum Buch freuen sich Autor und Verlag: [email protected]

Sofern nicht im Folgenden gelistet, stammen alle Bilder von Andrea Reidt:

Bildarchiv Foto Marburg/VG Bild-Kunst, Bonn 2020 10; Katharina Zürcher Schartenhof Eckelshausen 24; Bildarchiv Foto Marburg/mit freundl. Genehm. von Brigitte Ubbelohde-Doering und der Otto-Ubbelohde-Stiftung 30; Minox 90; Leica Camera AG 100; Walter Klein, Düsseldorf/Städtische Sammlungen Wetzlar 106; Museum Nassau-Oranien/Museums- und Geschichtsverein für Diez und Umgebung e. V. 158; A. Gössel/Corpus Vitrearum Deutschland/LWL-Museum für Kunst und Kultur (Westfälisches Landesmuseum) Münster 172; Andrea Reidt/mit freundl. Genehm. der Staatsbad Bad Ems GmbH 174

Alle Seitenangaben im Buch beziehen sich auf die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe.

Link zur Karte: https://www.gmeiner-verlag.de/images/stories/karten_lahntal.jpg

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

2., überarbeitete Neuauflage 2021

© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat/Redaktion: Ricarda Dück

Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Bildbearbeitung/Umschlaggestaltung: Benjamin Arnold

unter Verwendung der Illustrationen von © SimpLine – stock.adobe.com; © Sylwia Nowik – stock.adobe.com; © lapencia – stock.adobe.com; © yurkaimmortal – stock.adobe.com; © ratkom – stock.adobe.com; © SG- design – stock.adobe.com; © OpenClipart-Vectors – pixabay.com; © Benjamin Arnold; © Katrin Lahmer

Kartendesign: © Maps4News.com/HERE

Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten

Printed in Germany

ISBN 978-3-8392-6374-7

Inhalt

 

