Lovecraft Letters - V - Christian Gailus - E-Book

Lovecraft Letters - V E-Book

Christian Gailus

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Beschreibung

FOLGE 5:
Ray kehrt zurück in die Staaten. Kaum in der Heimat angekommen, wird er von unbekannten Männern gejagt. Ray muss sämtliche Verbindungen zu seinem alten Leben kappen. Nur so kann ihm die Flucht gelingen. In einem Küstenort namens Lynxworth trifft er auf den jungen Gamer Trance, der ihm von einem Real-Life-Spiel berichtet, in dem die Mythen Lovecrafts zum Leben erweckt werden. Und Ray selbst ist die Hauptperson in diesem Spiel. Doch er hat kaum Zeit, die Neuigkeit zu verdauen. Denn das Grauen, das bislang im Verborgenen gelauert hat, breitet sich unaufhaltsam über Lynxworth aus ...

Zur gleichen Zeit auf der Ramstein Air Base/Deutschland: Ein Drohnenpilot soll einen lang gesuchten Terroristen in Afghanistan auslöschen. Dabei bemerkt er eine merkwürdige Kreatur, die aus den Bergen gekrochen kommt. Als er seinem Vorgesetzten davon erzählt, muss er für seine Ehrlichkeit einen hohen Preis bezahlen.

LOVECRAFT LETTERS - DIE SERIE:
Ray Berkeley führt ein zufriedenes Leben. Er ist ein angesehener Psychologe und lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in einem großen Haus im Grünen. Doch vom einen auf den anderen Tag gerät Ray in einen Sog aus brutalen Morden, schockierenden Geständnissen und mysteriösen Ereignissen. Rätselhafte Spuren führen zu dem Schriftsteller H. P. Lovecraft - und Ray erkennt, dass die Welt weit furchterregender ist, als der berühmte Horror-Autor sie in seinen Geschichten jemals hätte schildern können ...

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Inhalt

Cover

Die Serie

Lovecraft Letters – Folge V

Über den Autor

Titel

Impressum

Prolog

Burke. Haus der Berkeleys.

Ramstein Air Base.

Highway. Newburyport.

An Bord einer Boeing E-6.

Newburyport.

An Bord der Mercury.

Newburyport. Motel.

An Bord der Mercury.

Newburyport. Motel.

Burke. Webster-Haus. 9. April 1948.

Newburyport. Motel.

Tunnel 3.

Newburyport. Motel.

Tunnel 3. Pathologie.

Newburyport. Motel.

Tunnel 3. Kommandozentrale.

Lynxworth.

Katakomben.

Kommandozentrale.

Gilmans.

Team 2.

Sabeth.

Team 2.

Marktplatz.

Team 2.

Marktplatz.

Kommandozentrale.

Marktplatz.

Team 2.

Marktplatz.

Kommandozentrale.

Gilmans.

Team 1.

Gilmans. Zimmer 428.

Kommandozentrale.

Zimmer 428.

Team 1.

Zimmer 428.

Höhle.

Zimmer 428.

Team 2.

Zimmer 428.

Kommandozentrale.

Zimmer 428.

Kommandozentrale.

Team 2.

Zimmer 428.

Team 2.

Zimmer 428.

Team 1.

Gilmans.

Team 2.

Team 1.

Gilmans. Dachboden.

Kommandozentrale.

Gilmans. Dachboden.

Kommandozentrale.

Gilmans. Dachboden.

Lynxworth.

Kommandozentrale.

Team 2.

Lynxworth.

Lynxworth. Später.

Tunnel 3. Zellentrakt.

Highway.

