Lore-Roman 63 - Ursula Fischer - E-Book

Lore-Roman 63 E-Book

Ursula Fischer

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Beschreibung

Er sah in ihr die reiche Erbin
Roman um das Schicksal einer starken Frau
Von Ursula Fischer

Die verarmte Tamara Baroness von Henslingen arbeitet als Sekretärin bei einer Zeitung, als ihr eines Tages ein Brief vom Gericht ins Haus flattert. Sie hat geerbt! Hotel "Waldfrieden" im Bergischen Land. Bedingung ist, dass sie das Hotel selbst führt, sonst fällt es an den Staat. Man rät ihr zum Verkauf, doch die junge willensstarke Frau denkt gar nicht daran.
Auch als ihr der größte Konkurrent am Platze ein Angebot macht, schlägt sie aus. Sie hat schon viel gehört über Sven Assmussen, den Geschäftsführer des Hotels "Fernblick". Ein aufgeblasener Geschäftsmann und ein Frauenheld, wie er im Buche steht. Tamara schwört sich, sie wird "Waldfrieden" zu altem Glanz erstrahlen lassen, und sie hat auch schon einen Plan, wie: Inkognito bucht sie sich als Gast in Assmussens Hotel ein, um ihn auszuspionieren, denn glücklicherweise weiß bisher niemand, wie die Erbin des Hotel "Waldfrieden" aussieht ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Er sah in ihr die reiche Erbin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Julia Strekoza / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8688-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Er sah in ihr diereiche Erbin

Roman um das Schicksal einerstarken Frau

Von Ursula Fischer

Die verarmte Tamara Baroness von Henslingen arbeitet als Sekretärin bei einer Zeitung, als ihr eines Tages ein Brief vom Gericht ins Haus flattert. Sie hat geerbt! Hotel „Waldfrieden“ im Bergischen Land. Bedingung ist, dass sie das Hotel selbst führt, sonst fällt es an den Staat. Man rät ihr zum Verkauf, doch die junge willensstarke Frau denkt gar nicht daran.

Auch als ihr der größte Konkurrent am Platze ein Angebot macht, schlägt sie aus. Sie hat schon viel gehört über Sven Assmussen, den Geschäftsführer des Hotels „Fernblick“. Ein aufgeblasener Geschäftsmann und ein Frauenheld, wie er im Buche steht. Tamara schwört sich, sie wird „Waldfrieden“ zu altem Glanz erstrahlen lassen, und sie hat auch schon einen Plan, wie: Inkognito bucht sie sich als Gast in Assmussens Hotel ein, um ihn auszuspionieren, denn glücklicherweise weiß niemand, wie die Erbin des Hotel „Waldfrieden“ aussieht …

„Fräulein Tamara, Ihre Post.“ Frau Hedwig Merkuleit legte einen amtlich aussehenden Umschlag auf Tamaras Tisch. „Vom Gericht“, fügte sie neugierig hinzu.

Tamara von Henslingen drehte den Umschlag herum, bevor sie ihn aufschlitzte.

„Was habe ich denn mit den Gerichten zu tun?“, murmelte sie, zog einen Bogen heraus und entfaltete ihn. „Von einem Rechtsanwalt“, erläuterte sie der neben ihr stehen gebliebenen Wirtin.

„Was will der denn?“, fragte Frau Merkuleit gespannt.

Tamara schüttelte den Kopf. „Ich habe geerbt“, bekannte sie verwundert. „Ein Onkel von mir ist gestorben, und er hat mir sein Hotel hinterlassen. Es muss ein großes Hotel sein, glaube ich. Vater hat mir manchmal davon erzählt.“

Frau Merkuleit trat achtungsvoll einen Schritt zurück, um besser über Tamaras Schulter hinweg den Brief lesen zu können.

