Lying Game - Sag mir erst, wie kalt du bist - Sara Shepard - E-Book
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Lying Game - Sag mir erst, wie kalt du bist E-Book

Sara Shepard

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Beschreibung

»Sutton ist tot. Sag es niemandem. Spiel weiter mit … Oder du bist als Nächste dran.« Vor zwei Monaten wurde Emma Paxtons Zwillingsschwester Sutton umgebracht und der unbekannte Mörder hat Emma gezwungen, Suttons Platz einzunehmen. Emma ist fest entschlossen, den Täter zu entlarven. Die Shortlist der Verdächtigen wird immer kürzer, aber Emma hat noch keine wirklich heiße Spur. Der Verdacht gegen Suttons Stiefschwester hat sich in Luft aufgelöst. Bleibt noch Emmas und Suttons leibliche Mutter Becky, die vor kurzem aus dem Nichts wiederaufgetaucht ist. Und sofort erkannt hat, dass Emma nicht Sutton ist – etwas, das nur Emmas Freund Ethan und der Mörder wissen. Reiner Mutterinstinkt? Oder weiß Becky mehr, als sie zugibt?

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Seitenzahl: 336

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DIE AUTORIN

Foto: © Daniel Snyder

Sara Shepard hat an der New York University studiert und am Brooklyn College ihren Magisterabschluss im Fach Kreatives Schreiben gemacht. Sie wuchs in einem Vorort von Philadelphia auf, wo sie auch heute lebt. Ihre Jugend dort hat die »Pretty Little Liars«-Serie inspiriert, die in 22 Länder verkauft wurde und die, ebenso wie ihre neue Reihe »Lying Game«, zum New-York-Times-Bestseller wurde. Inzwischen werden »Pretty Little Liars« und »Lying Game« mit großem Erfolg als TV-Serien bei ABC ausgestrahlt.

Von der Autorin sind außerdem bei cbt erschienen:

Pretty Little Liars – Unschuldig (Band 1)

Pretty Little Liars – Makellos (Band 2)

Pretty Little Liars – Vollkommen (Band 3)

Pretty Little Liars – Unvergleichlich (Band 4)

Pretty Little Liars – Teuflisch (Band 5)

Pretty Little Liars – Mörderisch (Band 6)

Pretty Little Liars – Herzlos (Band 7)

Pretty Little Liars – Vogelfrei (Band 8)

Lying Game – Und raus bist du (Band 1)

Lying Game – Weg bist du noch lange nicht (Band 2)

Lying Game – Mein Herz ist rein (Band 3)

Lying Game – Wo ist nur mein Schatz geblieben? (Band 4)

Sara Shepard

Sag mir erst, wie kalt du bist

Aus dem Englischen

von Violeta Topalova

Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe Oktober 2014

© 2013 by Alloy Entertainment and Sara Shepard

Die amerikanische Originalausgabe erschien

unter dem Titel »Cross my Heart, Hope to Die.

A Lying Game novel« bei Harper Teen,

an imprint of Harper Collins Publishers, New York.

Published by arrangement with Rights People, London

© 2014 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Violeta Topalova

Lektorat: Ulrike Hauswaldt

Umschlaggestaltung: *zeichenpool, München

Umschlagfoto: © Gustavo Marx/Mergeleft Reps, INC.

he · Herstellung: kw

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-13399-3

www.cbt-buecher.de

Verrat ist die einzige Wahrheit, die bleibt.

Arthur Miller

Prolog

Ich beobachtete die beiden Teenager, die an einem sonnigen Samstagmorgen nebeneinander vor dem Coffee Cat Café saßen. Sie waren einander zugewandt und sprachen leise und vertraut miteinander. Ihre Körper waren sich nahe, berührten sich aber nicht. Die meisten Leute hielten die beiden wahrscheinlich für ein Paar – ein sehr attraktives Paar. Der Junge hatte hohe Wangenknochen und war athletisch gebaut. Sein blau-grün gestreiftes Poloshirt brachte die grünen Flecken in seinen haselnussbraunen Augen zur Geltung. Er sah so gut aus wie ein Filmstar, aber vielleicht war ich auch voreingenommen. Thayer Vega war schließlich mein Freund.

Das war er zumindest vor meinem Tod gewesen.

