Lore-Roman 104 - Helga Winter - E-Book

Lore-Roman 104 E-Book

Helga Winter

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Beschreibung

"Eine Unverschämtheit! Mich einfach vor vollendete Tatsachen stellen wollen, wir sind doch nicht mehr im Mittelalter!", echauffiert sich Lieselotte von Wandrey, während sie nach einem heftigen Streit mit ihrem Vater wutentbrannt das Anwesen der Familie verlässt.
Mit aufheulendem Motor und durchdrehenden Reifen rast die junge Baroness hinaus ins Ungewisse. Denn die unbekannte Welt da draußen deucht ihr die weitaus bessere Alternative zu der entsetzlichen Ödnis, in einer arrangierten Ehe mit Wolfgang von Hanau festzustecken.
Zum großen Entsetzen der beiden Adelsfamilien flattert bald ein Brief ins Haus, in dem Lieselotte erklärt, sie habe eine Anstellung als Alleinmädchen bei einem Witwer mit drei Kindern gefunden und beabsichtige in baldiger Zukunft nicht heimzukehren.
"Was denkt sich dieses Mädchen nur?", knurrt Baron Wandrey aufgebracht, zerknüllt den Brief in der Faust und stürmt hinaus, um seiner Tochter ein letztes Ultimatum zu stellen ...

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Inhalt

Cover

Der Heiratsantrag trieb sie fort

Vorschau

Impressum

Der Heiratsantrag trieb sie fort

Roman um den Schicksalsweg der Baroness Wandrey

Von Helga Winter

»Eine Unverschämtheit! Mich einfach vor vollendete Tatsachen stellen wollen, wir sind doch nicht mehr im Mittelalter!«, echauffiert sich Lieselotte von Wandrey, während sie nach einem heftigen Streit mit ihrem Vater wutentbrannt das Anwesen der Familie verlässt.

Mit aufheulendem Motor und durchdrehenden Reifen rast die junge Baroness hinaus ins Ungewisse. Denn die unbekannte Welt da draußen deucht ihr die weitaus bessere Alternative zu der entsetzlichen Ödnis, in einer arrangierten Ehe mit Wolfgang von Hanau festzustecken.

Zum großen Entsetzen der beiden Adelsfamilien flattert bald ein Brief ins Haus, in dem Lieselotte erklärt, sie habe eine Anstellung als Alleinmädchen bei einem Witwer mit drei Kindern gefunden und beabsichtige in baldiger Zukunft nicht heimzukehren.

»Was denkt sich dieses Mädchen nur?«, knurrt Baron Wandrey aufgebracht, zerknüllt den Brief in der Faust und stürmt hinaus, um seiner Tochter ein letztes Ultimatum zu stellen ...

Lieselotte von Wandrey winkte dem Reiter zu, der sich ihr im scharfen Trab näherte. Kurz vor ihm parierte sie ihr Pferd hart durch.

»Hallo!«, rief sie und lächelte ihm zu. »Nett, dich einmal wiederzusehen. Du hast dich bei uns rar gemacht.«

Wolfgang von Hanau stieg von seinem Pferd ab und reichte ihr die Hand.

»Ich war gerade auf dem Weg zu euch.«

Lieselotte verschmähte seine Hilfe und sprang leichtfüßig auf den Boden. Schlank und rank stand sie vor ihrem alten Jugendfreund, dessen Blick wohlgefällig auf ihr ruhte.

»Du bist wirklich ein verdammt hübsches Mädchen, Lieselotte«, sagte er, aber es klang nicht wie ein Kompliment.

»Danke. Aber du siehst auch nicht übel aus, altes Haus. Was willst du bei uns? Vater ist schon auf den Feldern.«

»Ich wollte zu dir. Du weißt wahrscheinlich Bescheid. Also was sagst du dazu?«

»Wozu?«, fragte Lieselotte stirnrunzelnd.

»Haben deine Eltern dir noch nichts erzählt?« Der hochgewachsene junge Mann trat einen halben Schritt zurück. »Wir sollen heiraten.«

»Wie bitte?« Lieselotte schaute ihn an, als zweifle sie an seinem klaren Verstand.

