Lore-Roman 38 - Wera Orloff - E-Book

Lore-Roman 38 E-Book

Wera Orloff

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Beschreibung

Verratenes Vertrauen - Roman um ein ergreifendes Frauenschicksal


Vielleicht können nur junge Menschen ihr Herz so vorbehaltlos verschenken wie Mareike Horstmann. Sie hat den Mann ihres Lebens kennengelernt und weiß nicht, dass man in der Welt vorsichtig sein muss, sogar dann, wenn man liebt.

Sie ist glücklich, bis sie eines Tages erfährt, dass der geliebte Mann verheiratet ist. Eine Frau und drei Kinder warten auf ihn, und er denkt gar nicht daran, die kleine Mareike zu heiraten. Für ihn ist sie nur ein Abenteuer, und was er ihr damit antut, ist ihm völlig gleichgültig.
Mareike erwartet ein Kind, und jäh stürzt sie aus dem Himmel des Glücks auf die Erde zurück - und ihr Vertrauen zerbricht. Sie kann niemandem mehr glauben, vor allem keinem Mann mehr. Und doch soll sie nun einen heiraten - so verlangen es die Eltern ...

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Seitenzahl: 140

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Inhalt

Cover

Impressum

Verratenes Vertrauen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Dasha Muller/shutterstock

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7100-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Verratenes Vertrauen

Roman um ein ergreifendes Frauenschicksal

Von Wera Orloff

Vielleicht können nur junge Menschen ihr Herz so vorbehaltlos verschenken wie Mareike Horstmann. Sie hat den Mann ihres Lebens kennengelernt und weiß nicht, dass man in der Welt vorsichtig sein muss, sogar dann, wenn man liebt.

Sie ist glücklich, bis sie eines Tages erfährt, dass der geliebte Mann verheiratet ist. Eine Frau und drei Kinder warten auf ihn, und er denkt gar nicht daran, die kleine Mareike zu heiraten. Für ihn ist sie nur ein Abenteuer, und was er ihr damit antut, ist ihm völlig gleichgültig.

Mareike erwartet ein Kind, und jäh stürzt sie aus dem Himmel des Glücks auf die Erde zurück – und ihr Vertrauen zerbricht. Sie kann niemandem mehr glauben, vor allem keinem Mann mehr. Und doch soll sie nun einen heiraten – so verlangen es die Eltern …

Es gehörte eigentlich nicht zu Alwin Horstmanns Gewohnheiten, im Familienkreis über geschäftliche Angelegenheiten zu sprechen, und deshalb stutzte seine Frau auch, als er an diesem Abend eine Ausnahme machte.

Mareike achtete nur wenig auf das Gespräch. Der Vater erzählte von einem gewissen Sven von Eilert, einem Gutsbesitzer, der vergeblich versucht hatte, ein Darlehen aus ihm herauszuschlagen.

„Der Mann kann mir eigentlich leidtun“, äußerte der Vater. „Er scheint recht tüchtig und umsichtig zu sein, und doch wird er aller Voraussicht nach Eilertshöhe schon bald verkaufen müssen.“

Mareike warf verstohlen einen Blick auf ihre Armbanduhr. Eine Viertelstunde musste sie noch hier sitzen, dann würde sie sich unter irgendeinem Vorwand zurückziehen, um sich mit Werner zu treffen.

„Und es besteht keine Hoffnung, dass er die Heimat erhalten kann?“, fragte Frau Cäcilie. „Weshalb gibst du ihm das Geld nicht, wenn du Vertrauen zu ihm hast?“

„Ich werde später das Gut kaufen. Wahrscheinlich bekomme ich es für ein Apfel und ein Ei, und Eilert kann dann den ganzen Krempel verwalten. Versteh mich recht, Cäcilie, es ist ein Geschäft …“

„Ich verstehe“, murmelte Frau Cäcilie. „Hältst du es nicht für richtiger“, begann sie dann nach einigen Minuten schweigenden Nachdenkens, brachte ihren Satz aber nicht zu Ende, denn Mareike fiel ihr ungewohnt unhöflich ins Wort.

„Ich möchte heute Abend noch fort, ins Kino. Gute Nacht, wartet bitte nicht auf mich.“

Sie beugte sich nieder, küsste die Stirn der Mutter und die faltige Wange des Vaters und wirbelte dann hinaus. Voller Stolz schauten die Eltern ihr nach.

Vor ihrer Gegenwart verblasste das Schicksal des fremden Mannes Sven von Eilert.

