Lore-Roman 70 - Helga Winter - E-Book

Lore-Roman 70 E-Book

Helga Winter

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Beschreibung

Der geächtete Graf

Warum er sein Dasein in Einsamkeit fristet


Ein schweres Unwetter wird Ulrike von Eschenbach und ihrer jungen Reisebegleiterin Nana von Koldehoff zum Schicksal. Der Wagen gerät in einen Steinschlag und bleibt stecken, und sie müssen die Fahrt an die Riviera unterbrechen. Auf der Suche nach Hilfe irren die beiden durch strömenden Regen und Dunkelheit, bis sie auf das Schloss des Grafen von Blomberg stoßen. In letzter Minute, wie sich herausstellt, denn die alte Dame ist verletzt und benötigt dringend einen Arzt.
Schroff und menschenfeindlich verhält sich der düstere Graf, und doch kommt er nicht umhin, die beiden ungebetenen Gäste für längere Zeit zu beherbergen. Vom ersten Augenblick an fühlt sich Nana zu dem Mann hingezogen. Sie spürt, diese Kälte und dieser Hass sind nur eine Maske. Nana möchte ergründen, was ihn so verbittert und abweisend gemacht hat. Sie ist sich sicher, sie wird seinem Geheimnis auf die Spur kommen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Der geächtete Graf

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bogdan Sonjachnyj / shutterstockBilder Innenteil: Victorian Traditions / shuttestock; wikicommons

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9069-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der geächtete Graf

Warum er sein Daseinin Einsamkeit fristet

Von Helga Winter

Ein schweres Unwetter wird Ulrike von Eschenbach und ihrer jungen Reisebegleiterin Nana von Koldehoff zum Schicksal. Der Wagen gerät in einen Steinschlag und bleibt stecken, und sie müssen die Fahrt an die Riviera unterbrechen. Auf der Suche nach Hilfe irren die beiden durch strömenden Regen und Dunkelheit, bis sie auf das Schloss des Grafen von Blomberg stoßen. In letzter Minute, wie sich herausstellt, denn die alte Dame ist verletzt und benötigt dringend einen Arzt.

Schroff und menschenfeindlich verhält sich der düstere Graf, und doch kommt er nicht umhin, die beiden ungebetenen Gäste für längere Zeit zu beherbergen. Vom ersten Augenblick an fühlt sich Nana zu dem Mann hingezogen. Sie spürt, diese Kälte und dieser Hass sind nur eine Maske. Nana möchte ergründen, was ihn so verbittert und abweisend gemacht hat. Sie ist sich sicher, sie wird seinem Geheimnis auf die Spur kommen …

„Ich langweile mich.“ Die alte Dame, die im Hotelzimmer hin und her gegangen war, blieb vor ihrer Reisebegleiterin stehen. „Ich langweile mich furchtbar.“

Nana von Koldehoff lächelte versteckt. Sie kannte die Symptome an ihrer Chefin. Seit zwei Tagen weilten sie nun in diesem luxuriösen Hotel, und schon wollte Frau von Eschenbach weiterreisen.

„Hier ist nichts los. Was sollen wir hier? Lassen Sie unsere Rechnung fertigmachen, wir fahren morgen nach dem Frühstück weiter.“

„Wie Sie wünschen, gnädige Frau. Und wohin soll es gehen?“

„Weiter“, erklärte die alte Dame energisch. „Wir fahren einfach die Hauptstraße entlang und halten an, wo es uns gefällt. Ich begreife nicht, wie manche Leute hier ihren Urlaub verbringen können.“

„Die Landschaft ist sehr reizvoll, und der Ort bietet viele Abwechslungen.“

„Die Landschaft …“ Frau von Eschenbach schüttelte den Kopf. „Überall nur Berge, wo man hinschaut. Ich finde Berge langweilig.“

Sie fand das Meer gleichfalls langweilig. Seit Jahren reiste sie ruhelos durch die Welt, immer in der Hoffnung, irgendwo etwas zu finden, das sie interessierte.