„Über fünfzig Zimmer …“, las sie laut vor. „Dann sind Sie ja jetzt reich, Fräulein Tamara. Meinen herzlichsten Glückwunsch. Oder … muss ich Ihnen mein Beileid aussprechen? Wer ist denn da gestorben?“

„Ein Bruder meines Vaters. Ich kenne ihn kaum, ich habe ihn seit mehr als fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen. Aber dass er ausgerechnet mir sein Hotel hinterlässt … ‚Waldfrieden‘ heißt es.“ Tamara lachte. „Ein Hotel, was soll ich wohl damit anfangen? Ich versteh doch nichts von der Bewirtschaftung eines solchen Hauses. Aber mein Onkel hat ausdrücklich verlangt, dass ich das Hotel selbst verwalten muss, wenn ich die Erbschaft annehme. Sonst soll das Haus an den Staat fallen.“

„Selbstverständlich nehmen Sie an. So etwas lässt man sich doch nicht entgehen, Fräulein Tamara. Wenn ich mir vorstelle, was dabei alles abfallen muss. Wo liegt es denn?“

Tamara nannte den Namen eines kleinen, wenig bekannten Ortes im Oberbergischen.

„Im Winter und im Sommer ist dort Saison. Ich kann es noch gar nicht fassen.“

„Sie haben ein Glück, Fräulein Tamara. Aber ich gönne es Ihnen von ganzem Herzen. Wenn ich es mir erlauben kann, dann werde ich später einmal meine Ferien mit den Kindern zusammen bei Ihnen verbringen. Das heißt, wenn Sie überhaupt Kinder im Hotel haben wollen.“

„Aber Frau Merkuleit, Sie sollten mich doch besser kennen. Selbstverständlich werden Sie mir jederzeit herzlich willkommen sein und Horst und Sabine auch. Aber ich muss mich beeilen, sonst komme ich zu spät in die Zeitung. Auf Wiedersehen, bis heute Abend, Frau Merkuleit.“

In buchstäblich letzter Sekunde schwang sie sich auf die anfahrende Bahn und atmete schwer. Vom Laufen war ihr Gesicht gerötet, ihr gepflegtes blondes Haar hatte sich verwirrt, und mit ihren strahlenden blauen Augen war sie ein Bild der Lebensfreude, das die Blicke der Männer auf sich zog. Ihre Augen standen ein wenig schräg über den hohen Wangenknochen, verliehen ihr dadurch einen aparten Reiz.

Tamara arbeitete nach Abschluss der Höheren Handelsschule erst als Stenotypistin, später als Sekretärin bei einer großen Tageszeitung. Ihr Beruf befriedigte sie, wenn er sie selbstverständlich auch nicht ganz erfüllte.

Pünktlich wie immer betrat sie das Vorzimmer des Chefredakteurs. Ihre beiden Kolleginnen, Stenotypistinnen, waren noch nicht da.

Tamara kämmte sich flüchtig vor dem Spiegel ihr Haar und lächelte dem Bilde zu, das er zurückwarf.

„Fräulein Hotelbesitzerin“, murmelte sie und spitzte die Lippen wie zu einem Kuss. „Wie gefällt dir das, Baroness Henslingen? Du wirst über Personal herrschen.“

Ob du das kannst?

„Klar“, sagte sie laut.

„Was ist klar?“, erkundigte sich ihr Chef schmunzelnd. Er war schon in seinem Büro gewesen und betrachtete seine junge, entzückende Mitarbeiterin voller Wohlgefallen.

Tamara wurde rot. „Ich werde alt, ich fange schon an, Selbstgespräche zu führen“, bekannte sie schuldbewusst. „Herr Doktor, haben Sie schon einmal etwas von Gummersbach gehört?“

„Ja, wie kommen Sie darauf?“

„Es soll dort ein entzückendes Hotel geben.“

„Stimmt“, bestätigte der Chefredakteur und schmunzelte vor sich hin. „Ich kenne es sogar sehr gut, denn ein paar Mal habe ich in den letzten Jahren dort meinen Urlaub verbracht. Der Hotelbesitzer ist übrigens ein guter Bekannter von mir. Ich erwarte ihn heute noch. Aber weshalb fragen Sie mich das alles?“

Tamara schüttelte den Kopf. „Wissen Sie denn noch gar nicht, dass Herr Henslingen tot ist?“, fragte sie.

„Henslingen? Wer ist denn das?“ Dr. Wilken fuhr sich mit der Linken über sein graumeliertes Haar.