Das Mädchen neben ihm sah genauso aus wie ich, als ich noch einen Körper gehabt hatte. Ihre leuchtend blauen Augen waren von meinem schokoladenbraunen Eyeliner umrandet, und ihr hellbraunes Haar fiel ihr in dichten Wellen über den Rücken, so wie es meines auch getan hatte. Sie trug einen grauen Kaschmirpulli und dunkelblaue Skinny-Jeans aus meinem Schrank. Sie hörte auf meinen Namen, und als ihr eine Träne über die Wange rollte, beugte sich mein Freund zu ihr und umarmte sie. Augenblicklich krampfte sich der Geist meines Herzens zusammen.

Ich hätte mich inzwischen eigentlich an meine Lage gewöhnt haben müssen: Ich lebte die körperlose Existenz eines toten Mädchens, das wie eine verirrte Plastiktüte hinter seiner verloren geglaubten Zwillingsschwester Emma herflatterte. Ich beobachtete, wie sie mein Leben lebte, in meinem Zimmer schlief und mit dem Freund sprach, den ich nie wieder küssen würde.

An dem Abend, an dem Emma und ich uns zum ersten Mal treffen wollten, kam ich nicht zum Treffpunkt – weil ich ermordet worden war. Der Killer zwang Emma, meinen Platz einzunehmen, sonst werde er sie auch töten. Sie lebte nun schon seit Monaten mein Leben und versuchte, das Rätsel meines Todes zu lösen. Aber dass ich das alles wusste, machte es mir auch nicht einfacher, Momente wie diesen mitansehen zu müssen.

Als Thayer vor ein paar Wochen aus der Entzugsklinik nach Tucson zurückgekehrt war, hatte Emma zuerst geglaubt, er hätte mich umgebracht. Aber obwohl er an jenem Abend im Sabino Canyon bei mir gewesen war, ergaben ihre Nachforschungen – zu meiner großen Erleichterung –, dass er mich auf keinen Fall getötet haben konnte. Sie hatte auch die Unschuld meiner Adoptiveltern bewiesen, die allerdings ein ungeheures Geheimnis vor mir verborgen hatten – nämlich, dass sie meine leiblichen Großeltern waren. Unsere Mutter Becky war ihre Tochter. Sie hatte uns als Teenager bekommen, mich bei ihren Eltern geparkt, Emma geschnappt und die Stadt verlassen. Fünf Jahre später verließ sie auch Emma, die danach in Pflegefamilien aufgewachsen war.

Ich beobachtete, wie Thayer und Emma miteinander sprachen, bis ein lauter Auspuffknall ertönte. Emma riss den Kopf hoch und richtete den Blick auf einen braunen Buick, der mit laufendem Motor auf dem Parkplatz vor dem Café stand. Die Frau am Steuer wirkte verwahrlost. Ihr schwarzes Haar war wirr und ungepflegt, ihre Wangen fahl und eingefallen. Trotzdem spürte ich, dass sie einmal sehr hübsch gewesen war.

Als ich wieder zu Emma blickte, sah ich, dass ihre Hände zitterten. Ihr Kaffeebecher fiel auf den gefliesten Boden, der Deckel sprang ab, und lauwarmer Kaffee verteilte sich über meine schwarzen Ballerinas. Aber sie achtete nicht darauf.

»Oh mein Gott«, flüsterte Emma.

Und in diesem Augenblick wusste ich es: Die Frau war Becky, unsere leibliche Mutter. Ich erkannte sie aus Emmas Erinnerungen, obwohl sie noch viel zerlumpter war als vor dreizehn Jahren, als meine Schwester sie zum letzten Mal gesehen hatte. Und doch kam sie auch mir vertraut vor. Ich fragte mich, ob wir uns nicht vielleicht doch schon einmal getroffen hatten. Bislang hatte ich nur bruchstückhafte Erinnerungen an mein Leben. Immer wieder stiegen einzelne Szenen in mir auf, was sich meist durch ein verstörendes Kribbeln ankündigte. Auch jetzt fühlte ich mich ganz kribbelig, aber als ich die Augen schloss, war da nichts. Ich hatte erst am Abend meines Todes von Beckys Existenz erfahren. Mein Vater hatte sich am selben Abend heimlich mit ihr getroffen – hatte ich das etwa auch getan? Ich konzentrierte mich auf das Kribbeln und versuchte krampfhaft, mich an weitere Details dieser Nacht zu erinnern. Aber mein Verstand blieb leer und ich öffnete die Augen mit dunklen Vorahnungen und einem Gefühl des Schreckens.