Impressum

GOETHE, GRIMM UND GRIPS

Vorwort: Entlang der Lahn

Oberes Lahntal

  1 LAHNTOPF AM LAHNHOF BEIM LAHNKOPF

Netphen: Lahnquelle bei Lahnhof im Rothaargebirge

  2 WO SIEDLER DEN WALD RODETEN

Bad Laasphe: Stadt im Wittgensteiner Land

  3 HINTERLAND IST HOCHWASSERLAND

Biedenkopf: Perfstausee im Lahn-Dill-Bergland

  4 FESTE FEIERN BEIM GRENZWANDERN

Biedenkopf: Stadt im Hinterland

  5 WO DIE PUPPEN TANZEN

Biedenkop:fSchartenhof Eckelshausen

  6 VON KIRCHLEIN ZU KIRCHLEIN

Biedenkopf: Auf dem Lahntalradweg ab Wallau

  7 Sauberhafte Lahn, sumpfige Talauen

Lahntal: Die Lahn bei Kernbach

  8 FRAU IN WEISS, SOMMERGELBE FELDER

Lahntal: Otto-Ubbelohde-Haus in Goßfelden

  9 VON RABENFRAUCHEN

Ebsdorfergrund: Dörfer und Backhäuser im Marburger Land

Marburg an der Lahn

  10 ANWÄLTIN DER ARMEN

Marburg: Elisabeth-Relief am Historischen Rathaus

  11 Hysterie um Heilige

Marburg: Elisabethkirche

  12 Der Mann mit den drei Hoden

Marburg: Sophie-Skulptur am Marktplatz

  13 BURG MIT THRONSAAL

Marburg: Landgrafenschloss

  14 »Die kleine, krumme Stadt«

Marburg: Christian-Skulptur an der Wasserscheide

  15 Wo Haus an Haus sich lehnt

Marburg: Fachwerk am oberen Markt

  16 MARBURG IST EIN DORF

Marburg: Südviertel und Weidenhausen

  17 Außer Scherben nichts gewesen

Marburg: Alte Universität

  18 WOLF, WACKERSTEINE, WUNDERHORN

Marburg: Grimm-dich-Pfad und Haus der Romantik

  19 Der »Retter der Kinder«

Marburg:Mausoleum von Emil von Behring

  20 GRÜNE LUNGE FÜR CAMPUS FIRMANEI

Marburg: Alter und Neuer Botanischer Garten

  21 KULTURMEILE IM BIEGENVIERTEL

Marburg: Museum für Kunst und Kulturgeschichte

Gießen und Gießener Land

  22 WO EINST DIE KELTEN SIEDELTEN

Wettenberg: Gleiberg, Dünsberg, Vetzberg

  23 »UND DER PHLOX STEHT HOCH«

Rabenau: Auf Rilkes Spuren im Lumdatal

  24 Tudorgotik an der Lahn

Lollar: Schloss und Hofgut Friedelhausen

  25 WO MÜHLBÄCHE RAUSCHEN

Lollar: Schmelz-Mühle im Salzbödetal

  26 »dieser Sommer kommt nie zurück«

Staufenberg: Burg und altes Dorf

  27 Oberhessen lebt in den Museen weiter

Gießen: Oberhessisches Museum

  28 Rebellen unter sich

Gießen: Georg-Büchner-Büste am Kanzleiberg

  29 DER BÜRGER MUSENTEMPEL

Gießen: Stadttheater

  30 Der das Backpulver erfand

Gießen: Liebig-Museum

  31 GRÜNE CITY

Gießen: Alter Friedhof und Botanischer Garten

  32Per Dampfbahn durchs Lahntal

Gießen: Die Lahntalbahn Richtung Koblenz

  33 Wassersport in Hessens Mitte

Heuchelheim: Badeseen im Gießener Land 

  34 Die Spionagekamera Minox

Heuchelheim: Kameramuseum

  35 GERMANISCHES ROM IM LAHNTAL

Lahnau: Römisches Forum Waldgirmes

Wetzlar und Solms – Braunfelser Land

  36 DURCH DIE LAHNAUEN SPAZIEREN

Wetzlar: Lahnpark Naturraum Lahnauen

  37 FACHWERK UND INDUSTRIE VEREINT

Wetzlar: Stadt- und Industriemuseum

  38 Kultkamera Leica

Wetzlar: Leica-Erlebniswelt im Leitz-Park

  39 Wo der Pikenier wacht

Wetzlar: Dom und Domplatz

  40 Wie der Wohlstand zurückkam

Wetzlar: Reichskammergericht

  41 das sparsame Fräulein Doktor

Wetzlar: Palais Papius

  42 Das Leiden des jungen Goethe

Wetzlar: Lottehaus

  43 wahre Lotte, echter Jerusalem

Wetzlar: Jerusalemhaus

  44 Wo der »Arbeiterkaiser« lebte

Wetzlar: Wohnhaus August Bebels in der Brodschirm

  45 Den Drachen bezwingen

Solms: Kloster Altenberg und Grube Fortuna in Oberbiel

  46 Hessens Neuschwanstein

Braunfels: Schloss Braunfels

Von Weilburg bis Limburg

  47 Stille Tage am Fluss

Weilburg: Auf der Lahn nach Limburg

  48 Barocke Kleinresidenz

Weilburg: Schlossanlage Weilburg

  49 TERRASSEN ÜBER TERRASSEN

Weilburg: Schlossgarten und Schaugarten

  50 Verblüht, verlassen, vergessen

Weilburg: Alter und Jüdischer Friedhof

  51 Wo Auerochsen grasen

Weilburg: Wildpark Tiergarten Weilburg bei Hirschhausen