„Der Hotelbesitzer. Sie sagten doch eben, er sei Ihr Freund.“

„Ach, den meinen Sie. So, er ist tot. Na, da wird Assmussen aufatmen. Nicht, dass er dem Alten den Tod gewünscht hätte, bestimmt nicht, aber er war ein rechter Querulant.“

„Ich fürchte, wir sprechen von zwei verschiedenen Hotels“, äußerte Tamara ahnungsvoll.

„Der Eindruck drängt sich mir auch auf. Ich meine Hotel ‚Fernblick‘.“

„Und ich ‚Waldfrieden‘.“

„Die beiden Konkurrenten. Sie liegen ziemlich nahe zusammen, praktisch die einzigen Häuser am Ort, die zählen. Es gibt in Gummersbach noch ein paar kleinere Pensionen und Privatzimmer, ein Café und ein paar Gasthäuser …“

Tamara beschloss, nachher in der Reisebüroabteilung anzurufen und zu bitten, ihr ein paar Prospekte von Gummersbach heraufzuschicken.

„Darf ich Sie jetzt bitten, zu mir hereinzukommen? Oder fällt es Ihnen schwer, sich von Ihren Urlaubsträumen zu lösen. Fräulein Henslingen?“

„Ich werde mir Mühe geben“, versprach die junge Dame.

***

In der Mittagspause fuhr Tamara zu dem Notar. Sie wurde schon erwartet und spürte fast ein wenig Enttäuschung über die gleichgültige Art, in der der Notar ihren Fall behandelte.

Er hatte alle notwendigen Unterlagen und informierte sie trocken über das, was sie bei Annahme der Erbschaft erwartete. Einiges wusste Tamara schon aus seinem Brief, anderes hatte sie dem Prospekt entnommen, aber der Rest klang in ihren Ohren noch geradezu märchenhaft.

„Sie dürfen Ihre Erwartungen aber nicht zu hoch schrauben, Baroness Henslingen“, mahnte der Notar. Er blätterte ein paar Papiere durch und schüttelte den Kopf. „Allzu viel wirft das Hotel nämlich nicht ab. Ich habe hier die Steuerbescheide der letzten drei Jahre. Das Einkommen nach Abzug aller Unkosten lag nur zwischen siebzig- und neunzigtausend Mark im Jahr.“

„Wie viel?“, fragte Tamara. Sie war blass geworden.

Der Notar schüttelte bedauernd den Kopf.

„Ich kann Ihre Enttäuschung verstehen, aber mehr hat Ihr Herr Onkel nicht herausgewirtschaftet.“

„Siebzigtausend Mark, das wäre ja im Monat … fast sechstausend … ist das wirklich wahr?“ Tamara verdiente neunhundert Mark, und sie wusste, dass sie gut bezahlt wurde.

Der Notar begriff jetzt endlich, dass seine junge Mandantin alles andere als enttäuscht war. Er lächelte väterlich.

„Ihnen erscheint es sehr viel, Baroness, aber glauben Sie mir, es klingt nur viel, wenn man es nicht hat. Siebzigtausend Mark kann man im Jahr schön ausgeben.“

„Ich nehme die Erbschaft an. Wo muss ich unterschreiben?“, stieß Tamara hervor.

Der alte Herr schob ihr die vorbereitete Urkunde hin.

„Haben Sie erst einmal unterschrieben, dann müssen Sie sich an die Bedingungen halten, die Sie jetzt anerkennen.“

„Aber es ist doch kein Haken dabei, oder?“

„Nur der, dass Sie ‚Waldfrieden‘ selbst bewirtschaften müssen.“

„Mir macht es nichts aus, ein Hotel zu leiten. Im Gegenteil, ich freue mich darauf. Und … jetzt gehört ‚Waldfrieden‘ tatsächlich mir?“ Tamara konnte es noch immer nicht fassen, dass eine einzige Unterschrift genügen sollte, sie wohlhabend zu machen.