Erst gestern Abend hatte mein Vater Emma gesagt, Becky habe Probleme und sei möglicherweise sogar gefährlich. Und als ich das Auto in einer Abgaswolke davonschießen sah, konnte ich nicht anders, als mich zu fragen, ob sie dazu fähig gewesen wäre, ihre eigene Tochter zu töten.

1

Drive-By-Mom

Emma Paxton starrte die Frau in dem Buick an. Zuerst sah sie nur eine hagere Person mit faltigem Gesicht, eingefallenen Wangen und trockenen dünnen Lippen. Aber dann kam ihr irgendetwas merkwürdig vertraut vor. Sie kniff die Augen zusammen und konnte sich plötzlich vorstellen, dass die wirren Haare der Frau wieder rabenschwarz glänzten. Und ihre Augen – diese Augen!

Ein elektrischer Schock durchzuckte sie. Unsere Augen sind das Schönste an uns, Emmy, hatte ihre Mutter immer zu ihr gesagt, wenn sie in einer der vielen schäbigen Wohnungen, in denen sie gehaust hatten, vor dem Spiegel gestanden waren. Sie sind wie zwei Saphire und mehr wert als alles Geld der Welt.

Sie keuchte auf. Das war …

»Oh mein Gott«, flüsterte sie.

»Was hast du gesagt, Sutton?«, fragte Thayer Vega.

Aber Emma hörte ihn kaum. Sie hatte ihre leibliche Mutter seit dem Tag vor dreizehn Jahren nicht mehr gesehen, an dem Becky sie im Haus einer Freundin zurückgelassen hatte und spurlos verschwunden war. Damals war sie fünf gewesen.

Die Frau schaute auf und ihre Augen – zwei blaue Saphire – bohrten sich in Emmas. Ihre Nasenflügel blähten sich wie die Nüstern eines erschrockenen Pferdes, dann knallte der Auspuff noch einmal laut, und das Auto schoss in einer dichten Abgaswolke davon.

»Nein!«, schrie Emma und sprang auf. Sie kletterte über das schmiedeeiserne Geländer, das die Terrasse des Cafés umgab, und kratzte sich dabei das Schienbein auf. Schmerz zuckte durch ihr Bein, aber sie hielt keinen Augenblick inne.

»Sutton! Was ist los?«, rief Thayer und eilte ihr nach.

Sie rannte dem Buick hinterher, der aus dem Parkplatz raste und nach links ins Viertel der Mercers abbog. Emma folgte ihm auf die Straße und achtete nicht auf die Autos, die an ihr vorbeizischten. Die Fahrer hupten wütend, und einer streckte den Kopf aus dem Fenster und brüllte: »Was zum Teufel machst du da?« Hinter sich hörte Emma Thayers keuchende Atemzüge und seine ungleichmäßigen Schritte. Er versuchte nach Kräften, trotz seines verletzten Beins mit ihr Schritt zu halten.

Der Buick bog in die Straße der Mercers ein und beschleunigte. Emma zwang sich, noch schneller zu rennen, obwohl ihre Lungen brannten. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie würde Becky noch einmal verlieren.

Vielleicht wäre das gar nicht so schlimm, dachte ich, immer noch verstört von meiner Beinahe-Erinnerung – oder wenigstens Vermutung. Was auch immer hier vorging, ich glaubte nicht, dass Becky in der Stadt war, um die Familie wieder zusammenzuführen.

Plötzlich quietschten Bremsen, und der Buick hielt so abrupt an, dass die Luft vom Geruch verbrannten Gummis erfüllt war. Ein paar Kinder, die auf der Straße Kickball spielten, schrien, und ein kleiner Junge stand nur Zentimeter vor der Kühlerhaube, einen leuchtend roten Ball in der Hand. Er war vor Schreck erstarrt.