Epilog

In der nächsten Folge

Fußnoten

Die Serie

Ray Berkeley führt ein zufriedenes Leben. Er ist ein angesehener Psychologe und lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in einem großen Haus im Grünen. Doch vom einen auf den anderen Tag gerät Ray in einen Sog aus brutalen Morden, schockierenden Geständnissen und mysteriösen Ereignissen. Rätselhafte Spuren führen zu dem Schriftsteller H. P. Lovecraft – und Ray erkennt, dass die Welt weit furchterregender ist, als der berühmte Horror-Autor sie in seinen Geschichten jemals hätte schildern können …

Lovecraft Letters – Folge V

Ray kehrt zurück in die Staaten. Kaum in der Heimat angekommen, wird er von unbekannten Männern gejagt. Ray muss sämtliche Verbindungen zu seinem alten Leben kappen. Nur so kann ihm die Flucht gelingen. In einem Küstenort namens Lynxworth trifft er auf den jungen Gamer Trance, der ihm von einem Real-Life-Spiel berichtet, in dem die Mythen Lovecrafts zum Leben erweckt werden. Und Ray selbst ist die Hauptperson in diesem Spiel. Doch er hat kaum Zeit, die Neuigkeit zu verdauen. Denn das Grauen, das bislang im Verborgenen gelauert hat, breitet sich unaufhaltsam über Lynxworth aus …

Zur gleichen Zeit auf der Ramstein Air Base/Deutschland: Ein Drohnenpilot soll einen lang gesuchten Terroristen in Afghanistan auslöschen. Dabei bemerkt er eine merkwürdige Kreatur, die aus den Bergen gekrochen kommt. Als er seinem Vorgesetzten davon erzählt, muss er für seine Ehrlichkeit einen hohen Preis bezahlen.

Über den Autor

Christian Gailus studierte Germanistik in Hamburg und Drehbuch in Köln. Er arbeitete in einer Werbeagentur und verfasst Kriminalromane, Thriller und Hörspiele. Bereits in seiner Jugend wurde er von Lovecrafts Geschichten gepackt. Seitdem lassen ihn Horrorstorys nicht mehr los. Mit der Serie »Lovecraft Letters« hat er ein Ventil gefunden, seine Albträume zu verarbeiten.

CHRISTIAN GAILUS

V

beBEYOND

Digitale Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Uwe Voehl

Lektorat/Projektmanagement: Stephan Trinius

Cover-Motiv: © Timo Wuerz

Covergestaltung: Thomas Krämer

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5256-6

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Prolog

Ramstein Air Base.

Sensor Operator Lloyd Corman bewegte den Joystick sanft nach links. Die Kamera der Drohne folgte heimlich dem Toyota-Pick-up die Bergstraße hinunter ins Dorf.

Auf dem kleinen Marktplatz stoppte der Wagen. Der Fahrer stieg aus und wurde von drei Männern begrüßt. Sie wechselten einige Worte, dann gingen alle gemeinsam zum Heck des Wagens, das mit einer Plane abgedeckt war. Der Fahrer zog sie von der Ladefläche. Unter ihr kam ein weiterer Mann zum Vorschein, der dort gekauert hatte. Er setzte sich auf und rutschte vom Pick-up. Überschwänglich wurde er von den übrigen Männern begrüßt.

»Handelt es sich bei der Zielperson um Amur?«, hörte Corman eine Stimme über Funk fragen.

»Wir warten auf Bestätigung«, erwiderte eine zweite.

Corman folgte der Szene, die sich auf dem kargen afghanischen Boden abspielte, weiter mit der Drohnenkamera. Er machte den Job jetzt seit sechs Monaten. In der ganzen Zeit hatte er den Knopf zum Abschuss der Hellfire-Rakete achtmal betätigt. Corman spürte dabei nichts. Es waren ja die Bösen, die es traf. Indem er sie ausradierte, rettete er anderen das Leben. So einfach war das.

»Wir haben die Bestätigung, es ist Amur«, meldete eine weitere Stimme über Funk.

»Seid ihr absolut sicher?«, fragte die erste.

»Unsere Quelle vor Ort hat ihn erkannt.«

»Und wer sind die übrigen Typen?«

»Vermutlich einheimische Warlords. Eine Identifizierung ist nicht möglich.«

»Aber Amur ist identifiziert?«

»Er ist es. Hundertprozentig.«

Es entstand eine kurze Pause, dann meldete sich die erste Stimme bei Corman.

»Ramstein Air Base: Zielerfassung abgeschlossen?«

»Zielerfassung abgeschlossen«, meldete Corman.

»Bereitmachen zum Abschuss.«

Corman betätigte einige Schalter auf der Steuerkonsole vor sich und klappte dann den Sicherheitsbügel an seinem Joystick hoch.