„Ja“, gab der Notar schlicht zurück. „Meinen herzlichsten Glückwunsch, gnädiges Fräulein, und recht viel Erfolg.“

Tamara fuhr mit einem Taxi in das Zeitungshaus zurück.

Strahlend erreichte sie wieder Dr. Wilkens Vorzimmer.

„Sie haben etwas versäumt, Fräulein Henslingen“, behauptete Christine Olden, eine der Stenotypistinnen, lachend. „Kurz nachdem Sie weggegangen waren, tauchte hier ein Mann auf, wie man ihn sonst nur träumt. Er war mit dem Chef verabredet, und wissen Sie, woher er kommt?“

Tamara wusste es nicht.

„Aus Ihrem Gummersbach. Also wenn da solche Männer herumlaufen, dann werde ich es ernsthaft in Erwägung ziehen, meinen Urlaub dort zu verbringen. Ein Mann wie … aus dem Bilderbuch.“

„Sie schwärmen ja ordentlich, Fräulein Olden“, staunte Tamara.

Sie lächelte ein wenig nachsichtig, denn sie selbst fühlte sich über so etwas erhaben. Auch wenn ein Mann gut aussah, war das ihrer Meinung nach noch lange kein Grund, so von ihm zu sprechen.

„Warten Sie ab, wenn er zurückkommt. Der Chef ist mit ihm essen gegangen. Sie werden schon verstehen, weshalb ich von ihm schwärme. – Ich glaube, sie kommen schon wieder zurück.“

Tamaras andere Kollegin hatte am Fenster gestanden und unentwegt auf die Straße geschaut.

„Toll sieht er aus“, seufzte sie schmelzend.

Christine trat neben sie ans Fenster, während Tamara an ihrem großen Schreibtisch Platz nahm. Sie hätte es albern gefunden, gleichfalls nach draußen zu schauen.

Zwei Minuten später öffnete sich die Tür, und Dr. Wilken ließ seinem Gast den Vortritt in den Raum.

Unwillkürlich hob Tamara den Kopf, um das angekündigte Wundertier zu betrachten. Der Fremde war überdurchschnittlich groß, athletisch gebaut, aber dabei hatte sein Gesicht doch nicht den etwas stumpfen Ausdruck, den man so häufig bei besonders gut gewachsenen Männern findet.

Der Körper eines Athleten und der Kopf eines Wissenschaftlers, so fasste Tamara für sich den Eindruck zusammen, den er auf sie machte.

„Kochen Sie uns doch, bitte, eine Kanne Kaffee“, bat der Chef Tamara im Vorbeigehen. „Aber recht stark und gut, bitte, mein Gast versteht nämlich etwas davon.“

Tamara nickte nur.

„Ist er nicht todschick?“, fragte Christine Olden hingerissen, als sich die Tür des Chefzimmers hinter den beiden geschlossen hatte. „Was würde ich tun, könnte ich solch einen Mann kriegen.“

Tamara schaltete den elektrischen Topf ein und spülte die Kaffeekanne warm aus. Sie nahm extra viel Kaffeemehl, um Herrn Wilken zufrieden zu stellen. Knapp zehn Minuten später trat sie in das Allerheiligste.

Wilken und sein Besucher saßen in den bequemen Clubsesseln und rauchten. Der Fremde lachte gerade herzlich, als Tamara die Tür mit dem Ellenbogen geöffnet hatte, sprang dann aber höflich auf, um sie hinter ihr zu schließen.

Sie stellte die Tassen, Zuckerdose und Milchkännchen auf dem niedrigen Rauchtisch.

„Soll ich Ihnen eingießen?“, fragte sie Dr. Wilken.

„Bitte sehr. Das ist übrigens meine Sekretärin, Fräulein Henslingen“, stellte Wilken sie vor. „Sie interessiert sich sehr für Gummersbach. Seien Sie nett zu ihr, vielleicht verbringt sie ihren Urlaub dann in Ihrem Hotel.“

„Ach, Sie haben ein Hotel in Gummersbach. Sind Sie etwa der Besitzer von ‚Fernblick‘?“

„Stimmt alles genau.“ Der Fremde lächelte ein ganz klein wenig spöttisch. Wahrscheinlich ist er es gewohnt, dass Frauen und Mädchen ihn hingerissen anstarren, dachte Tamara, und er hält mich für ein Gänschen wie die anderen, die ihn anhimmeln.