„Vergessen Sie nicht, den Wagen auftanken zu lassen, Nana. Packen Sie die Koffer schon heute Abend.“

„Jawohl, gnädige Frau.“

Nana lächelte versteckt vor sich hin. Ihr machte das Herumreisen noch Spaß, wenn sie es auch manchmal etwas ermüdend fand. Sie bewunderte die Zähigkeit ihrer Chefin, der keine Strapaze zu viel wurde.

Hoffentlich fahren wir morgen nicht weit, dachte sie. Zu ihren Pflichten gehörte es nämlich, den Mercedes zu steuern. Man traute ihr kaum zu, dass sie imstande war, den schweren Wagen zu beherrschen.

Nana von Koldehoff war nur mittelgroß, sehr schlank und zierlich. Ihre Hand- und Fußgelenke waren schmal, und doch besaß die junge Dame eine Kraft, die man nicht in dem grazilen Körper vermutet hätte.

„Worauf warten Sie noch?“, fragte Frau von Eschenbach ungeduldig. „Kümmern Sie sich um alles, Nana.“

„Wann wünschen Sie morgen abzureisen?“

„Gleich nach dem Frühstück. Ich kann hier keinen Tag länger bleiben. Diese entsetzlichen Hotels …“

„Warum kaufen Sie sich nicht ein Haus und werden sesshaft?“, wagte Nana zu fragen.

„Sesshaft werde ich, wenn ich im Grabe liege, vorher nicht. In einem Haus leben, tagein, tagaus, immer die gleiche Aussicht, die gleichen Menschen um mich herum … Ich würde verrückt werden. Ich brauche Abwechslung, mein liebes Kind.“

Nana erhob sich. Aus Erfahrung wusste sie, dass die alte Dame auf schnellste Ausführung ihrer Anordnungen bestand. Zwar drängte die Zeit nicht, aber wenn Frau von Eschenbach so nervös war wie heute, dann ertrug sie den Anblick eines Menschen nicht, der ruhig in einem Sessel saß.

„Und lassen Sie sich etwas zu essen einpacken. Vergessen Sie das Obst nicht. Und etwas zu trinken. Achten Sie darauf, dass der Kaffee heiß in die Thermosflasche kommt. Letztes Mal war er lauwarm!“

„Jawohl, gnädige Frau.“

Nana nickte und verließ das Hotelzimmer. Es war ein großer, sehr luxuriöser Raum, der täglich ein Heidengeld kostete. Ihr Zimmer lag gleich nebenan, und es kostete genauso viel. Was immer man auch gegen Frau von Eschenbach einwenden konnte, Geiz durfte ihr niemand nachsagen.

„Sie wollen schon wieder weiterreisen?“, fragte der Empfangschef ungläubig. „Frau von Eschenbach hat die beiden Zimmer für eine Woche bestellt, Fräulein von Koldehoff.“

„Sie hat es sich anders überlegt. Selbstverständlich bezahlen wir für eine Woche.“

Das Gesicht des Mannes wurde sofort wieder freundlich. „Dann geht die Angelegenheit ja in Ordnung, Fräulein von Koldehoff. Darf ich mir gestatten zu fragen, ob die Damen am Hotel oder am Service etwas auszusetzen hatten?“

„Absolut nicht.“

„Das Wetter wird umschlagen, Fräulein von Koldehoff. Morgen wird es regnen.“

Nana zuckte die Schultern. Sie konnte es nicht ändern.