  52 Indien suchen, Amerika entdecken

Kubach: Kristallhöhle

  53 Lahnmarmor im Empire State Building

Villmar: Naturdenkmal Unica-Bruch

  54 Die Drei-Burgen-Stadt

Runkel: Burg Runkel und Burg Schadeck

  55 Wenn der Schleusenwärter schleust

Runkel: Mit dem Motorboot ab Steeden zum Rhein

  56 Pilgerreise zu Jakobus

Limburg: Auf dem Pilgerweg Lahn-Camino

  57 Freibrief für Reichtum

Limburg: Alte Lahnbrücke und Brückentorturm

  58 Laut, Quirlig, beliebt

Limburg: Rundgang durch die Altstadt

  59 VON SÄCKERN UND EDELSÄCKERN

Limburg: Fachwerkhäuser in der Altstadt

  60 Der Mantel des Schweigens

Limburg: Domberg mit Bischofsresidenz und Diözesanmuseum

  61 Die Kathedrale des Konrad Kurzbold

Limburg: Georgsdom

Im Nassauer Land

  62 Oranje auf Frisos Spuren

Diez: Grafenschloss und Stiftskirche

  63 Ein Château des Dames

Diez: Barockschloss Oranienstein

  64 Zeiten von Krieg, Pest und Raub

Diez: Alte Grafschaft Nassauer Land bei Diez

  65 Goethes Taschenmesser

Balduinstein: Lahnhöhenweg nach Obernhof

  66 Lahnwein von lieblich bis trocken

Obernhof: Weinlagen Goetheberg und Giebelhöll

  67 Läuterung eines Raubritters

Obernhof: Kloster Arnstein

  68 WALRAM, OTTO UND JOHANNS SÖHNE

Nassau: Nassauer Rathaus und Burg Nassau

  69 Der Nassauer Staatserneuerer

Frücht: Grabkapelle und Freiherr-vom-Stein-Pfad

  70 Apostel Petrus kopfüber

Dausenau: Sankt Kastorkirche

  71 »Und unten immer der Fluss«

Bad Ems: Kursaalgebäude und einstiges Fürstliches Badehaus

  72 Nobel ging die Welt zu Wasser

Bad Ems: Russische Kirche und Kaiserarchitektur

  73 Kurender König kommt als Kaiser zurück

Bad Ems: Emser Therme

  74 Wehre, Zölle, Treidelpfade

Bad Ems: Lahnschifffahrt zum Rhein

  75 Eine Römische Grenzmauer

Pohl: Freilichtmuseum Limeskastell

  76 Kein »Glückauf« mehr!

Lahnstein: Bergbaurundgänge rund um die alte Grube Friedrichssegen

  77 Wo die Lahn in den Rhein strömt

Lahnstein: Burg Lahneck

Quellenverzeichnis

Der Expressive Realist Franz Frank (1897 – 1986) malte dieses Ölbild 1950; es stellt die alte Lahnbrücke in Goßfelden dar.

GOETHE, GRIMM UND GRIPS

Vorwort: Entlang der Lahn

Das Lahntal zählt zu den schönsten Nebentälern des Rheins. Und das nicht nur wegen seiner Naturschönheiten, den dichten und doch lichten Laub- und Nadelwäldern, den naturbelassenen Auen, den Pfaden und Höhenwegen, den sonnenverwöhnten Weinbergen (ja!), dem sanft mäandernden Fluss, den rauschenden Staustufen. Beschauliche Dörfer, quirlige Fachwerkstädte säumen die Ufer. Wie viele Adelssitze es im Lahntal gibt! An Ufern und Hängen, auf Felsnasen thronen mehr als 300 Ruinen und prächtig erhaltene Wehrbauten, Ringwälle, Wacht- und Hexentürme, Stadtmauern, mittelalterliche und historistische Ritterburgen, Renaissance- und Barockschlösser, sogar ein englisches Tudorschloss. Die Marburger Elisabethkirche als erstes gotisches Gotteshaus östlich des Rheins, der majestätische Limburger Dom, der unvollendete Wetzlarer Dom, stolze Kloster-, gepflegte Dorfkirchen – sie alle tragen zum architektonischen Reichtum des Lahntals bei.

Das Lahntal befindet sich in direkter Nachbarschaft zu den Welterbe-Stätten Oberes Mittelrheintal und Nationalpark Kellerwald-Edersee. Die Lahn schlängelt sich vom 612 Meter hohen Ederkopf im Rothaargebirge auf 245 Kilometern in zahllosen Schleifen talabwärts, bei einem Gefälle von 567 Metern. Unterhalb der Burg Lahneck zwischen Nieder- und Oberlahnstein schließlich mündet sie in den Rhein. Der lückenlos von der Quelle zum Rhein verlaufende Lahntalradweg zählt zu den beliebtesten Flussradstrecken Deutschlands. Der Lahnwanderweg, im südlichen Verlauf identisch mit dem mal durch Taunus, mal durch Westerwald verlaufenden Lahnhöhenweg, lockt von Jahr zu Jahr mehr Wanderer und sogar Pilger an.

