Lore-Roman 87 - Ursula Fischer - E-Book

Lore-Roman 87 E-Book

Ursula Fischer

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Beschreibung

Karla Dankwart lebt seit dem rätselhaften Tod ihres Bruders Volker mit der Schwägerin und den Kindern zusammen. Nur selten sprechen die beiden über den Mann, der ihrem Herzen so nahesteht. Ihr bescheidenes Leben soll sich jäh ändern, als Karla während der Arbeit im Warenhaus Jantzen ihren verstorbenen Bruder sieht. Das Mädchen kämpft sich durch die vollen Gänge, doch dann ist Volker schon wieder im Getümmel verschwunden.
Noch ganz benommen läuft Karla dem Chef des Warenhauses in die Arme. Detlef Jantzen ist sofort verzaubert von seiner Verkäuferin. Nach dem Studieren ihrer Personalakte ist er sich sicher: Dieses Mädchen ist viel zu schade für den Verkaufstresen. Kurzerhand befördert er sie zu seiner Sekretärin.
Karla kann ihr Glück kaum fassen, und mit einer unsichtbaren Macht strebt sie Schritt für Schritt auf Jantzen zu, bis sie rettungslos verloren ist. Karla weiß, dass er verheiratet ist, und doch hat sie ihn geküsst, einen Mann, der ihr unerreichbar ist. Sie verachtet sich für diesen Schritt vom Wege, und doch hat sie es aus Liebe getan.
Karla ahnt nicht, dass auch ihr Bruder einen Schritt vom rechten Wege getan hat, und niemand kann ihm helfen, der aus Mitleid und Liebe zum Betrüger geworden ist ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Ein Schritt vom Wege

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Nomad_Soul / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0036-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ein Schritt vom Wege

Karla flieht vor der Liebe

Von Ursula Fischer

Karla Dankwart lebt seit dem rätselhaften Tod ihres Bruders Volker mit der Schwägerin und den Kindern zusammen. Nur selten sprechen die beiden über den Mann, der ihrem Herzen so nahesteht. Ihr bescheidenes Leben soll sich jäh ändern, als Karla während der Arbeit im Warenhaus Jantzen ihren verstorbenen Bruder sieht. Das Mädchen kämpft sich durch die vollen Gänge, doch dann ist Volker schon wieder im Getümmel verschwunden.

Noch ganz benommen läuft Karla dem Chef des Warenhauses in die Arme. Detlef Jantzen ist sofort verzaubert von seiner Verkäuferin. Nach dem Studieren ihrer Personalakte ist er sich sicher: Dieses Mädchen ist viel zu schade für den Verkaufstresen. Kurzerhand befördert er sie zu seiner Sekretärin.

Karla kann ihr Glück kaum fassen, und mit einer unsichtbaren Macht strebt sie Schritt für Schritt auf Jantzen zu, bis sie rettungslos verloren ist. Karla weiß, dass er verheiratet ist, und doch hat sie ihn geküsst, einen Mann, der ihr unerreichbar ist. Sie verachtet sich für diesen Schritt vom Wege, und doch hat sie es aus Liebe getan.

Karla ahnt nicht, dass auch ihr Bruder einen Schritt vom rechten Wege getan hat, und niemand kann ihm helfen, der aus Mitleid und Liebe zum Betrüger geworden ist …

Karolinas Hände begannen unwillkürlich zu zittern, als Fräulein Pollmann neben sie trat. Es lag an dem überlegenen und stets verächtlichem Gesichtsausdruck der Abteilungsleiterin, weshalb das Mädchen plötzlich nicht mehr imstande war, die vor ihr stehende Kundin weiterhin zu beraten.

„Ein wunderschöner Seidenstoff, meine Dame“, begann Grete Pollmann plötzlich zu sprechen und schob Karla Dankwart einfach zur Seite.

Mit Tränen in den Augen machte sich Karla an den Stoffballen im Regal zu schaffen. Die Dame hätte sich bestimmt für den Kauf entschieden, wenn Fräulein Pollmann nicht dazwischengetreten und ihr die Unbefangenheit genommen hätte.

„Danke, Fräulein, ich will es mir noch einmal überlegen“, vernahm das Mädchen hinter ihrem Rücken und hörte dann erregtes Atmen an ihrer Seite.