„Bei starkem Regen ist die Fahrt durch das Gebirge nicht ganz ungefährlich. Im letzten Monat erst sind vier Menschen in einem Wagen durch Steinschlag zu Tode gekommen.“

„Frau von Eschenbach möchte weiterreisen. Regen stört sie nicht.“

„Es war meine Pflicht, Sie auf die Gefahr hinzuweisen, gnädiges Fräulein. Vielleicht wird der Regen auch nicht so schlimm. Unser alter Hausdiener meint allerdings, es würde eine Art Wolkenbruch geben. Er spürt das Wetter an einer Kriegsverletzung am Bein. Seine Voraussagen sind absolut zuverlässig.“

Bangemachen gilt nicht, dachte Nana. Mit Frau von Eschenbach zusammen hatte sie schon so manches Abenteuer überstanden. Seit mehr als einem Jahr arbeitete sie für die alte Dame, und dabei hatte sie fast jeden Winkel Europas kennengelernt. Den ersten Wagen hatte Frau von Eschenbach verkauft, als er hunderttausend Kilometer zurückgelegt hatte. Ihr jetziger Wagen war erst drei Monate alt, aber sie waren auch damit schon über zwanzigtausend Kilometer gefahren.

Nana hatte ihre Koffer gar nicht ausgepackt, nur das Notwendigste herausgenommen.

„Werden die Damen den Ball heute Abend besuchen?“, fragte der Empfangschef.

„Nein.“

„Das ist sehr schade. Unsere Bälle sind bekannt und beliebt, gnädiges Fräulein.“

„Frau von Eschenbach macht sich nichts aus Bällen.“

Und ich muss für die Fahrt morgen frisch sein, dachte Nana. Abgesehen davon waren ihr solche Hotelfestlichkeiten äußerst gleichgültig. Sie langweilte sich stets, wenn Frau von Eschenbach sich einmal durchgerungen hatte, solch einen Ball mitzumachen. Dabei fehlte es ihr nie an Tänzern.

Als sie nun durch die Hotelhalle zurückging, folgten ihr wieder bewundernde Blicke der Männer und neidische der Frauen. Nana von Koldehoff zog sich betont schlicht an, aber das einfachste Kleid konnte die Vornehmheit ihrer ganzen Erscheinung nicht verbergen.

„Wie die bloß angibt“, knurrte eine füllige Dame. „Dabei gehört sie zum Personal. Was diese Leute sich heutzutage herausnehmen!“

Ihr Mann nickte, aber er konnte keinen Blick von Nana lassen, bis eine Biegung der breiten Hoteltreppe sie seiner Sicht entzog. Seiner besseren Hälfte war nicht entgangen, wie er Nana angeschaut hatte.

„Ein billiges kleines Ding“, äußerte sie grimmig. „Ihr ist zu Kopf gestiegen, dass Frau von Eschenbach sie wie ihresgleichen behandelt.“

„So billig finde ich sie gar nicht“, widersprach der Mann. Er hatte gesprochen, ohne zu überlegen, das wurde ihm sofort klar, als sich das Gesicht seiner Gattin rötete.

„Deinen Geschmack kenne ich, lieber Adolf. Je billiger ein Mädchen ist, desto besser gefällt es dir. Ich brauche nur an das Zimmermädchen im ‚Mirimare‘ zu denken …“

Ihr Mann dachte gleichfalls daran und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Die Kleine war nett gewesen, aber diese Nana war eine ganz andere Klasse. Heute Abend würde er mit ihr tanzen. Er machte sich zwar nichts aus Bällen, obwohl seine Frau ihn zu jeder Veranstaltung mitschleifte.

Nana ahnte nichts von dem Ehekrach, den sie bei ihr völlig fremden Menschen verursacht hatte.

Als sie zu Frau von Eschenbach zurückkehrte, ging die alte Dame immer noch im Zimmer auf und ab.

„Zu dumm, dass es schon so spät ist“, sagte sie gereizt. „Sonst wären wir heute noch weitergefahren. Dieser Blick hier auf die Berge … Schlimmer als ein Gefängnis. Ich habe direkt Angst, keine Luft mehr zu bekommen. Wie können Menschen nur in Tälern leben …“

Nana wusste nichts darauf zu erwidern.

