Lore-Roman 22 - Ursula Fischer - E-Book

Lore-Roman 22 E-Book

Ursula Fischer

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Beschreibung

Eine Unruhe ist in Dagmar, die sie am späten Abend noch mal aus dem Haus treibt. Haltlos streift sie durch den Garten, und ein tiefer Konflikt wütet dabei in ihrem Herzen. Sie wünscht sich, Herr Sandhorst wäre bei ihr, stünde neben ihr, ja, sie wünscht sich sogar, dass er sie in den Arm nehmen und küssen sollte - ausgerechnet der Mann, der in jener schicksalsträchtigen Nacht am Steuer saß und ihren Vater so schwer verletzt hat. Es ist doch meine Pflicht, ihn zu hassen, sagt sie sich immer und immer wieder. Aber sie kann es nicht ...

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Seitenzahl: 140

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Inhalt

Cover

Impressum

Ich darf dich nicht lieben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Aleshyn_Andrei/shutterstock

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6038-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ich darf dich nicht lieben

Schicksalsroman um Schuld und Sühne

Von Ursula Fischer

Eine Unruhe ist in Dagmar, die sie am späten Abend noch mal aus dem Haus treibt. Haltlos streift sie durch den Garten, und ein tiefer Konflikt wütet dabei in ihrem Herzen. Sie wünscht sich, Herr Sandhorst wäre bei ihr, stünde neben ihr, ja, sie wünscht sich sogar, dass er sie in den Arm nehmen und küssen sollte – ausgerechnet der Mann, der in jener schicksalsträchtigen Nacht am Steuer saß und ihren Vater so schwer verletzt hat. Es ist doch meine Pflicht, ihn zu hassen, sagt sie sich immer und immer wieder. Aber sie kann es nicht …

„Das ist sicherlich Tante Schwarze“, meinte Cord Dornbusch, als es klingelte. „Mach nicht solch ein Gesicht, Jutta, Tante Schwarze ist sehr lieb.“

Seine Mahnung war verschwendet, Jutta dachte gar nicht daran, sich ihm zuliebe zu verstellen. Verdrossen schaute sie auf die Tür. Aber auf dem Flur hörte sie stattdessen eine Männerstimme, die den missmutigen Ausdruck von ihrem Gesicht fortwischte.

„Onkel Roderich, Onkel Roderich!“, schrie sie mit ihrer hellen Kinderstimme, warf die Bettdecke achtlos zurück und raste barfuß auf den Flur. Sie strahlte den Mann an, der gekommen war.

Die kleine Jutta Dornbusch schrie vor Entzücken, als Roderich Sandhorst sie hochhob und ein paar Mal durch die Luft schwenkte, bevor er sie wieder behutsam auf die nackten Füße stellte.

„Na, du warst schon im Bett“, vermutete er.

„Ich musste sie heute früher hinlegen, es ging nicht anders. Ich dachte, Frau Schwarze käme schon. Sie hat mir versprochen, heute Abend einmal nach Jutta zu schauen.“

„Frau Schwarze“, wiederholte Roderich Sandhorst und nickte verständnisvoll.

„Sie soll nicht kommen“, meldete sich Jutta. „Die tut bloß immer so freundlich, ich mag sie nicht. Bleibt doch heute beide hier und erzählt mir eine Geschichte“, schlug sie vor. „Du kennst doch so viele schöne Geschichten, Onkel Roderich.“

Der geplagte Vater seufzte. „Sei endlich still, Jutta, du weißt doch, dass wir zu dem Betriebsfest müssen. Lust habe ich ja auch nicht. Belästige Onkel Roderich nicht.“

„Belästige ich dich?“, fragte die Kleine prompt und der Antwort im Voraus gewiss.

Roderich Sandhorst konnte der Verlockung ihrer strahlenden Augen nicht widerstehen, hob sie hoch und drückte sie an sich.

„Nein, du belästigst mich nicht“, versicherte er. „Aber dein Vati hat leider recht, wir müssen zu dem Betriebsfest. Wir bleiben nicht lange.“

„Warum nehmt ihr mich nicht mit?“

„Weil du noch zu klein bist, das habe ich dir doch schon hundertmal gesagt“, erklärte der Vater. Mit einer fahrigen Bewegung fuhr er sich über die Stirn. „Ein furchtbares Wetter heute“, stellte er fest. „Diese Gewitterschwüle bringt mich noch um.“

Besorgt schaute Roderich seinen Freund und Arbeitskollegen an.

