Lore-Roman 31 - Yvonne Uhl - E-Book

Lore-Roman 31 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

Ihr Tanz in den siebten Himmel - Der wunderbare Roman einer großen Liebe


Das ist ja eine schöne Bescherung! Stefan Baron von Stein schüttelt unmerklich den Kopf, als er der bildhübschen Inga Komtess von Dornberg zum ersten Mal gegenübersteht. Kaum zu glauben, dass dieses ungezogene, vorlaute Mädchen eines Tages Millionen erben und große Güter verwalten wird! Und er soll ihr Erzieher sein, ihr den Schliff geben, der eine Dame der Gesellschaft erst ausmacht.

Stefan von Stein sieht sich dieser Aufgabe kaum gewachsen, für die ihn Ingas kranke Großmutter engagiert hat. Trotzdem ist Stefan auf ihren Vorschlag eingegangen, weil er ihm die einzige Möglichkeit bietet, auf Schloss Dornberg zu leben und die Familie kennenzulernen, die den Tod seiner Mutter auf dem Gewissen hat und der er einst Rache geschworen hat ...

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Seitenzahl: 139

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Inhalt

Cover

Impressum

Ihr Tanz in den siebten Himmel

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: sergiu.birca/shutterstock

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6645-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ihr Tanz in den siebten Himmel

Der wunderbare Roman einer großen Liebe

Von Yvonne Uhl

Das ist ja eine schöne Bescherung! Stefan Baron von Stein schüttelt unmerklich den Kopf, als er der bildhübschen Inga Komtess von Dornberg zum ersten Mal gegenübersteht. Kaum zu glauben, dass dieses ungezogene, vorlaute Mädchen eines Tages Millionen erben und große Güter verwalten wird! Und er soll ihr Erzieher sein, ihr den Schliff geben, der eine Dame der Gesellschaft erst ausmacht.

Stefan von Stein sieht sich dieser Aufgabe kaum gewachsen, für die ihn Ingas kranke Großmutter engagiert hat. Trotzdem ist Stefan auf ihren Vorschlag eingegangen, weil er ihm die einzige Möglichkeit bietet, auf Schloss Dornberg zu leben und die Familie kennenzulernen, die den Tod seiner Mutter auf dem Gewissen hat und der er einst Rache geschworen hat …

Der dreijährige Stefan von Stein sah fragend zu seiner schönen Mutter auf. Er saß im Fond des alten Wagens und war in eine dicke Wolldecke eingehüllt.

„Steigst du jetzt aus, Mami?“, fragte er erwartungsvoll.

„Ja, Liebling. Wir holen dich gleich.“ Henriette von Stein stieg aus, neigte sich noch einmal in den Wagen und küsste ihren Sohn auf die Wangen. „Oh, ihr werdet einander sehr lieb haben. Jetzt hat die Zeit der Einsamkeit ein Ende. Bald sind wir eine glückliche kleine Familie.“

Der Knabe mit dem ovalen, süßen Kindergesicht lächelte.

„Mach schnell, Mami.“

Brav legte der kleine Stefan die Händchen aufeinander und wartete. Er hatte seinen neuen Papi noch nie gesehen. Stefan blickte aus dem Fenster. Die Farm war sehr groß, und viele Leute liefen geschäftig umher und achteten nicht auf den alten Ford. Nach einer Viertelstunde kam Henriette von Stein zum Wagen zurück.

Aufgeregt sah der kleine Junge ihr entgegen.

„Soll ich aussteigen? Wo ist mein neuer Papi?“, flüsterte er.

Die schöne junge Witwe antwortete nicht. Sie jagte auf den alten Wagen zu, riss die Fahrertür zu und setzte sich hinters Steuer. Ohne zu zögern gab sie Gas und fuhr los.

„Aber Mami“, stotterte der kleine Stefan hinten im Fond. „Was ist denn nun mit dem Papi?“

Da schluchzte Henriette von Stein auf.

„Stefan, mein Kleiner“, weinte sie. „Es war alles ein Irrtum. Du bekommst keinen neuen Papa, und ich … ich habe mich so in ihm getäuscht.“

„Mami, pass auf“, schrie der kleine Stefan auf.

Im letzten Augenblick wich die Fahrerin dem entgegenkommenden Wagen aus.

„Liebling?“, sagte sie mit erhobener Stimme. „Wir werden eine weite Reise mit dem Schiff machen. Gleich packen wir unsere Koffer, dann versuchen wir, mit dem nächsten Dampfer nach Europa zu kommen. Du sollst doch deine Großmama in Wien kennenlernen. Und dort bleiben wir auch.“

„Und dann kriege ich keinen neuen Papi?“, flüsterte der Kleine.