„Ich möchte nur einmal wissen“, zischte Fräulein Pollmann ihr zu, „was Sie eigentlich können, Fräulein Dankwart. Sie stehen da wie ein Stock! Kein Wunder, dass die Kundin nicht kauft! Aber Sie glauben, etwas Besseres zu sein und es nicht nötig zu haben!“

Bei diesen gehässigen Worten senkte Karolina, kurz Karla genannt, den blonden Kopf. Was sollte sie darauf schon sagen?

„Darauf können Sie mir nichts sagen, Fräulein Dankwart“, fuhr Grete Pollmann fort. „Ich werde einmal mit der Personalabteilung reden, denn so geht es ja nicht weiter. Sie sind keine Verkäuferin, Sie sind …“

Eine neue Kundin trat an den Verkaufstisch und ließ Fräulein Pollmann verstummen. Mit freundlichem Lächeln stürzte sie sich auf die Dame und versuchte sie, mit einem Schwall von Worten zu überzeugen, dass ein grellgelber Seidenstoff wunderbar zu ihrem hellblonden Haar passen würde.

Karla stand am Regal und mischte sich nicht ein, obwohl es ihr geradezu wehtat, als die freundliche Kundin den angepriesenen Stoff wirklich kaufte.

Er würde gar nicht zu ihr passen, sie brauchte unbedingt etwas Dunkleres, aber Grete Pollmann nahm keine Rücksicht darauf.

„Na, sehen Sie, wie man es machen muss?“, fragte sie triumphierend, als die Frau mit dem Kassenzettel in der Hand davonging. „Von diesem unmöglichen Stoff hatten wir noch am meisten liegen, und deshalb müssen wir uns besondere Mühe geben, ihn loszuwerden.“

Karla verzichtete auf jede Antwort, doch Grete Pollmann dachte gar nicht daran, diese neue Verkäuferin, der man die Herkunft aus gutem Hause ansah, unbehelligt zu lassen. Karla stach von ihren Kolleginnen ab, sie besaß das gewisse Etwas, das man nicht lernen und auch nicht erwerben kann, sondern das eben die Frucht einer guten Erziehung ist.

„Reißen Sie sich jetzt zusammen, Fräulein Dankwart, sonst muss ich dafür sorgen, dass Sie entlassen werden!“

Mit traurigen Augen schaute die Gemaßregelte der davongehenden Abteilungsleiterin nach. Sie gab sich alle Mühe, sie hatte auch Erfolg, und trotzdem verfolgte dieses nicht mehr junge Fräulein sie mit ihrem Hass und versuchte, ihr das Leben zu erschweren.

Nur mühsam gelang es ihr, die Tränen zurückzudrängen, als sie die Stoffballen vom Verkaufstisch in die Regale zurücklegte.

„Hallo, Karla!“, weckte eine bekannte Stimme sie aus ihren düsteren Gedanken.

„Ach du, Hilde!“ Ihr Gesicht erhellte sich, als sie ihrer Schwägerin die Hand gab.

Hilde Dankwart schüttelte den Kopf, als sie sah, dass Karla dicht vor dem Weinen stand.

„Ärger gehabt?“, fragte sie leise.

Karla blickte sich scheu um. Privatgespräche waren im Warenhaus selbstverständlich verboten, aber Grete Pollmann stand am anderen Ende und war mit einer Kundin beschäftigt.

Hilde folgt der Richtung ihres Blickes.

„Das ist sie?“, fragte sie mit einer Kopfbewegung nach der Abteilungsleiterin, von der Karla ihr schon manches erzählt hatte.

Karla nickte nur. Ihr fiel nicht auf, dass ein jüngerer, gut gekleideter Mann sie schon eine ganze Weile beobachtete.

Hilde Dankwart übersah Karlas Ungeduld. Sie plauderte von ihrem Haushalt, erzählte von dem letzten Einkauf in diesem Haus, den sie heute Morgen, als Karla die gemeinsame Wohnung verlassen hatte, besprochen hatten, und vergaß ganz, dass ihre Schwägerin eigentlich keine Zeit hatte, sich mit ihr zu beschäftigen.

Der junge Mann, der mit gekreuzten Armen am gegenüberliegenden Verkaufstisch lehnte, kam langsam näher.