„Mareike hat sich in letzter Zeit geändert, findest du nicht auch?“, fragte Frau Cäcilie. „Ich möchte fast glauben, sie ist verliebt.“

„Unsinn, in wen wohl?“, polterte ihr Mann. Der Gedanke, dass sein Sonnenschein vielleicht eines Mannes wegen das Haus verlassen würde, behagte ihm ganz und gar nicht.

Und dabei war Mareike auf dem Weg zu einem Rendezvous. Zwei Straßen weiter hielt schon Werners großer Wagen. Der Mann sah sie wohl kommen, jedenfalls stieg er aus und ging ihr ein paar Schritte entgegen. Er hatte den Hut tiefer als sonst ins Gesicht gezogen und den Mantelkragen hochgestellt.

„Bitte.“ Er öffnete ihr die Tür, ohne sie hier draußen auf der Straße mit einem Kuss zu begrüßen.

Aber in der schützenden Dunkelheit des luxuriösen Wagens riss der Mann sie in die Arme, und seine Küsse holten das kleine Versäumnis nach.

„Ich liebe dich“, raunte er ihr ins Ohr. „Ich habe die Stunden gezählt, bis du kamst …“

Der Mann konnte sich gar nicht an ihrem entrückten Lächeln sattsehen. Wie immer, wenn er mit ihr auf dem Weg zu seiner Wohnung war, schlug sein Herz in kurzen, harten Stößen gegen die Rippen, als sei es das erste Zusammensein mit einer bezaubernden Frau.

„Was für eine Platte hast du gekauft?“, fragte Mareike.

„Eine Platte?“ Werner brauchte einen Moment, bis er sich wieder an den Vorwand erinnerte, mit dem er sie eingeladen hatte. Er stieß ein leises, unruhiges Lachen aus. „Auf der Platte steht nur: Ich liebe dich, ich liebe dich … Ich glaube, wir brauchen sie nicht aufzulegen, ich kann es genauso gut sagen.“

„Du Schwindler!“ Mareike kuschelte sich so recht behaglich in die Ecke des Wagens. „Gehört es sich, seine zukünftige Frau so zu belügen?“ Sie strahlte ihn an – und im Schein einer vorbeihuschenden Straßenlaterne sah sie, wie das Gesicht des Mannes sich plötzlich verfinsterte.

Aber unter der nächsten Laterne war es wie immer, gefasst und zuverlässig.

„Ich liebe dich, ich liebe dich“, summte er nach der Melodie eines Gassenhauers. „Du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich auf unser Zusammensein freue. Und dabei treffen wir uns so selten …“

„Viel zu selten“, bestätigte das Mädchen glücklich.

„Ich habe schon gedacht, ob du nicht vielleicht jede Woche einmal … eine neue Schallplatte anhören möchtest?“ Beim Fahren warf Werner Spitta einen verwegenen Blick zur Seite.

Mareike runzelte die Stirn. „Diese Heimlichkeiten …“ Sie brach sofort wieder ab, denn es lag ihr nun einmal nicht, den geliebten Mann durch eine Kritik kränken zu wollen, aber andererseits hasste sie es, den Eltern etwas vorzuschwindeln.

„Weshalb plötzlich so ernst, Kleines?“, fragte Werner, der durchaus ein Gefühl für Atmosphäre hatte. „Ich habe auch wieder eine Flasche Sekt kaltgestellt, wie letztes Mal, als du bei mir warst …“

„Es gehört sich eigentlich nicht … ich meine, dass ich … wir sind nicht einmal verlobt …“

„Ich liebe dich“, sagte der Mann, als sei das eine ausreichende Begründung für alles. „Ich wüsste nicht, was ich ohne dich anfinge! Und nun mach nicht mehr solch ein ernstes Gesicht, Kleines, ich habe es viel lieber, wenn du fröhlich bist und lachst.“

Als sie eine Stunde später die erste Flasche Sekt ausgetrunken hatten, lachte Mareike wie früher.

Sie kam erst am frühen Morgen nach Hause, und als sie von Werners Wagen – er hatte ihn wieder zwei Straßen vor der elterlichen Villa abgestellt – nach Hause ging, war ein seltsames Frösteln in ihr. Sie kam sich degradiert vor. Weshalb konnte Werner jetzt nicht an ihrer Seite gehen, ein Mann, der sich offen zu ihr bekannte? Er tat es nicht, er hatte sie gebeten, ihre Liebe noch geheim zu halten – und vergessen, seine Bitte zu begründen.