»Ja, die Eltern haben es sich in den Kopf gesetzt, und eigentlich ist es keine schlechte Idee, wenn man es sich richtig überlegt. Wir kennen uns, solange ich denken kann!«

»Du bist wohl total verrückt geworden, Wolfgang. Wir beide und heiraten !«

»Ich verstehe dich, Lieselotte. Im ersten Augenblick schüttelt man natürlich den Kopf. Mir ist es auch so gegangen ...«

»Danke für die Blumen«, warf die Baroness schnippisch ein.

»Wieso? Ach so. Nein, so war es nicht gemeint. Ich meine, der Gedanke war für mich ... Also, ich habe eigentlich nie daran gedacht, dich zu heiraten, das wollte ich sagen. Wir sind gute Freunde, und ... mehr ist zwischen uns eigentlich auch nie gewesen.«

»Stimmt genau. Und dabei wollen wir es auch belassen. Ich denke nicht daran, dich zu heiraten!«

»Und warum nicht?«, fragte Wolfgang schockiert. »Ein so übler Mensch bin ich nun auch nicht, oder?«

Lieselotte lachte. Es dauerte lange, bis sie sich so weit gefasst hatte, dass sie wieder zusammenhängend sprechen konnte.

»Du bist ein mächtig feiner Kerl, Wolfgang. Aber als Ehemann? Ich weiß nicht recht ...«

»Aber überleg doch mal«, sagte Wolfgang schmunzelnd. »Heiraten ist immer ein Risiko, aber wir beide kennen uns so gut, dass es in unserer Ehe eigentlich keine Überraschungen mehr geben dürfte.«

»Und das findest du erstrebenswert? Ein Leben ohne Überraschungen?«

»Nun ja ...« Wolfgang zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Ich meine, wir sind beide vernünftig, und ... wir lieben beide das Landleben, und Mutter meint auch, dass du einmal eine großartige Herrin auf Gut Hanau abgeben wirst.«

»Wenn sie das Zepter aus der Hand legt! Und das kann noch lange dauern. Bis dahin dürfte ich dann ihre Anweisungen entgegennehmen und die Ausführungen überwachen. Mit deiner Mutter kommt man nicht gut aus, Wolfgang.«

»Das ist nicht wahr. Ich versteh mich großartig mit ihr, und Vater auch ...«, nahm Wolfgang seine Mutter in Schutz.

»Weil ihr tut, was sie will«, gab Lieselotte zu bedenken. »Sie hat euch richtig erzogen. Sie braucht kaum einen Wunsch zu äußern, so überschlagt ihr euch schon beide, ihn zu erfüllen. Und ich soll dann die Dritte im Bunde sein, die ihr zu Diensten ist. Tut mir leid, Wolfgang, aber da spiele ich nicht mit.«

Baron Hanau kratzte sich den Nacken.

»Also so schlimm, wie du sie machst, ist Mutter wirklich nicht. Ich gebe ja zu, dass sie weiß, was sie will. Von ihr stammt auch die Idee, dass wir heiraten sollen. Sie hält viel von dir, Lieselotte. Schließlich bist du ein ungewöhnlich tüchtiges Mädchen. Wer auf den anderen Gütern hat schon eine Haushaltungsschule absolviert, einen Nähkursus mitgemacht, und ... na ja, das alles.«

»Ach! Möchte deine Mutter, dass du eine billige Schneiderin ins Haus bringst?«, spottete Lieselotte. »Das fehlt mir gerade noch, dass ich für deine Mutter etwas nähe. ›Ein Kleid sitzt hier nicht und sitzt dort nicht ...‹ Nein, Wolfgang, den Gedanken schlag dir aus dem Kopf. Ich mag dich schrecklich gern, aber heiraten werde ich dich nicht.«

»Da werden wir allerhand Schwierigkeiten kriegen, wenn wir uns weigern«, murmelte Wolfgang. »Wir sollen uns im Oktober verloben. Mutter ist schon dabei, die Gästeliste aufzustellen.«

»Und auf den Gedanken, mich zu fragen, kommt niemand?« Empört stampfte Lieselotte mit dem Fuß auf den Boden. »Das dumme Mädchen wird gefälligst tun, was man ihr sagt! Wir meinen es ja nur gut mit ihr«, imitierte sie eine andere Frauenstimme. »Und wenn sie nicht will, dann muss man sie eben zu ihrem Glück zwingen!«

»Niemand wird dich zwingen! Ich wüsste auch gar nicht, warum. Es ist wirklich das Beste, wenn wir heiraten. Also ich habe mich richtig mit dem Gedanken befreundet.«

»Was für ein stürmischer Liebhaber du bist!«

Es zuckte verächtlich um Lieselottes Mundwinkel.