„Darf ich Ihnen bei Ihrer Wahl behilflich sein, gnädige Frau?“, fragte er Hilde und warf einen eisigen Blick auf Karla, die totenbleich wurde.

„Ich will nichts kaufen“, erklärte Hilde dem Mann verlegen. „Ich wollte meiner Schwägerin …“

Ein ironisches Lächeln glitt über die markanten Züge des gut gekleideten Mannes.

„Oder haben Sie etwas dagegen?“, fragte sie kriegerisch.

Der Mann machte eine spöttische Verbeugung.

„Sie haben es erraten, gnädige Frau, denn ich pflege meine Verkäuferinnen nicht für Plauderstunden zu bezahlen. Offenbar sind in der Stoffabteilung zu viele Kräfte beschäftigt, wenn dieses Fräulein Zeit hat, mit Ihnen über private Dinge zu sprechen. Dort“, wies er mit einer Kopfbewegung auf zwei Damen, die näher getreten waren und die auf dem Tisch liegenden Stoffballen begutachteten, „die Damen haben offenbar die Absicht, etwas zu kaufen. Aber ich sehe natürlich ein, dass Ihr Gespräch viel wichtiger ist als die Bedienung meiner Kundinnen.“

In Karlas bleiches Gesicht schoss eine Glutwelle, und sie griff mit zitternden Fingern nach ihrem Verkaufsblock.

„Weshalb plötzlich diese Eile, mein Fräulein?“, erkundigte sich der Mann ironisch. „Oder haben Sie Ihr Gespräch schon beendet?“

Karla lief davon und begann, die beiden Kundinnen zu bedienen, während Hilde den jungen Mann grimmig anschaute.

„Sie hätten Sklavenhalter werden sollen, mein Herr“, stieß sie hervor.

Detlef Jantzen lächelte ungerührt von seiner imponierenden Länge auf sie hinab.

„Mag sein, dass ich mich dafür gut geeignet hätte, aber leider fehlt es mir an geeignetem Menschenmaterial.“

„Wie schade, dass Ihre Fähigkeiten so brach liegen müssen“, spottete Hilde.

„Ihr Mitgefühl tut mir wohl“, gab Detlef Jantzen ebenso zurück, machte eine kurze Verbeugung und ging wieder zu seinem ursprünglichen Platz.

Das Mädchen spürte seine Augen auf sich ruhen und wurde wieder nervös. Während sie vorher unbefangen sprechen konnte, suchte sie jetzt krampfhaft nach Worten und verhaspelte sich, so dass sich die beiden Kundinnen erstaunte Blicke zuwarfen.

Wieder war es Grete Pollmann, die hinzutrat und Karla einfach zur Seite schob. Ihr gelang es tatsächlich, die beiden unschlüssigen Frauen zum Kauf zu bewegen, und sie lächelte den Chef des Hauses triumphierend an, als die beiden Damen davongingen.

„Was ist eigentlich mit dieser kleinen Verkäuferin los?“, fragte er und trat an den Verkaufstisch heran. „Sie müssen Ihre Mädchen richtig anleiten, Fräulein Pollmann. Ich habe beobachtet, dass sie eine ganze Zeit Privatgespräche geführt hat. So etwas gibt es bei uns nicht!“

Grete Pollmann bekam einen roten Kopf.

„Mit dieser Dankwart ist es ein Kreuz, Herr Jantzen. Sie hat alles Mögliche im Kopf, nur nicht ihre Arbeit. Sie glaubt anscheinend, etwas Besseres zu sein als wir, und gibt sich nicht die rechte Mühe.“

„Dann sorgen Sie dafür, dass es anders wird!“, gab Jantzen gelassen zurück und streifte, bevor er die Stoffabteilung verließ, Karolina noch einmal mit einem Blick.

Selbstverständlich galt dieser Blick nicht ihrer aparten Schönheit, es war nur … ja, es war selbstverständlich Verantwortungsbewusstsein, was ihn bewog, ihr noch einmal seine Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Detlef presste die Lippen zusammen, wandte sich ab und ging auf den Fahrstuhl zu, um in sein Büro zurückzukehren, das in der fünften Etage des großen Warenhauses untergebracht war.