Am liebsten hätte Mareike Horstmann geweint, so elend fühlte sie sich plötzlich. Es gibt Dinge, die ein anständiges Mädchen nach landläufiger Meinung nicht tut – und Mareike hätte sich nie träumen lassen, dass sie imstande war, sich über alle Vorurteile hinwegzusetzen. Sie lebte ein zweites Leben, von allen unbemerkt. Aber ihre Liebe machte sie nicht glücklich.

***

Mareike Horstmann, die Tochter des Kommerzienrates, erwartete ein Kind.

Millionen Mädchen passiert so etwas, selten ist es eine Tragödie. Man heiratet den Mann, ein paar Wochen lang wundern sich die Leute über die Eile und klatschen, dann ist alles vergessen.

Kein Grund zur Panik also – und doch stand Mareike zögernd vor dem Bürohaus, ohne den Mut zu finden, mit Werner zu sprechen. Er hatte noch kein Wort von einer Heirat gesagt, auch bei ihrem letzten Zusammensein nicht.

Endlich, eine kleine Ewigkeit war schon vergangen, riss das Mädchen sich doch zusammen. Sie überquerte die Fahrbahn, fuhr mit dem Lift in den achten Stock und betrat durch die Schwingtür den Flur, von dem die vielen Zimmer abgingen, die die Firma Spitta gemietet hatte. Die Vorzimmerdame des Chefs begrüßte sie mit einem Lächeln, dessen Vertraulichkeit Mareike heute zum ersten Mal auffiel.

Peinlich berührt drehte sie den Kopf zur Seite. Sie war keineswegs eingebildet, aber die Art dieses Lächelns stieß sie ab.

„Ich möchte Herrn Spitta sprechen“, verlangte sie wie schon so oft zuvor.

Das Mädchen mit dem hellblonden Haar zog die Augenbrauen in die Höhe.

„Herr Spitta hat Besuch“, warf sie Mareike hin. „Er würde kaum erfreut sein, wenn Sie ihn gerade jetzt überfielen.“

Etwas in ihrer Art wirkte auf Mareike wie eine Ohrfeige. Schließlich war sie nicht irgendjemand, sondern die zukünftige Frau des Chefs, und sie konnte zumindest verlangen, dass dieses eingebildete Frauenzimmer sie anmeldete.

Mareike erhob sich und ging einfach an der Vorzimmerdame vorbei auf die gepolsterte Tür des Chefbüros zu.

„Ich an Ihrer Stelle würde warten“, äußerte Werners Sekretärin. „Sie kennen den Chef nicht, sonst wüssten Sie, was Ihnen blüht, wenn Sie ihn stören. Und Sie stören jetzt. Mehr als Sie denken“, ergänzte sie.

„Die Entscheidung darüber überlassen Sie besser mir.“ Den Kopf stolz erhoben, drückte Mareike Horstmann die Klinke nieder. Eine Frau saß im Sessel, eine etwas bieder wirkende, aber trotzdem hübsche Frau.

Werner saß in dem anderen Sessel ihr gegenüber, eine Zigarre in der Hand.

„Wer …“ Es war unverkennbar, dass er im Begriff stand, seine Vorzimmerdame anzuschnauzen.

Mareike lächelte ihm zu. „Entschuldige, bitte, Werner, ich bin es nur“, sagte sie. „Die holde Dame draußen hielt es nicht für nötig, mich anzumelden. Ich warte im Vorzimmer, bis du fertig bist.“

Noch einmal nickte sie dem geliebten Mann leicht zu, dann zog sie die Tür behutsam ins Schloss.

Die Vorzimmerdame starrte sie mit unverhohlener Neugierde an.

„Was sagen Sie jetzt?“, fragte sie mit einer Schadenfreude, die Mareike unverständlich war. „Ich hatte Ihnen doch gesagt, es hat keinen Zweck, das traute Familienidyll zu stören.“

Mareike blieb verblüfft stehen. „Ich fürchte, ich weiß nicht, wovon Sie reden, mein liebes Fräulein.“

Diesmal blickte die hochblondierte Sekretärin ehrlich verdutzt.

„Das ist doch seine Frau“, erklärte sie, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt. „Der Chef hat eine Stinklaune, wenn sie sich hier im Betrieb sehen lässt. An Ihrer Stelle würde ich zu einer passenderen Zeit wiederkommen.“

Mareike starrte sie verständnislos an.

„Wer ist bei ihm?“, fragte sie stockend.

Ein interessierter Ausdruck trat in das Gesicht der jungen Dame.

„Sagen Sie mal, wussten Sie etwa nicht, dass er verheiratet ist?“ Sie schüttelte den Kopf, als könne sie an so viel Naivität gar nicht glauben.