„Nein, Stefan“, erwiderte Henriette. „Aber dafür bekommst du eine liebe, weißhaarige Großmutter, die dir immer Märchen vorlesen wird.“

„Fein, Mami!“, freute sich Stefan. Er hopste auf der Bank im Fond auf und nieder. „Eine Großmama ist ja auch sehr gut. Besser als ein Papi. Ja, Mami?“

„Ja“, flüsterte Henriette von Stein.

***

Fünfundzwanzig Jahre waren vergangen.

Noch immer trug Stefan von Stein – jetzt achtundzwanzig Jahre alt und ein schlanker, sportlich-eleganter Mann – den Trauerflor am linken Ärmel seines Mantels, obwohl Henriette von Stein, seine Mutter, schon länger als ein Jahr tot war.

Das alte, dreistöckige Mietshaus in der Kärntnergasse in Wien war bis auf das letzte Möbelstück leer geräumt. Stefan hatte die Möbel versteigern lassen. Nichts sollte ihn mehr an seine unbeschwerte Kinderzeit erinnern. Das Mietshaus, seit seinem Entstehen vor einhundertsiebenunddreißig Jahren im Besitz der Barone von Stein, sollte einem modernen Bürohaus weichen. Stefan hatte einen guten Kaufpreis für das alte, abbruchreife Haus erhalten.

In dem kleinen Hotel unweit seines früheren Zuhauses öffnete der junge Mann – er hatte Jura studiert und sein Staatsexamen vor einem guten Jahr mit Auszeichnung bestanden – den alten ledernen Reisekoffer mit den Metallbeschlägen.

Er enthielt persönliche Papiere und Fotos seiner Mutter Henriette von Stein und auch eine alte Familienbibel aus dem Jahre 1734 mit allen wichtigen Familiendaten.

Stefan war sich klar darüber, dass die Durchsicht dieser persönlichen Papiere seiner Mutter sehr schmerzhaft sein würde, doch er konnte sich dieser Pflicht nicht entziehen.

Alte Fotos fielen ihm in die Hände, auch Bilder aus der Kindheit seines Vaters, den Stefan nie gekannt hatte. Rudolf Baron von Stein war noch vor Stefans Geburt in Kanada gestorben. Er hatte in Hamilton die Erbschaft eines entfernten Onkels angetreten. Der Onkel besaß ein Stoff- und Garngeschäft in der Innenstadt. Doch bald schon fiel der junge Baron, dessen Frau Henriette gerade ein Baby erwartete, in einem harten Winter einer schweren Lungenentzündung zum Opfer. Für die junge Österreicherin war das Jahr darauf mit vielen Sorgen, Entbehrungen und Arbeit ausgefüllt. Ihr Kind – der kleine Stefan – gedieh prächtig, doch Henriette Baronin von Stein musste das Geschäft weiterführen, um eine Existenz für sich und ihr Kind zu haben.

Kurz vor Stefans drittem Geburtstag lernte Henriette von Stein den deutschen stattlichen jungen Grafen Raoul von Dornberg kennen und lieben. Ein wenig glich Rudolf ihrem verstorbenen Gatten. Der Graf hatte sich eine heruntergewirtschaftete Farm bei Oshawa gekauft und bewies eine glückliche Hand als Landwirt. Henriette war anfangs nur glücklich, einen deutschsprechenden jungen Mann zu treffen. Sehr bald aber war Liebe aus der Bekanntschaft geworden.

Deutlich erinnerte sich Stefan an jenen kalten Tag im Oktober, als seine Mami mit ihm zur Farm gefahren war, um ihm den neuen Papi vorzustellen. Und dann war sie wieder aus dem Haus gestürzt und mit ihm nach Hamilton zurückgefahren, hatte alle Koffer gepackt und war noch am selben Tag mit ihm über die Grenze nach den USA – nach Boston – gereist. Die Hochzeit hatte unmittelbar bevorgestanden, und das Stoffgeschäft war bereits in andere Hände übergegangen. Es hatte der Witwe einen guten Kaufpreis eingebracht. Diese Eindrücke seiner frühesten Kindheit wurden wieder lebendig, als Stefan das Tagebuch seiner Mutter aufschlug.

Er suchte auf den engbeschriebenen Seiten das Datum jenes Oktobertages, als der Traum seiner Mutter zu Ende gegangen war, heraus.