Stille und Entschleunigung finden Paddler bei gemäßigter Strömung auf dem Wasser. Kanuten, Radler und Camper vergöttern den verträumten, schönsten Flussabschnitt von Weilburg nach Runkel und Limburg. Sportbootfahrer kommen ab Steeden auf Touren. Alle profitieren sie davon, dass die Berufsschifffahrt auf der Lahn 1981 eingestellt wurde. Manche Wehre sind mittelalterliche Steinkonstruktionen, wurden vor 1.000 Jahren als Mühlenwehre gebaut und erfüllen immer noch ihre Funktion. Wo sonst gibt es noch so viele handbetriebene Schleusen, ein Dutzend davon mit Service durch Schleusenwärter? Und in Weilburg durchquert man den einzigen Schifffahrtstunnel Deutschlands. Das Schienennetz der Bahn verläuft parallel zum Fluss; es ist leicht, in Etappen zu wandern, zu rollen, zu gleiten.

Einst mussten Fuhrleute ihre Wagen durch so manche Flussfurt manövrieren. Inzwischen gibt es genug Brücken aus Holz, Stein, Stahl, Beton; wie viele weiß niemand genau. Es dürften mindestens 150 Übergänge sein: Schwimmende Ponton-Sommerbrücke in Wetzlar, eleganter Stahlseil-Steg in Gießen, wuchtige Balken-Eisenbahnbrücke in Lahnstein, 80-Millionen-Euro-Autobahnbrücke bei Limburg in spektakulärer Höhe. Nicht zu vergessen die ältesten Lahnbrücken: Wetzlar, Limburg, Weidenhausen in Marburg.

Wir befinden uns in einer geschichtsträchtigen Region, in der Kelten, Römer, Alemannen, Franken siedelten. Die Wurzeln des niederländischen Königshauses und der luxemburgischen Großherzöge reichen ins Lahntal. Die Nassauer Adelsfamilien, die Mainzer Erzbischöfe, die Landgrafen von Thüringen und Hessen rivalisierten um Territorien und vermehrten ihren Besitz durch geschickte Heiratspolitik. Im 19. und 20. Jahrhundert entdeckten Künstler, Literaten und Heimatforscher das Lahntal, verewigten es in Landschaftsgemälden, Poesie und Märchen über freche Froschkönige, traurige Mädchen in Rapunzeltürmen, gierige Wölfe und Liebesleid. In Wirklichkeit lebten im Lahntal allerhand Fantasten und Visionäre mit verrückten und sensationellen Ideen. Und wenn sie nicht alle schon gestorben wären, so lebten sie noch heute.

Oberes Lahntal

 

  1 LAHNTOPF AM LAHNHOF BEIM LAHNKOPF

Netphen: Lahnquelle bei Lahnhof im Rothaargebirge

Ich glaub, ich träume. Bin ich wieder im Allgäu, in dieser herrlichen hügeligen Voralpenlandschaft? Das Rothaargebirge. Die Wanderroute Rothaarsteig verbindet Brilon im Sauerland mit Dillenburg im südlichen Lahn-Dill-Bergland. Auf dem Rothaarkamm verläuft die Wasserscheide zwischen Rhein und Weser; die Haincher Höhe bei Netphen wiederum scheidet Lahn und Sieg. Denn die Quellen der Lahn, Sieg und Eder sickern hier im Abstand von wenigen Kilometern ans Tageslicht und streben voneinander fort.

Die Lahn »entspringt« eigentlich nicht, sondern bildet im Untergrund des kleinen Naturschutzgebiets Auerhahnwald Rinnsale, die sich zu einem runden Tümpel hochschaffen, dem Lahntopf in Lahnhof auf 607 Metern Höhe, Start oder Station mehrerer Wanderwege. Spaziert man im Hochsommer um den von einer giftgrünen Algenschicht bedeckten Quellteich, aus dem Aststücke ragen, rührt sich da kein Wässerchen; er wirkt wie ein Land-Art-Werk von Kurt Fleckenstein. Etwas weiter verbindet eine Viehbrücke zwei Kuhweiden, damit das Bächlein unter ihr geschont wird – unsere Lahn, da ist sie, nackt und armselig.