„Sie meinen … Herr Spitta … ist verheiratet?“

„Ja. Nehmen Sie es nicht so tragisch, so etwas passiert immer wieder. Bei vernünftigen Mädchen allerdings nur einmal.“

„Ich glaube Ihnen nicht, das ist nicht wahr!“, fuhr Mareike hoch. „Das kann nicht wahr sein!“

„Er hat auch drei Kinder“, fuhr die Vorzimmerdame genießerisch fort. „Hat er Ihnen die Ehe versprochen? Dann können Sie ihn verklagen. Weshalb sollen die Männer immer ungeschoren davonkommen?“

„Das ist nicht wahr“, murmelte Mareike völlig niedergebrochen. „Werner ist nicht verheiratet …“

„Reden Sie sich doch nichts ein, es hat keinen Zweck. Sie sollten lieber gehen, bevor seine Frau aufkreuzt.“

Es war ein guter Rat. Mareike konnte ihn leicht befolgen. Sie wäre auch nicht imstande, Werner Spitta jetzt entgegenzutreten. Sie wollte gehen – fliehen, wohin? – Doch sie stand noch immer neben dem Schrank in der Nähe des Schreibtisches, als Werner Spitta die Bürotür öffnete. Er ließ der Frau höflich den Vortritt, schob seinen Arm freundlich unter ihren und geleitete sie zum Ausgang.

Für Mareike hatte er keinen Blick. Es war, als sei sie gar nicht vorhanden. Für Mareike war seine Nichtachtung wie ein Schlag ins Gesicht.

Unbeweglich stand sie im Vorzimmer, als Werner ein paar Minuten darauf hastig zurückkam. Er atmete schnell, und sein Blick war alles andere als freundlich.

„Komm rein.“ Er zog Mareike am Arm mit sich ins Büro. „Was fällt dir bloß ein!“, schnauzte er dann. „Bist du von allen guten Geistern verlassen?!“

„War das … deine Frau?“, fragte das Mädchen leise.

„Ja … tut mir leid, Häschen, ich wollte es dir nicht sagen, aber … na ja, eines Tages hättest du es sowieso erfahren. Du hast sie selbst gesehen, sie passt überhaupt nicht zu mir. Sie versteht auch nicht …“

Fräulein Gerdes hätte an dieser Stelle sicher verständnisvoll gelächelt, aber für Mareike war die Szene neu. Sie weinte.

„Nun mach kein Theater, es ist einmal so, ich kann es nicht ändern. Ich war damals jung, Elfriede hat mich eingefangen, regelrecht eingefangen, du weißt ja, wie so etwas vor sich geht, man ist plötzlich verheiratet, ohne selbst zu wissen, wie alles gekommen ist. Und nun … na ja, man findet sich damit ab, bleibt einem ja auch nichts anderes übrig.“

„Du … hast drei Kinder?“, fragte Mareike mit der gleichen tonlosen Stimme wie schon vorher.

„Wenn du es weißt, weshalb fragst du noch!“ In gut gespielter Empörung, hinter der sich nur zu deutlich sein schlechtes Gewissen verbarg, schlug Werner Spitta mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. „Ist es ein Verbrechen, Kinder zu haben?!“

„Nein … nicht, wenn man verheiratet ist. Ich erwarte auch ein Kind!“

„Das hat mir gerade noch gefehlt. Was machen wir da nur? Wenn meine Frau das erfährt, ist der Teufel los. Du kennst sie nicht. Mareike, sie ist so engstirnig, so kleinlich …“

„Allerdings sehr kleinlich, wenn sie sich über ein uneheliches Kind nicht freuen kann“, bestätigte Kommerzienrat Horstmanns Tochter bitter. „Ich fürchte allerdings, alle Frauen sind so kleinlich.“

„Hör auf mit deinen Vorwürfen. Meinst du, es mache mir Spaß, dass jetzt etwas passiert ist?“

„Du Lump!“, sagte Mareike sehr ruhig. Es war eine Ruhe, hinter der man den Sturm ihrer Gefühle ahnen konnte. „Du bist ein ganz kleiner, schäbiger Mensch. Ich würde dich nicht mehr heiraten, auch wenn es möglich wäre …“

Mareike wandte ihm den Rücken. Mit steifen, unnatürlichen Schritten ging sie zur Tür, und mit den gleichen Schritten durchquerte sie auch den Vorraum.

Fräulein Gerdes starrte ihr entsetzt nach. Sie hatte schon viele verzweifelte Menschen gesehen, aber solch eine Trostlosigkeit, wie Mareikes Haltung und Gestalt sie ausdrückten, noch nicht.