Erregt las der junge Mann:

Mein Brautkleid war schon bestellt, ich hatte das Geschäft in Hamilton bereits verkauft und fuhr mit meinem kleinen Jungen zur Farm hinaus, weil ich Raoul und Stefan endlich miteinander bekannt machen wollte.

Ich war so glücklich und zuversichtlich, lief ins Farmhaus, um Raoul zu sagen, dass ich da wäre – da fand ich ihn in enger Umarmung mit einer Farbigen. Sie trug eine weiße Schürze und war offenbar Domestikin im Farmhaus. Sie umarmte ihn und küsste ihn – den Mann, den ich liebte.

Wie ich aus dem Haus kam und mit dem Auto abfuhr, wusste ich später selbst nicht zu sagen. Einmal warnte mich mein Söhnchen vor einem entgegenkommenden Auto, und im letzten Augenblick konnte ich einen Unfall verhindern. Als ich wieder zu vollem Bewusstsein kam, waren wir in Hamilton. Für mich stand es fest: Ich musste mit Stefan fort, durfte Raoul nie mehr wieder begegnen. Ich packte die Koffer, setzte mich mit Stefan in den Wagen, und drei Stunden später hatte ich die Grenze der USA übertreten. Sechs Tage später fuhren wir mit einem britischen Frachtschiff in Boston Bay ab und erreichten gut vierzig Tag später Southampton.

Das also, dachte Stefan bestürzt, war der Grund, dass Mami damals so rasch Kanada verließ.

Er las weiter:

Der Verrat von Raoul hat mein ganzes Leben überschattet. Mein Herz war sehr schwach, ich musste mich einer monatelangen Behandlung unterziehen. Meine Schwiegermutter Mathilde von Stein sorgte inzwischen rührend mit ihren zwei Dienerinnen für Stefan. Ich war zehn Jahre lang mehr im Krankenhaus und im Sanatorium als zu Hause in der Kärntnergasse.

Später hatte Henriette von Stein mit anderer Tinte dazugeschrieben:

Heute hat Stefan sein Staatsexamen bestanden. Ich bin so stolz auf ihn. Warum bin ich so schwach und lebensmüde? Ich war noch eine junge Frau, als Raoul mich so enttäuschte. Ich bin vor Gram fast gestorben, doch ich habe weitergelebt für meinen geliebten Sohn, weil er mich brauchte. Nun ist Stefan erwachsen. Ich fühle mich so matt. Warum ist mein Leben so freudlos verlaufen? Warum betrog mich Raoul und zerstörte mein ganzes Lebensglück?

Betroffen klappte Stefan von Stein das Tagebuch mit den vergilbten Seiten zu.

Ein deutscher Graf, dachte Stefan verächtlich. Wenn ich ihm einmal begegnen würde, ein einziges Mal nur … Oh, ich würde ihm meine ganze Empörung und Verachtung ins Gesicht schleudern für seinen Treuebruch vor fünfundzwanzig Jahren!

***

Drei Wochen später fuhr Stefan von Stein auf der Autobahn München in Richtung Norden.

Ein entfernter Verwandter der Steins, der in Hannover eine Anwaltskanzlei besaß, hatte ihm angeboten, in seine Kanzlei als Assistent einzutreten und sich einzuarbeiten.

Stefan war fest entschlossen, das Beste aus seinem Leben zu machen und die Vergangenheit ein für alle Mal hinter sich zu lassen.

Stefan von Stein ließ sich Zeit mit der Reise in den Norden. Er übernachtete in Aschaffenburg. Abends blätterte er noch einmal vor dem Schlafengehen in dem Tagebuch seiner Mutter.

Und da stieß er auf einen Satz, der ihn alarmierte:

Raoul entstammt dem alten historischen Adelsgeschlecht derer von Dornberg. Seine Vorfahren haben in einem alten Barockschloss gelebt, das sich inmitten einer schönen Umgebung am Rande des Reinhardswalds westlich der Universitätsstadt Göttingen befindet. Raoul spricht nicht gern von der Vergangenheit, und ich mag ihn auch nicht fragen, nur soviel weiß ich: Er verließ sein heimatliches Schloss vor über drei Jahren nach einem heftigen Streit mit seinem Vater.

Stefan von Stein atmete schwer. Warum sollte er eigentlich nicht über Kassel nach Hannover fahren? Dann kam er doch unmittelbar an Göttingen vorbei.

Stefan lehnte sich im Sessel zurück und schloss die Augen.

Es waren seit damals fünfundzwanzig Jahre vergangen. Sicher lebte dieser Raoul Graf Dornberg längst wieder in Deutschland auf dem Schloss seiner Väter.