»Soll ich dir etwas von großer Liebe und ewiger Treue erzählen?« Baron Hanau hob verzweifelt die Hände. »Ich denke, dieses Theater können wir uns sparen. Das ganze Zeug sagt man doch nur, wenn man ein Mädchen rumkriegen will.«

»Und mich willst du nicht rumkriegen, weil du glaubst, du hättest mich schon? Du bist wirklich ein Prachtstück, Wolfgang. Schade, dass ich dich nicht liebe, du würdest einen idealen Ehemann abgeben. Die Erziehung deiner Mutter bestimmt dich geradezu zum Pantoffelhelden.«

»Aber ich bitte dich, Lieselotte!«

»Verzeih, ich habe es nicht so gemeint.« Abbittend legte Lieselotte ihre Hand auf seinen Arm. »Dir steht eine üble halbe Stunde bevor«, unkte sie.

»Wieso?«

»Wenn du nach Hause reitest und deiner Mutter erzählst, dass die Lieselotte dich nicht will – ich kann mir wunderbar vorstellen, wie deine liebe Frau Mama da reagiert: ›Warum hast du so lange gezögert, Junge? Weißt du nicht, wie man mit Mädchen umgehen muss?‹ – ›Hast du sie in den Arm genommen und geküsst?‹ – ›Warum nicht? Du machst aber auch alles falsch, Junge! Setz dich auf dein Pferd, reite zu Lieselotte und ...‹«

»Bitte, hör auf!«, fiel Wolfgang ihr ins Wort. »Und das mit dem Küssen ...« Bevor Lieselotte ahnte, was er beabsichtigte, hatte er sie fest an sich gezogen. »Zufällig habe ich nämlich Lust, dich zu küssen«, behauptete er.

Aber Lieselotte sah ihm an, dass sein Herz keinen Takt schneller schlug als vorher. Sein Atem ging ruhig, und sein Blick verriet absolut keine Leidenschaft.

Lieselotte lachte ihm ins Gesicht.

»Lass es lieber, sonst müsste ich dir eine herunterhauen. Und das würde mir leidtun.«

»Du wirst es nicht wagen.«

»Du wirst es sehen!«

Wolfgang küsste sie – und erhielt prompt einen Stoß vor die Brust, der ihn zurücktaumeln ließ. Dann landete Lieselottes Hand klatschend auf seiner Wange.

»Musstest du denn gleich so fest zuschlagen?«, murrte Baron Hanau. »Und das alles nur eines kleinen Kusses wegen. Du wirst dich daran gewöhnen müssen, wenn wir erst verheiratet sind.«

»Willst du die Platte wieder auflegen? Dann verschwinde ich, Wolfgang. Hat mich sehr gefreut, einen Heiratsantrag von deiner Mutter zu bekommen. Sag ihr, ich wüsste die Ehre zu schätzen, dass sie um meine Hand angehalten hat.«

»Du bist ein Biest!«, knirschte Wolfgang, der es gar nicht gern hörte, dass Lieselotte seine Mutter verspottete.

Es stimmte ja, seine Mutter war ein wenig herrschsüchtig, aber auf so liebenswürdige Art und Weise, dass niemand ihr deshalb böse sein konnte. Sie hatte eine ungemein charmante Art, ihre Befehle in die Form von Wünschen zu kleiden.

»Was soll ich ihr denn nun sagen? Ich habe die Ringe mitgebracht. Willst du es dir nicht noch einmal überlegen, Lieselotte? Schau ihn dir nur an, gefällt er dir nicht?« Wolfgang holte ein Etui aus der Tasche und ließ es aufklappen. »Bitte, nimm ihn doch.«

»Armer Junge! Musst du eine Angst vor deiner Mutter haben!«

Lieselotte gab ihm einen freundschaftlichen Schlag auf den Rücken und schwang sich auf ihr Pferd.