„Macht dir deine Kopfverletzung immer noch zu schaffen?“

„Nur beim Wetterumschwung. Es gibt heute bestimmt noch ein Gewitter. Den ganzen Tag schon habe ich rasende Kopfschmerzen.“

Man sah sie ihm auch an, fand Roderich.

„Wir brauchen nicht lange zu bleiben, sobald es geht, verdrücken wir uns“, tröstete er ihn. „Und dies hier ist für dich, Jutta.“

„Bärchen“, strahlte die Kleine, als sie die Tüte mit den heiß geliebten Gummibonbons entgegennahm.

„Aber doch nicht jetzt, du hast dir schon die Zähne geputzt“, mahnte Cord Dornbusch. „Lass die Bärchen für morgen, niemand nimmt sie dir weg.“

„Ich will sie jetzt essen“, erklärte die Kleine entschieden. Und sie ließ ihrer Ankündigung die Tat folgen, riss die Verpackung auf und stopfte sich gleich ein paar in den Mund. Deshalb klangen ihre Worte auch etwas undeutlich, als es wieder klingelte. „Das isse.“

„Es wird Frau Schwarze sein“, meinte auch ihr Vater. „Dass du mir ja lieb bist, Jutta, hörst du!“ Er hob drohend den rechten Zeigefinger, um seiner Mahnung Nachdruck zu verleihen.

„Sie haben Besuch, Herr Dornbusch?“ Die junge Frau, die auf dem Hausflur stand, schaute von ihm neugierig auf Roderich Sandhorst. „Komme ich ungelegen?“

„Ja“, trompetete Jutta. Sie stopfte sich rasch noch ein paar Bärchen in den Mund.

Frau Schwarzes strahlendes Lächeln gefror zu einer Grimasse.

„Sie meint es natürlich nicht so“, glaubte Cord seine Tochter bei der Nachbarin entschuldigen zu müssen. „Marsch ins Bett, Jutta, es wird allerhöchste Zeit für uns aufzubrechen.“

„Ich bleibe bei dir, bis du eingeschlafen bist“, versprach Frau Schwarze der Kleinen. „Mir ist, als wärst du mein Kind.“

Jutta krauste die Nase. Sie glaubte Frau Schwarze kein Wort.

„Hast ja selbst ein Kind“, brachte sie undeutlich hervor.

„Ja, und ich bin sehr froh darüber.“ Es klang ein klein wenig trotzig, denn Frau Schwarze hatte zwar ein Kind, aber keinen Ehemann. Sie befand sich immer ein bisschen in Abwehrstellung, wenn die Rede auf ihre Tochter kam. „Gut sehen Sie aus“, wandte sie sich an Cord Dornbusch. „Der Anzug steht Ihnen fabelhaft.“

Der Mann lächelte verlegen. Er gefiel sich keineswegs in seinem feierlichen Aufzug, denn er gehörte zu den Männern, die saloppe Kleidung bevorzugten. Aber zu dem Betriebsfest des Werkes musste er sich wohl oder übel in Schale werfen.

„Sie werden auch tanzen, nicht wahr?“, fragte Frau Schwarze. „Wie lange ist es schon her, dass ich das letzte Mal getanzt habe …“

„Mein Vati macht sich nichts aus Tanzen. Er sagt, das wäre bloß blöde Hopserei“, verriet Jutta eifrig.

„Davon verstehst du noch nichts“, wies Frau Schwarze sie zurecht.

„Du riechst“, stellte Jutta fest und rümpfte die Nase.

Eine feine Röte stieg Frau Schwarze ins Gesicht. Sie hatte vielleicht tatsächlich ein bisschen zu viel Parfüm benutzt.

„Du riechst immer so komisch“, fuhr Jutta fort, weil sie instinktiv spürte, dass sie ein Thema erwischt hatte, das den Erwachsenen peinlich war. „Findest du das gut? Mein Vati mag es nicht, wenn Frauen riechen, hat er gesagt.“

„Halt jetzt endlich deinen Mund“, fuhr Cord sie gereizt an. „Was Kinder sich alles ausdenken!“

„Das hast du wohl gesagt“, trotzte Jutta. „Man darf nicht lügen, Vati. Du hast gesagt, wenn Tante Schwarze da war, dann müsstest du immer erst lüften.“

Cord Dornbusch holte tief Luft. „Jetzt reicht es mir!“, fuhr er seine Tochter in tödlicher Verlegenheit an. „Ich schäme mich für dich. Hören Sie nicht auf die Kleine, Frau Schwarze, ich weiß auch nicht, woher sie diesen Unsinn hat. Ich mag Ihr Parfüm sehr gern.“

„Lügner, Lügner!“ Jutta hüpfte von einem Fuß auf den anderen.