„Arme Kleine“, murmelte sie mitleidig.

Dann zuckte sie die Schultern und tippte ihr letztes Stenogramm in die Maschine.

***

„Du müsstest in den Urlaub fahren“, stellte Kommerzienrat Horstmann am Abend des gleichen Tages nach einem besorgten Blick in Mareikes blasses Gesicht fest. Ein joviales Lächeln legte sich über seine Züge, als er behaglich fortfuhr, Zukunftspläne zu spinnen. „Nächstes Jahr kannst du vielleicht schon auf Gut Eilertshöhe wohnen.“

Er schaute sie an, als erwarte er lauten Jubel. Als Mareike nicht antwortete, rieb er sich enttäuscht die Hände – eine Angewohnheit, die Frau Cäcilie ihm noch nicht abgewöhnt hatte – und erklärte, worum es sich bei Eilertshöhe handelte. „Ein Feudalsitz, wie es ihn selten gibt. Die Eilerts sitzen dort seit einigen Jahrhunderten, ein vornehmes Geschlecht, wenn jetzt auch total verarmt. Zu gut gelebt …“, erklärte er mit zufriedenem Schmunzeln. „In spätestens einem Jahr haben wir den ganzen Ramsch übernommen, und dann ziehen wir alle drei aufs Land.“

Noch immer gab Mareike kein Zeichen der Anteilnahme von sich. Eine Eröffnung lag vor ihr, die sie voll und ganz beschäftigte und für nichts anderes Platz ließ. Was würde der Vater sagen, wenn er hörte, dass sie ein Kind erwartete?

„Und natürlich werden wir uns Reitpferde halten“, träumte der Kommerzienrat laut. „Und Bälle geben, italienische Nächte oder wie man das nennt, Lampions im Garten …“

„Was ist mit dir, Mareike?“, fragte Frau Cäcilie, als habe er gar nichts gesagt. „Was bedrückt dich?“

Unwillkürlich schaute der Vater erst auf sie, dann auf sein Kind.

„Ausspannung braucht das Mädchen, das ist es“, äußerte er.

Mareike schüttelte den Kopf. „Ich …“ Es war so einfach, ein kleiner, schlichter Satz, und sie hätte alles hinter sich. Sie konnte diesen Satz nur nicht aussprechen, nicht so leicht, wie sie es gehofft hatte.

„Was ist mit dir?“ Frau Cäcilie fasste sich unwillkürlich an das wildklopfende Herz.

Mehr als einen Abend war ihre Tochter sehr spät nach Hause gekommen, und das Märchen von der Freundin glaubte sie nicht. Schließlich war sie auch einmal jung gewesen und hatte Freundinnen besucht, die es gar nicht gab.

Auch Vater Alwin stutzte. Er ahnte, dass Mareikes verändertes Benehmen nichts mit Erschöpfung zu tun hatte. Aber was für Sorgen konnte es für Leute wie sie schon geben? Sie war gesund, wohlhabend, hatte keine Feinde …

„Ich bekomme ein Kind.“

Mareike hatte so leise gesprochen, dass die Eltern ihr dieses Bekenntnis buchstäblich von den Lippen ablesen mussten, und sie weigerten sich, es zu glauben. Stumm starrten sie auf die Tochter, die so seltsam demütig im Sessel saß und nicht wagte, die Augen zu heben.

„Was hast du gesagt?“, fragte der alte Herr beklommen.

„Das ist doch nicht möglich … Ich meine …“ Frau Cäcilie begann zu stottern.

„Doch“, hauchte Mareike.

„Nein“, stöhnte der Kommerzienrat. „Nein, das kannst du nicht getan haben.“

In manchen Situationen denken Frauen schneller und vor allem auch praktischer.

„Wer … ist es?“, fragte Frau Cäcilie atemlos. „Ihr müsst heiraten, schnellstens heiraten …“

„Natürlich, ganz egal, wer der Kerl ist, es spielt keine Rolle … Mein Gott, wie konnte so etwas nur passieren, Mareike, Kindchen, es kann doch … es kann doch gar nicht wahr sein …“

„Er … Wir können nicht heiraten“, stieß Mareike hervor.

„Warum nicht?“

Das Mädchen schaute kurz auf den Vater, senkte aber sofort wieder den Kopf.

„Er ist verheiratet.“

„Dann muss er sich scheiden lassen. So ein Lump!“ Der Kommerzienrat sprang auf und lief mit kurzen, hastigen Schritten im Salon auf und ab.

„Hast du schon mit ihm gesprochen? Wer ist es überhaupt?“