Sein kanadisches Abenteuer war bestimmt längst zu Ende. Wer in einem Schloss aufgewachsen war, konnte sich wahrscheinlich nie auf die Dauer in dem rauen Klima Kanadas behaupten.

Wolltest du nicht die Vergangenheit ruhen lassen?, meldete sich die Stimme seines Gewissens wieder.

Stefan aber hatte nur den einen Wunsch: Einmal im Leben diesem Grafen zu begegnen, der das Glück und die Gesundheit seiner Mutter auf dem Gewissen hatte.

***

Die weißhaarige Erwine zu Dornberg saß in ihrem Lehnstuhl und blickte über das weite Waldgebiet des Reinhardswaldes.

So weit man blicken konnte, hatte das Land früher den Dornbergs gehört. Schon der Gatte der greisen Gräfin hatte begonnen, das Land zu verkaufen, weil er keine Hilfskräfte mehr finden konnte, die es hegen und bewirtschaften konnten.

Doch der schöne, große Park und das rings um Schloss Dornberg liegende Land war den Dornbergs noch geblieben.

Um die schmalen Lippen der Schlossherrin spielte ein wehes Lächeln. Sie sah sich in Gedanken vor fünfzig Jahren mit der weißen Hochzeitskutsche die gewundene Serpentine zum Schloss hochfahren. Hellrote und tiefrote Rosen waren in üppiger Fülle von den Kutschern an der Kutsche angebracht worden, und verliebt hatte Albrecht Graf Dornberg seine Erwine in den Armen gehalten.

Bis auf wenige Räume stand das große Schloss jetzt leer und ungenutzt, war nur noch eine Ausstellung kostbarer, antiker Möbel und mehr nicht.

„Darf ich das Frühstücksgeschirr abräumen, Frau Gräfin?“, hörte sie den Butler Herbert Petri fragen.

„Ja, Petri. Ich bin fertig mit dem Frühstück“, erwiderte die Gräfin mit müder Stimme.

Als der Butler das kleine Mahagonitischchen, das er vor einer halben Stunde vor dem Lehnstuhl im Erker aufgebaut hatte, hochnahm, fragte seine Herrin: „Wann ist Komtess Inga heute Nacht heimgekehrt?“

Der Butler stellte das Tischchen wieder ab. Er wich dem forschenden Blick der Gräfin aus.

„Nun?“, mahnte sie kühl. „Ich habe Sie etwas gefragt, Petri.“

„Ich habe noch auf das gnädige Fräulein gewartet, gnädigste Frau Gräfin“, erwiderte der Butler zögernd. „Es war Mitternacht vorbei.“

„Vorbei?“, wiederholte die Gräfin streng. „War es ein Uhr, zwei Uhr oder drei Uhr?“

Der Butler schlug die Augen nieder. „Es war kurz vor zwei Uhr, gnädigste Frau Gräfin.“

„So“, erwiderte die Gräfin nur. Sie faltete die schmalen Hände und blickte sekundenlang wieder durch das Bogenfenster, dann sagte sie ruhig. „Sagen Sie der Zofe Lisa, sie soll meine Enkeltochter sofort wecken. Ich wünsche Komtess Inga in einer Stunde zu sprechen, Petri.“

Der Butler ließ sich nicht anmerken, was er dachte.

Er verneigte sich leicht. „Sehr wohl, gnädige Frau Gräfin. Darf ich Ihnen jetzt die Gesellschaftsdame mit der Zeitung schicken?“

„Ja, Fräulein Wissmann soll kommen und mir auch die eingetroffene Post bringen.“

Der Butler verneigte sich noch einmal, griff erneut nach dem kleinen Tischchen und schritt hinaus.

***

Inga Komtess Dornberg hatte das Kopfkissen im Schlaf zusammengerollt und drückte es mit beiden Armen an ihren schlanken Körper. Hingebungsvoll lehnte sie mit der linken Wange an dem Kissen und lächelte.

„Du bist die schönste von allen, ein süßer Traum und eine aufregende Verheißung, Inga“, hatte Alf Ruland zärtlich gesagt und sie immer wieder zum Tanzen geholt.

„Licht ausmachen“, knurrte sie verschlafen.

„Aber gnädiges Fräulein …“

„Lisa, raus“, befahl sie unmutig. „Und machen Sie bloß wieder die Vorhänge zu, ich bin noch müde.“

Lisa Körber seufzte. „Gnädiges Fräulein, es ist sieben Minuten nach neun Uhr – und um zehn Uhr will die Frau Gräfin Sie sehen.“

Und Alf hatte sie einmal an sich gezogen, und beinahe zufällig hatten seine Lippen beim Tanz ihre Wange berührt.