»Bereit«, meldete er und legte den Daumen auf den roten Knopf.

»JTAC an SCI: Ist sich die Quelle nach wie vor sicher, dass es sich um Amur handelt?«

»SCI an JTAC: Die Quelle hat sich zurückgezogen. Hat schließlich keine Lust, sich den Arsch zerbomben zu lassen. An seiner Einschätzung hat sich nichts geändert.«

»JTAC an Ramstein Air Base: Feuer freigegeben.«

»Ramstein Air Base verstanden.« Cormans Finger zuckte – als ihn eine Bewegung auf dem Bildschirm innehalten ließ. Ein kleines, sehr schnelles Objekt bewegte sich auf den Pick-up mit den Männern zu.

»JTAC an Ramstein Air Base: Gibt es ein Problem?«

»Ich weiß nicht, da ist …« Corman zoomte mit der Kamera näher heran.

»Ramstein Air Base: Was ist los?«

Das unbekannte Etwas näherte sich der Gruppe mit rasender Geschwindigkeit. Corman konnte nicht erkennen, worum es sich handelte.

»Ramstein, verdammt noch mal! Reden Sie mit mir!«

»Da ist etwas am Boden«, meldete Corman. »Etwas nähert sich Amur und den anderen. Es ist ziemlich schnell.«

»Ein Auto?«

»Nein, es ist viel kleiner.« Corman versuchte das Objekt schärfer zu stellen. »Es sieht eher aus, wie … ein Tier.«

»Vielleicht ist es ein Hund. Pech für ihn. Feuern Sie die Rakete ab!«

»Jawohl, Sir«, sagte Corman – und zögerte erneut. Denn nun hatten auch die Männer am Pick-up das Objekt entdeckt und eröffneten das Feuer. Die Kugeln ihrer Kalaschnikows schlugen in den trockenen Boden und wirbelten Staub auf. Einer der Männer flüchtete.

»Ramstein, verdammt noch mal!«

Das Objekt erreichte die Männer und stürzte sich auf sie. Es warf einen zu Boden und riss in wilder Raserei an ihm herum. Etwas flog zur Seite und rollte über den Sand. Als Corman erkannte, worum es sich handelte, stockte ihm der Atem: Es war der Kopf des Mannes.

»JTAC an OEC: Es gibt ein Problem mit dem Drohnenpiloten. Sofortiger Check erforderlich! Ich wiederhole: Sofortiger Check erforderlich!«

Corman nahm die aufgeregte Stimme aus seinem Kopfhörer nur noch beiläufig wahr. Das Spektakel auf dem Bildschirm nahm seine Aufmerksamkeit voll und ganz in Anspruch. Es erinnerte ihn an die Bilder, die er mal durch Zufall auf Youtube entdeckt hatte: Videos von Tieren, die Menschen angriffen. Die ungezügelte Rohheit der Natur hatte Corman auf seltsame Art fasziniert. Wenn ein Tier einen Menschen angriff, blieb von der Anmut der selbst ernannten Krone der Schöpfung nicht mehr viel übrig. Dann ging es ums nackte Überleben. Und ohne Waffen war Homo sapiens nicht mehr als ein leichtes Opfer. Ein Mittagessen. Ein willkommener Snack für die ganze Familie.

Corman beobachtete, wie das Wesen von der kopflosen Leiche am Boden abließ und sich auf das nächste Opfer stürzte. Es sprang ihm an die Kehle und biss sich darin fest. Gleichzeitig umschlang es den Kopf des Mannes mit etwas, das möglicherweise Fangarme waren. Der Mann taumelte zurück und versuchte den Angreifer von seinem Gesicht zu reißen. Ein anderer Mann kam ihm zu Hilfe und stach mit einem Messer auf das Wesen ein. Plötzlich ließ es von seinem Opfer ab und verkroch sich unter dem Pick-up.

Der Mann, auf dessen Gesicht das Wesen geklebt hatte, fiel auf die Knie und wand sich vor Schmerzen. Sein Helfer betrachtete ihn einen Moment lang unschlüssig – dann hob er seine Waffe und schoss dem anderen in den Kopf. Der Mann wurde zurückgerissen und fiel in den Staub, wo sein lebloser Körper liegen blieb.