Wolfgang von Hanau stand da wie ein begossener Pudel. Er schaute auf die verschmähten Ringe, klappte schließlich das Etui zu und schob es in die Tasche zurück.

Mit allem hatte er gerechnet, mit einem Korb aber nicht.

Warum will sie mich nicht?, fragte er sich.

Andere Mädchen waren hinter ihm her, weil er gut aussah und die Familie über Vermögen verfügte. Wolfgang von Hanau stand vor einem Rätsel.

Bekümmert ritt er davon ...

***

»Hast du Wolfgang nicht unterwegs getroffen?«, empfing Baron Wandrey seine Tochter, als sie kurz vor dem Mittagessen zurückkehrte. »Er wollte uns nämlich heute Vormittag besuchen.«

Lieselotte schmunzelte vor sich hin.

»Er ist abgedreht, weil ich ihm den Wind aus den Segeln genommen habe«, erklärte sie heiter.

»Was soll das heißen?«, fragte der alte Herr unmutig. »Habt ihr denn nicht über eure Zukunft gesprochen?«

»O doch. Stell dir vor, Wolfgang hat mir doch tatsächlich einen Heiratsantrag gemacht. Erst hielt ich seine Worte für einen Witz, aber ihm ist es wirklich ernst. Seine Mutter wünscht es nämlich.«

Lieselotte lachte, aber ihr Vater dachte nicht daran, in ihr Lachen einzufallen.

»Wir sind uns einig geworden, dass es für beide Familien das Beste ist, wenn ihr heiratet«, erklärte er stirnrunzelnd. »Ich verstehe nicht, was daran so komisch sein soll.«

»Wolfgang ist kein Ehemann für mich. Er ist ein netter Kerl, aber viel zu sehr von seiner Mutter abhängig. Ich denke nicht daran, freiwillig in das Gefängnis zu gehen, das mich auf Gut Hanau erwarten würde. Ich eigne mich nicht dazu, Hofdame zu sein.«

»Bitte, sprich nicht in dieser Form über Baronin Hanau. Sie ist eine Dame, die ich sehr hoch schätze und achte.«

»Ich auch. Nur als Schwiegermutter möchte ich sie nicht haben.«

»Rede nicht so einen Unsinn! Selbstverständlich wirst du Wolfgang heiraten. Du könntest keinen besseren Mann finden. Du bist noch zu jung und unerfahren, um zu wissen, wo dein Glück liegt. Vertrau dich uns an. Wir wissen, was gut für dich ist.«

»Tut mir leid, aber wenn es um meinen künftigen Mann geht, müsst ihr die Entscheidung schon mir überlassen.«

»Das wird aber nicht geschehen. Komm mit ins Wohnzimmer, Mutter wartet schon auf dich.«

»Um mir zu gratulieren?«, fragte Lieselotte ironisch.

Ihr Vater runzelte die Stirn und öffnete die Tür.

»Lieselotte hat Wolfgang unterwegs getroffen, deshalb ist er nicht gekommen«, erklärte er seiner Frau.

Baronin Maria stand auf und schloss Lieselotte in die Arme.

»Meinen herzlichen Glückwunsch, Kind. Ich bin ja so froh ...«

»Ich habe Wolfgang einen Korb gegeben«, fiel Lieselotte ihr rasch ins Wort.

Baronin Maria warf einen um Hilfe flehenden Blick auf ihren Mann. Sie wusste mit überraschenden Situationen nie etwas anzufangen.

»Das kommt natürlich nicht infrage. Die beiden werden heiraten, und damit basta.«

Friedrich von Wandreys Stimme klang sehr entschieden. Er war alles andere als ein Pantoffelheld. Was er wollte, wurde gemacht.

»Ich habe doch gesagt, dass ich Wolfgang nicht heiraten will.«

»Kleide dich zum Essen um, Lieselotte. Dass du immer in diesem alten Reitanzug herumlaufen musst ... Du siehst aus wie eine Landstreicherin. Wer heutzutage einem jungen Mann gefallen will, muss etwas für sein Äußeres tun«, mahnte ihr Vater.