So wie äußere Anregungen den Charakter eines Menschen sein Leben lang beeinflussen, formt der Einfluss anderer Gewässer die Lahn. Ilse heißt eine ihrer ersten Freundinnen, in Heiligenborn steigt sie aus dem Boden, schon in Feudingen vereint sie sich mit ihr. Die Lahn nimmt während ihrer Reise durch sechs Landkreise in drei Bundesländern 104 Bäche und Flüsse in sich auf, bevor sie sich nach 245 Kilometern selbst als fünftgrößter Nebenstrom in den Rhein ergießt. Ihr längster Nebenfluss, die knapp 60 Kilometer lange Ohm, gesellt sich ihr bei Cölbe zu, gefolgt von Dill, Aar und Weil. Das kürzeste namentlich bekannte Wasser, das sich der Lahn anschließt, ist der 1,2 Kilometer messende Untere Ansbach im Kreis Limburg-Weilburg.

Sehr gut ausgeschildert sind der Lahntalradweg und der Lahnwanderweg mit Start in Lahnhof und Ende in Lahnstein am Rhein.

1

Lahnquelle

Startpunkt Wanderung: Forsthaus Lahnquelle

Lahnhof 1

57250 Netphen

 

Organisierte Touren ab der Lahnquelle:

Velociped Fahrradreisen

Alte Kasseler Straße 43

35039 Marburg

06421 886890

www.velociped.de

  2 WO SIEDLER DEN WALD RODETEN

Bad Laasphe: Stadt im Wittgensteiner Land

Bad Laasphe im südlichen Wittgensteiner Land überwand die Hürden zur Zertifizierung als Kneipp Premium-Class, von diesen Bädern gibt es in Deutschland nur wenige. Spaziert man durch die hervorragend erhaltene Altstadt, wird einem klar, wie bedeutsam Stadtmarketing ist. Wie in anderen Kleinstädten auch stehen zahlreiche Geschäftsflächen leer und so mancher Laden leistet sich mangels Kundschaft eine Mittagspause von zwei Stunden. Die Stadtoberen kaschierten diese Not vorbildlich mit Tugend und statteten gähnende Schaufenster mit Tafeln und Objekten zu Sehenswürdigkeiten aus. 19 Bronzetafeln an historisch bemerkenswerten Gebäuden geben Erläuterungen.

Die Kirche von 1230 ist der älteste erhaltene Bau Bad Laasphes, der behelmte Turm 500 Jahre jünger; er wirkt, als habe ein Riese ihm einen Hut übergestülpt. Laasphes Sohn Johannes Bonemilch kam zu einem Nachruhm, den er vermutlich als Makel ansehen würde: Als Weihbischof des hessischen und thüringischen Erzbistums Mainz weihte er 1507 Martin Luther im Erfurter Dom zum Priester. Bonemilch starb 1510, noch vor Luthers reformatorischer Wandlung.

Bad Laasphe hat 16.000 Einwohner in 24 Ortschaften, in der Kernstadt leben 6.000 Menschen. Im waldumschlossenen Weiler Heiligenborn im Rothaargebirge unweit der Lahnquelle, im Winter gelegentlich eingeschneit, stehen noch fünf Häuser, darunter die ehemalige Schule, und es gibt einen alten Friedhof. Bis Ende der 1960er-Jahre wanderten die Kinder des Dorfes Sohl gut drei Kilometer nach Heiligenborn zum Unterricht. Sohl hat heute 35 Einwohner. Heiligenborn ist eines der um 1700 von den Grafen Wittgenstein gegründeten »Kanondörfer«, deren Siedler roden sollten und zum Ausgleich nur geringe Steuer (den Kanon) zahlten. Heiligenborn passiert man auf dem Lahnwanderweg, es gehört zum Bad Laaspher Stadtteil Banfe.

Sehenswert: Industriemuseum Amalienhütte, Heimatmuseum Oberes Lahntal, Pilzkundemuseum, Radiomuseum und (alte) Druckerei Ernst Schmidt.

2

Altstadt Bad Laasphe Rund um den Kirchplatz

57334 Bad Laasphe

 