„Man merkt, dass Ihrer Kleinen die Mutter fehlt“, äußerte Frau Schwarze in geheucheltem Mitleid. „Armes Kind …“

„Ich bin kein armes Kind“, fuhr das Mädchen hoch. „Und ich weiß genau, was du willst. Du willst bloß meine neue Mutti werden, aber das will ich nicht. Und wenn Vati das will, dann laufe ich weg und komme nicht wieder. So!“

„Noch ein Wort, und …“ Cord Dornbusch hob gereizt die Rechte. „Ich schäme mich für dich.“

Und dazu hatte er noch diese wahnsinnigen, stechenden Kopfschmerzen. Die Augen taten ihm in den Höhlen weh, bei jeder Bewegung schmerzte sein Kopf zum Zerspringen, und dann kam Jutta noch mit solchen Sachen an, ausgerechnet heute. Es war manchmal ein Kreuz mit ihr.

Immerhin begriff er, dass er noch vorsichtiger sein musste, wenn er sich mit ihr unterhielt oder in ihrer Gegenwart mit anderen sprach. Sie verstand viel mehr, als er gedacht hatte, und sie brachte ihre Kenntnisse natürlich immer im ungeeignetsten Moment an.

Frau Schwarze wirkte ein bisschen verstört, als sie sich niederbeugte und Jutta über das Haar strich.

„Was du dir alles einbildest … aber trotzdem habe ich dich sehr lieb, Jutta. Und nun bringe ich dich ins Bett. Hast du dir schon die Zähne geputzt?“

Die Kleine nickte verbissen. „Wenn ich groß bin, heirate ich Vati, und ich koche für ihn und mache sauber und überhaupt alles. Wir brauchen keine andere Frau.“

„Schon gut.“ Frau Schwarze wusste, wann es besser war, sich nicht auf eine Unterhaltung mit kleinen Kindern einzulassen. „Wann werden Sie ungefähr zurückkommen?“, erkundigte sie sich bei Cord.

„Möglichst noch vor Mitternacht.“

„Ich werde jede Stunde einmal nach Jutta schauen“, versprach Frau Schwarze. „Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Dornbusch, genießen Sie den Abend. Sicherlich werden Sie sehr viel Spaß haben. Ein Mann hat es in der Beziehung besser, wir Frauen dagegen …“

Roderich Sandhorst warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es wurde Zeit, dass sie losfuhren.

„Ist es dir recht, wenn wir heute deinen Wagen nehmen?“, fragte er Cord. „Meiner ist nicht ganz in Ordnung. Ich muss ihn Montag zur Inspektion bringen. Wahrscheinlich liegt es am Vergaser.“

„Selbstverständlich … Ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen, Sie jetzt mit Jutta allein zu lassen, Frau Schwarze. Ich werde versuchen, es wiedergutzumachen.“

„Ich helfe Ihnen doch gern, Herr Dornbusch, Sie brauchen sich mir gegenüber in keiner Weise verpflichtet zu fühlen. Nachbarn müssen einander helfen, finde ich. Besonders alleinstehende Menschen wie wir …“

„Mein Vati hat mich, er ist nicht alleinstehend“, belehrte sie Jutta wütend. „Tu doch nicht so, Tante Schwarze.“

„Ich glaube, bei Jutta liegt es auch am Wetter, dass sie heute so unausstehlich ist. Entschuldigt mich einen Moment, ich möchte eine Tablette nehmen.“

Cord lächelte verkrampft, als er ins Badezimmer ging. Es waren starke Tabletten, die er einnahm, und wahrscheinlich würden sie wenigstens eine Stunde lang wirken, und danach …

Er schaute in den Spiegel über dem Waschbecken, und das Gesicht, das er dort sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Es war ein Gesicht, das heute alt und verdrossen aussah, das Gesicht eines Mannes, den das Leben hart herangenommen hatte.

Seit dem Tode seiner Frau brachte er Jutta morgens in den Kindergarten und holte sie abends wieder ab. Und seitdem war aus Jutta ein sehr lebhaftes, manchmal recht vorlautes Mädchen geworden. Im Kindergarten spielte sie in ihrer Altersgruppe die Anführerin, hatten die Tanten ihm erzählt, und sie fanden das ganz in Ordnung.