»Hey!«, schrie Emma und sprintete zu dem Auto. Sie nahm die Abkürzung über den Rasen der Donaldsons, hechtete über ihre Kokopelli-Rasenskulptur und wich in letzter Sekunde einem sehr stacheligen Kaktus aus. »Hey!«, schrie sie noch einmal, stürzte sich auf das Auto und stützte sich am Kofferraum ab. Sie schlug gegen das Rückfenster. Die Auspuffgase dampften heiß gegen ihre Knie.

»Warte!«, schrie sie. Ihre Augen trafen Beckys im Rückspiegel. Ihre Mutter erwiderte ihren Blick und ihre Lippen teilten sich.

Einen Augenblick lang stand die Zeit still. Emma und ihre Mutter schauten sich im Spiegel an und der Rest der Welt war versunken. Der Junge rannte zum Bordstein und umklammerte seinen Ball. Vögel planschten im Vogelbad der Stotlers. Der Motor eines Rasenmähers grollte in der Nähe. Zögerte Becky, weil sie glaubte, Emma sei Sutton? Oder dachte sie an Emma und an all die schönen Erinnerungen, die sie beide teilten? Wie sie im Bett gesessen und Harry Potter gelesen hatten. Wie sie sich mit den Kleidern kostümiert hatten, die Becky in der Verschenkkiste des Second-Hand-Shops gefunden hatte. Wie sie sich bei Gewitter ein Zelt aus Decken im Wohnzimmer gebaut hatten. Fünf Jahre lang hatte es nur sie beide gegeben, Mutter und Tochter gegen den Rest der Welt.

Aber dann wandte Becky den Blick ab. Der Motor heulte wieder auf und der Buick schoss in einer Staubwolke davon. Emma würgte ein Schluchzen herunter. Sie wendete sich ab – und blieb wie angewurzelt stehen. Ein Polizeiauto war lautlos hinter ihr zum Stehen gekommen.

Der Fahrer kurbelte das Fenster herunter und Emma sog überrascht den Atem ein. Es war Detective Quinlan.

»Miss Mercer«, sagte Quinlan säuerlich, die Augen hinter seiner Pilotenbrille verborgen. »Was ist hier los?«

Emma drehte sich um und sah gerade noch, wie der Buick um die Ecke bog. Einen flüchtigen Augenblick lang hoffte sie, dass Becky wegen der Polizei abgehauen war und nicht, um ihrer Tochter zu entkommen. »War das eine Freundin von dir?«, fragte Quinlan und schaute ebenfalls zu dem Auto.

»Äh, nein. Ich dachte, ich hätte sie erkannt, aber ich … habe mich getäuscht«, sagte Emma lahm. Hätte nicht ein anderer Polizist in ihrem Viertel Streife fahren können? Quinlan wusste auch so schon viel zu viel über sie – zumindest glaubte er das. Er hatte eine dicke Akte über ihre Zwillingsschwester, hauptsächlich wegen der gefährlichen Streiche, die sie mit ihrer Clique, dem Lügenspielclub, abgezogen hatte. Einmal hatte Sutton zum Beispiel die Polizei alarmiert, weil sie angeblich einen Löwen auf dem Golfplatz gesehen hatte. Ein anderes Mal hatte sie behauptet, sie habe ein Baby in einem Müllcontainer schreien hören. Der Höhepunkt der Akte war der Streich, bei dem Suttons Auto auf einem Eisenbahnübergang »den Geist aufgegeben« hatte, um dann in letzter Minute wie durch ein Wunder wieder anzuspringen, kurz bevor ein Güterzug über die Stelle hinwegdonnerte.

Meine Freundinnen waren wegen dieses Streichs besonders sauer auf mich gewesen.

Sie hatten sich einen Rachestreich überlegt, der so grenzwertig gewesen war, dass ich selbst jetzt nur ungern daran dachte. Ein Video des Streiches, bei dem ein maskierter Angreifer mich gewürgt hatte, war im Internet gelandet. Und dieses Video hatte Emma zu mir geführt.

Quinlan kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Nun, falls du sie doch kennst, sag ihr, sie soll ab jetzt ein bisschen vorsichtiger fahren. Sonst verletzt sie noch jemanden.« Er schaute vielsagend auf die Kinderschar, die sie vom Bordstein aus interessiert beobachtete.

Emma wurde wütend. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und fragte: »Haben Sie nichts Besseres zu tun?« Provokation war Suttons Natur, und manchmal war es sehr befreiend, diese Eigenschaft ihrer Schwester zu übernehmen.