TKS Tourismus, Kur und Stadtentwicklung Bad Laasphe

Wilhelmsplatz 3

57334 Bad Laasphe

02752 898

www.tourismus-badlaasphe.de

  3 HINTERLAND IST HOCHWASSERLAND

Biedenkopf: Perfstausee im Lahn-Dill-Bergland

Die Grenze zwischen Marburger Land und Hessischem Hinterland verläuft irgendwo zwischen Elmshausen und Kernbach an der Lahn. Der 498 Meter hohe Rimberg in Caldern »gehört« der Großgemeinde Lahntal. Was Erhebungen angeht, punktet Biedenkopf mit einem 674 Meter hohen Hausberg, Sackpfeife genannt. Der hat eine Sommerrodelbahn, und im Winter tummeln sich auf ihm Skiläufer, Rodler, Snowboarder und Eisläufer. Man muss sich also nicht wundern, dass Biedenkopf Mitglied im Oberhessischen Gebirgsverein ist, was einen Allgäuer Älpler seltsam anmuten wird. Andere verwundert wohl die namentliche Zuordnung zu Oberhessen. Die komplizierte hessische Geschichte lässt grüßen: Dieses Oberhessen meint eine Region des alten Kurhessen-Kassel, während die frühere Hessen-Darmstädtische Provinz Oberhessen den Vogelsberg bezeichnete. Das Hinterland gehörte weder zu dem einen noch zu dem anderen Oberhessen.

Eder und Lahn, Perf und Salzböde durchfließen das Hinterland. Im idyllisch gelegenen Perfstausee zwischen Breidenstein und Breidenbach ist das Baden leider dauerhaft wegen Keimverunreinigung verboten. Die Talsperre reguliert den Zufluss der Perf in die Lahn und schützt die Umgebung seit 1993 vor einst verheerenden Hochwasserschäden. Der nur zwei bis vier Meter tiefe 18-Hektar-See fasst im Normalfall 600.000 Kubikmeter, kann aber bis zu 2,15 Millionen Kubikmeter aufnehmen. Das Naturschutzgebiet am hinteren Seeteil ist ein ungestörter Lebensraum für Wasservögel; ein Spazierweg führt rundherum.

Am Perfstausee sind wir mitten im nordöstlichen Teil des Naturparks Lahn-Dill-Bergland, einer wundervollen Mittelgebirgslandschaft mit ausgedehnten Tälern, Hügelkuppen und Senken. Dass dem Hinterland keine große Durchgangsstraße von Nord nach Süd zugedacht wurde, erweist sich als Segen für Bewohner und Besucher dieses heimeligen Fleckchens Erde.

Das denkmalgeschützte Rittergut Elmshausen (1586) im gleichnamigen Ortsteil von Dautphetal ist ein artgerechter Pferdebetrieb mit 16 Schulpferden und Pensionsstall für 35 Pferde und Ponys (www.rittergut-elmshausen.de).

3

Perfstausee

Gaststätte Seeblick

Am Perfstausee

35216 Biedenkopf

 

Region Lahn-Dill-Bergland e.V. (Tourismusbüro)

Herborner Straße 1

35080 Bad Endbach

02776 80115

www.lahn-dill-bergland.de

  4 FESTE FEIERN BEIM GRENZWANDERN

Biedenkopf: Stadt im Hinterland

Sind die Hinterländer, deren Identität sich in Eigennamen wie der Tageszeitung Hinterländer Anzeiger ausdrückt, nicht eigentlich Hinterwäldler? Tatsächlich überziehen Laub- und Nadelwälder die Hälfte des Altkreises Biedenkopf. Die Liebe zum heimatlichen Wald bestimmt allerhand Bräuche und Rituale, etwa das alle sieben Jahre gefeierte Kultfest Grenzgang, zu dem Biedenkopfer aus aller Welt in die Fachwerkstadt am Schlossberg strömen. Auf den Brott, das Kartoffelbraten im Wald zwischen kokelndem Buchenholz, müssen Freunde und Vereine nicht sieben Jahre warten, das feuchtfröhliche Ereignis findet jedes Jahr im Frühherbst statt.

Biedenkopfs Schriftstellersohn Stephan Thome setzte dem Grenzgang in seinem gleichnamigen Roman ein literarisches Denkmal, seinen Heimatort taufte er darin in »Bergenstadt« um. An­dreas Steinhöfel lässt seinen Kinderbuchbestseller Paul Vier und die Schröders in »Bergwald« spielen, einer Kleinstadt, die auch Biedenkopf nachempfunden ist. Mittlerweile ist Steinhöfel nach Jahren in Metropolen ins Hinterland zurückgekehrt; er hatte Heimweh. Ubbo Enninga, auch ein Künstlersohn Biedenkopfs, blieb weg, schuf aber Skulpturen für den Stadtpark und die Lahn.