Im selben Augenblick drehte sich der Schütze zu den Bergen. Auch die übrigen Männer starrten nun in die Richtung. An der Höhle, die im Berg klaffte, ging etwas vor.

Die Tür des Containers wurde aufgerissen.

»Corman!«, brüllte Major Wilkins. »Was zur Hölle ist hier los?«

Der Sensor Operator fuhr erschrocken herum. »Major, irgendetwas stimmt da nicht …«

»Mit Ihnen stimmt was nicht«, schrie Wilkins. »Wollen Sie wegen Befehlsverweigerung vors Kriegsgericht?«

»Aber ich habe doch nur …«

»Sie haben einen Befehl erhalten und führen ihn aus. Sofort!«

Corman warf einen Blick zum Bildschirm. Die Drohne war abgedriftet, die Höhle nur noch im Anschnitt erkennbar. Dass dort etwas Monströses vor sich ging, war nur noch an dem gewaltigen Schatten zu erkennen, der sich langsam ins Bild schob.

Und an den Männern am Pick-up, die ihre Maschinenpistolen in Anschlag nahmen und zu feuern begannen. Gleichzeitig pirschte sich das Wesen, das sich unter dem Toyota versteckt hatte, von hinten an sie heran.

»Sehen Sie selbst, Major«, flehte Corman. »Was da vor sich geht, ist doch nicht normal!«

Wilkins packte die Schulter seines Untergebenen. Der Griff war so fest, dass es schmerzte.

»Nicht normal ist, was Sie hier machen«, sagte er und griff mit der anderen Hand nach dem Joystick. Ohne Zögern drückte er den Knopf. Sekunden später war die Detonation auf dem Bildschirm zu sehen. Und als sich der Staub legte – nichts mehr.

Weit draußen auf dem Meer erblickte ich trotz der Flut eine lange schwarze Linie, die sich kaum aus dem Wasser erhob und dennoch eine Andeutung sonderbarer, unterschwelliger Bösartigkeit in sich trug. Dies, so war mir klar, musste das Teufelsriff sein. Als ich hinsah, schien sich meiner starken Abneigung ein subtiles, eigenartiges Gefühl der Lockung hinzuzugesellen; und merkwürdigerweise fand ich das verstörender als den ursprünglichen Eindruck.1

Das ist nicht tot, was ewig liegt,und in fremder Zeit wird selbst der Tod besiegt.2

Burke.Haus der Berkeleys.

Das Haus war kalt. Ray vermutete zuerst ein offen stehendes Fenster. Dann kam ihm der Gedanke, die Heizung könnte ausgefallen sein. Im strengen Winter des vergangenen Jahres hatten sie viel Heizöl verbraucht. Möglicherweise war der Tank früher als erwartet leer.

Aber als Ray die Heizungsanlage checkte, musste er feststellen, dass sie gar nicht lief. Offenbar hatte Karen sie abgeschaltet. Bevor sie mit den Kindern das Haus verlassen hatte.

Diese Erkenntnis verfestigte sich, als Ray die übrigen Räume des Bungalows durchstreifte. Schränke standen offen, Kleidung lag auf Betten, die Regale in den Badezimmern waren leer gefegt. Irgendwann in den vergangenen achtundvierzig Stunden hatte Karen mit den Kindern das Haus verlassen. Vielleicht sogar direkt im Anschluss an das Telefonat, das Ray mit ihr geführt hatte, nachdem er bei Patricia zu sich gekommen und bevor er entführt worden war.

Ray tat sich immer noch schwer damit zu begreifen, was geschehen war: die Entführung, die Stimme, Cougars Leiche. Und dann: Colemans Haus in Leiden, der Schlüssel zum Schließfach, Lovecrafts Skizzenbuch, die Zeichnung des Auserwählten.

Lovecraft hatte ihn, Ray, porträtiert. Und es war unheimlich, wie sehr die Zeichnung ihm ähnelte. Wie hatte der Autor das wissen können? Die rationale Antwort lautete: gar nicht. Ein Schriftsteller, der 1937 gestorben war, konnte unmöglich von einem Mann Kenntnis gehabt haben, der erst 1977 geboren wurde. Und auch nicht von der Narbe an der Stirn, die Ray sich im Alter von fünf Jahren zugezogen hatte, als ihm eine Schaukel gegen den Kopf geknallt war.