Thayer kam keuchend zu ihnen gerannt. »Hallo, Officer«, sagte er vorsichtig.

»Mr Vega.« Als Quinlan Thayer sah, wirkte er resigniert – er traute ihm genauso wenig wie Sutton. Thayer legte Emma beschützend die Hand auf den Arm.

Ich zuckte zusammen. Ich wusste, dass Thayer ihr nur beistehen wollte, aber ich war trotzdem eifersüchtig. Ich war nicht die Art Mädchen, die gerne teilte, nicht einmal mit meiner eigenen Schwester. Und vor allem nicht meinen Freund.

Endlich schüttelte Quinlan langsam den Kopf. »Bis dann, ihr zwei«, sagte er und fuhr davon.

Thayer fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Hatten wir das nicht schon mal? Aber wenigstens hat mich diesmal niemand angefahren.«

Emma lachte gezwungen. Am Abend, an dem ihre Schwester ermordet worden war, waren Sutton und Thayer zusammen im Sabino Canyon gewesen. Er hatte sich aus seiner Entzugsklinik in Seattle geschlichen, um Sutton zu besuchen, aber der Abend, der mit einem romantischen Mondscheinspaziergang begonnen hatte, war schnell zu einer Katastrophe geworden. Zuerst hatten sie Mr Mercer mit einer Frau reden sehen, die sie für seine Geliebte hielten. Danach hatte jemand Suttons Auto geklaut, Thayer angefahren und ihm dabei das Bein zertrümmert. Suttons Schwester Laurel hatte Thayer abgeholt und ihn ins Krankenhaus gebracht. Sutton war allein im Canyon zurückgeblieben. Dort hatte sie ihren Adoptivvater Mr Mercer getroffen, der ihr die Wahrheit über die Frau sagte, mit der er sich getroffen hatte: Ihr Name war Becky und sie war Mr Mercers Tochter – Suttons leibliche Mutter.

Aber was als Nächstes passiert war, wusste Emma nicht. Sie wusste nur, dass Sutton es nicht überlebt hatte. Und dass sie diesen Mord aufklären wollte. Emma versuchte schon seit ihrer Ankunft in Tucson, den Verlauf dieses Abends im Canyon zu rekonstruieren. Jeder Hinweis brachte sie der Wahrheit ein Stückchen näher, aber sie hatte immer noch keine Ahnung, wie das Rätsel zu lösen war. Sie hatte herausgefunden, dass Sutton, die über Mr Mercers Verrat wütend gewesen war, tiefer in den Canyon zurückgerannt war – aber wohin war sie danach gegangen? Wodurch war sie gestorben?

Emma schaute an sich herunter und sah, dass ein dünnes Rinnsal Blut von der Schramme an ihrem Schienbein in ihre Ballerina sickerte.

»Hier«, sagte Thayer mit einem Blick auf ihr Bein. Er nahm ein blaues Halstuch aus der Tasche, kniete sich neben sie und betupfte die Wunde vorsichtig. »Keine Sorge, es ist sauber. Ich habe das extra dafür dabei, um es Prinzessinnen in Not anzubieten«, fügte er grinsend hinzu.

Als das verblichene Stück Stoff sich vom Blut meiner Zwillingsschwester dunkel färbte, stieg eine Erinnerung in mir auf. Ich sah, wie Thayer mir mit gerunzelter Stirn dasselbe Tuch reichte, damit ich mir die Tränen abwischen konnte. Ich wusste nicht mehr, weshalb ich geweint hatte, aber ich wusste noch, wie ich mein Gesicht in dem weichen Stoff vergraben und den warmen, angenehmen Geruch von Thayers Körper eingeatmet hatte, der noch daran haftete.

»Und wer war das jetzt?«, fragte Thayer und band das Tuch fest um Emmas Knöchel, um die Wunde zu verbinden.