Manchmal war Jutta für ihn eine arge Belastung, wenn sie abends pausenlos erzählte. Sie erlebte immer furchtbar viel, und natürlich musste ihr Vati alles wissen. Er kannte die Kinder, mit denen sie zusammen war, alle mit Namen, ohne die meisten von ihnen je gesehen zu haben.

Wenn sie erst zur Schule geht, wird es besser werden, dachte er. Gott sei Dank war es bald so weit. Das Problem war nur, was er dann nachmittags mit ihr anfing. Die Vorstellung, dass seine Jutta als Schlüsselkind aufwachsen musste, behagte ihm ganz und gar nicht. Aber ihretwegen kann ich schließlich nicht heiraten, dachte er wieder einmal, auch wenn Frau Schwarze es gern möchte.

Sie war nicht sein Fall. Er hatte nichts gegen sie, jedenfalls hätte er das behauptet, hätte man ihn gefragt, aber alles an Frau Schwarze war ihm ein bisschen zu aufdringlich, eine Spur zu ordinär.

„Meinetwegen können wir jetzt losfahren“, meinte Cord müde, als er wieder auf den Flur getreten war. „Sei brav und mach Tante Schwarze keine unnötige Arbeit. Schlaf gut.“

„Habe ich dir schon erzählt, dass der blöde Peer den Ball gegen Tante Lydia geworfen hat und die …?“

„Ja, das hast du mir schon erzählt. Noch einmal herzlichen Dank, Frau Schwarze.“

Er gab seiner Kleinen einen Kuss und riss sich dann los. Bei der Vorstellung, noch einen langen Festabend vor sich zu haben, spürte er eine gelinde Gänsehaut auf dem Rücken. Man erwartete von ihm, dass er sich von seiner liebenswürdigsten Seite gab. Normalerweise hätte ihm das nichts ausgemacht, aber heute, mit seinen Kopfschmerzen …

„Soll ich fahren?“, fragte Roderich ihn mitfühlend, als Cord die Tür seines Wagens aufschloss.

Der Mann schüttelte den Kopf.

„Nein, es geht schon …“ Er warf einen Blick zum Himmel. „Wenn das Gewitter doch bloß käme, vielleicht kühlt es sich dann ein bisschen ab. Man bekommt ja keine Luft mehr …“

***

„Soll ich Ihnen noch eine Tasse Kaffee mitbringen?“, fragte Elke Ohlhoff.

Sie lächelte Cord Dornbusch, mit dem sie an einem Tisch saß, freundlich zu. Es fiel dem Mann sehr schwer, ihr Lächeln zu erwidern.

Seine Kopfschmerzen waren zurückgekommen, stärker noch als vorher. Die Musik dröhnte in seinem Kopf, er fühlte sich hundeelend. Und dann hatte er tanzen müssen, aber wie, das wusste er selbst nicht.

„Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte Elke Ohlhoff. Sie trug ein helles, dezent ausgeschnittenes Sommerkleid, das die Bräune ihrer Haut hübsch zur Geltung brachte.

Cord schaute sie aus trüben Augen an. Was hatte sie gefragt? Es fiel ihm schwer, sich zu erinnern, ach richtig, etwas mit Kaffee … Er hatte ein Glas Sekt getrunken, danach nur Sprudel und Cola.

„Wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht …“ Eigentlich müsste ich mich zur Theke drängen und den Kaffee holen, dachte er, aber die Vorstellung allein war ihm schon zuwider.

Ein nettes Mädchen, dachte er flüchtig, als er ihr nachschaute. Sie musste im Betrieb neu sein, er konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern, sie vorher schon einmal gesehen zu haben. Vielleicht hatte jemand sie auch nur mitgebracht. Im Grunde genommen interessierte es ihn nicht.

Er tastete die linke Jackentasche ab und holte die Tabletten heraus. Nicht mehr als zwei, hatte sein Arzt ihm gesagt. Vier hatte er heute schon genommen, und jetzt brauchte er unbedingt noch welche. Werde schon nicht daran sterben, dachte er und schnitt eine grimmige Grimasse. Mit einem Schluck Cola spülte er zwei weitere Tabletten hinunter.

Elke Ohlhoff bemerkte es, als sie, zwei Tassen in der Hand, auf den Tisch zuging. Sie war ein bisschen enttäuscht, nicht nur ein bisschen, um ehrlich zu sein, sie war sehr enttäuscht.