»Wolfgang nimmt mich so, wie ich bin. Er hat sich mit mir abgefunden, hat er gesagt. Nett von ihm, findet ihr nicht auch?«

»Zieh dich um, ich habe keine Lust, über ein ernstes Thema in dieser Form zu sprechen.«

Lieselotte zuckte die Schultern und schlenderte hinaus.

Ihr Vater bestand darauf, dass sie sich zum Mittagessen umkleidete, obwohl Lieselotte das Umkleiden für glatte Zeitverschwendung hielt. Nachmittags zog sie ja doch wieder ihren alten Reitanzug an, in dem sie sich nun einmal am wohlsten fühlte.

***

»Wenn sie sich nun weigert, Wolfgang zu heiraten?«, fragte Baronin Maria beklommen, als sie mit ihrem Mann allein war. »Wir können sie doch nicht zwingen, Friedrich.«

»Sie wird schon sehen, was wir alles können! Die Sache ist abgemacht, und dabei bleibt es.«

»Sie hat viel von dir, Friedrich«, murmelte Baronin Maria ahnungsvoll. »Sie hat auch solch einen Dickkopf.«

»Sag nur, ich hätte einen Dickkopf«, verwahrte sich der alte Herr lachend. »Bin ich nicht ein guter Ehemann?«

»Doch, das bist du«, bestätigte seine Frau.

Aber ich tue ja auch alles, was du willst, setzte sie in Gedanken hinzu.

Sie war immer gut dabei gefahren, das musste sie zugeben, denn Friedrich pflegte seine Entscheidungen niemals leichtsinnig oder überstürzt zu fällen.

Beim Essen kamen sie mit keinem Wort auf die geplatzte Verlobung zurück.

Lieselotte ließ es sich schmecken, denn das lange Reiten hatte sie hungrig gemacht. Den Mokka nahmen sie in einem kleinen Salon ein, in dem sie vor fremden Ohren sicher waren.

»Du musst gelegentlich mit deiner Mutter in die Stadt fahren und dir ein neues Kleid kaufen«, sagte Baron Friedrich, nachdem er sich eine Zigarre angesteckt hatte.

Er genoss diese halbe Stunde nach dem Mittagessen und war dabei stets in bester Stimmung.

Friedrich hatte aber auch allen Grund gehabt, mit seinem Leben zufrieden zu sein. Seine Familie war gesund, das Gut brachte reiche Erträge, seine einzige Tochter war gut geraten und hatte ihnen nur Freude gemacht. Was konnte ein Mensch schon mehr vom Leben verlangen?

»Ich habe Kleider genug«, meinte Lieselotte leichthin.

»Du brauchst etwas für deine Verlobung. Mutter weiß, was man dazu anzieht. Sie wird dich beraten.«

»Bitte, Vater, hör doch jetzt von dieser dummen Verlobung auf«, bat Lieselotte gereizt. »Ich will nicht, das weißt du doch. Und zwingen kannst du mich nicht.«

»So? Meinst du das?« Der alte Herr legte die Zigarre in den Aschenbecher und kniff die Augen ein wenig zusammen. »Vielleicht irrst du dich. Ich habe alles mit den Hanaus besprochen, und ich denke nicht daran, einer Laune von dir nachzugeben. Du wirst gefälligst tun, was wir wollen.«

»Und wenn ich mich weigere?« Lieselotte schob ihr Kinn vor, und Frau Maria erschrak über die Ähnlichkeit, die ihr Gesicht in diesem Augenblick mit dem ihres Vaters hatte.

»Zankt euch nicht«, mischte sie sich vermittelnd ein.

Baron Friedrich griff wieder nach seiner Zigarre.

»Du hast ja auch noch Zeit genug, dich an den Gedanken zu gewöhnen, einmal Frau von Hanau zu heißen. Wobei ich persönlich übrigens nicht verstehen kann, dass man sich daran gewöhnen muss. Du bekommst einen gut aussehenden Mann.«

»Ich will nicht, Vater, begreif es doch. Wolfgang ist kein Mann, sondern ein Muttersöhnchen. Ich will einen Mann haben, zu dem ich aufschauen kann. In meiner Ehe will ich nicht die Hosen anhaben.«

»Du wirst Wolfgang heiraten!«, stieß Baron Wandrey zornig hervor.

»Werde ich nicht!«, gab seine Tochter im gleichen Ton zurück.