Während er sich oben wieder in die Angebote vertiefte, ertappte er sich dabei, dass seine Gedanken mehr als einmal zu diesem Mädchen zurückgingen, das irgendwie anders war als ihre Kolleginnen. Ihr Bild stand ihm noch lange vor seinen Augen, auch dann noch, als er sich am Abend in sein Auto setzte und den Zündschlüssel herumdrehte …

***

„Diese Pollmann ist ja noch viel unsympathischer, als ich geglaubt habe“, meinte Hilde Dankwart, als sie ihrer Schwägerin am Abend gegenübersaß.

„Wie gut, dass Vater das nicht mehr erlebt hat“, sagte Karla aus ihren Gedanken heraus und wischte die beiden Tränen von den Wangen, die sich unwillkürlich aus ihren Augen gelöst hatten. „Er hätte niemals verstehen können, dass Menschen so boshaft sein können wie Fräulein Pollmann.“

„Ja, er war ein Seelsorger, wie er sein sollte“, bestätigte Hilde Dankwart nachdenklich.

Sie hatte ihn noch nicht lange gekannt, bevor er unter den Trümmern seines Hauses begraben wurde, aber die wenigen Monate hatten genügt, um sein Bild nie verwischen zu lassen.

„Auch Volker würde es nicht begreifen können“, sagte Karla.

Ihr Bruder hätte bestimmt verhindert, dass sie unter solch unwürdigen Verhältnissen arbeiten müsste. Aber auch er war tot.

Hilde schluckte, erwiderte aber nichts. Seit drei Jahren war sie Witwe, und noch immer brannte der Schmerz um seinen Verlust in ihrem Herzen.

„Und er hat Christine niemals gesehen“, kam es gequält aus ihrem Munde. „Weißt du noch, wie er an Bärbel hing? Sie war damals vier Jahre. Sie hing an ihm wie selten ein Kind an seinem Vater, und doch …“

Hilde Dankwart wandte das Gesicht zur Seite. Der Raum lag im Halbdunkel, nur dort, wo der Schein der Stehlampe ihn erhellte, traten die Möbel deutlich aus dem Zwielicht hervor.

„Gottes Wege sind unerforschlich, aber manchmal zweifelt man doch an seiner Güte, wenn man bedenkt, dass er zwei Kindern den Vater genommen hat.“

„Ja, wir können nichts tun, als uns damit abzufinden, auch wenn es noch so schwer ist.“

Nur selten sprachen diese beiden Menschen über den Mann, der ihrem Herzen so nahe stand. Es war damals ein Spätsommertag gewesen, warm und doch schon vom Ahnen des kommenden Herbstes erfüllt, als ein Polizeibeamter an die Tür dieser Wohnung geklopft hatte und Hilde Dankwart die Nachricht brachte, dass ihr Mann beim Baden ertrunken sei.

Unwillkürlich kroch Hilde tiefer in den Sessel hinein, als könne sie dort Schutz finden vor dem rauen, hässlichen Leben. Sie war damals krank gewesen, sehr krank, und das Geld hatte nicht ausgereicht, um in ein Sanatorium zu gehen, in dem ihre Genesung gewährleistet gewesen wäre.

Es war wie eine Ironie des Schicksals, dass der Tod ihres Mannes ihr selbst die Gesundheit wiedergegeben hatte. Er war versichert gewesen, und durch den Unfalltod bekam sie die doppelte Summe ausgezahlt.

Mit traurigen Augen schaute Hilde auf das Bild an der Wand, dessen Züge sie von hier aus nicht unterscheiden konnte, dass sie aber trotzdem so deutlich vor sich sah, als wäre es voll beleuchtet.

Er lebte in ihrem Herzen weiter, der strahlende, stets frohgemute Volker, und sie hätte alles darum gegeben, ihn wieder zurückzuerhalten.

Aber der Tod gab niemanden zurück. Das Meer hatte ihn verschlungen und sogar seinen Körper behalten. Nicht einmal sein Grab konnte sie pflegen.

Es war nicht immer leicht gewesen, für die beiden Kleinen zu sorgen, aber auch hier hatte die hohe Versicherungssumme viel geholfen und ihr ermöglicht, sich eine bescheidene, aber sichere Existenz aufzubauen.