„Nun sagen Sie schon etwas, stehen Sie nicht so stumm herum! Haben Sie sich um den Wagen gekümmert?“

„Noch nicht, gnädige Frau. Der Benzintank ist noch voll. Wir hatten ihn hier zur Inspektion. Der Wagen ist reisefertig. Der Empfangschef meinte übrigens, das Wetter würde umschlagen.“

Ulrike von Eschenbach stieß einen Knurrlaut aus.

„Er will nur nicht, dass wir weiterreisen. Der gute Mann hat sich geirrt. Soll er sein Gefängnis anderen Dummen vermieten, die sich hier freiwillig einkerkern lassen und dafür noch bezahlen. Wir fahren ans Meer. Ich will einen freien Blick zum Horizont haben! Das Meer ist herrlich, ich liebe es.“

Aber nicht länger als höchstens eine Stunde, dachte Nana. Sie liebte das Meer besonders, weil es immer ein anderes Gesicht zeigte. Frau von Eschenbach besaß ein komfortables Haus an der Riviera. Im vergangenen Jahr hatte sie dort drei Tage gewohnt. Dann war es ihr zu langweilig geworden. Ein Jammer, solch ein Haus das ganze Jahr hindurch leer stehen zu lassen, dachte Nana.

„Heute Abend findet hier ein Ball im Hotel statt …

„Geldschneiderei! Nur Geldschneiderei. Bälle sind langweilig. Wären wir doch erst hier raus!“

„Wenn Sie gestatten, packe ich Ihre Koffer, gnädige Frau.“

„Worauf warten Sie noch? Wären wir doch nur niemals hier abgestiegen.“ Das pflegte sie bei jedem Hotelaufenthalt nach zwei oder drei Tagen zu sagen. „Dass den Menschen auch nie etwas einfällt. Überall das Gleiche.“

Nana öffnete den Koffer und begann, Frau von Eschenbachs Kleider hineinzulegen. Sie war perfekt im Packen. Manchmal entschloss sich Frau von Eschenbach von einer Minute zur anderen zur Weiterreise, und wehe, wenn ihr Gepäck nicht im Handumdrehen bereitstand.

Wie alt mag sie sein?, fragte sich Nana wieder einmal. Ulrike von Eschenbach war schwer einzuschätzen. Ihre Haut war faltig, ihr Haar grau, aber die Augen wirkten absolut jugendlich. Sie konnte ebenso gut sechzig wie fünfundsiebzig Jahre alt sein. Ihrem Temperament nach war, sie allerdings höchstens achtzehn.

„Wir werden noch einen Spaziergang durch dieses Kaff machen. Wie heißt es doch gleich?“

Nana nannte ihr den Namen des mondänen Ortes. Es war bezeichnend für Frau von Eschenbach, dass sie häufig gar nicht wusste, wo sie sich befand.

„Da machen sie wer weiß wie viel Reklame mit dem Kaff, und nichts steckt dahinter. Wo sind die Schönheiten, die sie im Prospekt anpreisen? Wo sind sie!“, redete sie gleich weiter. „Nur im Prospekt.“

Nana hörte nicht zu. Diese Art Selbstgespräche kannte sie zur Genüge. Frau von Eschenbach konnte man es kaum recht machen. Sie fand so ziemlich an allem etwas auszusetzen.

Wer sie kannte, wunderte sich, dass Nana es so lange bei ihr aushielt. Aber im engen persönlichen Kontakt zeigte die alte Dame manchmal Seiten, die sie sehr liebenswürdig erscheinen ließen. Trotz ihres Reichtums tat sie Nana leid. Im Grunde genommen war ihre Chefin ein armer, unbefriedigter Mensch. Ihr Mann war früh gestorben und hatte sie glänzend versorgt hinterlassen; Kinder hatte sie nicht, von ihren wenigen Verwanden wollte sie nichts wissen …

„Hören Sie auf zu packen, wir machen einen Spaziergang. Ich brauche Luft, frische Luft.“

Die Doppeltür zum Balkon stand weit offen, laue Frühlingsluft strömte herein, aber Frau von Eschenbach war trotzdem nicht zufrieden.