Die beiden sehen aus wie zwei Kampfhähne, die jeden Augenblick aufeinander losgehen wollen, dachte Baronin Maria entsetzt.

»Dann wirst du mein Haus verlassen, mein liebes Kind.«

»Gut! Und wann soll ich gehen? Jetzt gleich, oder hat es bis morgen Zeit? «

Baron Friedrich schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Tassen hochsprangen.

»Was für einen Ton erlaubst du dir mir gegenüber? Mir scheint, ich war viel zu nachsichtig mit dir!«

»Friedrich, reg dich nicht so auf!«, beschwor Frau Maria den erzürnten Gatten.

»Was bildet unsere Tochter sich nur ein! Alles haben wir für sie getan, keinen Wunsch haben wir unerfüllt gelassen! Und zum Dank glaubt sie, sie könne uns auf der Nase herumtanzen! Aber das schlag dir aus dem Kopf, Lieselotte!«, brauste er auf und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht herum. »Du heiratest Wolfgang, oder du musst zusehen, wie du ohne uns fertigwirst.«

»Ich brauche euch nicht, um leben zu können. Gott sei Dank bin ich durchaus imstande, auf eigenen Füßen zu stehen.«

»Ach! Und wie stellst du dir das vor? Glaubst du, die Hundertmarkscheine fallen nur so vom Himmel? Du hast überhaupt keine Ahnung vom Leben! Aber weshalb rege ich mich eigentlich so auf? Du warst immer vernünftig und wirst vernünftig bleiben.«

»Ich werde Wolfgang nicht heiraten!«

»Dann geh!«, schrie Baron Wandrey seine Tochter an. »Pack deine Sachen, und geh! Hier bin ich Herr im Haus, und wenn du denkst, du könntest machen, was du willst, dann such dir ein anderes Dach über dem Kopf.«

Lieselotte stand auf.

»Wie du willst!« Auch sie war ein Hitzkopf. »Wenn du glaubst, du könntest mich mit deinem Geld erpressen, dann irrst du dich!«

»Bitte, bleibt doch vernünftig«, beschwor Baronin Maria die beiden fast weinend.

»Ich bin vernünftig!«, sagten Vater und Tochter wie aus einem Mund.

Dann machte Lieselotte auf dem Absatz kehrt und stürmte hinaus. Die Tür knallte hinter ihr ins Schloss.

»Du bleibst! Du wirst ihr nicht nachgehen, Maria!«, knirschte Baron Friedrich, als seine Frau Anstalten machte, Lieselotte zu folgen. »Sie wird schon sehen, wie weit sie mit ihrem Dickkopf kommt. Den Hanaus erzählen wir, sie besuche eine Freundin. Ich gehe mit dir jede Wette ein, dass Lieselotte bald wieder zurückkommt.« Er legte den Arm liebevoll um die Schultern seiner Frau. »Du wirst sehen, es wird sich alles wieder einrenken«, flüsterte er ihr halblaut zu.

***

Als Baronin Maria eine Stunde später – ihr Mann war gerade ausgeritten – Lieselottes Zimmer betrat, fand sie ihre Tochter beim Packen.

»Kind, was soll der Unsinn?« Beschwörend legte sie ihre Hand auf Lieselottes Schulter. »Gönne Vater ein gutes Wort, und alles wird wieder gut werden. Du kennst ihn doch, er braust leicht auf.«

»Vater ist gut, solange man tut, was er will. Hat man eine eigene Meinung, spielt er den Tyrannen. Ich mache nicht mehr mit, Mutter. Er würde immer wieder von Wolfgang anfangen, und vielleicht würde ich eines Tages weich werden und um des lieben Friedens willen Ja sagen.«

»Und was wäre dagegen einzuwenden?«, fragte Baronin Wandrey leise. »Wolfgang ist wirklich der geeignete Mann für dich.«

Lieselotte seufzte. »Ich weiß, dass du es gut mit mir meinst, Muttchen, aber ich muss mein Leben allein gestalten. Ich werde mir eine Stellung suchen und arbeiten.«

»Du hast es doch nicht nötig. Wir sind reich, und du willst für andere Leute arbeiten? Kind, sei nicht so dickköpfig.«

Lieselotte richtete sich auf.