Sie ärgerte sich über sich selbst. „Ich interessiere mich für Gummersbach“, äußerte sie so trocken wie möglich.

„Das finde ich sehr nett von Ihnen, meine Dame. Ach, lieber Doktor, fast hätte ich es vergessen. Ich möchte gern eine Anzeige aufgeben. Würden Sie bitte veranlassen, dass sie in die Sonnabendausgabe hineinkommt. Sie muss recht groß sein, denn heutzutage ist es wahnsinnig schwer, Personal zu finden.“

„Das erledigen Sie sicher.“ Dr. Wilken nahm den Zettel, den sein Freund ihm reichte, und gab ihn an Tamara weiter, ohne einen Blick darauf zu werfen. „Wir brauchen Sie jetzt nicht mehr.“ Dr. Wilken nickte seiner Sekretärin freundlich zu. „Ihr Kaffee ist übrigens wieder einmal ganz ausgezeichnet“, lobte er höflich.

An ihrem Schreibtisch überflog Tamara den Zettel, auf dem in Druckschrift der Text der Anzeige stand. Ein gut geführtes Hotel in einem kleinen, aber reizend gelegenen Kurort des Harzes suchte Zimmermädchen, Kellner und Küchenhilfen zum sofortigen Antritt. Gutes Gehalt und hervorragende Unterkunft waren versprochen.

Er behandelt seine Leute sicherlich nicht gut, dachte Tamara, sonst hätte er es nicht nötig, bis hierher zu kommen, um Personal zu engagieren. Er wirkte auf sie wie ein Despot. Nein, verbesserte sie sich in Gedanken sofort, nur wie ein Mann, der seinen Willen immer durchsetzt.

„Auch unser Fräulein Henslingen träumt von ihm“, spottete Christine Olden. „Ich muss sagen, das beruhigt mich sehr. Sie sind mir manchmal direkt unnatürlich vorgekommen, wenn ich ehrlich sein soll. Aber es muss nur der Richtige auftauchen, dann sind auch Sie interessiert.“

„Dieser Mann interessiert mich überhaupt nicht“, gab Tamara bitterböse zurück.

Sie zog das Telefon zu sich heran und wählte die Hausnummer der Anzeigenannahme.

***

Den Tag über war das Wetter schöner gewesen, aber gegen Abend begann sich der Himmel zu beziehen. Dunkle Wolken zogen sich finster zusammen. Tamara warf einen besorgten Blick nach oben.

„Wenn man einen Regenschirm braucht, dann steht er bestimmt zu Hause“, murmelte sie resignierend.

Sie zog ihren Mantel über und zuckte die Schultern, als sie merkte, dass sie nicht einmal ein Kopftuch bei sich hatte. Sie trat auf den langen Flur hinaus, der jetzt, fünf Minuten nach Dienstschluss, wie ausgestorben dalag. Vor dem Lift wartete sie einen Moment, nachdem sie den Knopf gedrückt hatte.

Mit einem Surren, das in einem Knacken endete, hielt er vor ihr. Dr. Wilken öffnete die Tür und nickte seinem Besucher noch einmal herzlich zu.

„Hat es Ihnen gefallen?“, fragte er.

„Die Besichtigung Ihres Betriebes war für mich sehr eindrucksvoll“, beteuerte der Mann. „Wenn Sie im Herbst bei mir zu Gast sind, werde ich mich revanchieren. Auch in einem Hotel gibt es viel zu sehen, das können Sie mir glauben.“

„Ich werde Sie daran erinnern. Auf Wiedersehen dann, Herr Assmussen. Entschuldigen Sie, dass ich so lange geredet habe“, wandte sich Dr. Wilken an seine charmante Sekretärin.

„Oh, das macht überhaupt nichts“, beteuerte Tamara mit ihrem reizendsten Lächeln.

Ihr Blick huschte flüchtig zu Sven Assmussen, der lässig gegen die Seitenwand der engen Kabine gelehnt stand und sie, fand Tamara jedenfalls, recht ungeniert musterte.