Emma suchte panisch nach einer Erklärung, einer weiteren Lüge. Aber dann schaute sie den Jungen an, der ihre Schwester geliebt hatte. Seine braunen Augen blickten weich und besorgt, und als sie den Mund aufmachte, kam nur die Wahrheit heraus. »Meine leibliche Mutter.«

Thayer blinzelte geschockt. »Ehrlich?«

»Ehrlich.«

»Woher wusstest du, dass sie es war? Ich dachte, ihr hättet euch nie gesehen?«

»Sie hat mir ein Bild von sich hinterlassen«, sagte Emma und dachte an die Botschaft, die Becky im Horseshoe Diner gelassen hatte.

Ein paar schreckliche Tage lang hatte Emma geglaubt, Mr Mercer habe Sutton getötet, um sie daran zu hindern, seine Affäre zu enthüllen. Da sie wusste, dass Sutton Mr Mercer mit einer Frau im Canyon gesehen hatte, war sie in sein Büro eingedrungen, hatte seine Papiere durchsucht und herausgefunden, dass er heimlich Geld an eine Frau namens Raven überwies. Sie hatte ein Treffen mit Raven in ihrem Hotel arrangiert, aber die geheimnisvolle Frau hatte sie auf eine Schnitzeljagd geschickt, die mit einem Brief in einem Diner endete. Raven hatte den Brief und ein Foto von sich dort gelassen – von dem sie Beckys Gesicht angestarrt hatte. Raven/Becky war verschwunden, aber Mr Mercer war im Diner aufgetaucht und hatte Emma alles erklärt.

Dies war auch der Grund gewesen, aus dem Emma sich mit Thayer zum Kaffeetrinken verabredet hatte. Sie wollte ihm sagen, dass nicht Mr Mercer derjenige gewesen war, der ihn im Sabino Canyon angefahren hatte – und dass die Frau, mit der er Mr Mercer gesehen hatte, in Wahrheit ihre leibliche Mutter war.

»Sie war es, Thayer. Das weiß ich genau«, wiederholte Emma.

»Ich glaube dir«, sagte er leise.

Hinter ihnen ratterte eine Garagentür, und sie gingen beiseite, um einen frisch gewachsten Lexus durchzulassen, der an ihnen vorbei rückwärts auf die Straße fuhr. Sie blieben einen Augenblick lang schweigend stehen.

»Packst du das?«, fragte Thayer schließlich.

Emmas Kiefer zitterte. »Sie sah … krank aus, oder?«

»Sie muss krank sein, wenn sie nicht mit dir reden will.« Thayer streckte die Hand aus und drückte ihren Arm, allerdings nur kurz, als habe er Angst, die Geste sei zu intim. Er nickte verlegen zurück in Richtung des Cafés. »Ich sollte besser nach Hause gehen. Aber, Sutton …« Er zögerte wieder. »Wenn du über die Sache reden willst, bin ich immer für dich da. Das weißt du, oder?«

Emma nickte gedankenverloren. Erst als Thayer schon drei Straßen entfernt war, merkte sie, dass sein Tuch immer noch um ihren Knöchel geknotet war.

Ich sah ihm nach. Vielleicht hatten er und Emma ja recht. Möglicherweise verhielt sich Becky seltsam, weil sie krank war. Aber ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass ich ihr Gesicht schon einmal gesehen hatte, und zwar als ich noch lebendig und nicht Emmas schweigender Schatten gewesen war.

Ob es wohl das letzte Gesicht gewesen war, das ich lebend gesehen hatte?

2

Gut, böse, sexy

Später am selben Tag parkte Emma Suttons Oldtimer-Volvo vor den Old Tucson Filmstudios. Ein heruntergekommener alter Western-Saloon lag vor ihr, komplett mit hölzernen Schwingtüren. Es stank sogar heftig nach Alkohol. Daneben befanden sich ein Bankgebäude mit Einschusslöchern, ein Pflock zum Anbinden der Pferde und ein Haus, das ein Bordell sein musste, zumindest den dick geschminkten Frauen nach zu urteilen, die sich auf der Veranda Luft zufächelten. In den 1950er- und 1960er-Jahren hatte das Studio als Kulisse für Western gedient, aber jetzt war es ein Vergnügungspark, ein Wildwest-Disneyland voller Touristen. Ethan Landry – Emmas Freund und außer Suttons Mörder der einzige Mensch in Tucson, der ihre wahre Identität kannte – hatte vorgeschlagen, sie sollten sich hier treffen, statt wie sonst auf dem öffentlichen Tennisplatz in Suttons Viertel.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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