Die Strickmaschine, mit der sie sich ihren Lebensunterhalt verdiente, stand in einem Nebenzimmer. Sie bekam nicht übermäßig viele Aufträge, aber sie genügten immerhin, um sie vor der ärgsten Not zu schützen, und erlaubten ihr gleichzeitig, auf ihre beiden Kinder zu achten.

„Ich glaube, auch der Jantzen ist ein richtiges Ekel“, versuchte Hilde, das Thema zu wechseln. „Er hat so eine ironische und überhebliche Art, die mir einfach auf die Nerven geht. Hätte ich nicht auf dich Rücksicht nehmen müssen, würde ich ihm allerhand an den Kopf geworfen haben.“

Karla zwang sich zu einem Lächeln.

„Man sagt ihm nach, dass er sehr arrogant sei, allerdings auch“, setzte sie nachdenklich hinzu, „dass er niemanden ungerecht behandelt.“

„Ich weiß nicht“, empörte sich Hilde, „ob man so mit einer Dame spricht, wie er das mit dir tat.“

„Ich bin keine Dame“, widersprach Karla leise.

Und da wusste auch Hilde nichts mehr zu sagen. Auch sie kannte ja die gepflegte und kultivierte Häuslichkeit der Dankwarts, die in den besten Kreisen verkehrten, Umgang mit Wissenschaftlern und Künstlern hatten, und sie bewunderte ihre Schwägerin der Fassung wegen, mit der sie jetzt ihre immerhin doch recht stumpfsinnige Arbeit ertrug.

„Vielleicht findest du einmal einen Mann, der …“

Karla lachte, aber es war ein bitteres Lachen, in dem keinerlei Freude lag.

„Ich finde keinen Mann, Hilde, den Traum können wir begraben. Wer wird schon eine kleine Verkäuferin haben wollen? Die Männer, mit denen ich jetzt zusammenkomme … Nein, sie passen nicht zu mir – und ich nicht zu ihnen. Ich will nicht heiraten, um versorgt zu sein. Wenn ich einmal eine Ehe eingehe, so verlange ich mehr als nur materielle Sicherheit.“

„Du bist noch jung, und vielleicht …“

„Vielleicht kommt der Märchenprinz, erlöst Aschenbrödel aus seinem Dasein und macht sie zur Prinzessin, nicht wahr?“, spottete Karla. „Obwohl du älter bist als ich, Hilde, hast du dir viel mehr Illusionen bewahren können.“

„Illusionen gehören zum Leben“, behauptete ihre Schwägerin. „Man muss träumen können, sonst ist die Welt einfach nicht zu ertragen.“

„Wovon soll ich träumen? Höchstens davon, dass Fräulein Pollmann in eine andere Abteilung versetzt wird. Aber dieser Traum wird nicht in Erfüllung gehen. Nein, Hilde, ich will versuchen, mit dem Leben fertigzuwerden, wie es jetzt ist. Vielleicht gelingt es mir. Vielleicht auch nicht.“

„Für deine zwanzig Jahre sprichst du sehr bitter.“ Hilde Dankwart wollte noch mehr sagen, aber ein Weinen aus dem Nebenzimmer ließ sie den Kopf heben. „Das ist Christinchen“, stellte sie fest und sprang auf.

Ein paar Minuten später kam sie, das dreijährige Mädchen auf dem Arm, in das Wohnzimmer zurück. Das Kind hatte die vom Schlaf geröteten Wangen an Hildes Gesicht gedrückt.

„Sie hat schlecht geträumt, glaube ich, wir wollen sie ein paar Minuten hier lassen, bevor ich sie wieder ins Bett zurückbringe.“

Zärtlich wiegte die junge Mutter ihr Töchterchen auf dem Arm. Christine blickte mit glänzenden Augen auf Tante Karla, die sie anlächelte. Sie streckte die Ärmchen nach ihr aus.

Es wurde dem Mädchen ganz eigen zumute, als sie das süße Geschöpf auf dem Schoß hielt. Die winzigen Fingerchen lagen in ihrer Hand, und die dunkelbraunen Augen schauten voller Vertrauen zu ihr empor.

Ob sie wohl auch jemals ein Kind haben würde? Hilde las ihr die Gedanken vom Gesicht ab und lächelte vor sich hin.