„Kommen Sie nur herein, ich beiße nicht“, lud Sven sie ein. „Und junge, hübsche Damen schon gar nicht“, fügte er mit leichtem Spott hinzu.

Tamara ließ sich nicht zweimal auffordern.

„Ich lasse mich auch nicht beißen“, gab sie im gleichen Ton zurück. „Und von selbstsicheren jungen Männern schon gar nicht.“

„Tatsächlich nicht?“, wunderte sich Sven Assmussen. „Sie sind also Doktor Wilkens rechte Hand und sein Gedächtnis. Ich wünschte, ich hätte auch solch ein charmantes Gedächtnis wie er. Meins ist unscheinbar und hat graues Haar.“

„Dann arbeitet Ihr Gedächtnis wohl schon einige Jahre mit Ihnen zusammen?“, fragte Tamara herausfordernd.

Sven Assmussen verstand den Scherz und lachte.

„Sehe ich aus wie ein Mann, der einer Mitarbeiterin graue Haare verschafft?“, wollte er vergnügt wissen.

Er stieß die Glastür der Kabine auf und ließ Tamara höflich den Vortritt. Die Fahrt, die fünf Stockwerke hinab führte, war für ihn sehr schnell gegangen. Für Tamara übrigens auch.

Da hatte sie nun einen Hotelfachmann vor sich, noch dazu einen aus dem gleichen Ort, in dem auch sie bald ein eigenes Haus leiten würde, und sie brannte darauf, ihn auszuholen. Es gab ja so viele Dinge, von denen sie noch keine Ahnung hatte, und solange dieser Mann nicht wusste, dass sie Konkurrenten waren, würde er wahrscheinlich auch offen mit ihr sprechen.

Es waren ein paar Schritte bis zum Ausgang. Es goss wie aus Kübeln, kein Mensch befand sich draußen, dafür war der Vorraum angefüllt mit Menschen, deren nasse Kleider im Warmen dunsteten.

Unwillkürlich verzog Tamara die Nase. Sie liebte es gar nicht, von Menschen eingekeilt zu sein und war deshalb entschlossen, ruhig in Kauf zu nehmen, bis auf die Unterkleidung durchnässt zu werden, als hier zu warten.

„Ich fahre Sie nach Hause“, schlug Assmussens sonore Stimme an ihr Ohr. „Warten Sie hier einen Moment, ich habe meinen Wagen auf dem Chefparkplatz stehen.“

Ihm kommt wohl nicht einmal der Gedanke, mich erst zu fragen, ob ich auch einverstanden bin, kam es Tamara in den Sinn. Wie eingebildet ist dieser Mensch nur. Unter normalen Umständen hätte Baroness Henslingen ihm jetzt eine ganz kräftige Abfuhr erteilt.

Aber so, wie die Dinge nun einmal lagen, lächelte sie ihm nur in gespielter Dankbarkeit zu. Eine Minute später hielt draußen ein großer, eleganter Wagen. Sven Assmussen öffnete ihr von innen die Tür ein Stückchen und winkte. Es waren nur etwa drei Meter durch den Regen zu laufen, und doch genügten sie, Tamara ordentlich nass zu machen.

„Was halten Sie davon, wenn wir irgendwo zu Abend essen?“, fragte Sven und legte den rechten Arm auf die Rückenlehne.

„Sie hatten mir nur angeboten, mich nach Hause zu fahren“, erinnerte Tamara.

„Ich habe es mir überlegt. Lust, heute bei diesem Regen zurückzufahren, habe ich nicht. Ich werde die Nacht in irgendeinem Hotel verbringen und morgen früh aufbrechen. Und was soll ich allein mit dem langen Abend anfangen?“

„Schüchtern sind Sie gar nicht“, platzte Tamara heraus. „Wenn ich nun schon etwas vorhätte?“

„Dann würden Sie einen armen Mann versetzen. Es täte mir leid für ihn, aber mit so etwas muss er rechnen, wenn er sich solch eine bezaubernde kluge Freundin zulegt.“