Inga seufzte glücklich auf. Einen Mann wie Alf hatte sie nie zuvor kennengelernt, und er schien bis über beide Ohren in sie verliebt zu sein und …

„Wonach riecht es hier?“, fragte Inga ärgerlich. „Lisa, lassen Sie mich schlafen, ich bin noch so müde.“

„Die Frau Gräfin hat befohlen, Sie zu wecken. Hier, ich habe starken Kaffee aus der Küche geholt und kleine Hefeküchlein.“

„Brrr …“ Mit einem Ruck setzte sich Komtess Inga auf. Sie konnte kaum die Lider heben, so schwer waren sie.

Die Zofe hielt ihr das Silbertablett mit der Kaffeetasse hin.

„Nach dem Kaffee werden Sie sich besser fühlen, gnädiges Fräulein“, sagte sie fürsorglich.

Inga Komtess Dornberg trank ein paar Schlucke von dem schwarzen, ungesüßten aromatischen Getränk und setzte die Tasse wieder auf die Untertasse. Dann fuhr sie sich mit den gespreizten Händen durch ihre dunkelblonden Haare und zerwühlte sie noch mehr, als sie es ohnehin schon waren.

„Was will Großmama denn?“, maulte sie. „Weshalb lässt sie mich zu nachtschlafender Zeit aus den Federn holen? Das ist nicht lieb von ihr.“

Die Zofe schwieg. Es stand ihr nicht zu, einen Kommentar dazu abzugeben.

„Ist jemand zu Besuch gekommen?“, fuhr Inga fort und blickte durch ihre blonde Haarflut zu der Zofe hinüber.

„Nein, gnädiges Fräulein. Es ist niemand gekommen. Die Gesellschafterin liest der gnädigsten Frau Gräfin die Post und die Tageszeitung vor, aber pünktlich um zehn Uhr sollen Sie sich bei ihr melden.“

„Wie im Internat“, seufzte Inga unglücklich. „Da mussten wir uns auch immer irgendwo melden, da wurden wir hin- und herzitiert und mussten ständig auf die Uhr schauen, damit wir auch ja immer pünktlich waren. Oft kamen wir uns vor wie auf dem Kasernenhof.“

„Ich lasse jetzt das Badewasser ein, das wird Sie munter machen“, erklärte die Zofe energisch.

Schmollend sah Inga der Zofe nach, wie sie hinter der Badezimmertür verschwand.

Nach der täglichen Morgentoilette und einige Minuten später musterte sie sich im Spiegel.

„Bin ich es wert“, flötete sie übermütig, „so unter die gestrengen Augen der Frau Großmama zu treten, Lisa?“

Die Zofe verbiss ein Lachen. Man konnte der Komtess einfach nicht böse sein, wenn sie einen auch manchmal zur Weißglut brachte.

Inga seufzte herzzerbrechend. „Ich gehe ja schon“, sagte sie und schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse.

Dann hüpfte sie übermütig hinaus.

***

„Guten Morgen, Großmama.“

Erwine Gräfin Dornberg streckte ihrer Nichte ihre mit einem großen Diamantring geschmückte rechte Hand hin.

Inga verneigte sich und deutete einen Handkuss an.

„Guten Morgen“, erwiderte die greise Schlossherrin verschnupft und entzog ihrer Enkelin mit scharfem Ruck die Hand. Sie deutete auf den Sessel gegenüber. „Setz dich!“

„Du bist seit vier Monaten wieder im Schloss, Inga“, begann sie.

„Ja, Großmama“, stimmte Inga lachend zu, „und es gefällt mir …“

„Ich habe dich nicht gebeten, mich zu unterbrechen, Inga“, herrschte die Gräfin ihre Enkeltochter an. „Höre erst einmal zu, was ich dir zu sagen habe.“

Inga spürte, dass ihre Großmutter sehr ungehalten war.

„Ja, Großmama“, flüsterte sie und senkte den Kopf.

„Seit vier Monaten also“, fuhr die Gräfin fort, „ist es dir nicht gelungen, dir deine Zeit anders zu vertreiben als mit Nichtstun und abendlichem Bummeln und Herumhüpfen. Ich habe dir, als ich erlaubte, dass du dich mit deinen ehemaligen Schulfreunden triffst, immer wieder bedeutet, um elf Uhr zu Hause zu sein.“

„Heute Nacht wurde es ein bisschen später, Großmama“, gestand sie schuldbewusst und schlug die großen, blauen Augen zu der Gräfin auf, „aber …“