„Langweilig, schrecklich langweilig“, knurrte sie, als sie bald darauf die Promenade entlanggingen. Die Kurverwaltung hatte keine Kosten gescheut, die Anlagen in ein Blumenmeer zu verwandeln. Dennoch ruhte Frau von Eschenbachs Blick voller Missbilligung auf der blühenden Pracht.

„Kitschig“, urteilte sie wegwerfend. „Ich will ins Hotel zurück. Der Anblick von so viel Kitsch macht mich ganz krank.“

Nana wurde dafür bezahlt, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, und widersprach ihr deshalb nicht. Sie wäre gern weitergegangen. Rechts vom Weg befand sich ein Fluss, dessen klares Wasser das Geröll im Bett umspülte.

„Wenn Sie wollen, dürfen Sie den Ball besuchen“, erlaubte Frau von Eschenbach großmütig. „Hier haben Sie ein bisschen Geld.“

„Vielen Dank, gnädige Frau. Ich möchte lieber früh ins Bett gehen.“

Ulrike von Eschenbach fixierte Nana scharf.

„Sie sollten jeden Ball besuchen, den Sie mitmachen können, mein Kind. Angeln Sie sich einen reichen Mann, dann haben Sie ausgesorgt. Sie sind doch wohl nicht so dumm, aus Liebe heiraten zu wollen?“

„Ans Heiraten habe ich überhaupt noch nicht gedacht.“

„Dann wird es Zeit, daran zu denken. Männer sind auf der Welt, uns Frauen das Leben angenehm zu machen. Sie haben nur halb so viel Verstand, wie sie glauben, aber eine kluge Frau wird immer so tun, als hielte sie Männer für überaus intelligent. Umso leichter lassen sie sich ausnehmen. Lernen Sie von einer alten Frau, Nana.“

„Jawohl, gnädige Frau.“

„Und sagen Sie nicht immer jawohl, gnädige Frau, wenn Sie mir eigentlich gar nicht zustimmen. Warum sagen Sie mir nicht, dass ich Ihrer Meinung nach unrecht habe? Los, warum sagen Sie es nicht?“

„Weil ich meine, dass Sie vielleicht recht haben.“

„Ich habe recht. Nur … Geld allein macht nicht glücklich. Ein Trost für die, die keins haben. Vielleicht sollte man doch aus Liebe heiraten und sich einen Haufen Kinder anschaffen, die einem am Rock hängen und denen man die Nasen putzen muss. Vielleicht ist das besser. Aber ich glaube es nicht. Ich glaube, man kann tun, was man will, falsch ist es immer. Und jetzt habe ich genug geredet. Ich möchte allein sein.“

Nana nickte. Es kam nicht allzu oft vor, dass Frau von Eschenbach ihr einen Blick in ihr Denken und Fühlen gestattete. Arme reiche Frau, dachte Nana, als sie die Hotelzimmertür hinter sich schloss.

***

Als Nana am nächsten Morgen aufwachte, prasselte der Regen gegen die Scheiben. Sie richtete sich im Bett auf und rieb sich die Augen. Bei dem Wetter machte das Autofahren keinen Spaß.

Der dem Hotel gegenüberliegende Berg lag hinter dichten Nebelschwaden. Heute Morgen würde man keinen Hund vor die Tür jagen, dachte sie. Sie ließ sich ins Bett zurückfallen. Noch fünf Minuten Zeit hatte sie, bis sie aufstehen und duschen musste.

Frau von Eschenbach verlangte von ihr äußerste Pünktlichkeit, obwohl sie keineswegs nach der Uhr zu leben brauchte. Alte Damen hatten nun einmal ihre Marotten.