Deshalb ließ die Ähnlichkeit zwischen Ray und der Zeichnung nur zwei Schlüsse zu: Entweder der Mann in Lovecrafts Skizzenbuch stellte gar nicht Ray dar. Oder das Buch war eine Fälschung. Colemans Fälschung. Es stand für Ray mittlerweile außer Zweifel, dass der Historiker ihn nach Leiden gelockt hatte. Vordergründig war es dabei um den Siegelring von H. P. Lovecraft gegangen, von dem Coleman behauptet hatte, dass sein Freund Malcolm St. John ihn von einem niederländischen Zwischenhändler bekommen hatte. Dieser hatte aber niemals existiert, denn die Wohnung in Leiden gehörte allem Anschein nach Henry Coleman. Was folgte daraus? Und wieso waren sowohl Daniel Greene, der sich als Lovecrafts Enkel ausgab, als auch die bedrohliche Stimme auf der Farm in Westernport hinter dem Ring her?

Das herauszufinden, musste noch warten. Zuerst musste Ray wissen, wo Karen und die Kinder steckten.

Erst probierte er es über Karens Mobilfunknummer, dann über die von Caroline und Mervyn. Bei allen sprang sofort die Mailbox an, was bedeutete, dass ihre Smartphones ausgeschaltet waren.

Ray versuchte es bei Karens Mutter, aber auch dort ging niemand ans Telefon. Er durchstöberte das Haus nach einer Nachricht – ohne Erfolg.

Als er das Arbeitszimmer seiner Frau inspizierte, fiel ihm auf, dass Karen auch ihren Laptop mitgenommen hatte. Vielleicht hatte sie ihm ja eine E-Mail geschickt, dachte Ray und startete in seinem eigenen Arbeitszimmer den Computer. Neben den üblichen Angeboten für spottbillige Sonnenbrillen, rezeptfreies Viagra und Beteiligungen an lukrativen Geschäften in Mombasa entdeckte Ray auch die Mail eines gewissen Trance in seinem Postfach. Gleich danach kam die von Karen.

Ray war sich sicher, dass ihm der Inhalt nicht gefallen würde. Und er fand es schon fast obszön, dass ihm seine Frau statt einer handgeschriebenen Nachricht eine Mail zukommen ließ. Die schöne neue Datenwelt hatte ein paar äußerst unschöne Seiten.

Er atmete tief durch, dann klickte er die Mail an. Sie war viel kürzer, als er erwartet hatte. Irgendwie war er von einer ausschweifenden Erklärung inklusive Androhung der Scheidung ausgegangen. Stattdessen lautete die Nachricht:

Es wird dich nicht wundern, dass ich nach den Ereignissen der vergangenen Tage Zeit zum Nachdenken brauche.

Ich bitte dich, das zu respektieren.

Karen.

Als Psychologe, der Dutzende von Trennungsfällen begleitet

hatte, wusste Ray, dass Karens Maßnahme ein ernster Schuss vor den Bug darstellte. Aber seine Qualifikation taugte nur bedingt zur Aufarbeitung seiner eigenen Situation. Wenn er seine Beziehung retten wollte, wäre es klug, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Gleichzeitig sträubte sich sein Inneres dagegen. Immerhin war er bedroht worden, Menschen in seinem Umfeld waren gestorben und die Polizei ermittelte gegen ihn. Er war kurz davor, seinen Job zu verlieren. Langjährige Freundschaften drohten zu zerbrechen. Last but not least war er angeschossen worden.

Es gab also jede Menge guter Gründe, die Rolle des Ehemanns, Vaters und Liebhabers gegenwärtig nicht perfekt ausfüllen zu können. Aber statt ihn in dieser schwierigen Phase zu unterstützen, suchte Karen das Weite. Handelte so eine treusorgende Ehefrau und Mutter?