Auf den ersten Blick schon hatte er ihr gefallen, und das kam bei Elke Ohlhoff selten vor. Sie war vorsichtig, bevor sie sich ein Urteil über Menschen bildete, aber dieser Herr Dornbusch hatte etwas an sich, was sie sympathisch berührte. Sie hatte sich an seinen Tisch gesetzt, als die offizielle Sitzordnung nach dem Essen aufgehoben wurde. Man hatte die Tische zur Seite gerückt, um eine große Tanzfläche zu haben.

Cord Dornbusch tanzte an diesem Abend wie ein Bär, und seine Unterhaltung war alles andere als amüsant, wenn er überhaupt etwas sagte. Umso häufiger schaute er dabei auf seine Uhr.

Gedankenverloren schaute er auf die Kaffeetasse, die plötzlich vor ihm stand. Hoffentlich ist Jutta bald eingeschlafen, dachte er. Was sie alles so sagt … Was muss Frau Schwarze nur von mir gedacht haben …

Die Musik begann erneut zu spielen, und unwillkürlich seufzte Cord Dornbusch. Er stand auf und ging schwerfällig auf die Frau des kaufmännischen Direktors zu.

Elke Ohlhoff bekam schmale Lippen, als sie hinter ihm herschaute. Stoffel, dachte sie. Er besaß überhaupt keine Manieren, hatte sich nicht einmal für den Kaffee bedankt, und jetzt ließ er ihn auch noch kalt werden.

„Darf ich bitten?“ Roderich Sandhorst verneigte sich lässig vor ihr.

Er war von der Theke gekommen, denn seine letzte Tänzerin hatte Appetit auf ein Glas Sekt verspürt.

Elke warf ihm einen schwer deutbaren Blick zu. Roderich erwiderte ihn offen, und dann lächelte er ihr zu. Es war solch ein charmantes, nettes Lächeln, dass Elke unwillkürlich zurücklächelte.

„Gern“, versicherte sie, und das war die Wahrheit, denn Roderich tanzte ausgezeichnet. „Ihr Freund scheint heute nicht in Stimmung zu sein“, äußerte sie.

„Er hat Kopfschmerzen, schon den ganzen Nachmittag. Die Folge einer Kriegsverletzung. In den letzten Tagen hat es ihn noch erwischt … Wir waren damals Flakhelfer, Schuljungen noch … Vielleicht macht er sich auch Sorgen um seine Tochter.“

„Herr Dornbusch ist verheiratet?“, fragte Elke mit spürbarer Enttäuschung.

„Witwer“, verbesserte Roderich sie. „Seine Frau ist vor zwei Jahren gestorben. Und seitdem … Ich möchte nicht in seiner Haut stecken. Seine Tochter ist ein ungewöhnlich lebhaftes Mädchen. Sie lässt ihm zu Hause keine Ruhe.“

„Hat er denn niemanden, der für sie sorgt?“

Roderich erwähnte Frau Schwarze. „Es ist ihm natürlich peinlich, die Hilfe seiner Nachbarin anzunehmen, besonders, weil …“ Er brach ab, als er merkte, dass er im Begriff war, zu klatschen. „Furchtbar heiß hier“, wechselte er das Thema.

„Wie alt ist seine Tochter?“

„Sie muss nächstes Jahr zur Schule. Ein nettes, aufgewecktes Mädchen. Manchmal ein bisschen vorlaut. Sie kann meinen Freund ganz schön in Verlegenheit bringen. Manchmal glaube ich, dass sie es geradezu darauf anlegt. Sie weiß genau, was sie nicht sagen dürfte – und genau das sagt sie dann.“

Elke lachte verhalten. „Die meisten Kinder sind so … Vernünftige Erwachsene nehmen es ihnen nicht übel.“

„Davon ist Cord auch weit entfernt. Es gibt eben nur Tage, an denen man eine Belastung stärker spürt als an anderen. Heute ist solch ein Tag. Tanzen macht Durst. Möchten Sie etwas trinken? Vielleicht ein Glas Sekt?“

„Furchtbar gern, aber ich muss trotzdem darauf verzichten. Ich bin mit dem Wagen gekommen und halte mich lieber an Kaffee.“

„Er schmeckt ausgezeichnet.“ Roderich schaute Fräulein Ohlhoff an. „Sie sind neu im Betrieb, nicht wahr?“

„Ja. Man weiß noch nicht recht, wo man mich unterbringen soll, glaube ich. Im Augenblick schreibe ich für Direktor Ahlering, aber nur als Vertretung.“