Frau von Eschenbach war schon wach, als Nana eintrat.

„Der Regen hat mich geweckt“, erklärte sie ihrer Reisebegleiterin. „Wie gut, dass wir heute Morgen abreisen.“

„Wollen Sie tatsächlich …?“, stieß Nana überrascht hervor.

„Was dachten Sie denn? So ein bisschen Regen macht uns doch nichts aus, und im Wagen sitzen wir trocken. Hinter dem Gebirge scheint sicherlich die Sonne. Ich freue mich schon auf das Meer.“

Der Hotelportier schüttelte diskret den Kopf, als Nana ihm befahl, den Wagen vorzufahren.

„Wollen Sie nicht lieber abwarten, bis der Regen aufhört?“, fragte er. „Zum Teil werden die Straßen überspült sein.“

„Ich möchte gern den Wagen.“ Nana stimmte ihm zwar vollkommen zu, aber das brachte sie nicht zum Ausdruck. Sie wurde dafür bezahlt, Frau von Eschenbachs Wünsche zu erfüllen, und sie wurde ausgezeichnet bezahlt.

Der Hoteldiener brachte ihr Gepäck zum Wagen, und später geleitete der Empfangschef sie persönlich unter einem riesigen Regenschirm zu ihrem Mercedes.

Die Scheibenwischer schafften es kaum, die Sicht einigermaßen freizuhalten. Nana musste im Schritttempo fahren. Nur ein Stückchen der Straße war zu sehen, rechts und links von ihr verschwand die Landschaft in Nebelschwaden.

„Man kommt sich vor wie am Ende der Welt“, knurrte Frau von Eschenbach. Sie saß gern im Auto, selbst dann, wenn der Regen so auf das Dach prasselte, dass man sich nur mit erhobener Stimme unterhalten konnte. „Zigarette?“

„Vielen Dank, nein. Nicht, wenn ich fahre.“

„Das ist auch richtig so, Kind. Fahren Sie ruhig etwas schneller. Was für ein Krach war das?“

„Wahrscheinlich eine Sprengung.“

„Bei dem Regen arbeitet niemand draußen. Hätten wir dieses schreckliche Gebirge doch erst hinter uns. Am Mittelmeer wird die Sonne scheinen, wollen wir wetten? Und Sie brechen dann wieder jede Menge Männerherzen. Erinnern Sie sich noch an den Schwarzhaarigen, der Ihnen auf Schritt und Tritt nachgelaufen ist wie ein treuer Hund? Wie hieß er noch gleich? Luigi? Nein, Marco. Merkwürdig, heutzutage scheinen alle Italiener Marco zu heißen.“

Nana musste sich vollkommen auf den Wagen konzentrieren. Ihre Augen brannten vom angestrengten Fahren. Sie hatte es nicht für möglich gehalten, dass der Regen noch stärker werden konnte, aber es war tatsächlich der Fall.

„Es ist fast so, als führen wir in einem Unterseeboot“, stellte Frau von Eschenbach befriedigt fest. „Nur Wasser um uns herum, und wir sitzen im Trockenen. Endlich einmal eine Abwechslung. Die ewige Sonne hing mir schon zum Halse heraus. Können Sie auch genug sehen, Nana?“

„So gut wie gar nichts.“

Im letzten Moment steuerte die junge Dame den Wagen scharf nach rechts. Ein Wagen war ihnen entgegengekommen, den sie erst im allerletzten Moment bemerkt hatte, obwohl er selbstverständlich die Scheinwerfer eingeschaltet hatte.

„Gerade noch einmal gutgegangen.“ So leicht gab es nichts, was Frau von Eschenbach beunruhigen konnte. „Ich habe Hunger. Sie auch?“

„Wenn hier irgendwo ein Rastplatz ist, dann sollten wir vielleicht anhalten, gnädige Frau. Das Fahren bei diesem Wetter ist nicht ganz ungefährlich.“