Eines Tages könnte doch noch alles gut werden, denn sie wusste genau, dass das Herz ihrer Schwägerin früher oder später sprechen würde; und dann erst würde Karla das Glück finden können, das sie in ihrer Jugend genossen hatte.

***

Während die beiden Frauen über ihre düstere Zukunft nachdachten, saß Detlef Jantzen hinter dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers und stützte den Kopf in die Hand.

Im Nebenzimmer saß seine Frau und wartete auf ihn, während er sich doch nicht aufraffen konnte, zu ihr hinüberzugehen und mit ihr zu plaudern. Ab und zu vernahm er durch die Tür ein gequältes Husten, das die Falten auf seiner Stirn vertiefte.

Der alte Hausarzt hatte ihm schon gesagt, welches Schicksal seiner Frau bevorstand.

„Ein paar Jahre in Davos können vielleicht wieder heilen, und gottlob stehen Ihnen die Mittel für einen derartigen Aufenthalt ja zur Verfügung.“

Diese Worte hatten sich in sein Gehirn gebohrt und wühlten dort weiter. Er scheute sich, an den Namen der furchtbaren Krankheit zu denken, aber es war vergeblich, immer wieder hämmerten die fünf Silben an seine Stirn.

„Und dann, Herr Jantzen, auf keinen Fall ein Kind. Es würde mit größter Wahrscheinlichkeit den Tod Ihrer Frau bedeuten!“

Der Hausarzt hatte ihm die Gründe dieser Warnung eingehend dargelegt, und er wusste, dass der alte Doktor recht hatte; aber er wusste auch, dass sein Leben ohne Kinder leer und unerfüllt sein würde. Und das alles sollte er Rosemarie sagen?

Er hörte leichte Schritte und zuckte schon zusammen, bevor noch die Tür seines Arbeitszimmers geöffnet wurde. Das Lächeln, das er jetzt auf sein Gesicht zwang, war gequält und zeigte seiner Frau, dass er Sorgen hatte.

„Es ist schon spät, Detlef“, erinnerte Frau Rosemarie, als sie langsam näher trat. Zwei weiche Hände fuhren durch sein volles Haar. „Du arbeitest zu viel, Liebster.“ Es war kein Vorwurf in ihrer Stimme, nur eine Bitte, die Detlef verstand und doch nicht erfüllen konnte.

Er liebte sie wie ein Bruder. Er empfand Zärtlichkeit und Verehrung für sie, aber er liebte sie nicht so, wie er seine Frau hätte lieben müssen.

„Ich komme gleich, Rosi, nur noch einen Augenblick Geduld.“ Detlef zog ihre Hand an seine Wange und ließ sie dort einen Augenblick ruhen.

„Ich warte auf dich“, sagte Frau Rosemarie leise und ging wieder hinaus.

Ja, sie wartete auf ihn, schon seit Jahren. Er war das Idol ihrer Mädchenträume gewesen, an ihn hatte sie gedacht, wenn sie die Helden der Leinwand bei ihren galanten Abenteuern sah. Und er war schließlich auch ihr Mann geworden. Sie liebte ihn vielleicht noch mehr als früher, er hatte sie noch niemals enttäuscht, sie konnte sich keinen besseren Mann wünschen – und doch fehlte ihrem Leben die letzte Erfüllung, die nur die große Liebe geben kann.

Ein schmerzliches Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie sich in einen Sessel niederließ und eine Zeitschrift in die Hand nahm. Sie brauchte nicht mehr lange zu warten, dann hörte sie seinen Schritt und legte das Blatt zur Seite. Detlef stand im Türrahmen und kam langsam näher.

„Hast du im Büro Ärger gehabt?“

Der Mann schüttelte den Kopf und zog seinen Sessel dicht neben ihren.

„Nein, Rosi, das ist es nicht. Es ist nur … Dr. Kollinger war gestern bei mir. Er meint … er schlägt vor, dass du für einige Zeit eine andere Luft atmen solltest. Er dachte an Davos oder einen anderen schönen Ort in der Schweiz.“

Er bemerkte deutlich, dass die Frau zusammenzuckte. Er spürte ihre Augen auf seinem Gesicht, wagte aber nicht, den Kopf zu heben.

„Was hat er dir gesagt?“, keuchte Rosemarie und entzog ihm jäh ihre Hand.