Ray spürte Wut in sich aufsteigen. Wer hatte sich denn all die Jahre den Arsch aufgerissen? Wer hatte geackert wie ein Gaul, um der Familie ein Leben in gehobenen Umständen zu ermöglichen? Und wer hatte das alles wie selbstverständlich angenommen, ohne auch nur den Hauch eigener Anstrengung zu investieren, um ebenfalls etwas zum Lebensunterhalt beizusteuern?

Karen hatte sich um die Kinder gekümmert, okay. Und sie schmiss den Haushalt. Aber mittlerweile waren Caroline und Mervyn alt genug, um ebenfalls mit anzupacken. Darüber hinaus brauchten sie keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung mehr und verbrachten viel Zeit mit sich selbst oder bei Freunden. Karen hätte sich schon längst wieder einen Job suchen können, wenn sie es nur gewollt hätte. Stattdessen übte sie einmal die Woche ein Ehrenamt aus – um ihr Gewissen zu beruhigen.

Sie hatte nie vorgehabt, wieder in die Berufswelt einzusteigen. Und statt sich mit Ray und seinen Problemen auseinanderzusetzen, haute sie ab und übermittelte ihm die eindeutige Botschaft: Tu, was von dir verlangt wird, oder du verlierst alles.

Er war schon lange nicht mehr Ehemann, Vater und Liebhaber. Er war ein Sklave. Und wenn der Sklave nicht mehr funktionierte, wurde er entsorgt.

Ray stand auf und stapfte in Karens Arbeitszimmer. Er nahm den Schreibtischstuhl und schleuderte ihn wütend in die Ecke. Dann wischte er mit dem Arm über die Schreibtischplatte. Locher, Stifte, Papiere, Büroklammern – alles flog herunter und verteilte sich auf dem Boden. Er packte den Schreibtisch und warf ihn mit einer kräftigen Bewegung um.

Ray betrachtete sein Werk. Sah schon ganz gut aus. Aber noch spürte er keine Befriedigung. Da fehlte noch etwas.

Er hob die Schere vom Boden auf und stapfte ins Schlafzimmer. Nachdem er die breite Schiebetür zu Karens Kleiderschrank aufgeschoben hatte, stach er auf die im Schrank hängenden Sachen ein, wie einst Norman Bates auf sein Duschopfer in Psycho. Er entdeckte ein rotes Kleid, das er bei einem Stadtbummel gesehen und das ihm ausgesprochen gut gefallen hatte. Ein paar Tage später hatte Karen ihn in dem Kleid überrascht. Sie sah darin fantastisch aus. Er hatte es über ihre Hüfte geschoben, und dann hatten sie sich geliebt.

Ray wurde übel. Er schnitt dem Kleid die Ärmel ab und schlitzte es auf. Die Fetzen warf er auf den Boden und spuckte auf sie. Einem plötzlichen Impuls folgend, öffnete er den Reißverschluss seiner Hose und urinierte erst auf das Kleid, dann in den Schrank hinein.

Während Ray den goldenen Strahl beobachtete, der in Parabelform durch die Luft spritzte, breitete sich in ihm ein wohliges Gefühl aus. Nach zwanzig Jahren Sklaventum sorgte er dafür, dass die Dinge wieder in Ordnung kamen.

Das Telefon klingelte. Ray überlegte kurz, ob er es ignorieren sollte. Aber vielleicht war es ja Karen. Ray fühlte sich gerade in der richtigen Stimmung, ihr die Meinung zu geigen. Also sprintete er ins Wohnzimmer und nahm das Gespräch an.

»Ja?«

»Hier ist Ken.«

Damit hatte Ray nicht gerechnet. Er war so perplex, dass er nicht wusste, was er sagen sollte.

»Ray? Bist du noch da?«

Karen hatte zwar behauptet, dass sie und Ken kein Verhältnis miteinander hatten. Aber vielleicht stimmte das ja gar nicht.

»Ist sie bei dir?«, fragte er.

Ken seufzte. »Sie ist bei ihrer Mutter. Hat sie dir das nicht gesagt?«

Ray lachte auf. »Mir sagt doch schon lange niemand mehr was!«

»Wo warst du?«, fragte Ken. »Ich habe versucht, dich zu erreichen …«

»Hör auf damit«, unterbrach ihn Ray. »Ich weiß Bescheid. Patricia hat mir alles gesagt.«

»Patricia?«